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Abwehr einer weiteren palästinensischen „Friedensoffensive“: Was Israel mit seinem Blutbad in Gaza bezweckte 
Norman G. Finkelstein

New York City
19. Januar 2009 

Die Spekulationen über Israels Motiv für sein Gemetzel in Gaza, das am 27. Dezember 2008 begann und bis zum 18. Januar 2009 andauerte, konzentrierten sich anfangs auf die bevorstehenden israelischen Wahlen. Dass die Entscheidungsträger auf diese Weise um Wählerstimmen buhlen, leuchtet durchaus ein, denn wer sich in dieser Sparta-ähnlichen, „rachsüchtigen und blutrünstigen“1 Gesellschaft beim Töten von Arabern hervortut, dem ist die Gunst der Massen gewiss. (Aus während des Krieges durchgeführten Umfragen ging hervor, dass die Zustimmung der israelischen Juden bei 80 bis 90 Prozent lag.)2 Wie jedoch der israelische Journalist Gideon Levy bei Democracy Now! betonte, „führte Israel … vor zweieinhalb Jahren einen ganz ähnlichen Krieg [im Libanon], ohne dass Wahlen anberaumt waren“.3 Wenn zentrale staatliche Interessen auf dem Spiel standen, haben Israels herrschende Eliten noch selten aus rein wahltaktischen Gründen große Operationen gestartet. Es stimmt zwar, dass Ministerpräsident Menachem Begin ein Wahlkampfmanöver veranstaltete, als er 1981 die Bombardierung des irakischen Osirak-Reaktors anordnete, aber das strategische Risiko, das Israel dabei einging, war gering. Entgegen der landläufigen Meinung besaß Saddam Hussein damals nämlich kein Atomwaffenprogramm.4 Bei seinem jüngsten Angriff auf Gaza ging es Israel in der Hauptsache um etwas anderes als Stimmenfang: erstens um die Wiederherstellung des israelischen „Abschreckungspotenzials“ und zweitens um die Abwehr einer neuen „Friedensoffensive“ der Palästinenser.

Der Nahostkorrespondent der New York Times, Ethan Bronner, berichtete unter Berufung auf israelische Quellen, die aktuelle Gaza-Offensive sei „vor dem Hintergrund“ einer „Wiederherstellung des israelischen Abschreckungspotenzials“ zu sehen, weil „die Feinde Israels weniger Angst vor ihm haben als bisher beziehungsweise weniger als sie haben sollten“.5 Die Bewahrung seines Abschreckungspotenzials war für Israels strategische Doktrin immer schon zentral, so auch im Juni 1967, als es zu jenem Erstschlag gegen Ägypten ausholte, der die israelische Besetzung Gazas (und des Westjordanlandes) zur Folge hatte. Zur Rechtfertigung des Angriffs auf Gaza schrieb der israelische Historiker Benny Morris nun: „Viele Israelis fühlen sich zunehmend bedrängt und bedroht …, ganz ähnlich wie Anfang Juni 1967.“6 Dass die einfache israelische Bevölkerung im Juni 1967 unter Beklemmungen litt, ist unstrittig, doch – wie Morris sicher weiß – hatte die israelische Führung keine solchen Ängste auszustehen. Es stimmt, dass der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, nachdem Israel den Syrern gedroht und Pläne für einen Angriff auf ihr Land geschmiedet hatte, die Sperrung der Straße von Tiran für den israelischen Schiffsverkehr verfügte, doch machte Israel von diesem Seeweg ohnehin kaum Gebrauch (abgesehen von Erdöllieferungen, die Israel damals wegen ausreichender Vorräte nicht akut benötigte). Außerdem setzte Nasser die Blockade in der Praxis auch gar nicht durch: Schon wenige Tage nach ihrer Verkündung konnten Schiffe die Straße von Tiran wieder ungehindert passieren. Mehrere US-Geheimdienste hatten überdies festgestellt, dass die Ägypter keinerlei Angriffsabsichten gegenüber Israel hegten und dass Israel ihnen in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sie dennoch (sei es allein oder gemeinsam mit anderen arabischen Staaten) angriffen, „ordentlich eins überbraten“ würde, wie US-Präsident Lyndon Johnson sich ausdrückte. Der Mossad-Chef sagte am 1. Juni 1967 gegenüber ranghohen US-Vertretern, dass „sich die USA und die Israelis in Bezug auf die militärgeheimdienstlichen Erkenntnisse und deren Interpretation vollkommen einig sind“.7 Was Israel beunruhigte, war vielmehr, dass sich in der arabischen Welt die Ansicht verbreitete, dass man nicht länger nach Israels Pfeife tanzen müsse, eine Einstellung, die von Nassers radikalem Nationalismus befeuert wurde und ihren Höhepunkt in seinen aufmüpfigen Gesten vom Mai 1967 fand. Deswegen wurden diejenigen im israelischen Kabinett, die hinsichtlich eines Erstschlags ihres Landes Bedenken hatten, von Divisionskommandeur Ariel Sharon mit den Worten ermahnt, Israel verliere gerade sein „Abschreckungspotenzial … unsere wichtigste Waffe – die Furcht vor uns“.8 Israel entfesselte diesen Krieg im Juni 1967, „um die Glaubwürdigkeit des israelischen Abschreckungspotenzials wiederherzustellen“ (so der israelische Strategieanalyst Zeev Maoz).9

Der von der Hisbollah im Mai 2000 erzwungene Rückzug der israelischen Besatzungsarmee aus dem Libanon ließ Israel erneut um sein Abschreckungspotenzial bangen. Die Tatsache, dass Israel solchermaßen eine vernichtende Niederlage beigebracht worden war – eine Schmach zumal, die in der gesamten arabischen Welt gefeiert wurde –, machte einen Folgekrieg geradezu unausweichlich. Israel begann beinahe umgehend mit den Planungen für die nächste Runde und fand im Sommer 2006 einen Vorwand, als die Hisbollah zwei israelische Soldaten gefangen nahm (einige weitere wurden in dem Gefecht getötet) und im Austausch die Freilassung libanesischer Gefangener aus israelischer Haft verlangte. Obwohl Israel seine Luftwaffe wüten ließ und dann auch noch seine Bodentruppen in Marsch setzte, wurde ihm erneut eine Schmach zugefügt. Ein angesehener US-amerikanischer Militäranalyst gelangte ungeachtet seiner Parteinahme für Israel zu folgenden Schlussfolgerungen: „Die israelische Luftwaffe, jener Zweig des israelischen Militärs, der einst innerhalb weniger Tage ganze Luftwaffen vernichtete, erwies sich nicht nur als unfähig, den Raketenbeschuss durch die Hisbollah zu unterbinden; er war nicht einmal in der Lage, eine rasche Erholung der Hisbollah durch ausreichende Schwächung zu verhindern.“ „Als die Bodentruppen dann schließlich in den Libanon einmarschierten, … konnten sie die Hisbollah-Hochburgen nicht einnehmen, nicht einmal die grenznahen“. „Was die Ziele betrifft, die Israel sich gesetzt hatte: Die entführten israelischen Soldaten wurden weder befreit noch freigelassen; der Raketenbeschuss durch die Hisbollah wurde zu keinem Zeitpunkt unterbunden, ja selbst die Raketen mit großer Reichweite wurden weiterhin abgefeuert …; und die israelischen Bodentruppen erlitten schwere Verluste und wurden von einem gut ausgerüsteten und fähigen Feind in lang anhaltende Kämpfe verwickelt.“ Und: „Mehr Truppen und eine groß angelegte Bodeninvasion hätten zwar in der Tat zu einem anderen Ergebnis geführt, aber die Annahme, dass eine solche Anstrengung irgendwie zu einem eindeutigeren Sieg über die Hisbollah geführt hätte, … entbehrt sowohl jeder historischen Grundlage als auch der Logik.“ Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht einmal mehr, wie groß der Rückschlag war: Den 30.000 Soldaten, die Israel in diesen Krieg schickte, standen 2.000 reguläre Hisbollah-Kämpfer und 4.000 irreguläre Kämpfer (teils mit, teils ohne Hisbollah-Zugehörigkeit) gegenüber; Israel setzte 162.000 Bomben und Geschosse ein, die Hisbollah 5.000 Geschosse (4.000 Raketen und andere Geschosse feuerte sie auf Israel ab, 1.000 Panzerabwehrraketen setzte sie auf libanesischem Boden gegen die israelische Armee ein).10 Hinzu kam: „Bei den Kämpfern, die Dörfer wie Ayta ash Shab, Bint Jbeil und Maroun al-Ras verteidigten, handelte es sich überwiegend gar nicht um reguläre Kämpfer der Hisbollah, ja teilweise noch nicht einmal um Hisbollah-Mitglieder.“ Und: „Viele der besten und fähigsten Hisbollah-Kämpfer kamen überhaupt nicht zum Einsatz. Sie lagen nämlich in der Erwartung, dass die israelische Armee tiefer und schneller vorrücken würde, am Litani auf der Lauer.“11 Es gab noch ein weiteres Anzeichen dafür, dass Israel das Kriegsglück nicht mehr hold war. Anders als in all seinen vorangegangenen bewaffneten Konflikten kämpfte Israel in den Schlussphasen des Kriegs von 2006 nicht gegen eine UN-Waffenstillstandsresolution an, sondern hoffte vielmehr, durch eine UN-Resolution gerettet zu werden.

Nach dem Libanonkrieg von 2006 konnte Israel es gar nicht abwarten, den Kampf mit der Hisbollah wiederaufzunehmen, doch eine militärische Option war vorerst nicht gegeben. Mitte 2008 versuchte Israel verzweifelt, die USA für einen Militärschlag gegen den Iran zu rekrutieren, der auch die Hisbollah entscheidend schwächen und somit diejenigen Akteure in die Knie zwingen sollte, die sich der regionalen Hegemonie Israels am hartnäckigsten widersetzten. Israel und seine offiziösen Abgesandten, unter ihnen Benny Morris, drohten, bei ausbleibendem US-Interesse an einer solchen Aktion würden „dann unkonventionelle Waffen zum Einsatz kommen müssen“, was zur Folge hätte, dass „viele unschuldige Iraner sterben werden“.12 Doch zum Verdruss der Israelis wurde nichts daraus. Während der Iran munter weiter seiner Wege ging, standen sie, die Israelis, dumm da und mussten zusehen, wie ihr Terrorisierungspotenzial zunehmend an Glaubwürdigkeit verlor. Da wurde es höchste Zeit, ein wehrloses Angriffsziel zu finden, das sich vernichten ließ. Die Wahl fiel auf Gaza, der Israelis liebste Schießbude. Die islamische Hamas-Bewegung hatte sich dort, wiewohl nur armselig bewaffnet, dem israelischen Diktat trotzig widersetzt und Israel auf diese Weise im Juni 2008 sogar dazu gebracht, einer Waffenruhe zuzustimmen.

Im Libanonkrieg von 2006 machte Israel den südlichen Beiruter Vorort Dahiya, in dem die Hisbollah großen Rückhalt genoss, dem Erdboden gleich. Nach dem Krieg fingen israelische Militärs dann an, von einer „Dahiya-Strategie“ zu reden: „Wir werden die 160 schiitischen Dörfer [im Libanon], die sich zu schiitischen Militärstützpunkten entwickelt haben, in Schutt und Asche legen“, erklärte der Chef des Nordkommandos der israelischen Armee, „und wir werden keine Gnade walten lassen, wenn es darum geht, die nationale Infrastruktur eines Staates zu treffen, der praktisch von der Hisbollah kontrolliert wird.“ Sollte es zu Feindseligkeiten kommen, müsse Israel, so ein Oberst der Reserve beim israelischen Institut für Studien zur Nationalen Sicherheit, „unverzüglich, entschlossen und mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgehen …. Eine solche Reaktion zielt darauf ab, in einem solchen Ausmaß Schaden anzurichten und eine solch hohe Strafe zu verhängen, dass der Prozess des Wiederaufbaus langwierig und kostspielig sein wird.“ Die neue Strategie solle, so hieß es, gegen all jene Gegner Israels in der Region angewandt werden, die aus der Reihe tanzten – „die Palästinenser in Gaza sind alle Khalid Mishal, die Libanesen sind alle Nasrallah, und die Iraner sind alle Ahmadinejad“, – aber Gaza eignete sich für diese Blitzkrieg-samt-Blutbad-Strategie am Vortrefflichsten. „Schade nur, dass sie nicht gleich nach dem ‚Rückzug’ aus Gaza und den ersten Raketenangriffen zur Anwendung kam“, klagte ein angesehener israelischer Kolumnist. „Hätten wir damals gleich zur Dahiya-Strategie gegriffen, wäre uns vermutlich viel Ärger erspart geblieben.“ Ende September 2008 schlug der israelische Innenminister nach einem palästinensischen Raketenangriff vor, die israelische Armee solle doch „in Gaza irgendeine von ihr ausgewählte Wohngegend dem Erdboden gleichmachen“.13 Und weil die Zeit für ein Ausprobieren der Dahiya-Strategie im Libanon und im Iran noch nicht ganz reif schien, wurde sie, was nicht weiter verwunderlich ist, zunächst einmal in Gaza getestet.

Nach Kriegsbeginn ließen maßgebliche Stellen Äußerungen fallen, die einen Eindruck davon vermittelten, wie der Einsatzplan für das Gaza-Blutbad wohl beschaffen war: „Was wir brauchen, ist ein systematisches Vorgehen mit dem Ziel, alle Organisationen, die Raketen und Mörsergranaten abfeuern, zu bestrafen, ebenso aber auch die Zivilisten, die ihnen das Schießen und Untertauchen ermöglichen“ (Generalmajor der Reserve); „Nach dieser Operation wird kein einziges Hamas-Gebäude in Gaza mehr stehen“ (der stellvertretende Stabschef der israelischen Armee); „Alles, was Verbindungen zur Hamas hat, ist ein legitimes Angriffsziel“ (Büro des Sprechers der israelischen Armee).14 Während Israel im Jahr 2006 in den ersten beiden Tagen des Kriegs nur 55 Libanesen tötete, frohlockten die israelischen Medien nun darüber, dass Israel in den ersten beiden Tagen seines Angriffs auf Gaza über 300 Palästinenser tötete und die Menschen dort auf diese Weise, wie die Zeitung Maariv schrieb, in „Schock und Ehrfurcht“ versetzte.15 Ein gut informierter israelischer Strategieanalyst traf, nachdem das Gemetzel bereits einige Tage andauerte, folgende Feststellung: „Die israelische Armee plante Angriffe auf Orte, an denen sich Hunderte von Menschen aufhielten, und verzichtete darauf, diese Menschen zum Verlassen der betreffenden Gebäude und Plätze aufzufordern. Sie hatte sich vorgenommen, viele von ihnen zu töten, und das hat sie auch geschafft.“16 Morris platzte beinahe vor Stolz angesichts von „Israels äußerst wirkungsvollem Luftangriff auf die Hamas“.17 Der israelische Kolumnist B. Michael zeigte sich weniger beeindruckt davon, dass Israel seine Kampfhubschrauber und -flugzeuge zu einem „riesigen Gefängnis“ entsandte, um „dessen Insassen zu beschießen“18 – darunter „70 Verkehrspolizisten bei ihrer Abschlussfeier, junge Männer, die verzweifelt nach einer Möglichkeit gesucht hatten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und jetzt glaubten, diese Möglichkeit bei der Polizei gefunden zu haben, stattdessen jedoch vom Himmel aus in den Tod geschickt wurden“.19

Während Israel Schulen, Moscheen, Krankenhäuser, Krankenwagen und UN-Schutzräume angriff, während es die wehrlose Zivilbevölkerung Gazas abschlachtete und verbrannte (ein Drittel der gemeldeten 1.200 Todesopfer waren Kinder), gefielen sich israelische Kommentatoren in hämischen Bemerkungen: „Nach dem Libanon ist Gaza so etwas wie die Wiederholung einer Klassenarbeit – eine zweite Chance, es richtig zu machen.“ Israel werde Gaza nicht bloß um jene 20 Jahre „zurückzuwerfen“, die man dem Libanon beim letzten Mal versprochen hatte, sondern gleich „in die 1940er Jahre. Strom gibt es nur für ein paar Stunden am Tag.“ „Israel hat seine Fähigkeit zur Abschreckung wiedererlangt“, weil „der Krieg in Gaza die Fehler des Zweiten Libanonkriegs [von 2006] wettmacht.“ „Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah dürfte in diesen Tagen wie ein Häuflein Unglück dasitzen. … Es wird in der arabischen Welt niemanden mehr geben, der behaupten könnte, Israel sei schwach.“20

Thomas Friedman, Außenpolitikexperte bei der New York Times, stimmte in das Halleluja ein.21 Seiner Ansicht nach ist Israel siegreich aus dem Libanonkrieg von 2006 hervorgegangen. Schließlich habe Israel „dem ganzen Libanon beträchtlichen Sachschaden und zahlreiche kollaterale Opfer“ beschert und die Hisbollah somit in den Genuss einer „Erziehung“ kommen lassen: Aus Angst vor dem libanesischen Volkszorn werde es sich die Hisbollah „in Zukunft drei Mal überlegen“, ob sie es wirklich wagen soll, sich Israel zu widersetzen. Friedman gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass Israel ebenso auch versuchen werde, „der Hamas eine ‚Erziehung’ angedeihen zu lassen, indem es den militanten Hamas-Mitgliedern einen hohen Blutzoll abverlangt und der Bevölkerung von Gaza starke Schmerzen zufügt“. Um die Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur des Libanons zu rechtfertigen, behauptete Friedman, Israel habe keine andere Wahl gehabt, weil „die Hisbollah ein sehr ‚flaches’ militärisches Netzwerk aufgebaut hat, … das tief in die dortigen Städte und Dörfer eingebettet ist“. Und da „sich die Hisbollah bei der Zivilbevölkerung eingenistet hatte, bestand die einzige langfristige Abschreckung darin, den Zivilisten genügend Schmerzen zuzufügen, … damit sie die Hisbollah künftig an die Kandare nehmen“.

Lassen wir Friedmans hohle Phrasen – was soll „flach“ bedeuten? – mal beiseite und sehen wir außerdem darüber hinweg, dass er den Tod von Zivilisten zwar als unvermeidlich bezeichnet, aber gleichzeitig Angriffe auf Zivilisten als Strategie der „Abschreckung“ empfiehlt. Bleibt uns noch zu fragen, ob es denn stimmt, dass die Hisbollah in die libanesische Zivilbevölkerung „eingebettet“ war, sich bei ihr „eingenistet“ hatte und „eng mit ihr verwoben“ war. Human Rights Watch kam nach eingehender Untersuchung zu folgenden Ergebnissen: „Wir fanden handfeste Beweise dafür, dass die Hisbollah zur Aufbewahrung ihrer Raketen größtenteils Bunker und Waffenlager benutzte, die sich in unbewohnten Feldern und Tälern befanden; dass die Hisbollah-Kämpfer in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Orte, an denen sich Zivilisten aufhielten, bei Ausbruch der Kämpfe umgehend verließen; und dass die Hisbollah die allermeisten ihrer Raketen von vorab vorbereiteten, außerhalb der Dörfer gelegenen Stellungen abfeuerte.“ Und noch einmal: „Bei der Vielzahl der von uns untersuchten zivilen Todesfälle war es die große Ausnahme, wenn sich herausstellte, dass sich Hisbollah-Kämpfer unter die Zivilbevölkerung gemischt oder auf irgendeine andere Weise durch ihr Verhalten dazu beigetragen hatten, dass ein bestimmtes Haus oder Fahrzeug von der israelischen Armee unter Beschuss genommen wurde.“ Und: „Das Muster des israelischen Beschusses im Libanon lässt ebenfalls darauf schließen, dass die Hisbollah viele ihrer Raketen aus Tabakfeldern, Bananen-, Oliven- und Zitrushainen sowie aus weiter abgelegenen, unbewohnten Tälern abfeuerte.“22

Aus einer Studie, die überwiegend auf Interviews mit israelischen Teilnehmern am Libanonkrieg basiert und an einer US-Kriegsakademie erstellt wurde, ist Ähnliches zu erfahren: „Auf den entscheidenden Schlachtfeldern beim Feldzug südlich des Litani waren größtenteils keine Zivilisten anzutreffen. Die Teilnehmer auf Seiten der israelischen Armee berichten übereinstimmend, es sei kaum beziehungsweise gar nicht vorgekommen, dass sich Hisbollah-Kämpfer in bedeutender Weise unter Nichtkombattanten mischten. Systematische Berichte darüber, dass die Hisbollah in der Kampfzone Zivilisten als Schutzschilde einsetzte, gibt es ebenfalls nicht.“ Eine weitere Feststellung der Autoren ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert: „Die allermeisten Hisbollah-Kämpfer trugen Uniform. Die Ähnlichkeit ihrer Ausrüstung und Kleidung mit der Ausstattung vieler staatlicher Heere war bemerkenswert: sandfarbene und grüne Tarnanzüge, Helme, Multifunktions- und Panzerwesten, Erkennungsmarken und Rangabzeichen.“23

Friedman behauptete außerdem, die Hisbollah habe, „anstatt die direkte Auseinandersetzung mit der israelischen Armee zu suchen“, Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abgefeuert, um Israel zu Vergeltungsschlägen zu verleiten, die dann zwangsläufig libanesische Zivilisten töten und „den Zorn der arabisch-muslimischen Straße erregen“ würden. Doch zahlreiche Studien haben gezeigt24 – und israelische Amtsträger haben zugegeben25 –, dass die Hisbollah während ihres Guerillakriegs gegen die israelische Besatzungsarmee immer erst nach Angriffen Israels auf die libanesische Zivilbevölkerung auch ihrerseits Zivilisten beschoss. Auch beim Krieg von 2006 ging die Hisbollah so vor: Erst nachdem israelische Angriffe zum Tod zahlreicher libanesischer Zivilisten geführt hatten, feuerte die Hisbollah ihrerseits Raketen auf israelische Bevölkerungszentren ab, wozu Hisbollah-Chef Sayyed Hassan Nasrallah erklärte, die Hisbollah werde so lange nicht vom Beschuss israelischer Zivilisten absehen, wie „der Feind bei seiner Aggression ohne jede Grenzen oder rote Linien“ vorgehe.26

Wenn Israel im Krieg von 2006 die Zivilbevölkerung und Infrastruktur des Libanons angriff, dann nicht, weil ihm keine andere Wahl blieb, und auch nicht, weil die Hisbollah diese Angriffe provoziert hatte, sondern weil die Terrorisierung der Zivilbevölkerung eine vergleichsweise kostengünstige „Erziehung“ darstellte und Israel dieser Methode klar den Vorzug vor einem womöglich verlustreichen Kampf gegen einen richtigen Feind gab, auch wenn es der Hisbollah mit ihrem überraschend starken Widerstand gelang, einen israelischen Sieg auf dem Schlachtfeld zu verhindern. In Gaza hingegen konnte Israel die „Erziehung“ der Bevölkerung mit einem militärischen Sieg verbinden, denn „die Kämpfe in Gaza“ waren, wie Gideon Levy schrieb, 

ein „Luxuskrieg“. Im Vergleich zu früheren Kriegen ist dieser kinderleicht: Piloten werfen ungestört ihre Bomben ab, gerade so, als absolvierten sie bloß Trainingsflüge. Panzerbesatzungen und Artilleristen nehmen von ihren gepanzerten Fahrzeugen aus Häuser und Zivilisten unter Granatenbeschuss. Kampfpioniere zerstören ganze Straßenzüge, während sie selbst in ihren ominösen, geschützten Fahrzeugen sitzen und auf keinerlei ernsthaften Widerstand stoßen. Eine große, breit aufgestellte Armee kämpft hier gegen eine hilflose Bevölkerung und eine schwache, amateurhafte Truppe, die aus den Konfliktzonen geflohen ist und kaum Gegenwehr leistet.27 

Die von Friedman auf den Seiten der New York Times vorgebrachte Rechtfertigung für Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur kommt einer Apologetik von Staatsterrorismus gleich.28 Man rufe sich in Erinnerung, dass der Nazi-Propagandist Julius Streicher – obwohl Hitler ihn bereits 1940 all seiner politischen Macht beraubt hatte und obwohl seine Zeitung Der Stürmer während des Kriegs nur eine Auflage von rund 15.000 Exemplaren erreichte – bei den Nürnberger Prozessen für seine mörderische Aufwiegelung zum Tode verurteilt wurde.

Neben der Wiederherstellung des israelischen Abschreckungspotenzials bestand das Hauptziel des Gemetzels in Gaza darin, jene Bedrohung loszuwerden, die sich für Israel aus der Mäßigung der Palästinenser ergibt. Seit nunmehr drei Jahrzehnten strebt die internationale Gemeinschaft konsequent eine Zweistaatenlösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt an, und zwar auf Grundlage eines vollständigen Rückzugs Israels auf seine Grenze vom Juni 1967 sowie einer „gerechten Lösung“ der Flüchtlingsfrage, basierend auf dem Recht auf Rückkehr und Entschädigung. Über die Resolution „Peaceful Settlement of the Question of Palestine“, in der ebendiese Konfliktlösung verlangt wird, stimmt die UN-Generalversammlung jedes Jahr aufs Neue ab. Bei der letzten Abstimmung im Jahr 2008 stimmten 164 Staaten der Welt für diese Resolution; sieben Staaten votierten dagegen (Israel, USA, Australien, Marschallinseln, Mikronesien, Nauru, Palau), drei enthielten sich der Stimme. Auch auf regionaler Ebene wurde ein Vorschlag auf dieser Grundlage gemacht: Die Arabische Liga legte im März 2002 eine von all ihren Mitgliedern befürwortete Friedensinitiative vor, die sie später erneut bekräftigte. Die Hamas hat in letzter Zeit mehrfach zu verstehen gegeben, dass sie die skizzierte Konfliktlösung ebenfalls akzeptiert. Der Chef des Hamas-Politbüros, Khalid Mishal, äußerte in einem Interview vom März 2008 zum Beispiel Folgendes: 

Es bietet sich die Möglichkeit, mit diesem Konflikt anders umzugehen, als es Israel und die hinter ihm stehenden USA heute tun. Es bietet sich die Möglichkeit, auf palästinensischer Seite zu einem nationalen Konsens über ein auf den Grenzen von 1967 basierendes Grundsatzprogramm zu gelangen. Damit liegt eine außergewöhnliche Situation vor: Die meisten palästinensischen Kräfte einschließlich der Hamas sind mit einem Staat in den Grenzen von 1967 einverstanden. … In dieser Frage besteht auch ein arabischer Konsens, das ist eine historische Situation. Aber niemand nutzt diese Gelegenheit, niemand macht Anstalten, auf dieses Angebot einzugehen. Die Palästinenser und die Araber sind bereit, sich auf dieses Minimum zu beschränken, aber selbst das wird von Israel und den USA abgelehnt.29 

Israel ist sich darüber im Klaren, dass die Hamas-Charta kein unüberwindbares Hindernis für eine Zweistaatenlösung auf der Grenze vom Juni 1967 darstellt. „Die Hamas-Führung hat erkannt, dass ihr ideologisches Ziel nicht erreichbar ist und in absehbarer Zeit auch nicht erreichbar sein wird“, bemerkte jüngst ein ehemaliger Mossad-Chef. „Sie sind bereit und willens, sich auf die Gründung eines palästinensischen Staates in den temporären Grenzen von 1967 einzulassen …. Sie wissen, dass sie in dem Moment, wo ein palästinensischer Staat mit ihrer Unterstützung gegründet wird, zu einer Änderung der Spielregeln verpflichtet sein werden: Sie werden einen Weg einschlagen müssen, der sie weit fort von ihren ursprünglichen ideologischen Zielen führen könnte.“30

Außerdem war die Hamas, wie einer offiziellen israelischen Veröffentlichung zu entnehmen ist, „um Einhaltung der Waffenruhe bemüht“, die sie im Juni 2008 mit Israel vereinbart hatte, und dies obwohl Israel seinerseits mit seiner unvermindert fortgesetzten Wirtschaftsblockade Gazas gegen einen zentralen Punkt der Vereinbarung verstieß. „Es kam gelegentlich zu Verstößen gegen die Waffenruhe, wenn einzelne Terrororganisationen, die sich nicht daran gebunden fühlten, Raketen und Mörsergranaten abfeuerten“, heißt es in der Quelle weiter. „Gleichzeitig versuchte aber die [Hamas-]Bewegung, die Einhaltung der in der Waffenruhe niedergelegten Bestimmungen gegenüber den anderen Terrororganisationen durchzusetzen und sie von Verstößen abzuhalten.“31 Die Hamas war überdies „an einer Verlängerung der relativen Ruhe mit Israel interessiert“, so der Chef des israelischen Inlandgeheimdienstes Shin Bet, Yuval Diskin.32 Die islamische Bewegung bewies also, dass sie Wort hielt, und empfahl sich somit als glaubwürdige Verhandlungspartnerin. Und während sie offenkundig in der Lage war, Israel Zugeständnisse abzuringen, gelang der unglückseligen, sich dem Willen Israels unterordnenden palästinensischen Autonomiebehörde nichts dergleichen. Folglich gewann die Hamas bei den Palästinensern nur weiter an Ansehen. Aus israelischer Sicht waren diese Entwicklungen eine wahre Katastrophe. Israel konnte sich nun nicht mehr hinstellen und erklären, dass man die Hamas mit Nichtachtung strafen müsse. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die internationale Gemeinschaft, vor allem Europa, auf eine Verhandlungslösung mit der Hamas drängen würde. Sollte die neue US-Regierung mit dem Iran und der Hamas verhandeln und sich dem internationalen Konsens zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts annähern, wie es manche einflussreichen US-amerikanischen Politikberater derzeit empfehlen,33 würde die Unnachgiebigkeit Israels nur noch deutlicher hervortreten. Nasrallah vermutete einen etwas anderen Hintergrund für das israelische Vorgehen. Nach seiner Kenntnis hat die neue US-Regierung vor, eine internationale Friedenskonferenz einzuberufen, an der „Amerikaner, Israelis, Europäer und sogenannte gemäßigte Araber“ teilnehmen sollen, um eine ihnen genehme Konfliktlösung zu diktieren. Dem stünden einzig und allein „der palästinensische Widerstand und die Hamas-Regierung in Gaza“ im Wege, mithin bestehe „das wahre Ziel des Krieges“ darin, „dieses Hindernis zu beseitigen“.34 Aus israelischer Sicht galt es in jedem Fall die Hamas zu einem Bruch der Waffenruhe zu verleiten und sie anschließend zu radikalisieren oder zu vernichten, um sich so die legitime Verhandlungspartnerin vom Hals zu schaffen. Es war nicht das erste Mal, dass Israel sich – in Gestalt einer Friedensinitiative der Arabischen Liga, einer Befürwortung der Zweistaatenlösung seitens der Palästinenser und einer palästinensischen Waffenruhe – mit einer teuflischen Bedrohung konfrontiert sah, und auch nicht das erste Mal, dass Israel auf Provokation und Krieg setzte, um das dräuende Unheil abzuwenden.

Mitte der 1970er Jahre begann der Mainstream der PLO, sich für eine Zweistaatenlösung auf der Grenze vom Juni 1967 auszusprechen. Zudem hielt sich die PLO, die ihr Hauptquartier im Libanon hatte, strikt an eine im Juli 1981 mit Israel vereinbarte Waffenruhe.35 Im August 1981 präsentierte Saudi-Arabien einen auf der Zweistaatenlösung basierenden Friedensplan, der die Zustimmung der Arabischen Liga erhielt.36 Israels Reaktion bestand im September 1981 darin, seine Bemühungen um eine Zerschlagung der PLO zu verstärken.37 Der israelische Strategieanalyst Avner Yaniv berichtete in seiner Analyse der Vorbereitungen auf den Libanonkrieg von 1982, dass Yasser Arafat über einen historischen Kompromiss mit dem „zionistischen Staat“ nachdachte, wohingegen „alle israelischen Kabinette seit 1967“ wie auch „führende im Mainstream zu verortende Tauben“ die Idee eines palästinensischen Staates ablehnten. Aus Furcht vor diplomatischem Druck machte Israel sich daran, die Zweistaatenlösung zu sabotieren. Hierzu dienten ihm gegen „palästinensische und libanesische Zivilisten“ gerichtete militärische Strafaktionen, die „ganz bewusst unverhältnismäßig“ waren. Mit diesem Vorgehen beabsichtigte Israel die „gemäßigten Kräfte innerhalb der PLO“ zu schwächen, den „radikalen Rivalen“ Arafats den Rücken zu stärken und die PLO zur „Inflexibilität“ zu verdammen. Letzten Endes blieben Israel nur zwei Möglichkeiten: „ein politischer Schritt hin zu einem historischen Kompromiss mit der PLO oder ein militärischer Präemptivschlag gegen sie“. Zur Abwehr von Arafats „Friedensoffensive“ – so Yanivs treffende Bezeichnung – setzte Israel im Juni 1982 seine Kriegsmaschinerie in Gang. Dem israelischen Einmarsch in den Libanon „war eine mehr als einjährige effektive Waffenruhe mit der PLO vorausgegangen“. Doch nachdem Israel zu mörderischen Provokationen gegriffen hatte – bei der letzten kamen 200 Zivilisten (darunter 60 Insassen eines palästinensischen Kinderkrankenhauses) ums Leben –, schlug die PLO schließlich zurück, wobei ein Israeli getötet wurde.38 Zwar nutzte Israel die Wiederaufnahme der PLO-Angriffe als Vorwand für seine Libanoninvasion, aber „die raison d’être der ganzen Operation“ war, so Yaniv, „die Zerstörung der PLO als politische Kraft, die in der Lage wäre, einen palästinensischen Staat im Westjordanland auszurufen“.39 Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass der ehemalige US-Botschafter in Israel Martin Indyk die eben geschilderte Abfolge von Ereignissen in seinem gerade erschienenen Buch über die Geschichte des „Friedensprozesses“ wie folgt zusammenfasst: „Im Jahr 1982 reizten Arafats terroristische Umtriebe die israelische Regierung von Menachem Begin und Ariel Sharon schließlich so sehr, dass diese sich zu einer groß angelegten Libanoninvasion gezwungen sah.“40

Schnell vorgespult ins Jahr 2008. Anfang Dezember 2008 erklärte die israelische Außenministerin Tzipi Livni, ihr Land habe nichts gegen eine vorübergehende Feuerpause mit der Hamas, wolle aber keinen ausgedehnten Waffenstillstand, weil dieser „dem strategischen Ziel Israels schadet, die Hamas stärkt und den Eindruck erweckt, dass Israel die Bewegung anerkennt“.41 Im Klartext: Eine lang anhaltende, die Glaubwürdigkeit der Hamas stärkende Waffenruhe stünde Israels strategischem Ziel einer fortgesetzten Beherrschung des Westjordanlands im Wege. Der Angriff auf die Hamas war bereits im März 2007 beschlossene Sache. Israel handelte die Waffenruhe vom Juni 2008 nur aus, weil „die israelische Armee Zeit zur Vorbereitung brauchte“.42 Als Israel dann startklar war, fehlte ihm nur noch ein Vorwand. Am 4. November, als die US-Medien ihr ganzes Augenmerk auf die Präsidentenwahl richteten, brach Israel die Waffenruhe, indem es sieben militante Palästinenser tötete. Zur Begründung hieß es, die Hamas sei gerade dabei gewesen, zwecks Entführung israelischer Soldaten einen Tunnel zu graben, aber das war kaum mehr als eine faule Ausrede. Israel wusste ganz genau, dass es mit seinem Angriff einen Vergeltungsschlag der Hamas heraufbeschwor. „Der ‚tickende Tunnel’ der vergangenen Woche, der offenbar der Entführung israelischer Soldaten dienen sollte, stellte“, so Haaretz Mitte November, „keine klare und akute Gefahr dar“: 

Seine Existenz war von Anfang an bekannt, und seine Benutzung hätte man von der israelischen Seite aus verhindern können. Zumindest hätte man die am Tunnelausgang stationierten Soldaten in Sicherheit bringen können. Es ist ausgeschlossen, dass diejenigen, die die Sprengung des Tunnels veranlassten, unüberlegt handelten. Das militärische Establishment war sich der unmittelbaren Folgen dieser Maßnahme bewusst. Ebenso klar war ihm, dass die Politik des „kontrollierten Eindringens“ in ein schmales Gebiet des Streifens zum selben Ergebnis führen musste, nämlich zu einem Ende der Waffenruhe. Es handelt sich hierbei um einen Ausdruck des politischen Willens, nicht um eine vom Befehlshaber im Feld getroffene taktische Entscheidung.43 

Die Hamas nahm daraufhin – wohlgemerkt „zur Vergeltung“, wie das israelische Informationszentrum für Nachrichtenwesen und Terrorismus notierte44 – ihre Raketenangriffe wieder auf, und Israel konnte sich daranmachen, eine weitere mörderische Invasion durchzuziehen, um eine weitere palästinensische Friedensoffensive aus der Welt zu schaffen. 

Norman G. Finkelstein

New York City

19. Januar 2009 
 

Aus dem Englischen von Maren Hackmann 

1 Gideon Levy, „The Time of the Righteous“, Haaretz, 9. Januar 2009.

 2 Ethan Bronner, „In Israel, A Consensus That Gaza War Is a Just One”, New York Times, 13. Januar 2009.

3 29. Dezember 2008 (www.democracynow.org/2008/12/29/israeli_attacks_kill_over_310_in).

4 Richard Wilson, „Incomplete or Inaccurate Information Can Lead to Tragically Incorrect Decisions to Preempt: The example of OSIRAK”, Vortrag in Erice, Sizilien, 18. Mai 2007; aktualisiert am 9. Februar 2008 (www.normanfinkelstein.com/article.php?pg=11&ar=1589).

5 Ethan Bronner, „Israel Reminds Foes That It Has Teeth”, New York Times, 29. Dezember 2008.

6 Benny Morris, „Why Israel Feels Threatened”, New York Times, 30. Dezember 2008.

7 „Memorandum for the Record” (1. Juni 1967), Foreign Relations of the United States, vol. XIX, Arab-Israeli Crisis and War, 1967, Washington, D.C., 2004.

8 Tom Segev, 1967: Israel, the war, and the year that transformed the Middle East, New York 2007, S. 293, Hervorhebung NGF [deutsche Ausgabe: Tom Segev, 1967: Israels zweite Geburt, München 2007; Anm. d. Ü.].

9 Zeev Maoz, Defending the Holy Land: A critical analysis of Israel’s security and foreign policy, Ann Arbor 2006, S. 89.

10 William Arkin, Divining Victory: Airpower in the 2006 Israel-Hezbollah war, Luftwaffenstützpunkt Maxwell, Alabama, 2007, S. xxi, xxv-xxvi, 25, 54, 64, 135, 147-48.

11 Andrew Exum, Hizballah at War: A military assessment, Washington Institute for Near East Policy, Dezember 2006, S. 9, 11-12.

12 Benny Morris, „A Second Holocaust? The Threat to Israel”, 2. Mai 2008, www.mideastfreedomforum.org/de/node/66.

13 Yaron London, „The Dahiya Strategy”, 6. Oktober 2008, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3605863,00.html; Gabriel Siboni, „Disproportionate Force: Israel’s concept of response in light of the Second Lebanon War”, Institute for National Security Studies (INSS), 2. Oktober 2008; Attila Somfalvi, „Sheetrit: We should level Gaza neighborhoods”, 2. Oktober 2008, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3504922,00.html.

 14 „Israeli General Says Hamas Must Not Be the Only Target in Gaza”, Radio der israelischen Armee, Tel Aviv, auf Hebräisch, 06:00 GMT, 26. Dezember 2008, BBC Monitoring Middle East; Tova Dadon, „Deputy Chief of Staff: Worst still ahead”, 29. Dezember 2008, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-36466558,00.html; www.btselem.org/English/Gaza_Strip/20081231_Gaza_Letter_to_Mazuz.asp.

15 Seumas Milne, „Israel’s Onslaught on Gaza is a Crime That Cannot Succeed”, Guardian, 30. Dezember 2008.

16 Reuven Pedatzur, „The Mistakes of Cast Lead”, Haaretz, 8. Januar 2009.

 17 Morris, „Why Israel Feels Threatened.”

 18 B. Michael, „Déjà Vu in Gaza”, 29. Dezember 2008, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3646558,00.html.

19 Gideon Levy, „Twilight Zone/Trumpeting for War”, Haaretz, 2. Januar 2009.

20 Amos Harel / Avi Issacharoff, „Israel and Hamas Are Both Paying a Steep Price in Gaza”, Haaretz, 10. Januar 2009; Ari Shavit, „Analysis: Israel’s victories in Gaza make up for its failures in Lebanon”, Haaretz, 12. Januar 2009; Guy Bechor, „A Dangerous Victory”, 12. Januar 2009, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3654505,00.html.

 21 Thomas L. Friedman, „Israel’s Goals in Gaza?”, New York Times, 14. Januar 2009.

 22 Human Rights Watch, Why They Died: Civilian casualties in Lebanon during the 2006 war, New York 2007, S. 5, 14, 40-41, 45-46, 48, 51, 53.

 23 Stephen Biddle / Jeffrey A. Friedman, The 2006 Lebanon Campaign and the Future of Warfare: Implications for army and defense policy, Carlisle, Pennsylvania, 2008, S. 43-44, 45.

 24 Human Rights Watch, Civilian Pawns: Laws of war violations and the use of weapons on the Israel-Lebanon border, New York 1996; Maoz, Defending the Holy Land, S. 213-14, 224-25, 252; Augustus Richard Norton, Hezbollah: A short history, Princeton 2007, S. 77, 86.

25 Judith Palmer Harik, Hezbollah: The changing face of terrorism, London 2004, S. 167-68.

26 Human Rights Watch, Civilians Under Assault: Hezbollah’s rocket attacks on Israel in the 2006 war, New York 2007, S. 100. Human Rights Watch behauptet, die Raketenangriffe der Hisbollah auf israelische Zivilisten seien keine Vergeltungsschläge gewesen, bringt hierfür jedoch keinerlei Belege bei.

27 Gideon Levy, „The IDF Has No Mercy for the Children in Gaza Nursery Schools”, Haaretz, 15. Januar 2009.

28 Glenn Greenwald, „Tom Friedman Offers a Perfect Definition of ‚Terrorism’”, 14. Januar 2009, www.salon.com/opinion/greenwald/2009/01/14/friedman/.

29 Mouin Rabbani, „A Hamas Perspective on the Movement’s Evolving Role: An interview with Khalid Mishal, Part II”, Journal of Palestine Studies, Sommer 2008.

30 „What Hamas Wants”, Mideast Mirror, 22. Dezember 2008.

31 Intelligence and Terrorism Information Center at the Israel Intelligence Heritage and Commemoration Center, The Six Months of the Lull Arrangement, Dezember 2008, S. 2, 6, 7.

 32 „Hamas Wants Better Terms for Truce”, Jerusalem Post, 21. Dezember 2008. Diskin erklärte gegenüber dem israelischen Kabinett, die Hamas sei bereit zu einer Verlängerung der Waffenruhe, wenn Israel die Belagerung Gazas aufheben, die militärischen Angriffe einstellen und die Waffenruhe auf das Westjordanland ausdehnen würde.

33 Richard N. Haass / Martin Indyk, „Beyond Iraq: A new U.S. strategy for the Middle East”, und Walter Russell Mead, „Change They Can Believe In: To make Israel safe, give Palestinians their due”, in Foreign Affairs, Januar/Februar 2009.

 34 Hezbollah Secretary General Sayyed Hassan Nasrallah’s Speech Delivered at the Central Ashura Council, 31. Dezember 2008.

35 Noam Chomsky, The Fateful Triangle: the United States, Israel and the Palestinians, Boston 1983, Kap. 3, 5. [Das dritte Kapitel findet sich als Kap. 2 in Noam Chomsky, Keine Chance für Frieden: Warum mit Israel und den USA kein Palästinenserstaat zu machen ist, Leipzig 2005. Weitere Kapitel aus Fateful Triangle finden sich in Noam Chomsky, Offene Wunde Nahost: Israel, die Palästinenser und die US-Politik, Hamburg 2002. Das zitierte fünfte Kapitel liegt bislang jedoch nicht auf Deutsch vor; Anm. d. Ü.]

36 Yehuda Lukacs (Hg.), The Israeli-Palestinian Conflict: a documentary record, 1967-1990, Cambridge 1992, S. 477-79.

37 Yehoshaphat Harkabi, Israel’s Fateful Hour, New York 1988, S. 101.

38 Robert Fisk, Pity the Nation: The abduction of Lebanon, New York 1990, S. 197, 232.

39 Avner Yaniv, Dilemmas of Security: Politics, strategy and the Israeli experience in Lebanon, Oxford 1987, S. 20-23, 50-54, 67-70, 87-89, 100-1, 105-6, 113, 143.

40 Martin Indyk, Innocent Abroad: An intimate account of American peace diplomacy in the Middle East, New York 2009, S. 75.

41 Saed Bannoura, „Livni Calls for a Large Scale Military Offensive in Gaza”, IMEMC & Agenturen, 10. Dezember 2008, www.imemc.org/article/57960.

42 Uri Blau, „IDF Sources: Conditions not yet optimal for Gaza exit”, Haaretz, 8. Januar 2009; Barak Ravid, „Disinformation, Secrecy, and Lies: How the Gaza offensive came about”, Haaretz, 28. Dezember 2008.

43 Zvi Bar’el, „Crushing the Tahadiyeh”, Haaretz, 16. November 2008. Vgl. Uri Avnery, „The Calculations behind Israel’s Slaughter of Palestinians in Gaza”, 2. Januar 2009, www.redress.cc/palestine/uavnery20080102.

44 The Six Months of the Lull Arrangement, S. 3.

 

Quelle: Ellen Koesten -
"Juedische Stimme fuer gerechten
Frieden in Nahost (Oesterreich)"
homepage: www.nahostfriede.at

10.6.2009

 

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