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Aktivisten werden weltweit den „Tag des
Bodens“ mit dem „Globalen Marsch
nach Jerusalem“ markieren.
Elsa Rossbach , 27.3.12
http://972mag.com/activists-worldwide-to-mark-land-day-with-glöbal-march-jerusalem/39358
Jedes Jahr am 30. März feiern die
Palästinenser den „Tag des Bodens“ als einen Tag des nationalen Kampfes,
um an die Proteste 1976 gegen die Enteignung von palästinensischem Land
zu erinnern. Die Enteignung, die dem Protest vorausging, fand in Galiläa
statt und wurde als Teil der israelischen Politik angesehen, bewusst
einen demographischen Wandel herbeizuführen und in bestimmten Gemeinden
eine israelische Mehrheit zu schaffen. Die 1976-Demos und allgemeinen
Streiks breiteten sich bis in den Negev aus und hatte den Tod von sechs
unbewaffneten arabischen Israelis zur Folge und markierte den ersten
Massenaufstand der arabischen Einwohner Israels nach 1948. Weit
verbreitete Solidaritätsproteste fanden in der Westbank, im Gazastreifen
und in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon statt.
In diesem Jahr wird der Tag des Bodens die
Palästinenser im ganzen Nahen Osten und in der Diaspora auf die Gefahren
aufmerksam machen, denen sich Jerusalem gegenüber sieht. Die
Organisatoren des „Globalen Marsches nach Jerusalem“ behaupten, dass
durch Methoden der ethnischen Säuberung Israel die restlichen arabischen
Einwohner mit Gewalt aus Jerusalem verdrängen will und damit den
multi-religiösen, multi-ethnischen Charakter der Stadt gefährden, von
der ein Teil die Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates
werden soll. Die israelische Regierung hat lange den meisten
Palästinensern – Muslimen wie Christen – den Zugang nach Jerusalem
verweigert, selbst zum Besuch der Heiligen Stätten.
Am 30. März werden die Palästinenser
versuchen , so nah wie möglich an Jerusalem zu kommen, einschließlich an
die Grenzen des Libanon und Jordanien, an die Checkpoints in der
Westbank und an den Erez-Grenzübergang in Gaza. Demonstrationen werden
auch in Jerusalem selbst abgehalten. Unterstützer aus fünf Kontinenten
werden sich dem Marsch anschließen. Ein beratendes Gremium des Globalen
Marsches schließt die Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu
und Mairead Maguire ein . Solidaritäts-Mahnwachen und Aktionen sind auch
am 30.März vor israelischen Botschaften und andern Örtlichkeiten in 60
Städten der Welt geplant.
Die palästinensische Koalition, die diesen
Global Marsch nach Jerusalem organisiert, mag in seiner Ausbreitung
ohnegleichen sein. Aber nachdem Unterstützer aus Indien, Malaysia,
Pakistan und anderen asiatischen Ländern auf ihrem Weg zum Libanon Iran
besuchten, um sich dann dem Marsch anzuschließen, behaupten einige
israelische und US-Medien, er sei vom Iran aus organisiert worden. und
Zusammenstöße seien mit den israelischen Kräften geplant.
Unter den freimütigsten palästinensischen
Unterstützern und Organisatoren des Global March ist Dr. Mustafa
Barghouti,58, der bekannte Anwalt von gewaltfreiem Widerstand. Als
Generalsekretär der palästinensischen Nationalinitiative spielte Dr.
Barghouti eine Schlüsselrolle bei den kürzlichen Versuchen, Hamas und
Fatah zusammenzubringen.
Er ist Mediziner, der in der früheren
Sowjetunion, in den USA und in Jerusalem studierte. Er gründete und
leitet die Palästinensische Medizinische Hilfsgesellschaft. 2005
kandidierte er für die Präsidentschaft der Palästinensischen
Nationalbehörde und gewann 19% der Stimmen. Er wohnt in Ramallah in der
Westbank. Wir sprachen kürzlich zusammen über den Global March nach
Jerusalem.
Sie trafen sich mit Palästinensern
verschiedener politischer Perspektiven und an vielen Orten in der Welt,
um sie zum Global March nach Jerusalem aufzurufen. Was ist der Sinn
dieser Initiative?
Es ist ein Akt der Solidarität mit dem
palästinensischen Volk. Es wird am Tag des Bodens stattfinden, am 30.
März. Es ist ein Tag, der die Einheit der Palästinenser im Kampf für
Freiheit und Würde und gegen den Diebstahl des Landes symbolisiert. Wir
hoffen, dass wir die Aufmerksamkeit der Welt auf die schweren
Verletzungen lenken, die Israel gegen Jerusalem begeht. Die UN wie auch
der Internationale Gerichtshof halten diese Annexion Ost-Jerusalems, das
ein Teil des besetzten palästinensischen Gebietes ist , für eine
Verletzung des Völkerrechts.
Aber illegale israelische Konfiszierung von
palästinensischem Land gibt es doch überall in den besetzten Gebieten
auch innerhalb Israels. Warum konzentrieren sie sich auf Jerusalem?
Jerusalem ist das Herz der palästinensischen
Sache. Ost-Jerusalem sollte die Hauptstadt des palästinensischen Staates
sein. Wenn Jerusalem verloren geht, dann ist das ganze Konzept und die
Idee eines palästinensischen Staates verloren und die Möglichkeit eines
Friedens.
Und Jerusalem ist ein bedeutender Ort für
die ganze Menschheit, eine heilige Stätte für Muslime, Christen und das
jüdische Volk. Es sollte der Ort sein, wo der Frieden beginnt.
In Jerusalem sieht man heute das israelische
System der Trennung, Apartheid und der ethnischen Säuberung auf die
schärfste Weise. Wenn ein Palästinenser aus Jerusalem ein Frau aus
Ramallah heiratet, nur 16 km entfernt, ist er nicht in der Lage, mit ihr
zusammen zu leben. Die Israelis werden ihr nie das Wohnrecht in
Jerusalem gewähren – aber wenn er nach Ramallah zieht, verliert er seine
Identitätskarte und sein Wohnrecht in Jerusalem. Und dieses Recht könnte
ihm auch aus politischen Gründen entzogen werden. Obwohl ich in
Jerusalem geboren wurde und dort als Arzt 15 Jahre lang arbeitete,
verweigerte die israelische Armee mir den Zutritt Jerusalems, nachdem
ich für die Präsidentschaft kandidierte. Die meisten Palästinenser,
einschließlich Christen und Muslime dürfen die Stadt nicht betreten.
Aber jede jüdische Person von irgendwoher in
der Welt, die sich entscheidet, nach Israel einzuwandern, ob aus
Sibirien oder den USA, wird sofort das Recht gewährt, in Jerusalem oder
irgendwo in den besetzten Gebieten zu leben. Jerusalem ist für jede
jüdische Person zugänglich. Es sollte für jeden zugänglich sein. Viele
jüdische Personen aus Israel und andern Teilen der Welt sind damit
einverstanden, am „Global March“ teilzunehmen oder ihn mit zu
organisieren.
Unter den Forderungen des Marsches ist das
„Rückkehrrecht“. Warum sollen Palästinenser, die im historischen
Palästina leben, solch eine Forderung unterstützen?
Diese Forderung bedeutet uns eine Menge,
weil eine große Anzahl von Flüchtlingen, die im Gazastreifen und in der
Westbank lebt und denen der Zugang zu dem Ort, aus dem sie vertrieben
wurden, verweigert wird. Sogar Palästinenser, die in Israel leben, die
israelische Staatsbürgerschaft haben, dürfen nicht in ihre Dörfer in
Israel, nach Iqrit und Kafr Birim zurückkehren. Das Rückkehrrecht ist
ein Recht, das vom Völkerrecht anerkannt wurde und zwar unter der
UN-Resolution 194. Wir haben Verständnis dafür, dass seine Erfüllung
verhandelt werden muss, aber das Recht muss respektiert werden.
Letztes Jahr am 15. Mai, der gleichzeitig
Naqbatag und israelischer Unabhängigkeitstag ist und der 5. Juni - der
Naksa-Tag - der Jahrestag des 1967er-Krieges, versuchten unbewaffnete
Palästinenser die Grenzen Syriens und des Libanon zu überqueren. Nach
einigen Berichten töteten israelische Soldaten Dutzende und verletzten
Hunderte. Könnte der Globale March zu einer Wiederholung solcher Gewalt
führen?
Der Marsch wird ein Akt
des Friedens sein, ein Akt der Gewaltlosigkeit und deshalb sind die
Palästinenser überall vereint, diesen zu unterstützen. Dies gibt den
Konsens der Palästinenser von heute wieder, da sie alle total die
Gewaltlosigkeit adoptieren. Wir wissen, dass Israel schrecklicher Gewalt
fähig ist. Alle Organisationen im Libanon, Jordanien, Ägypten und
Israel/Palästina sind sich dieses Risikos bewusst. Wir hoffen, dass die
USA und die europäischen Länder Israel unter Druck setzen, keine Gewalt
gegen unsere Gewaltlosigkeit anzuwenden.
Elsa Rassbach ist
Filmemacherin und Journalistin aus den USA, sie lebt jetzt in Berlin.
Sie ist ein Mitglied von CODEPINK, einer Organisation, die den Global
March nach Jerusalem unterstützt.
Sie ist häufig eine
Mitarbeiterin bei deutschen und US-Veröffentlichungen. Ihr
preisgekrönter Film „The Killing Floor“, ein historisch-dramatischer
Film über den Kampf gegen Rassismus in den Chikago Stockyard wird dieses
Jahr veröffentlicht.
(dt. Ellen Rohlfs)
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