Der Frieden ist noch fern
Die jüdischen Siedler in den Berichten der Journalisten in
Israel
DT vom 26.07.2005
Wenn sie auf den für sie gebauten und fast ausschließlich
ihnen vorbehaltenen Straßen in ihre grünen Oasen auf
palästinensischen Land fahren, liegt nicht selten auf dem
Beifahrersitz eine Maschinenpistole. Auch ihre Sprache
drückt Gewaltbereitschaft aus: "Tod den Arabern", den sie
mittlerweile auch Sharon angedroht haben. Die jüdischen
Siedler machen nicht einmal zehn Prozent der
jüdisch-israelischen Bevölkerung aus - wie werden sie von
anderen Israelis gesehen, wie von den eigenen Medien - und
wie von Palästinensern? Lerry Derfner kann in der "Jerusalem
Post" in seinem Beitrag "Warum ich die Siedler beneide"
seine Bewunderung für die Siedler nicht verhehlen. Er, ein
"israelischer Linker" kann mit der Siedler-Ideologie "der
jüdischen Vormachtstellung, mit ihrem politischen und
religiösen Extremismus und ihrer natürliche Neigung zu
Verschwörungstheorien und Gewalt" nichts anfangen.
Gleichwohl beneidet er sie um die "Art von Gemeinschaft, die
sie aufgebaut haben". Während die Linken Individualisten
seien, seien die Siedler, wenn es um Hilfeleistung für
andere ginge, "unschlagbar". Gemeinschaftsgeist, "Wärme,
Zusammengehörigkeitsgefühl" finde man in den Siedlungen -
"und nicht in den akademischen Elitekreisen der Linken".
Trotzdem wolle er nicht die Seiten wechseln, denn die
"Siedlerbewegung liegt falsch und ist zerstörerisch". Wie
zerstörerisch, das erfahren Menschenrechtsorganisationen und
Polizei fast täglich. Der Bericht der israelischen Polizei
vom Jahre 2003 erfasste allein 361 Siedler- Vergehen im
West-Jordanland - von Erntediebstählen, Zerstörungen von
Olivenhainen, Häuser- und Landbeschlagnahmung über
Viehvergiftung bis hin zu Tötungsdelikten. Viele Verbrechen,
gerade in Hebron, so die palästinensische
Menschenrechtsorganisation "Al Haq" fänden vor den Augen der
israelischen Sicherheitskräfte statt, die nichts unternehmen
würden, "um die Gewalt zu beenden". Dieses Phänomen, gepaart
mit dem Versagen des Rechtsapparates habe eine "Kultur der
Straflosigkeit" aufrechterhalten. Die israelische
Journalistin Amira Hass gibt zu bedenken, dass "alle
Regierungen und das Justizwesen das Verhalten der Siedler
gegenüber den Palästinensern tolerierten". Damit hatten die
Siedler "grünes Licht für die ständigen kriminellen Akte der
Verfolgung und Vertreibung - lange vor dem Lynchen in Muasi".
Schauplatz Muasi im Gaza-Streifen vor wenigen Wochen. Ein
palästinensischer Jugendlicher wurde bewusstlos gesteinigt.
"Die ganze Welt sah den Horror im Fernsehen", so der
israelische Friedensaktivisit Uri Avneri. Dabei habe ein
"Chor von Siedlerjungen und -mädchen ,Lasst ihn sterben
gerufen". Avneri fragt, warum einem Sprecher der Siedler
"wie einem Regierungssprecher" Sendezeit im Fernsehen
gewährt worden sei, wo dieser "Anordnungen zum Lahmlegen des
Landes" gegeben habe. "Er wurde nicht am Eingang zum Studio
wegen Terrorismus, Aufhetzung und des Planes, ein Verbrechen
zu begehen verhaftet", sagte der deutschstämmige Avneri. Die
Menschenrechtsaktivistin und frühere Bildungsministerin
Shulamit Aloni nennt dies "Judentum der Gewalt". Die Siedler
"vergiften 120 Schafe, sägen Olivenbäume ab, lassen den
Traktor eines Farmers in die Luft gehen, fesseln einen
15-jährigen Hirten und stehlen zehn seiner Schafe". Für
Aloni ist es kein Zufall, dass die vom Staat bezahlten
Rabbiner der Siedler entschieden hätten, "dass die Sache mit
dem ,Lieben des Fremden aus dem fünften Buch Mose vergessen
werden soll". Stattdessen, so Aloni über die Rabbiner,
"sollten wir das Gebot annehmen, das im selben Buch im Vers
7,2 steht: ,So sollst du an ihnen den Bann vollstrecken, du
sollst keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade für
sie haben". In der Tat berufen sich viele Siedler auf die
Bibel, genauer auf die Tora. Kein Wunder, dass die meisten
Palästinenser die Siedler, so der palästinensische Pfarrer
Naim Ateek, nicht als "säkular" sehen. Für die Mehrheit
seiner Landsleute seien sie "sehr rechts stehende Fanatiker
und religiöse Nationalisten". "Miteinander teilen,
Gleichheit, friedlicher Kompromiss" - das alles sind nach
Meinung von Ateek Fremdwörter für die Siedler. Der Direktor
des ökumenischen Zentrums "Sabeel" sieht drei Kategorien von
Siedlern: die, die nichts dagegen haben, dass einige
Palästinenser bleiben, allerdings unter jüdischer Hoheit.
Die zweite Gruppe allerdings sei der Meinung, dass alle
Palästinenser das Land zu verlassen hätten und für die
dritte Gruppe, die "Extremisten sei es in Ordnung,
Palästinenser zu töten - basierend auf der Tora". Die
israelische Menschenrechtsorganisation "Btselem" berichtet,
dass der Siedlerführer und Rabbiner Moshe Levinger am 30.
September 1988 im Stadtzentrum Hebrons plötzlich das Feuer
eröffnete. Ein Palästinenser wurde getötet, ein weiterer
verletzt. Im Urteil des Jerusalemer Gerichtshofes schrieb
Richter Shalom Brenner, dass die Strafe "den eigentlichen
Wert von menschlichem Leben an sich" zum Ausdruck bringen
müsse. Brenner verurteilte den Siedlerrabbi zu fünf Monaten
Haft und weiteren sieben Monaten auf Bewährung. Für Natan
Sznaider, Soziologieprofessor in Tel Aviv zerstören die
Siedler "den zionistischen Traum von einer normalen
jüdischen, souveränen Existenz im eigenen Land". "Die wahren
Zionisten sind die Menschen, für die die Zahnschmerzen der
Kinder ein größeres Problem sind als die Sorge um jüdische
Präsenz im Herzen arabischer Städte." Nicht nur die
Friedensorganisation "Gush Shalom" mobilisiert seit Jahren
zum Protest gegen die Siedler". Für den "Friedensblock"
blockieren sie "seit 38 Jahren die Straße zu Frieden und
Sicherheit". |