Zwischen „Lügen- “ und „Lückenpresse“
Wie die TAZ einen Vortrag von Abi
Melzer zum Thema „Israelkritik und Antisemitismus“ wiedergibt
Arn Strohmeyer
Der deutsch-jüdische Verleger und Publizist Abraham Melzer ist
ein streitbarer Mann, der sich seit Jahrzehnten für eine
gerechte Lösung des Nahost-Konflikts einsetzt. Dass er dabei vor
allem Partei für die Palästinenser ergreift, versteht sich von
selbst, denn sie sind die Besetzten und Unterdrückten. Eine
solche Position bringt ihm natürlich viel Gegner-, ja
Feindschaft ein. So bezeichnete ihn die Präsidentin der
jüdischen Gemeinde in München, Charlotte Knobloch, jüngst als
„berüchtigten Antisemiten“ und sorgte dafür, dass ihm von der
Stadt München ein Raum für einen Vortrag verweigert wurde. Abi
Melzer ging vor Gericht und verklagte Frau Knobloch wegen ihrer
diffamierenden Behauptung. Er gewann den Prozess, er wird
demnächst in die zweite Runde gehen. Abi Melzer weist nach
dieser Erfahrung immer wieder darauf hin, wie bedroht die
Meinungs- und Pressfreiheit in Deutschland ist. Das war der
Grund, dass der emeritierte Bremer Jura-Professor Johannes Feest
Melzer zu einem Vortrag in die Hansestadt eingeladen hat.
Die TAZ war einmal als alternative
Tageszeitung angetreten, die sich von den eingefahrenen Gleisen
der Mainstream-Presse abheben und den tabulosen Blick auf die
gesellschaftliche und politische Wirklichkeit wagen wollte. Was
von diesem Anspruch übrig geblieben ist, darüber lässt sich
streiten. In der Bremer Lokalredaktion dieses Blattes (Ausgabe
Nord) sitzt ein Team von Schreibern, das sich weniger um die
Belange der Hansestadt kümmert, sondern lieber die große Politik
in den Blick nimmt – speziell den Konflikt zwischen Israel und
den Palästinensern. Da man kaum über Kenntnisse über diese
Auseinandersetzung im Nahen Osten verfügt und zudem noch – wohl
aus Angst vor dem Antisemitismus-Vorwurf – davor zurückschreckt,
die Realitäten dieses Konfliktes wahrzunehmen und sie etwa an
den Kriterien des Völkerrechts und der Menschenrecht zu messen,
weichen die Bremer TAZ-Schreiber aus, positionieren sich als
stramme Verteidiger der israelischen Politik und diffamieren die
Kritiker dieses siedlerkolonialistischen Staates als
„Antizionisten“ oder „Antisemiten“.
Zwischen Judentum, Zionismus und
Israel (und umgekehrt zwischen Antisemitismus, Antizionismus
und Kritik an Israels Politik) unterscheiden können sie nicht
,oder sie trauen sich das nicht. Und da es in Bremen eine starke
Fraktion von Kritikern der israelischen Politik gibt, bietet
sich für die TAZ-Schreiber ein breites Betätigungsfeld. Die
Bremer Ausgabe der TAZ ist inzwischen ein Kampfblatt der
Verteidiger Israels – besonders auch der sogenannten
„Antideutschen“ – geworden.
So verwundert es nicht, dass der
TAZ-Bericht von Benno Schirrmeister über einen Vortrag des
deutsch-jüdischen Verlegers und Publizisten Abi Melzer zum Thema
„Israel-Kritik und Antisemitismus“ in Bremen zum Musterbeispiel
für einseitige und infame Polemik gerät. War es früher noch eine
absolut zu befolgende journalistische Regel, Nachricht und
Kommentar fein säuberlich zu trennen, so gilt das für die Bremer
TAZ-Schreiber offenbar nicht mehr. Das Ergebnis in diesem Fall –
der Artikel von Benno Schirrmeister „Mäandern für
Meinungsfreiheit. In einem erkenntnisarmen, aber langatmigen
Vortrag erklärt Abraham Melzer, warum er Antisemitismus für
Hysterie hält und sich selbst für ihr Opfer“ – ist ein
Mischmasch von nachrichtlichen Fetzen von dem, was Melzer
wirklich gesagt hat, und hämischen und falschen Anmerkungen. Das
beginnt schon bei der Überschrift, denn Melzer hält
grundsätzlich Antisemitismus natürlich nicht für Hysterie,
sondern nur den Antisemitismus, der künstlich als Vorwurf
erzeugt wird, um die Diskussion über Israels verbrecherische
Politik gegenüber den Palästinensern abzuwürgen.
Auf Abi Melzers sehr ernst
gemeintes und deutlich ausgesprochenes Anliegen, dass er durch
das Vorgehen der Israel-Lobby die Presse-, Meinungs- und
Wissenschaftsfreiheit in Deutschland bedroht sieht, wenn
Kritikern der israelischen Politik Räume verweigert werden und
sie straffrei als „Antisemiten“ diffamiert werden können, geht
Schirrmeister nicht näher ein. Das ist für TAZ-Schreiber
offensichtlich kein Problem, man steht ja auch auf der
„richtigen“ Seite. Melzer spricht in seinem Vortrag dagegen von
einer „Antisemitismus-Hysterie“. Dazu merkt Schirrmeister an:
„Das scheint den Erwartungen nicht nur der fundamentalistischen
Islamisten im Publikum entgegenzukommen.“ Eine äußerst perfide
Behauptung, die ja suggeriert, als habe das Publikum bei Melzers
Vortrag hauptsächlich aus Salafisten und IS-Anhängern bestanden.
Offensichtlich sind für diesen Schreiber alle Kritiker der
israelischen Politik „fundamentalistische Islamisten“, was ja
einiges über das verwirrte Weltbild dieses Schreibers aussagt.
In Wirklichkeit bestand die Zuhörerschaft Abi Melzers
mehrheitlich aus besten gutbürgerlichen, wenn auch kritisch
gesinnten Bremer Kreisen.
„Geschichtsklitterung“ nennt der
TAZ-Schreiber die Äußerung Melzers, „die Araber hätten
Jahrhunderte in Frieden mit Juden zusammen gelebt.“ Das ist
schlicht ein Faktum, das auch bei jüdischen und israelischen
Historikern nachzulesen ist. Im Mittelalter haben große jüdische
Gelehrte wie Maimonides ihre Werke sogar in arabischer Sprache
geschrieben. Der Antisemitismus ist ein Produkt Europas und ist
erst als Reaktion auf die gewalttätige siedlerkolonialistische
Politik der Zionisten in Palästina in den arabischen Raum
gekommen. Man darf hier Ursache und Wirkung nicht verwechseln.
Da ist es auch kein Gegenargument, dass islamistische
Terroristen Juden in Paris ermordet haben, worauf ein
Zwischenrufer hinwies. Abi Melzer ordnete diesen Terrorakt in
den Zusammenhang des Nahost-Konflikts ein, der eben auch auf
europäischen Boden ausgetragen wird.
Als Melzer das Problem ansprach,
dass deutsche Banken Israel-kritischen Organisationen und
Personen (auch jüdischen und Melzer selbst) neuerdings die
Konten kündigen, und anmerkte, dass deutsche Medien über diese
Ungeheuerlichkeit so gut wie nicht berichtet hätten, muss der
TAZ-Schreiber sein Blatt verteidigen, denn darüber habe es
berichtet – aber vermutlich nicht die Bremer Redaktion. Der
Vorwurf bleibt aber bestehen und in diesem Zusammenhang benutzte
Melzer das Wort „Lügenpresse“, das Schirrmeister dankbar
aufgreift, kann er doch so eine assoziative Nähe zu Pegida uns
der AfD herstellen, ohne das natürlich auch zu schreiben.
Aber Melzer hatte das Wort
„Lügenpresse“ kritisch gemeint und sich auf den
Medienwissenschaftler Ulrich Teusch berufen, der von
„Lückenpresse“ spricht, also die gezielte Unterdrückung von
Nachrichten im deutschen Journalismus meint. Diese feine
Unterscheidung macht Schirrmeister natürlich nicht, er lässt
Melzers Eingehen auf den Begriff „Lückenpresse“ einfach weg. Es
reicht ja wohl offenbar, wenn man Melzer mit dem Begriff
„Lügenpresse“ in Verbindung bringt.
Zum Schluss seines Artikel leistet
sich Schirrmeister noch eine faustdicke Falschbehauptung, die
man auch als Lüge bezeichnen kann. Es hatte von der Bremer
Israel-Lobby natürlich auch Versuche gegeben, die Veranstaltung
mit Abi Melzer zu verhindern. Der Rektor der Bremer Universität
Professor Bernd Scholz-Reiter (der Vortrag fand im Gästehaus der
Uni statt) hatte aber entschieden: „Die Universität ist ein Raum
der freien Diskussion. Das bedeutet, auch konträre Positionen
zuzulassen.“ Der TAZ-Schreiber merkt an: „Beim Melzer-Vortrag
fand derartiges nicht statt. Im Gegenteil: Als proisraelische
Aktivisten, die bis zuletzt ausgeharrt hatten, eine Frage
stellen, bürstet Melzer die brüsk ab: ‚Quatsch!‘ sei das, ‚dazu
sage ich nichts.‘ Beifall brandet auf. Und aus dem Publikum
werden die Fragesteller angezischt, sie wollten ja wohl nur die
Veranstaltung chaotisieren.“ Perfider und infamer geht es
wirklich nicht. Denn nach dem Vortrag von Abi Melzer wurde eine
halbe oder dreiviertel Stunde lang offen und freimütig
diskutiert. Es kamen bestimmt etwa 15 Personen zu Wort – auch
kritische Stimmen. Erst als ein – vermutlich antideutscher –
Israelfreund den Begriff des „palästinensischen
Vernichtungsantisemitismus“ in die Debatte brachte, sagte Melzer
völlig zu Recht: „Quatsch! Darauf antworte ich nicht!“ Auf alle
anderen Fragen war er ausführlich eingegangen.
Schirrmeisters Artikel über die
Veranstaltung mit Abi Melzer ist ein Lehrbeispiel für infamen
Journalismus. Er belegt, wie berechtigt die Kritik am deutschen
Pressewesen ist und wie ernst die Befürchtung zu nehmen ist,
dass bei so brisanten Themen wie dem Nahost-Konflikt die
Meinungs- und Pressefreiheit bedroht ist. Genau das war Abi
Melzers Thema. Vielleicht verhilft dem TAZ-Schreiber die Lektüre
von Ulrich Teuschs Buch „Lückenpresse. Das Ende des
Journalismus, wie wir ihn kannten“ zu einem etwas sauberen
Verständnis seines Berufes.
23.01.2017
Bezug: Vortrag von Abraham Melzer in Bremen - Mäandern für
Meinungsfreiheit
- Benno Schirrmeister - In einem
erkenntnisarmen, aber langatmigen Vortrag erklärt Abraham
Melzer, warum er Antisemitismus für Hysterie hält und sich
selbst für ihr Opfer. >>>
VIDEO -
Israelkritik und Antisemitismus - Vortrag von Abi Melzer in
Bremen
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