Kirchenkampf
in Israel
Ökumene adieu: Israel bekämpft die Katholiken,
Orthodoxen und Lutheraner und hofiert stattdessen die Evangelikalen
aus den USA
Von Thomas Seiterich
Die Zeichen
stehen auf Sturm im Verhältnis des Staates Israel zu den
traditionellen, ortsansässigen Kirchen. Denn Israel unterlässt
nichts, um die Caritas und Gemeindearbeit der Kirchen unmöglich zu
machen. Dieser mit Mitteln der Bürokratie geführte Krieg zielt ab
auf die radikale Verkleinerung der kirchlichen Aktivitäten, ja auf
deren Beendigung. Zugleich werden die Neukirchen der Evangelikalen
und Fundamentalisten US-amerikanischer Provenienz vom Staat Israel
hofiert. Kein Wunder: Sie bringen zig Millionen Dollar Spendengelder
für israelische Einrichtungen. Die Neo-Frommen hören nicht auf die
kritischen Stimmen der Kirchen im Heiligen Land, sondern vertreten
mit Emphase ultrazionistische Standpunkte. Die rabiate politische
Heilslehre und Theologie dieser neuen US-christ lichen Verbündeten
Israels ist brachial: Christus, der Messias, wird sicher kommen,
wenn Israel vollständig gesiegt hat. Deshalb gilt es, Teufelswerk
wie den arabischen Felsendom und die Al-Aksa-Moschee
auf dem Tempelberg in Jerusalem niederzureißen und sämtliche
Nichtjuden und Nichtchristen, also die muslimischen Araber, aus dem
Holy Land zwischen Mittelmeerküste und Jordan auszutreiben. Im
Ergebnis kommt diese christlich-fundamentalistische Polit-Theologie
den Ideologien ultrareligiöser jüdischer Siedler nahe.
Würde diese
Polit-Theologie des »Verheißenen Landes« umgesetzt, bräche womöglich
der Dritte Weltkrieg aus. Denn die islamische Welt mit rund
anderthalb Milliarden Gläubigen nähme die Zerstörung der islamischen
heiligen Stätten in Al Kuds, der »Heiligen« – so nennen
Arabiens Muslime Jerusalem –, niemals wehrlos hin.
Doch dies
schert die Evangelikalen nicht, die insgeheim Judenmission betreiben
und im jüdischen Westteil der Stadt Jerusalem The Christian
Embassy, ihr pompöses Hauptquartier, errichtet haben. Im
Gegensatz zu eher ängstlichen protestantischen, orthodoxen oder
katholischen Pilgern aus dem alten Europa zögern evangelikale
Pilgergruppen nicht, auch in militärischen und politischen
Spannungszeiten nach Israel zu wallfahren. Diese Robustheit der
Fundamentalisten bewegt Dollarmillionen und verschiebt im
Pilger-Business sowie im Heiligen-Land-Tourismus die Gewichte und
traditionellen Prioritäten.
Die Christen
im Heiligen Land sind seit rund 1500 Jahren Araber. Seit dem 20.
Jahrhundert nennt man sie Palästinenser.
Die
orthodoxe Kirche, der rund zwei Drittel der Christen Palästinas
angehören, wird zerrissen vom Strukturkonflikt zwischen griechischer
Leitung und arabischem Kirchenvolk. Wiederholt haben die aus
Griechenland importierten orthodoxen Kirchenoberen Kirchenland an
Juden verkauft – so zum Beispiel das Grundstück, auf dem Israels
Parlament, die Jerusalemer Knesseth, steht. Bei solchen
Landverkäufen wurde das palästinensische Kirchenvolk nie gefragt.
Grund genug, dass es seit über einem Jahrzehnt zwischen
einheimischem Volk und ortsfremder Hierarchie brodelt. Demzufolge
ist die orthodoxe Kirche im Heiligen Land nur beschränkt
aktionsfähig.
Die
Lutheraner bilden, ähnlich wie die Anglikaner, eine an Zahl kleine,
aus Palästinensern bestehende Kirche, deren Wurzeln in die
Kolonialzeit des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Beide, Lutheraner
und Anglikaner, engagieren sich – wie auch die Katholiken –
sozialdiakonisch weit über den Kreis ihrer Gläubigen hinaus. Sie
sind dabei höchst aktiv und erfolgreich. Palästinas Elite, Frauen
wie Männer, ging seit Generationen zu einem Gutteil durch
lutherische oder katholische Schulen. Dies gilt in der Gegenwart
sogar für die Führungskreise der islamistischen militanten Hamas-Bewegung,
die 2006 die Wahlen gewann und derzeit den Gaza-Streifen beherrscht.
Die
Katholiken schließlich wurden von sämtlichen Kirchen im Heiligen
Land 1997 in einem ökumenischen Verfahren damit beauftragt, für alle
Kirchen und Christen in der Region zu sprechen. Diese
Wortführerschaft erhöht des Gewicht des Lateinischen Patriarchen,
also des römisch-katholischen Erzbischofs in Jerusalem – obgleich
sein Patriarchat gerade mal anderthalb Jahrhunderte alt ist und
damit zu den
»Spätgekommenen« in der Heiligen Stadt zählt. Mit Michel Sabbah übt
erstmals ein Palästinenser das Amt des Lateinischen Patriarchen aus.
Sabbah, der 2008 aus Altersgründen resignieren muss, erfüllt sein
Amt kämpferisch und gewaltfrei im Sinne der Palästinenser. Als
internationaler Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax
Christi schuf sich Sabbah eine zusätzliche Bühne für seine Art
palästinensischer Befreiungstheologie. So couragiert und
konfliktfreudig agiert der Lateinische Patriarch, dass er bei
Kardinalserhebungen in Rom stets übergangen wird.
Wie führt
Israel den derzeitigen Kampf gegen die »historischen« Kirchen? Auf
den »Nadelstich«-Gefechtsfeldern Land, Reisebestimmungen, Caritas
und Diakonie.
Land:
»Wir mussten unseren Olivenhain einzäunen und sichern«,
berichtet Michael Wohlrab. Der junge Jerusalemer Pastor der
Hannoverschen Landeskirche verwaltet ein Top-Grundstück. Wohlrab
blickt vom Turm seiner evangelischen Kirche und dem
Auguste-Victoria-Hospital hinab in die von Israel
völkerrechtswidrig annektierte Altstadt von Jerusalem. »Es wurde
jüngst eine jüdische Siedlung samt Schule genau neben uns errichtet,
illegal, in einer arabischen Siedlung; und die jüdischen Schüler
begannen sogleich, täglich über unseren Grund zu laufen. Daraus wird
in Israel rasch ein Gewohnheitsrecht – und ruckzuck hat man als
Kirche Riesenprobleme.« Insgesamt 148 Grundstücke besitzen
katholische Institutionen in Israel. 137 davon werden von Israel
neuerdings bestritten, besetzt, teils weggenommen. Beim katholischen
Caritas-Pflege- und Altenheim im Jerusalemer Stadtteil Abu Dis zog
Israels Militärbehörde, der der Mauerbau untersteht, die elf Meter
hohe Mauer so eng am Haus durch den kleinen Garten, dass manche
der Alten
darüber verrückt werden.
Reisebestimmungen: Israel entzieht den Visa für
Geistliche und Nonnen mit arabischem Lebenshintergrund die
Mehrfachgeltung. Was dies bedeutet, wird klar, wenn man wahrnimmt,
dass sowohl der lutherische Kirchendistrikt als auch das
anglikanische und das katholische Bistum Israel Gaza, die Westbank
und Jordanien umfassen. An israelisch kontrollierten Checkpoints und
Grenzen ist das Visum nötig, das Israel Arabern nur ungern erteilt.
Die Folge: Die überörtliche Kirchenarbeit wird zerstört, denn nicht
einmal die Geistlichen, von den Laien ganz zu schweigen, dürfen im
Gebiet ihrer Kirche reisen.
Diakonie: Unter der Abriegelung Gazas und der
Westbank leiden die Sozialwerke der Kirchen.
Insbesondere
das Ökumenische Krankenhaus des Weltkirchenrats in Gaza sowie
das Caritas Baby-Hospital in Bethlehem haben in Notzeiten,
wenn Israels Militär die Spitäler blockierte, bisher den Einsatz von
300 ambulanten Notärzten im Gazagebiet von der Jerusalemer Caritas
aus per Handy koordiniert. Nur drei Prozent der Palästinenser sind
Christen, doch rund ein Viertel aller Krankenhäuser in der besetzten
Westbank sind kirchlich. Dieses große diakonische Engagement für die
Palästinenser soll durch den Kirchenkampf getroffen, ja letztlich
zerstört werden.
Der
diplomatische Widerstand der Christen gegen die Attacken Israels
krankt daran, dass der Päpstliche Nuntius in Israel, Erzbischof
Franco Antonio, im aktuellen Konflikt durch Untätigkeit versagt. So
wirkungsvoll der Papstdiplomat Antonio einst in Teheran zugunsten
der Christen in der Islamischen Republik Iran agierte, so apathisch
wirkt er in Israel. Aus der Politischen Abteilung im Vatikan kommt
vorerst keine Hilfe für die Kirchen im Heiligen Land. Denn der Chef
des deplatzierten Nuntius, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone,
einst enger Mitarbeiter Kardinal Ratzingers in der Glaubensbehörde,
gilt in puncto Israel als ein Hasenfuß.
Deshalb
musste Mitte November der römische Ökumene-Kardinal Walter Kasper
nach Israel reisen, um mit der Regierung Tacheles zu reden.
Herausgekommen ist dabei wenig.
Schon läutet
Israel die nächste Runde im Kirchenkampf ein. Die Steuerbefreiungen
für Pilgerhospize, deren Gewinne in die Armenarbeit fließen, sowie
für Spitäler und Sozialwerke, die der Vatikan 1997 mit Israels
Regierung für die Kirchen vertraglich fixiert hatte, sollen nicht
mehr gelten. ■
Quelle:
Publik Forum
Publik-Forum
- 8.12.2007
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