Unterricht in der Blechbaracke - Im Westjordanland geraten die Beduinen immer wieder zwischen die Fronten. Sie werfen Israel vor, sie zu verdrängen - weil jüdische Siedler mehr Platz beanspruchen. - Alexandra Föderl-Schmid, Abu-Nuwar

Rundherum ist nur Wüste, aber Abu Emad Jahdin kennt den Weg. Mit seinem kleinen, verbeulten Auto fährt er über eine mit Steinen gespickte Schotterpiste, einige Hügel hinauf und hinab, dann sind die ersten Blechhütten zu sehen. Hier liegt die Beduinensiedlung von Abu-Nuwar, elf Kilometer von der Altstadt von Jerusalem entfernt. Über mehrere Quadratkilometer verstreut leben hier mehrere Dutzend Familien. Wasser kommt über eine Pipeline vom benachbarten Ort Arab al -Jahalin, Strom von der etwas weiter entfernten palästinensischen Stadt al-Eizariya.

Der Beduinenführer hält auf einer Art Plateau, springt aus dem Fahrzeug und eilt durch eine Ziegenherde hindurch. Das schwarze Hemdkleid reicht ihm bis zu den Knöcheln. Im Wind weht das Palästinenser-Kopftuch, der Kufiya. Er strebt einem eingezäunten Bereich zu: Hinter dem Zaun stehen eine Blechhütte, ein größerer Container, eine Kinderrutsche, zwei Plumpsklos und ein Wassertank. Das ist der Kindergarten von Abu-Nuwar, hier werden auch die Schüler der ersten beiden Schulstufen unterrichtet.

Israels Beduinen leben oftmals zwischen den Fronten
- "Das hier war unsere Schule für die dritte und vierte Klasse, für 26 Schüler." Abu Ehmad Jahdin zeigt auf einen riesigen Haufen außerhalb des Zauns: Reste von Ziegeln und größere Blechteile sind zu erkennen. Dazwischen liegt ein Schild mit der europäischen Flagge: "Finanziert von der EU, Zivilschutz und humanitäre Hilfe". Darunter sind Logos von verschiedenen Entwicklungshilfeorganisationen aus Belgien, Irland, Italien, Spanien, Schweden und Luxemburg zu sehen. "Zum sechsten Mal zerstört innerhalb von zwei Jahren. Das ist alles, was die Bagger übrig gelassen haben", sagt der 44-Jährige, der mit seinem wettergegerbten Gesicht und seinen Zahnstummeln deutlich älter aussieht als er ist.

Dann zählt Abu Emad Jahdin auf, welche Gebäude von 2005 an in der Beduinensiedlung zerstört wurden und wie viel der Wiederaufbau gekostet habe. 2016 habe der französische Staat acht Caravan-Wagen und zwei Zelte bezahlt, sogar von der Botschaft sei jemand zur Eröffnung da gewesen. "Eine Woche später kamen israelische Soldaten, haben alles demoliert und die Zelte konfisziert." Zuletzt habe die EU 30 000 Euro für die Schule zur Verfügung gestellt, "geblieben sind Schutt und Blech".  >>>



 

 

70 Jahre Nakba - Vertreibung der Palästinenser geht weiter - Das israelische Besatzungsregime hat, unterstützt von der Justiz, der Zerstörung eines ganzen Beduinendorfes in der besetzten Westbank zugestimmt. Betroffen ist das palästinensische Dorf Khan Al-Ahmar.

Die nun erfolgte Abrissanordnung ist Teil des Baus von 2.500 neuen völkerrechtswidrigen Siedlungswohneinheiten, die letzte Woche angekündigt worden sind. An der Stelle des Beduinendorfes soll eine jüdische Siedlung entstehen. In Khan Al-Ahmar sind 181 Menschen beheimatet, 53% sind Kinder und 95% Flüchtlinge. 

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Khan Al-Ahmar-Gemeinde Opfer der israelischen Besatzung. Von 2006 bis Mitte September 2017 zerstörten die israelischen Besatzungstruppen 26 Häuser. So wurden 132 Menschen obdachlos, 77 der Betroffenen sind Kinder. Sechs Gebäude zur Nutzung wurden ebenfalls abgerissen. Die Gemeinde liegt im C-Gebiet der besetzten Westbank. Damit ist das israelische Militär zuständig und die Menschen müssen unter erschwerten Bedingungen leben. So weigerten sich die israelischen Behörden, die Gemeinde an das örtliche Stromnetz anzuschließen, auch wurde der direkte Zugang zum Dorf von der Hauptstraße gesperrt und damit abgeschnitten. Der Bau einer alternativen Zugangsstraße zum Dorf wurde verweigert. 

Die nun erteilte Abrissanordnung betrifft auch eine EU-finanzierte Schule, in der 170 Schüler bzw. Studenten aus Khan Al-Ahmar und anderen Beduinengemeinschaften unterrichtet werden. 

Diese Abrissanordnung, die Teil der israelischen Siedlungspolitik ist, stellt eine schwere Verletzung des Völkerrechts dar, insb. der Art. 49 und 53 der Vierten Genfer Konvention. Die gewaltsame Vertreibung von Menschen in besetzten Gebieten könnten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Das Präsidentenbüro von Präsident Abbas verurteilte die israelische Abrissanordnung scharf. In einer Erklärung heißt es: „Diese Politik der ethnischen Säuberung stellt eine der schlimmsten Formen der Rassendiskriminierung dar. Sie ist zum vordringlichen Merkmal der Praktiken und Entscheidungen der israelischen Regierung und ihrer Instrumente geworden. (…) Das einzige Ziel dieser verabscheuungswürdigen rassistischen Politik ist, die legal ansässigen palästinensischen Bürger von ihrem Land zu entwurzeln, um es zu kontrollieren und mit seinen Siedlern zu besiedeln.“

Auch PLO-Generalsekretär Dr. Saeb Erekat verurteilte den Schritt der israelischen Regierung: "Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie das israelische Justizsystem die Besatzung Palästinas konsolidiert und die ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes unterstützt. Diese Entscheidung kommt, da mehrere Mitglieder der Internationalen Gemeinschaft kürzlich internationale Foren, wie den Menschenrechtsrat nutzten, um das israelische Justizsystem zu loben. Oder aber auch wie wir in der Erklärung des EU-Vertreters Israels an diesem Tag gehört haben, der einen Tag nach der Gerichtsverkündung erklärt hat, dass die EU und Israel 'die gleichen Werte von Demokratie, Respekt für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit teilen'." Quelle

Den Volltext der Erklärung von Dr. Saeb Erekat erhalten Sie in englischer Sprache hier.