Die wahre
Haus-Krise
Die Bandbreite der Verbrechen der
israelischen Regierung in der Westbank wird einem bei einer
Tour durch diese mit einer lokalen NGO (ICAHD) nur zu deutlich.
Seth Freedman, 22.Mai
2008
Mein letzter Artikel
über das isr. Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD) war ein
mea culpa, in dem ich für eine frühere Verurteilung
der Gruppe und ihrer Arbeit büßte …
Heute also machte ich
noch einmal dieselbe ICAHD-Tour zum dritten Mal – diesmal mit
einer anderen, offeneren Einstellung und klarem Bewusstsein im
Gegensatz zu meinen früheren Begegnungen mit ihr. Die ganze
Fahrt über versuchte ich so objektiv wie möglich zu sehen.
Natürlich kann ich mir das spöttische Geschrei vorstellen, das
mich als alles andere als nur objektiv denunziert. Aber dagegen
kann ich wenig tun. Die pure Wahrheit der Besatzung spricht für
sich selbst. Und mich selbst sehe ich als nichts anderes als
ein Mittel, das Licht auf die Fakten vor Ort wirft.
Nachdem uns der
ICAHD-Gründer Jeff Halper im Zentrum der Organisation in
West-Jerusalem gründlich vorbereitete und alle Glaubwürdigkeit
der Theorie zerstreute, dass die „Trennungsmauer Sicherheit mit
sich bringt“ , fuhren wir in einem Bus durch das besetzte
Ost-Jerusalem und die sich daran anschließenden Gebiete der
Westbank.
Wir begannen in
Ost-Talpiot, einem Stadtteil Jerusalems, der jenseits der Grünen
Linie liegt, doch eher als Ableger von Talpiot denn als
illegale Siedlung angesehen wird, was sie in Wirklichkeit ist.
Eine zwanzig Fuß hohe Anhäufung prahlt mit der neuen Nof
Zion-Entwicklung, die am Rand des arabischen Dorfes Jabel
Mukaber gebaut wurde.
Aber die
Grundstücksmakler schauen weiter…“Der Grund, warum sie ein
US-Verkaufsoffice haben, ist der, dass es nicht genügend
ideologische Siedler in Israel gibt,“ sagt Halper, „also werfen
sie das Projekt den Diasporajuden nach. Den meisten von diesen
ist nicht klar, dass sie sich in ein Siedlungsunternehmen
einkaufen.
Die Zugangsstraße und
Bürgersteige nach Nof Zion sind in tadellosem Zustand.
Und dann –
buchstäblich in dem Moment, in dem wir das Tor zur Siedlung
verlassen, wird die Straße zu so etwas wie einem Feldweg;
keine Straßenlaternen mehr, alle Spuren von Asphalt und
Bürgersteigen verschwunden. Es hätte nicht deutlicher sein
können: es ist eine schockierende Wahrheit dafür, wie das
Gemeindeamt die zwei Bevölkerungen betrachtet. Die Juden
bekommen alles, während die Araber glücklich darüber sein
sollen, wenn ihnen Krümel zugeworfen werden, mit denen sie
überleben können.
Wir fuhren an mehreren
zerstörten Häusern und Bauruinen vorbei, die den
Baurestriktionen in arabischen Stadtteilen zum Opfer gefallen
waren. Etwas anderes war es mit einem sechsstöckigen Siedlerhaus
im Herzen von Silwan. Ganz oben flatterte eine übergroße
israelische Flagge im Wind. „Sie bauten es auch ohne
Genehmigung,“ sagte Halper, Doch das Gemeindeamt ließ sie, da
die Regierung mit ihnen unter einer Decke steckt.“
Wir fuhren weiter nach
Abu Dis, wo die Trennungsmauer inzwischen ein reges
Geschäftszentrum geteilt hat. „Die Mauer trennt hier Araber von
Arabern“, bemerkt Halper, „es hat nichts mit Sicherheit zu tun;
denn hier leben keine Juden. Der Mauerverlauf folgt nicht der
(Grünen Linie-) Grenze und Sicherheit bietet die Mauer auch
nicht – es geht schließlich darum, so viel Druck wie möglich auf
die Bevölkerung auszuüben, damit die das Gebiet verlässt. Es ist
die Politik der „stillen Vertreibung“.
Wir fuhren weiter nach
Maale Adumim, eine stattliche und florierende Statt mit 40 000
Siedlern weit in den besetzten Gebieten drin – ein Beweis für
den flagranten Bruch des Völkerrechts ( hier zu siedeln) .“Die
Genfer Konvention hat festgelegt, dass eine Besatzungsmacht sich
nicht der natürlichen Ressourcen im besetzten Gebiet bedienen
darf“,sagt Halper, doch schauen sie sich um!. Überall wird der
Diebstahl durch die Behörden deutlich: saftige, gepflegte
Straßenränder, ein großer Gemeinde- Swimmingpool mitten in der
Stadt und ein seltsamer Brunnen mit Friedenstaube. Er sprudelt
Wasser in die Hitze der Wüste.
Israelis verwenden 85%
des Wassers der Westbank, abgesehen von den anderen Ressourcen,
die im Namen der Regierung geplündert werden. Zusätzlich kommt
die eindeutige Absicht der Behörden, die Besatzung zu einer
permanenten zu machen. „Das begann mit Sharon in den
70er-Jahren,“ sagt Halper, „und jetzt nach 30 Jahren eines
unbegrenzten Budgets und anhaltender Expansion in der Westbank
hat die Regierung eigenmächtig die Machbarkeit einer
Zweistaatenlösung zerstört.“ Er behauptete, dass es unmöglich
wäre, nun einen lebensfähigen palästinensischen Staat ( neben
Israel) zu schaffen, da die gigantischen Siedlungen wie Maale
Adumim einen Zusammenhang der für die Palästinenser bestimmten
Gebiete verhindern.
Halper, ein Professor
der Anthropologie , sagte: „um die Absichten der Regierung zu
verstehen, muss man sich dem Problem von Grund auf nähern: jede
Siedlungserweiterung, jede ausgeführte Strafmaßnahme, um die
Palästinenser zu vertreiben, weist nur auf eines hin: dass die
Behörden den Prozess der Vorherrschaft beschleunigen wollen.
Wir, die Gegner dieser Politik, können nicht langsam vorgehen,
da Israels Aktionen ( vorausschauend) pro-aktiv sind. Auch wenn
sie als re-aktive Maßnahmen gegen den Terror dargestellt werden
– so entspricht dies nicht der Wahrheit.“
Warum ist z.B. die
„Sicherheitsmauer“ nicht zu Ende gebaut worden, wenn es bei
ihren Bemühungen darum ginge, nur sich selbst zu schützen?
Statt mich einen
selbsthassenden Juden zu nennen oder mir irgend einen anderen
netten Spitznamen anzuhängen, was mich gar nicht weiter berührt,
täten die Verteidiger von Israels Apartheidsversion gut daran,
einmal tief durchzuatmen, die Fakten vor Ort genau zu betrachten
und zu sehen, ob sie es ehrlich fertig bringen, den Verdacht zu
widerlegen, der ständig gegen den Staat erhoben wird.
Diejenigen, die mit eigenen Augen das Verbrechen und die
Bestrafung, die von den Behörden in immer schlimmeren Ausmaß
ausgeführt wird, sehen, wissen auch, wie man die Sache beim
richtigen Namen nennt. Das Beweismaterial spricht für sich
selbst. Und statt von anderen angegriffen zu werden, sollten
Leute wie Halper und die Leute von ICAHD und all die, die
bereit sind, die Wahrheit ans Licht zu bringen, himmelhoch für
ihre unschätzbare Arbeit gepriesen werden.
(dt und etwas gekürzt: Ellen
Rohlfs)
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