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Noch ein Dunam und noch ein Dunam!

 Uri Shani

 

Die zionistische Praxis in den letzten 130 Jahren zeichnet sich nicht durch Blitzkriege wie denjenigen des Jahres 1967 aus, in dem während 6 Tagen die Staatsfläche vervierfacht wurde. Auch der Krieg des Jahres 1948 ist nicht das Hauptcharakteristikum der zionistischen Praxis. Der zentrale zionistische Slogan heißt: Noch ein Dunam und noch ein Dunam! Geduldig werden noch 1000 qm gekauft oder erobert, und noch einer. So auch in diesem Sommer.

Aber heute, nach 130 Jahren, gehen diese Dunam nicht mehr in die nationale Kasse, sondern in ganz persönliche Kassen.

Letzten Sommer hat die Knesset ein Gesetz gebilligt, das große Teile des Landes privatisieren soll. Dagegen hat eine breite Opposition von ganz rechts, über rechts, Mitte, links und ganz links gekämpft, und doch war Bibis Koalition war stärker.

Inzwischen wird die Enteignung der wichtigsten Ressource des Landes: das Land selber, und wo ein Haus draufsteht: das Haus, heftig vorangetrieben. Nicht nur in Cisjordanien, auch in den 48-er Grenzen ist dies immer noch eine der wichtigsten Ziele im Rahmen der "Erlösung des Landes", dies der zionistische Jargon. In den letzten Jahren ist die Negev-Wüste zum Hauptziel dieses Projektes geworden. Vorletzte Woche kamen 1300 Polizisten nach El-Arakib und zerstörten auf brutalste Art das ganze Dorf. Israelische Jugendliche wurden trainiert, wie man Beduinen erniedrigt und Eigentum zerstört, indem sie zuerst den Polizisten zuschauten und dann selber dran durften und von den Polizisten beklatscht wurden. Letzte Woche kamen sie wieder, denn die Bewohner bauten das Dorf wieder auf, und zerstörten es wieder.

Seit langem schon soll das südliche Quartier Kfar Schalem in Tel-Aviv aufgelöst werden, obschon die Bewohner dort seit 1948 Juden sind. Aber erstens sind es Juden aus arabischen Ländern, die in den Augen des Establishments immer noch weniger wert sind, und zweitens, und dies ist ausschlaggebend: Es geht in Israel nicht mehr um Landnahme der Ideologie wegen, sondern um des Geldes wegen. In Britannien nennt man das Gentryfication. Dasselbe geschieht in andern Regionen, zum Beispiel in Jaffa. Das Projekt "Andromeda" ist das Sinnbild des neuen Zionismus: Ein reicher Israeli oder Tourist lebt in einer "verbotenen Stadt" mit einer undurchdringlichen Mauer, er verlässt das Quartier nur in seinem Auto, ohne den Erdboden von Jaffa zu berühren. Kinder leben keine dort.

Vor genau einem Jahr wurden vier Familien in Schech Dscharrah in Ost-Jerusalem auf die Strasse gesetzt, und in ihren Häusern tanzen und singen arrogante Siedler.

Auch die Toten lässt die Landnahme nicht ruhen. Bulldozer zerstörten heute nacht (in der Nacht vom Montag auf Dienstag)einen muslimischen Friedhof in Mamilla (Ma'man Allah) in West Jerusalem, zum dritten Mal.

 

Vor einem Monat wurden zwei Familien in Bet-She'an aus ihren Sozial-Wohnungen geschmissen, als Auftakt zu weiteren 39 Familien. Die beiden Familien und ihre Freunde demonstrierten, zündeten Autoreifen an und errichteten ein Protestzelt vor dem Gebäude des Stadtrates. Eine der beiden Familien hatte die Frechheit, nach Jerusalem zu fahren, nach Schech Dscharrah, und die Mutter Liat erklärte, sie empfinde gegenüber den palästinensischen Familien Solidarität, da ihnen dasselbe widerfahren sei.

Danach kamen die israelischen Linken von der Shech-Dscharah-Solidaritätsbewegung zusammen mit Reuven Abergil nach Bet-She'an. Reuven Abergil war vor vierzig Jahren einer der Gründer israelischen "Schwarzen Panther", über die Golda Meir damals sagte: "Sie sind nicht nett." Eine der berühmtesten Slogans dieser jungen Militanten, deren Eltern aus Nordafrika eingewandert waren: "Wir wollen keine Brösel vom großen Kuchen, wir wollen das Messer, mit dem dieser Kuchen geschnitten wird!"

Reuven: "Dreißig Jahre war ich nicht mehr in Bet-She'an, ich erkannte die Stadt nicht mehr. Ich fragte Liat: Wo ist die Solidarität der Andern? Und sie erzählte mir, wie die Familie Levi die ganze Stadt beherrscht. Wir waren kaum angekommen, als schon fünf Polizistenwagen angeprescht kamen. Die Leute von Bet-She'an sagten mir, die Polizei haben sonst nie Zeit, sich um irgend etwas zu kümmern. Jetzt kamen sie sofort, und als erstes verhafteten sie zwei Linke aus Jerusalem. Ich sprang sofort auch in den Polizeiwagen und sagte den Polizisten: Wenn ihr die verhaftet, dann verhaftet mich auch! Aber sie holten mich wieder aus dem Wagen raus, und die beiden andern wurden erst spät in der Nacht entlassen.

Wir organisierten spontan eine Demonstration, und ich sprach mit dem Megaphon zu den Menschen im Viertel der Sozialwohnungen. Ich sagte ihnen, sie sollten die Fenster aufmachen und zuhören. Und siehe da, die Fensterläden wurden beiseite geschoben, die verdunkelten Wohnungen erhellten, die Fenster öffneten sich und die Leute hörten zu. Als ich nach einer halben Stunde aufhörte mit meiner Rede, kamen die Leute runter, Männer, Frauen und Kinder, begannen ihre schwere Lage zu schildern. Wir begannen einen langen Marsch zurück zum Stadtratsgebäude, und die Menschen skandierten: "Wir sind alle Schwarze Panther!"

 

Auch ich habe Liat und ihre Familie in ihrem Zelt auf dem Stadtratsplatz in Bet-She'an letzte Woche besucht. Die Mutter von fünf Kindern weiß genau, worum es geht: Es geht nicht um die Schulden, sondern um die Wohnungen. Die ganze Stadt gehört dem Levi-Clan (das berühmteste Mitglied dieses Clans ist David Levi, Knessetmitglied von 1969-2003, und viermal Minister in verschiedenen Regierungen), heute ist der Stadtpräsident Jacky Levi, im Arbeitsamt sitzt ein anderer Levi, die Erziehung wird von einer Levi kontrolliert, David Levis Tochter ist Knessetmitglied von Liebermanns Partei und ihr Bruder will diese Sozialwohnungen kaufen, was an der Grenze der Gesetzlichkeit ist. Sozialwohnungen können nicht einfach so verkauft werden. Aber das wäre wirklich nicht das einzige, was ungesetzlich ist in dieser Wüstenstadt an der jordanischen Grenze.

Wer sich mit Liats Familie solidarisierte, wurde entweder entlassen, oder der Strom oder das Wasser wurde ihm abgestellt, oder er wurde bestochen.

Diese Sozialwohnungen gehören einer Gesellschaft namens "Amidar"; eine andere Gesellschaft, in Tel-Aviv, heisst "Halamisch", viele davon in Kfar Schalem. Dort  haben 300 der 700 Familien ihre Wohnungen verloren, und heute (9.8.10) wurden drei Familien aus ihren Zelten vertrieben, die sie erichteten.

Die Privatisierung begann mit der ersten Netanjau-Regierung im Jahre 1996, in "Amidar"-Wohnungen wohnen heute noch 250'000 Menschen, wogegen es früher fast 2 Millionen waren, wobei Zehntausende auf eine Sozialwohnung warten.

Liat erzählt, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen müsste, und noch Schlimmeres, damit sie das Recht auf eine Sozialwohnung erhielte.

Gestern wurde auch ihr Zelt von den Polizisten abgerissen, und sie beschrieb mir in einem SMS: "Ich verstehe und fühle jetzt die Frustrierung und die Wut der Beduinen. Wie viel muss ein Mensch in diesem Staat erleiden, um sich ein Recht auf ein respektables Leben zu erkämpfen… Auch uns hier in Bet-She'an, an der jordanischen Grenze, hat man vergessen. Liat Zohar, verheiratet mit 5 Kindern, wohnt irgendwo in den Strassen von Bet-Shean."

 

Ein besonderes Geschenk erlebten die Muslimen heute morgen, Dienstag 5.8.10, um 5 Uhr morgens. Zum dritten Mal wurde das Dorf Al-Arakib abgerissen, Prof. Gadi Elgasi (Tel-Aviv Universität, Geschichte des Mittelalters) wurde heftig geschlagen und verhaftet. Sein Verbrechen war, dass er sich an eine Zeltstange lehnte, als er zu den Leuten sprach und so die Polizisten bei ihrer Arbeit störte.

Welch ein geschmackvolles Geschenk zum Ramadan!

 

 

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