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Allerdings gibt es Apartheid in Israel.
 Von Shulamit Aloni*), Ynet News, 6. Januar
2007

 

Ein neue Weisung, die von der Zentralkommandantur [der israelischen Streitkräfte; Anm. Übers.] herausgegeben wurde, verbietet die Beförderung von PalästinenserInnen mit israelischen Fahrzeugen. Diese krasse Verletzung des Rechts zu reisen reiht sich ein auf der langen Liste der Menschenrechtsverletzungen, die Israel in the [Besetzten] Gebieten realisiert hat.

 

Jüdische Selbstgerechtigkeit wird unter uns in einem Maß als selbstverständlich angenommen, dass wir nicht imstande sind zu sehen, was sich genau vor unseren Augen befindet. Es ist einfach undenkbar, dass die ultimativen Opfer, die Jüdinnen und Juden, böse Taten ausführen können. Dennoch, der Staat Israel praktiziert seine eigene, ziemlich gewalttätige Form von Apartheid bei der einheimischen palästinensischen Bevölkerung.

 

Die Angriffe des US-amerikanischen jüdischen Establishments auf den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter beruht darauf, dass er es gewagt hat, die Wahrheit auszusprechen, die allen bekannt ist: durch seine Armee praktiziert die israelische Regierung in den Gebieten, die sie besetzt hält, eine brutale Art von Apartheid. Seine Armee hat jedes palästinensische Dorf und jede palästinensische Stadt zu einem eingezäunten oder abgeriegelten Gefangenenlager gemacht. All das ist deshalb geschehen, um die Bewegungen der Bevölkerung im Auge zu behalten und ihnen das Leben schwer zu machen. Israel verhängt sogar dann jedes Mal eine totale Ausgangssperre, wenn die Siedler, die sich palästinensisches Land illegal und widerrechtlich angeeignet haben, ihre Feiertage zelebrieren oder ihre Paraden abhalten.

 

Als ob das nicht schon genüg wäre, erteilen die kommandierenden Generäle der Region oft weitere Befehle, Anordnungen, Vorschriften und Regeln (lasst uns nicht vergessen: sie sind die Herren des Landes). Mittlerweile haben sie weiteres Land zum Bau von Strassen "nur-für-Juden" verlangt. Wunderbare Strassen, weite Strassen, gut gepflasterte Strassen, in der Nacht hell erleuchtet – das alles auf gestohlenem Land. Wenn eine Palästinenserin oder ein Palästinenser auf so einer Strasse fährt, wird ihr oder sein Fahrzeug beschlagnahmt und muss sich so dann auf den Weg machen.

 

Einmal war ich Zeugin bei so einer Begegnung zwischen einem Autofahrer und einem Soldaten, der die Details notierte, bevor er den Wagen konfiszierte und den Eigentümer wegschickte. "Warum?", fragte ich den  Soldaten. "Es ist ein Befehl – das ist eine 'Nur für Juden-Strasse'", antwortete er. Ich erkundigte mich nach dem Schild, das auf diese Tatsache hinweist und [andere] Fahrer darauf aufmerksam macht, diese Strasse nicht zu benützen. Seine Antwort war nicht wenig verblüffend: "Er ist dafür verantwortlich, es zu wissen, und außerdem, was willst du von uns, sollen wir ein Schild hier aufstellen, damit irgendwelche antisemitischen Reporter oder  Journalisten hierher kommen und ein Foto machen, das der Welt zeigt, dass es hier Apartheid gibt?"

 

Allerdings, es gibt Apartheid hier. Und unsere Armee ist nicht "die moralischste Armee der Welt", wie uns von ihren Kommandanten erzählt wird. Es genügt zu erwähnen, dass jede Stadt und jedes Dorf zu einem Internierungszentrum wurde und dass jede Zufahrt und jede Ausfahrt verschlossen wurde, und damit von den Verkehrsadern abgeschnitten ist. Als ob das  nicht genug wäre, dass es PalästinenserInnen nicht erlaubt ist, Strassen auf ihrem Land zu befahren, die 'nur für Juden' bereitgestellt wurden, befand es die derzeitige Zentralkommandantur für nötig, den BewohnerInnen ihres eigenen Landes mit einem "ausgeklügelten Plan" einen weiteren Schlag zu versetzen:

 

MenschenrechtsaktivistInnen dürfen PalästinenserInnen auch nicht transportieren.

 

General-Major Naveh, wohlbekannt für seinen außergewöhnlichen Patriotismus, hat einen neuen Befehl erteilt. Er tritt am 19. Januar in Kraft, er verbietet den Transport von PalästinenserInnen ohne Bewilligung. Der Befehl bestimmt, dass es Israelis nicht erlaubt ist, PalästinenserInnen in einem israelischen Fahrzeug (eines das in Israel registriert ist, unabhängig davon, welche Art von Nummernschild es hat) zu befördern, außer sie haben eine ausdrückliche Erlaubnis dazu. Die Bewilligung betrifft beide, den Fahrer oder die Fahrerin und den palästinensischen Fahrgast. Natürlich wird nichts davon bei jenen angewendet, deren Arbeit den SiedlerInnen dient. Diese und ihre Arbeitgeber werden selbstverständlich die erforderlichen Genehmigungen erhalten, damit sie weiterhin den HerrInnen des Landes, den SiedlerInnen dienen können.

 

Hat der Mann des Friedens Präsident Carter sich wirklich getäuscht, als er zu dem Schluss kam, dass Israel Apartheid erzeugt? Hat er übertrieben? Anerkennen die US-amerikanischen jüdischen gesellschaftlichen Führungkräfte die Konvention gegen Rassendiskriminierung  (International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination) vom 7. März 1966 nicht, die Israel unterzeichnet hat? Sind die US-amerikanischen Juden, die die laute und beleidigende Kampagne wegen angeblichen Schlechtmachens von Israels Charakter und seinem demokratischen und humanistischen Wesen gegen Carter in Gang gesetzt haben, nicht vertraut mit der Internationalen Konvention zur Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid vom 30. November 1973? Darin ist Apartheid als internationales Verbrechen definiert, das unter anderem auch die Verwendung unterschiedlicher Rechtsinstrumente bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen umfasst, wodurch einer Gruppe in der Gesellschaft die Menschenrechte abgesprochen werden. Ist nicht die Reisefreiheit eine dieser Rechte?

 

Früher waren US-amerikanische jüdische gesellschaftliche Führungskräfte mit der Bedeutung derartiger Konventionen recht vertraut. Aber aus irgendeinem Grund sind sie davon überzeugt, dass es Israel erlaubt ist, dagegen zu verstossen. Es ist OK ZivilistInnen zu töten, Frauen und Kinder, alte Menschen und Eltern mit ihren Kindern, absichtlich oder andernfalls ohne irgendeine Verantwortung dafür zu übernehmen. Es ist zulässig, Menschen ihr Land zu rauben, ihre Ernten zu zerstören und sie wie Tiere im Zoo einzusperren. Ab jetzt ist es Israelis und Freiwilligen internationaler Menschenrechtsorganisationen verboten, eine Frau in den Wehen ins Spital zu fahren. Freiwillige von Yesh Din [israelische Menschenrechtsgruppe] können einen ausgeraubten und zusammengeschlagenen Palästinenser nicht mehr zur Polizeistation bringen, um dort Beschwerde einzureichen. (Polizeistationen liegen mitten in den Siedlungen.) Gibt es irgendjemanden, der glaubt, dies sei keine Apartheid?

 

Jimmy Carter braucht mich nicht um seine Reputation zu verteidigen, die durch israelophile öffentliche Persönlichkeiten der Gesellschaft besudelt wurde. Das Problem ist, dass ihre Liebe zu Israel ihre Urteilsfähigkeit verzerrt und sie blind macht, das zu sehen, was vor ihnen ist. Israel ist eine Besatzungsmacht, die seit 40 Jahren eine einheimische Bevölkerung unterdrückt, die zur souveränen und unabhängigen Existenz berechtigt ist und für ein Leben in Frieden mit uns. Wir sollten uns daran erinnern, dass auch wir sehr gewaltsamen Terror gegen Fremdherrschaft eingesetzt haben, weil wir unseren eigenen Staat wollten. Und die Liste der Terroropfer ist ziemlich lang und umfangreich.

 

Wir beschränken uns selbst, um [palästinensischen] Menschen die Menschenrechte zu verweigern. Wir rauben ihnen nicht nur ihre Freiheit, ihr Land und ihr Wasser. Wir setzen die Kollektivstrafe bei Millionen Menschen ein und – in von Rache getriebenem Taumel – zerstören wir sogar die Stromversorgung für eineinhalb Millionen ZivilistInnen. Lasst sie "in der Dunkelheit sitzen" und "verhungern".

 

ArbeitnehmerInnen können ihre Löhne nicht bezahlt werden, weil Israel 500 Millionen Schekel [= 918.294 Euro] einbehält, die den PalästinenserInnen gehören. Und nach alledem bleiben wir "pur wie frisch gefallener Schnee". Es gibt keine moralischen Schandflecken auf unseren Aktionen. Es gibt keine Rassentrennung. Es gibt keine Apartheid. Das ist eine Erfindung der Feinde Israels. Hurra unseren Brüdern und Schwestern in den USA! Eure Hingabe wird sehr geschätzt. Ihr habt wahrlich einen widerwärtigen Makel von uns entfernt. Jetzt kann es einen extra Sprung bei unserem Programm des überzeugten Übergriffs auf die palästinensische Bevölkerung geben, bei dem wir die "moralischste Armee der Welt" einsetzen.

 

 *) Shulamit Aloni, israelische Preisträgerin, war unter Yitzhak Rabin Unterrichtsministerin und schreibt für "Yediot Acharonot", Israels meistverbreitete Zeitung.

 

 Übers.: Tina Salhi

 

 Quellen (engl. Übers.: Sol Salbe): http://imeu.net/news/article004084.shtml http://www.kibush.co.il/show_file.asp?num=18381

 

Hebr. Original (31.12.06):

http://www.ynet.co.il/articles/0,7340,L-3346283,00.html

 

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