THEMEN ARCHIV FACEBOOK Sonntag, 25. Oktober 2020 - 16:53AKTUELLE TERMINE LINKSTaeglich neu - Nachrichten, Texte die in den deutschen Medien fehlen. Politisch unabhaengig, gegen Gewalt und Rassismus, einem gerechten Frieden verpflichtet
Palestine Update Nr. 203 – Meinung - Ranjan Solomon - Die palästinensische politische Narrative verstehen - In dieser Ausgabe von Palestine Updates bringen wir Ihnen einen Artikel mit dem Titel „Die politische Dimension der palästinensischen Narrative wiedergewinnen“ von Al Shabaka – The Palestinian Policy Network. Dieser Kommentar möchte über die speziellen Rahmenbedingungen für die Fortsetzung des Befreiungskampfes trotz der Kapitulation der PLO in Oslo Klarheit schaffen, namentlich über die Annäherung an auf dem Recht basierende Befreiung, und fügt seine Für und Wider an. Er wurde anlässlich der 25. Wiederkehr der Gründung der PA herausgebracht.
„Al Shabaka ist ein „Think-tank ohne Grenzen – dessen Mission es ist zu, die öffentliche Debatte über die Menschenrechte der Palästinenser und ihre Selbstbestimmung im Rahmen des Völkerrechts auszubilden und zu pflegen.“ „Man verlässt sich auf das umfangreiche Wissen und die Erfahrung der Palästinenser, ob unter Besetzung, im Exil, oder in Israel, um so das breiteste Spektrum an Perspektiven ins Gespräch über Politik und Strategie zu bringen“ und „Ideen und Strategien für die Lösung des israel-palästinensischen Konflikts zu kommunizieren – an interessierte Parteien weltweit“. Palestine Updates wurde ermutigt, Al-Shabaka aufzunehmen.
Dieses ist ein etwas langes Stück zu lesen, aber jede Minute, die Sie in die Analyse und die sich daraus ergebenden Entwürfe investieren, ist es wert. Ranjan Solomon
Die politische Dimension der palästinensischen Narrative wiedergewinnen - Die „Palestine Liberation Organization“ (PLO), einst die Verkörperung der palästinensischen Befreiungsbewegung, hat sich in der Tat in eine Nicht-herrschende juridische Person – die „Palestinian Authority“ (PA) verwandelt – die als Wärter einem Archipel von Gefängnissen in der besetzten West-bank vorsteht. Der durch diese Transformation entstandene Bruch hat in der palästinensischen Gesellschaft in der ganzen Welt eine Reihe von Brüchen in der Geschichtsschreibung Palästinas verursacht. Anlässlich des 25. Jahrestages der Errichtung der PA nimmt dieser Kommentar einen der bezeichnendsten Rahmen für die Weiterführung des Befreiungskampfes trotz der Kapitulation der PLO in Oslo auf, nämlich de Annäherung an die Befreiung auf Rechtsbasis - und er wägt seine Für und Wider ab.
Im Kontext der Gemeinsamkeiten der Menschen ist „Narrative“ die bedeutungsvolle Geschichte für „uns“: wer wir sind, woher wir kommen, wohin wir gehen, und warum. Wo immer fremde Herrschaft im Spiel war, kamen ausnahmslos anti-koloniale nationalistische Strömungen auf den Plan; sie brachten oft Narrativen mit, die eine idyllische vor-koloniale (und anachronistisch nationale) Vergangenheit vorgaukelten. Diese Vergangenheit, erzählt uns die Narrative, wurde durch die Brutalität der Kolonisatoren erschwert und kann nur überwunden werden durch einen heroischen anti-kolonialen Kampf, der zur Befreiung führt. Solch eine Befreiung wird sehr oft in Form eines unabhängigen, souveränen und ausnahmslos nationalen Staates phantasiert.
Das „Politische“ ist die Manifestation der Macht in einer sozialen Körperschaft. Wie diffus immer diese Macht sein mag, sammelt sie sich rund um besondere, interagierende Achsen, um komplexe und konzentrierte Hierarchien von Privilegium und Abgehobenheit zu schaffen und konditionieren dadurch das Ausmaß, in dem Gruppen und Individuen ihre eigene Geschichte machen können.
In der Tat, das Politische ist die sich ständig verändernde Ansicht des Kampfes. Im kolonialen Kontext erreichen die national-rassistischen Achsen der Macht sowohl bei den Kolonisatoren wie auch den Kolonisierten ein solches Übergewicht in den Narrativen, dass sowohl Kolonisatoren wie auch einheimische Gesellschaften in ihrer Erscheinung flach gemacht werden: Innere Unterwerfungsstrukturen wie die männliche Vorherrschaft in beiden Gesellschaften werden aus der nationalen Narrative ausgebügelt und an ein utopisches zukünftiges Datum verwiesen, einen „Unabhängigkeits-tag“, wenn die „primäre“ (lies koloniale) Achse der Unterwerfung zu existieren aufhört.
In den meisten Fällen quer durch Asien, Afrika, Lateinamerika zog der postkoloniale Übergang die Transformation der Führerschaft der Befreiung zu einer neuen Form von Despotismus nach sich. Diese Führerschaften nahmen den Kampf zum Vorwand, um sich durch Korruption zur Autorität als souveräner Staat im neokolonialen – und seit den 1980ern auch neoliberalen – Kontext zu mausern. Für Palästinenser dienen diese neuen Formen von struktureller Domination und Verelendung zur Ergänzung der Brutalität einer laufenden siedler-kolonialen Ausdehnung, die nur intensiviert wurde mit der Beifügung von PA-Strukturen als Israels vorderster Linie der Verteidigung in Übereinstimmung mit dem Osloer Friedensprozess.
Auf Rechte basierende Annäherung: Abtreten des Politischen an die PA - Auf der Suche nach einem Durchbruch durch die vom Osloer Abkommen geschaffene Sackgasse und das wahrhafte Ungleichgewicht der militärischen und diplomatischen Macht, das zu diesem historischen Akt der Unterwerfung führte, sahen einige Palästinenser, die strategisch im aufkeimenden NGO-Sektor gelagert waren, Möglichkeiten der Befreiung durch das Regime des internationalen Rechts. Geschockt durch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges förderte dieses Regime die Rechte der Einzelpersonen und Zusammenschlüsse, frei zu sein von willkürlicher Grausamkeit und Beherrschung. Die Annahme der Palästinenser der auf „Rechte basierenden“ Strategie, um der Osloer Sackgasse entgegen zu wirken, zielte darauf hin, das internationale Monopol der PA für die Repräsentation der Palästinenser beiseite zu schaffen. Die Annäherung brachte Gruppen und Einzelpersonen quer durch das politische und institutionelle Spektrum zu einem Amalgam, das sich selbst als „Palästinensische Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Dieser Strom vermied es, politische Repräsentanz durch Palästinenser zu verlangen und fokussierte stattdessen auf ihre „zivile“, moralisch-rechtliche Repräsentanz. Die PA und die „Zivilgesellschaft“ fingen also einen delikaten „Dabkeh“ an (= ein palästinensischer Schreittanz): Die Anwaltschaft für die auf Rechten Basierenden würde vermeiden, auf politische Zehen zu treten und es der PA überlassen, die Kampagnen aufzunehmen, die in ihre Narrative als Verantwortliche für palästinensische nationale Angelegenheiten passten, aber ihre Füße gleichzeitig fest auf den pragmatischen Anti-Prinzipien der Teilhabe und dem andauernden Friedensprozess haben.
Die Strategie dieser auf Rechte basierenden Zivilgesellschaft ist sehr erfolgreich geworden, wie am besten durch das unterstützende Momentum der BDS-Kampagnen (Boykott – Investitions-Rückzug – Sanktionen) als Beispiel angeführt werden kann trotz der Führungskrise über die Rechtmäßigkeit beider, der PLO und der PA, die in vergangenen Jahrzehnten die Politik der Palästinenser blockiert hat. Ich unterstreiche das Wort „trotz“, denn die Führung der PA hat regelmäßig Maßnahmen durch-geführt, um die Kampagne-Arbeit für BDS zu unterlaufen. Erfolge der Rechte-Basierenden sind jedoch auch teuer geworden: Indem der palästinensische Kampf seinen Schwerpunkt in den Rahmen der Rechtmäßigkeit legt – mindestens auf internationalem Gebiet – verliert das Risiko seine grundsätzlich politische Natur.
Als Beispiel mag das an der Phrase festgemacht werden: „Wir fordern das Rückkehr-Recht“. Das ist eine Formulierung, in der das Faktum nicht vorkommt, dass vertriebene Palästinenser das Recht auf Rückkehr bereits haben. Die politische Forderung ist für die aktuelle Rückkehr von vertriebenen Palästinensern gemeint, und damit für alle politischen Konsequenzen für ein koloniales Projekt, das diese Rückkehr verweigert aus Gründen einer rassistischen, demographisch kunstfördernden (supre-matistischen) Umgestaltung willen. Wenn jemand dich entführt, ist das Problem nicht, dass dein Recht auf Freiheit verletzt ist, sondern, dass du nicht mehr frei bist.
Die breiteren Verwicklungen von einem „Abtreten des Politischen“ an die PA ist in internationalen Arenen nicht darauf begrenzt, wie wir die Objektiven der palästinensischen Befreiung anlegen und benennen, wie „Rückkehr fordern“ gegen „das Recht auf Rückkehr fordern“. Wenn der nationale Aspekt Priorität in der PLO-PA-Narrative hat („Wir sind die palästinensische Nation, wir sind zu einem palästinensischen Staat berechtigt“), welche Schauplätze haben wir dann, um Klasse, Gender, sexuelle Freiheit innerhalb der Gesellschaft weltweit zu diskutieren? Wie beziehen wir uns auf regionale und globale Kämpfe um sozi-politische Gerechtigkeit, und wie wünschen wir, dass sie sich auf uns beziehen - eine Frage, die besondere Wichtigkeit gewinnt, weil die meisten Palästinenser die Vertreibung in der fortdauernden Nakba erfahren haben und weiterhin den Befreiungskampf jenseits der Grenzen des Gebietes unter israelischer kolonialer Kontrolle führen.
Zum einen nimmt uns das Fokussieren nur auf den Formalismus des Gesetzes die Sprache und den Raum weg, solche Fragen durchzudenken. Zum anderen haben solche rechtliche Rahmen eine signifikant bestimmende Wirkung auf die politischen Bewegungen und Körperschaften, mit denen wir umgehen und – das ist entscheidend – wie und auf welcher Basis wir solche Allianzen und Solidaritäten schmieden. Die wohl-etablierte „ American Civil Liberties Union“ (ACLU) kann ein mächtiger und sehr begrüßenswerter Alliierter sein beim Zurechtkommen mit der Welle einer konstitutionellen Rechtsverletzung, mit der z.B. Organisatoren von BDS in den Vereinigten Staaten zu tun haben. Jedoch ist da eine klare Linie, über die hinaus eine professionelle Institution mit einem Rechtsmandat wie der ACLU nicht gehen kann – eine Linie, die viel kurz greift, um ihr Gewicht öffentlich für eine solche „kontroverse Sache“ wie die palästinensische Befreiung einzusetzen.
Eine organisierte Volksbewegung wie die „Dream Defenders“ (= Verteidiger des Traumes) steht keinen solchen Zwängen gegenüber. Sie engagiert sich nicht mit der Befreiung von Palästina als Ergebnis des Hervorkehrens von Teilaspekten der internationalen Exegese der Rechtslage, wie sie von der palästinensischen Zivilgesellschaft bearbeitet wird. In der Analyse der Dream Defenders ist der Kampf der Palästinenser ein politischer Kampf gegen die rassistisch-koloniale Ungerechtigkeit, die gleichzeitig einer „speziellen Verwandtschaft“ mit dem rassistischen siedler-kolonialem Staat ähnelt und diesen genießt, dem die Dream Defenders in ihren eigenen Kämpfen begegnen. Die Linie zwischen institutioneller Bestätigung und Solidarität im Kampf ist selten eine feine: Es ist der Unterschied zwischen sorgfältig kalkulierten Beiträgen der wohl-etablierten und der körperhaften Solidarität jener, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten.
Die auf Rechten basierenden, vornehmen Politiken nach dem Gesetz und legalen Institutionen haben der palästinensischen „Zivilgesellschaft“ einen Weg rund um die Osloer Sackgasse angeboten, die ihren Führern und jenen unserer einzigen legitimen Vertretung den Zugang zu Politikgesellschaft erlauben. (Facebook Link: =46782b5ac6&e= ) Das ist auf Kosten der nieder angelegten Schranke geschehen, das heißt, einer Situation, in der das internationale Rechts-Regime nicht nur den Plafond unserer politischen Forderungen bestimmt, sondern die Sprache, in der wir darüber nachdenken und uns vorstellen, was Befreiung für uns bedeutet. Diese niedere Schranke oder die Legalisierung und Entpolitisierung der palästinensischen Politik hatte bedeutet, dass hoch professionalisierte Institutionen – jener wie die ACLU, die das meiste zu verlieren hat in Bezug auf Kopfschmerzen wegen Zugang, Fundierung und Öffentlichkeitsarbeit – sowohl Wahlpartner wie auch Modelle für unser eigenes politisches Organisieren, wenn wir uns für auf Rechten basierende „Anwaltschaft“ engagieren.
Es ist ein weiterer Grund, warum die PA keine Bedrohung von auf Rechten basierenden Kampagnen für ihre Rolle als vorderste Linie der Verteidigung in Bezug auf israelischen Siedler-Kolonialismus fürchten: Solche Kampagnen arbeiten mit der gleichen Logik, Sprache und Begrenzungen des vornehmen Kompromisses, wie sie die PLO angewandt hat, als sie sich in Metamorphose zur PA verwandelte. Wir tun gut daran, uns zu erinnern, dass jeder größere Sieg der Palästinenser nicht errungen wäre ohne die Opfer der gestrandeten Hanthalas (türkische Flüchtlinge) in der palästinensischen Gesellschaft innerhalb oder außerhalb des Mandatsgebietes von Palästina. Obwohl Leute Hanthala-Kettchen um den Hals tragen, die mehr wert sind als was die Familie dieser Kinderflüchtlinge für einige Monate zum Leben hat, dürfen wir uns nicht erlauben zu vergessen, dass jede größere palästinensische Kapitulation das Produkt der vornehmen Kompromisse der höflichen Gesellschaft war.
Bedenken Sie z.B. die zentrale Lage der Arbeiter und Bauern im Generalstreik von 1936 und dem bewaffneten Aufstand, der bis 1939 dauerte, und die Rolle der großen palästinensischen Landbesitzer-Familien bei der Beendigung beider Massenbewegungen. Man kann auch den libanesischen Geheimdienst (das gefürchtete „Deuxième Bureau“) vergleichen mit der derzeitigen Rolle der „Botschaft“ der PLO im Libanon, die Versammlungen des Geheimdienstes und die Überwachung der Palästinenser in diesem Land ermöglicht – In den 60erjahren hatte sich die palästinensische Flüchtlingsbewegung erhoben, um den Libanon aus den Lagern zu vertreiben. Es passt sehr gut in diesen Artikel, die Massenbewegung von Palästinensern an allen Seiten der „Grünen Linie“ dazu in Kontrast zu stellen, die in den 1970erjahren begann und mit der Intifada 1987 einen Höhepunkt mit der Rolle der betuchten palästinensischen Elite im Vorantreiben eines „Friedens für die Tapferen“ erreichte.
Wo bleiben dabei die BDS-Kampagnen? Wenn überhaupt braucht dieses mehr Teilnahme von und Unterstützung für BDS, besonders durch jene, die ihre politischen Möglichkeiten und die Begrenzungen ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen erkennen. Es liegt jenseits des Mandats der BDS-Kampagnen, sich an die Sozialpolitik der palästinensischen Gemeinden zu wenden, mehr noch, über die Praktiken der Befreiungsstrategien und „Lösungen“ zu bestimmen. BDS-Organisationen fordern nicht – und können das tatsächlich auch nicht – repräsentative Organisationen oder Parlamente zu sein, und da sie überwiegend auf dritte Parteien zielen – Körperschaften, Investment-Fonds, kulturelle Institutionen, zwischenstaatliche Vereinbarungen – die weder der israelische Staat noch sein palästinensisches Quisling-Regime sind, können sie im Großen und Ganzen auch nicht für verantwortlich gehalten werden für die Fehlschläge der Befreiungsbewegung.
Es ist übrigens ebenso wichtig zu realisieren, dass der Versuch, Israel für moralisch und rechtlich auf internationaler Höhe für verantwortlich zu halten, keine Politik in und aus sich selbst zu machen, und schon gar nicht eine Befreiungsstrategie. Es ist eine Hilfstaktik, die bestenfalls hilft, das Spielfeld für den politischen Kampf zur Beendigung des zionistischen kolonialen Siedler-Projekts zur bereiten, der einen exklusiven und patriarchalischen Ethno-Status auf Palästina wirft. Was ich hier betonen wollte, sind die Fallen, eine Taktik hervorzuheben – die Benutzung internationaler legaler Foren und Institutionen zu Unterstützung von Handlungszielen der Befreiung – zum Status der Befreiungs-strategie. Es ist es wert hier anzuführen, dass die Taktik des „bewaffneten Kampfes“ sich eines ähnlich abgehobenen Status erfreut wie die Strategie der „Silberkugel“, die Palästina befreien würde.
Nach der Narrative einer politischen Mobilisierung suchen, um die Befreiung zu erreichen. - Wie erwähnt: Wenn Befreiungsbewegungen ihre Befreiungsstrategien und Narrativen auf institutionalisierte internationale Solidaritäten gründen, sind sie gezwungen, der Sprache und Logik dieser Institutionen zu entsprechen. Eine der besten historischen Illustrationen dazu kommt aus den Erfahrungen der PLO selbst. Nach dem Krieg von 1967 erreichte das Prinzip der Teilung Palästinas den Status der „internationalen Übereinstimmung“ durch die Interpretationen der Resolution 242 des UNO-Sicherheitsrates. Einige arabische Staaten waren allzu eifrig, um in die Umgehung der PLO zu steigen und für die Palästinenser zu sprechen, indem sie diesem Konsens im Namen der Palästinenser zustimmten. Die Teilung wurde wirkungsvoll gesetzt als die Vorbedingung für die internationale Anerkennung der PLO als die einzige legitimierte Vertreterin des palästinensischen Volkes und die Führerschaft der PLO sah diese Legitimierung als Vorbedingung für die Befreiung. In anderen Worten: Es hätte keine „Kanonen und Olivenzweig-Rede“ von Yassir Arafat bei der UNO-Generalversammlung im November 1974 gegeben, wenn die Arabische Liga nicht hinter der PLO als Trägerin des palästinensischen politischen Monopols beim Rabat-Gipfel einen Monat früher gestanden hätte. In der Folge hätte diese Anerkennung nicht stattgefunden, hätte die PLO ihrerseits dem Zehn-Punkte-Programm zur Teilung von Palästina im Juni 1974 nicht offiziell zugestimmt.
Auch wenn wir im Rückblick darauf schauen können, können wir Arafat nicht die komplette Schuld am Erkennen der Schwäche der PLO im internationalen Ungleichgewicht der Macht zuschreiben, und die Gefahren, dass andere mächtigere Körperschaften die Selbstdarstellung usurpieren würden, um die zu erreichen die Palästinenser so viel geopfert haben. Ähnlich hatten palästinensische politische Organisatoren in den 2000ern einen Weg zu finden, um die harte Realität zu umgehen, dass das Programm von 1974 die Transformation der palästinensischen politischen Führerschaft in ein Anhängsel der siedler-kolonialen Macht in Bewegung gesetzt hat, während es sein Monopol auf die palästinensische politische Vertretung behielt. Ebenso: Wenn wir in Milieus der globalen Zivilgesellschaft operieren wollen, müssen wir die Sprache des Völkerbunds und den internationalen Konsens als gemeinsame Basis für Kommunikation und Entscheidungen-Treffen beherrschen; wir können nicht Standard-Träger der auf Rechten basierenden Kampagnen dafür schuldig sprechen, dass sie alles tun, was sie können, um den internationalen Konsens über Menschenrechte anzuwenden, um Israel anzuhalten, für seine Verletzungen einzustehen.
Eher, als nach einem Ziel für die Schuld zu suchen hoffe ich stattdessen, die Dringlichkeit zu übermitteln, Foren und Aktionen zu fördern, in denen politische Fragen im Zentrum stehen statt der Fesseln von Staatsinteressen und internationalem Konsens. Das ist kein Ruf, das Völkerrecht komplett außer Acht zu lassen. Stattdessen steht es für die Rückkehr zum ursprünglichen Geist der Zweiten Intifada, als die Führer, die die „palästinensische Zivilgesellschaft“ werden wollten, zugleich sowohl die Anfänge von BDS formulierten wie auch Wege, das internationale Rechtssystem einzusetzen, um die politische Sackgasse von Oslo zu umgehen. 2004, als der Internationale Gerichtshof seine Verfügungen über die Konsequenzen der israelischen Trennungsmauer herausbrachte, war der inzwischen berühmte Romanschriftsteller China Miéville daran, sein Buch „Between Equal Rights“ (= zwischen gleichen Rechten) fertigzustellen. Nachdem er sich damit vertraut gemacht hatte, wie palästinensische Politikorganisatoren auf diese historische Verfügung zu antworten, fügte Miéville folgendes zu seinem Manuskript hinzu, bevor es in die Presse ging:
… genau Acht habend auf die politische Realität, die das Nachdenken und die Darstellung des Völkerrechts untermauert, sind die Palästinenser vorbereitet, die Konformität zum Völkerrecht ihres sehr internationalen legalen Sieges selbst einzurichten und werden stattdessen versuchen, ihn zu benutzen, um über das Gesetz hinaus die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Es versteht sich, dass es öffentlicher Druck von unten eher als Völkerrecht ist, der die beste Hoffnung für die palästinensische Sache darstellt, und dass die „progressivste“ internationale Rechtsentscheidung am besten entwickelt ist insofern als sie den Rahmen des Völkerrechts verlässt.
Miévilles Wahl der Phrase „öffentliche Meinung“ gilt für die Arten von politischer Massen-Mobilisierung, auf die in diesen Jahren international zurückgegriffen wurde als „Globalisierung der Intifada“ – eine Mobilisierung, die weit über den Kampf, einen Staat zu bekommen, hinausging, in welchem palästinensische VIPs sehr unwichtige Personen ohne siedler-kolonialistisches Dazwischentreten ausbeuten konnten. Globalisierung der Intifada war die Politik der Flüchtlings-Rückkehr-Demonstrationen von 2011 und ist die Politik der ähnlichen, aber viel mehr getragenen Rückkehr-Märsche im Gazastreifen während der letzten Monate gewesen. Eine solche Mobilisierung hat die phantasievolle Narrative befeuert, zu glauben, man könne einen Staat erreichen durch die Freundlichkeiten eines internationalen Befehls, der niemals eine Neigung gezeigt hatte, seine eigenen moralisch-rechtlichen Standards in Bezug auf Israel zu verschärfen. Wieder waren es die gestrandeten Hanthalas, die mit ihren Leibern die Linie hielten, während die „Herren“ investierten, was von ihren zerfetzten Körpern für einen besseren Dienst in VIP- Lounges übrig war.Es ist Zeit, dass die der globalen Intifada zugrunde liegenden Politiken als oberste in der Anpassung behandelt werden, wie wir das Völkerrecht als eines der vielen Instrumente für den Kampf benutzen, und nicht anders herum. Die Narrative, die uns klar für den Zweck einer politischen Mobilisierung in Richtung auf menschliche Befreiung zu sehen und zu handeln hilft, muss die zentrale Lage einnehmen – nicht die Narrative, die unseren nationalen „auf Recht basierenden“ Opferstatus zur Schau stellt vor den Privilegierten einer höflichen Gesellschaft in der Hoffnung, dass die palästinensische Elite sich einen guten Sitz sichern kann, von wo aus sie die groteske Orgie der Ausbeutung genießt, die unsere Welt konsumiert. Quelle Quelle Update (Übersetzung Gerhilde Merz)
16. 1. 2019
Der neue neue Antisemitismus
Richard Falk
26. 11. 2018
Verstecken von Israels Staatsverbrechen hinter falschen Behauptungen der OpferdarstellungenIch und viele andere werden heutzutage Opfer. Sie werden als Antisemiten bezeichnet, und in einigen Fällen auch als selbsthassende Juden. Dies ist ein zionistischer und israelischer Versuch, unsere Stimmen zu unterdrücken und unseren gewaltfreien Aktivismus zu bestrafen, mit einem speziellen Gift, das sich gegen die BDS-Kampagne richtet, weil sie in den letzten Jahren so effektiv geworden ist. Dieses negative Branding der Opposition wird als "der neue Antisemitismus" bezeichnet. Der alte Antisemitismus war einfach Hass auf Juden, der sich in negativen Bildern und Einstellungen sowie diskriminierenden Praktiken, Verfolgung und Selbstjustiz ausdrückte. Der neue Antisemitismus ist Kritik an Israel und dem Zionismus, und er wurde von Regierungen unterstützt, die Israel freundlich gesinnt sind, und von einer Vielzahl prominenter jüdischer Organisationen unterstützt, darunter einige, die mit Überlebenden und Erinnerungen an den Holocaust in Verbindung gebracht werden. Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, hat diesen Druck der Verteidiger für Israel ziemlich deutlich gemacht, wenn auch in einer eher bösartigen Form: "Wir werden uns niemals den Ausdrucksformen des Hasses hingeben. Wir werden uns dem Antizionismus nicht ergeben, weil er die Neuerfindung des Antisemitismus ist." Die falsche Prämisse ist, den Zionismus mit Juden gleichzusetzen und automatisch Kritik und Widerstand gegen den zionistischen Staat Israel als Antisemitismus zu üben.
Bereits 2008 bewegte sich das U.S. State Department mit dieser formalen Aussage subtiler in eine ähnliche Richtung wie Macron: "Motive für die Kritik an Israel in der UNO können sich aus legitimen politischen Bedenken oder aus illegitimen Vorurteilen ergeben. Ungeachtet der Absicht haben jedoch unverhältnismäßige Kritik an Israel als barbarisch und prinzipienlos und entsprechende diskriminierende Maßnahmen, die in der UNO gegen Israel ergriffen wurden, zur Folge, dass das Publikum negative Attribute mit Juden im Allgemeinen in Verbindung bringt und so den Antisemitismus verstärkt." Der Irrtum besteht darin, Kritik als "unverhältnismäßig" zu betrachten, ohne jemals die Realitäten der langen Geschichte der Rechtswidrigkeit Israels gegenüber dem palästinensischen Volk zu berücksichtigen. Für diejenigen von uns, die die Realität der israelischen Politik und Praktiken betrachten, besteht kein Zweifel daran, dass die Kritik und der Druck, die auf sie ausgeübt werden, in jeder Hinsicht angemessen sind.
Ein verwandtes Argument, das oft vorgebracht wird, ist, dass Israel an höhere Standards als andere Staaten gebunden ist, und dies offenbart einen antisemitischen Subtext. Ein solches Argument ist unaufrichtig. Es ist keine Verteidigung zu behaupten, dass die Kriminalität anderer schwerer ist. Außerdem subventionieren die USA Israel in Höhe von mindestens 3,8 Milliarden Dollar pro Jahr, abgesehen von seiner bedingungslosen Unterstützung seines Verhaltens, wodurch eine gewisse Verantwortung dafür entsteht, Grenzen nach dem humanitären Völkerrecht festzulegen. Darüber hinaus haben die Vereinten Nationen zur palästinensischen Tortur beigetragen, indem sie es versäumt haben, die Teilungslösung umzusetzen, und 70 Jahre lang Millionen von Palästinensern die Möglichkeit gegeben haben, unter die Apartheidstrukturen der Herrschaft zu fallen. Kein anderer Mensch kann zu Recht externe Kräfte für seine eigene anhaltende Tragödie verantwortlich machen.
Noam Chomsky erklärte 2014 die falsche Logik einer solchen Behauptung mit typischer moralischer und intellektueller Klarheit: "Eigentlich war der locus classicus, die beste Formulierung davon, von einem Botschafter bei den Vereinten Nationen, Abba Eban, [....] Er berichtete der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft, dass sie zwei Aufgaben zu erfüllen hätten. Eine Aufgabe bestand darin zu zeigen, dass die Kritik an der Politik, die er Antizionismus nannte - das heißt eigentlich Kritik an der Politik des Staates Israel - Antisemitismus war. Das ist die erste Aufgabe. Zweite Aufgabe, wenn die Kritik von Juden geäußert wurde, war es ihre Aufgabe zu zeigen, dass ihr neurotischer Selbsthass, psychiatrische Behandlung benötigt. Dann gab er zwei Beispiele für die letztgenannte Kategorie. Eine davon war I.F. Stone. Der andere war ich. Wir müssen also wegen unserer psychiatrischen Störungen behandelt werden, und Nichtjuden müssen wegen Antisemitismus verurteilt werden, wenn sie den Staat Israel kritisieren. Das ist verständlich, warum die israelische Propaganda diese Position einnehmen würde. Ich kann es Abba Eban nicht verübeln, dass er das getan hat, was Botschafter manchmal tun sollen. Aber wir sollten verstehen, dass es keine vernünftige Anklage gibt. Keine sinnvolle Aufladung. Es gibt nichts, worauf man reagieren muss. Es ist keine Form von Antisemitismus. Es ist einfach Kritik an den kriminellen Handlungen eines Staates, Periode."
Ein Merkmal dieses neuen Antisemitismus ist, dass er nicht auf die wohlbegründeten Anschuldigungen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit reagiert, die von denjenigen erhoben werden, die als Antisemiten bezeichnet werden. Tragen diese glühenden Anhänger Israels wirklich ihr Gefühl der Straffreiheit in einem Maße, dass das Schweigen als angemessene Verteidigung gelten darf? Hinter einer solchen Leugnung der Idee der rechtlichen Verantwortlichkeit und der moralischen Verantwortung verbirgt sich dieses Gefühl des israelischen Exzeptionalismus, einer Einstellung zum Völkerstrafrecht, die sie mit dem amerikanischen Exzeptionalismus teilt. Diejenigen, die sich an einen solchen Außergewöhnlichkeitsgedanken halten, behaupten, empört zu sein, selbst wenn sie die Schlussfolgerung ziehen, dass eine solche Regierung den Normen unterliegen könnte, die in der Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs oder der UN-Charta verankert sind. Der israelische Exzeptionalismus hat seine eigenen Wurzeln in der biblischen Tradition, insbesondere in der säkularen Interpretation von Juden als "das auserwählte Volk", ruht aber wirklich auf einer Komfortzone, die durch das geopolitische Dach geschaffen wurde, das seine gesetzeswidrigsten Schritte vor der globalen Kontrolle schützt. Veranschaulicht wurde dies durch die jüngste Resolution der UN-Generalversammlung, in der die israelischen Schritte zur Annexion der Golanhöhen für null und nichtig erklärt wurden, wobei nur Israel und die Vereinigten Staaten mit Nein gegen 151 UN-Mitglieder mit Ja stimmten.Wenn wir uns nur eine Minute Zeit nehmen, um das Völkerrecht zu konsultieren, finden wir die Frage so offensichtlich, dass sie einer ernsthaften Diskussion nicht würdig ist. Ein Kardinalprinzip des zeitgenössischen Völkerrechts, das von den Vereinten Nationen in anderen Kontexten oft bekräftigt wird, ist die Unzulässigkeit des Erwerbs von Territorium durch Waffengewalt. Es besteht kein Zweifel, dass die Golanhöhen bis zum Krieg von 1967 Teil des syrischen Hoheitsgebiets waren und dass Israel die Kontrolle erlangt hat, die es seitdem als Folge der gewaltsamen Besetzung ausgeübt hat.
Die Ironien des neuen neuen Antisemitismus - Es gibt eine opportunistische Ironie. Der neue Antisemitismus scheint es nicht schwer zu haben, christliche Zionisten anzunehmen, trotz ihrer Feindseligkeit gegenüber Juden, die mit ihrer fanatischen Hingabe an Israel als jüdischen Staat verbunden ist. Jeder, der ein christlich-zionistisches Briefing gesehen hat, weiß, dass seine Lektüre des Buches der Offenbarungen eine Interpretation beinhaltet, dass Jesus zurückkehren wird, sobald alle Juden nach Israel zurückkehren und der heiligste Tempel in Jerusalem wiederhergestellt ist. Ein solcher Prozess endet nicht damit. Juden stehen dann vor einem Ultimatum, um zum Christentum zu konvertieren oder vor der ewigen Verdammnis. Und so gibt es unter diesen fanatischen Freunden Israels eine echte Feindseligkeit gegenüber den Juden, sowohl durch den Versuch, darauf zu bestehen, dass die jüdische Diaspora als eine Frage des religiösen Imperativs für Christen beendet wird, als auch durch das düstere Schicksal, das Juden erwartet, die sich weigern, sich nach der Wiederkunft zu bekehren. Mehr >>>
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