Bewahrt Israel Moscheen?
von Meron Benvenisti - Ha'aretz
Es lohnt sich
nicht, die Ernsthaftigkeit der Motive derjenigen
zu hinterfragen, die gegen die
Kabinettsentscheidung waren, die Synagogen in
Gush Kativ zu zerstören. Einige Minister, die
gegen die Entscheidung stimmten, hatten den
Abzug aus dem Gazastreifen unterstützt und sogar
angeboten, die Häuser in Gush Kativ den
Palästinensern ganz zu übergeben. Andere waren
scharf gegen den Abzug, wollten aber die
Synagogen intakt lassen, um die Rückkehr der
Juden nach Gaza zu ermöglichen. Abgesehen von
halachischen Argumenten, die die Zerstörung von
Heiligen Orten verbieten, wird argumentiert,
dass das Zerstören von Synagogen eine
Legitimation für antisemitische Anschläge gibt,
um nicht benützte Synagogen in nicht mehr
funktionierenden jüdischen Zentren zu zerstören.
Aber zusätzlich zum Wunsch, Synagogen zu
erhalten, kommt die praktisch-zweckmäßige
Betrachtung stark ins Spiel. Diese Sichtweise
entspricht auch mehr dem PR-Aspekt. Wenn die
Synagogen schon zur Zerstörung verurteilt sind,
möge man anstelle von Israelis dies eher
Palästinenser tun lassen, damit die in den Augen
der Welt mies dastehen. Die Befürworter dieser
Position, die Palästinenser für das Schicksal
der heiligen Bauten verantwortlich zu machen,
begleiten ihr Argument mit einer detaillierten
Liste von palästinensischem schändlichen
Betragen gegenüber jüdischen heiligen Stätten:
wie der Entweihung des jüdischen Friedhofs auf
dem Ölberg während der jordanischen Zeit, dem
Brand in Josephs Grab zu Beginn der Intifada.
Die Gegner der Zerstörung zitierten dann auch
halbherzig „mehr ermutigende Präzedenzfälle“, um
nicht der Heuchelei angeklagt zu werden. Denn
wenn es tatsächlich sicher ist, dass die
Palästinenser die Synagogen zerstören würden,
was hätte es wohl für einen Sinn, sie darum zu
bitten, die Verantwortung zu übernehmen?
Dieses Problem wird – wie gewöhnlich – allein
unter Israelis diskutiert, ohne die
Palästinenser in Betracht zu ziehen, die ja für
die Synagogen verantwortlich gemacht werden
sollen oder denen dann die Schuld zugeschrieben
wird. Der Oberste Gerichtshof wird sich nicht
groß mit der kategorisch palästinensischen
Weigerung – die Verantwortung für die Synagogen
zu übernehmen – befassen und wies den
Ministerpräsident am Dienstag an, „offiziell
darum zu bitten, nach den Synagogen zu schauen“.
Aber dies beendete nicht die einseitige
Maßnahme: In der Geschichte des Kampfes um die
Heiligen Stätten geht es nicht um den Krieg der
jüdischen Söhne des Lichtes gegen die
palästinensischen Söhne der Finsternis, sondern
um die Geschichte eines Krieges, in dem beide
Seiten barbarische Akte gegenüber den heiligen
Stätten der anderen Seite begangen haben. Die
Palästinenser mögen sich fragen, ob das Prinzip,
dass man keine heiligen Stätten beschädigen
soll, nur für Synagogen gilt oder auch für
verlassene Moscheen und Kirchen. Gilt die
Forderung, dass die Palästinenser – oder eine
internationale Körperschaft – verantwortlich für
Synagogen sind, auch für die israelische
Regierung in Bezug auf verlassene Moscheen in
Israel? Und wenn wir es so eilig haben, die
Palästinenser vor aller Welt zu beschimpfen,
sind wir dann auch bereit, Israels schimpfliches
Verhalten gegenüber muslimischen heiligen
Stätten genau so herauszustellen? Von den etwa
140 Dorfmoscheen, die im Krieg 1948 verlassen
wurden, wurden etwa 100 total abgerissen. Die
übrigen – ca. 40 – sind in einem
fortgeschrittenen Stadium des Verfalls oder
werden von jüdischen Bewohnern zu anderen
Zwecken gebraucht. In einem Moschav in den
Karmelbergen gibt es eine Moschee, deren Ruinen
noch heute die vergangene Größe ahnen lassen.
Sie ist in einem traurigen Zustand des Verfalls,
ihre Mauern bröckeln und drum herum liegt
Stacheldraht. Die Anfragen der
„anwesend-abwesenden“ Flüchtlinge (
Palästinenser, die in Israel leben, aber vom
Staat mit dem Oxymoron „anwesend-abwesend“
klassifiziert wurden, um zu verhindern, dass sie
Ansprüche auf ihr Eigentum erheben), die Moschee
zu renovieren, ist von den Behörden abgelehnt
worden.
Eine große Moschee mitten in einem Moschav der
Judäischen Berge dient als Lager und Laden für
landwirtschaftliche Maschinen. Es gibt weitere
20 ähnliche Bauten, die im Begriffe sind,
zusammenzufallen.
Als 1997 die Bewohner eines Dorfes in
West-Galiläa einen Erweiterungsbau vornehmen
wollten, wurden die Reste einer verlassenen
Moschee mit einem Bulldozer eingerissen und
vollkommen zerstört. Nicht weit davon entfernt
wollten Palästinenser in einer alten Moschee
eines anderen verlassenen Dorfes beten, was die
Behörden ihnen nicht erlaubten. Sie benutzen den
Vorwand, dass solch ein Gebet „politisch
organisiert“ und einem Präzedenzfall nahe kommt,
als ob man mit der Rückkehr der Palästinenser
einverstanden wäre.
Mehrere Moscheen dienen als Wohnhäuser, andere
werden für kommerzielle oder kulturelle Zwecke
benützt. Die Moschee eines verlassenen Dorfes im
Eisental dient als Kibbuzschreinerei. Eine
Moschee in einer Künstlergemeinschaft im Karmel
dient als Restaurant und Bar, andere Moscheen
als Museen und Kunstgallerien. Die große
Synagoge in einer Dorfgemeinde nahe Rehovot ist
innerhalb einer Dorfmoschee, deren Minarett
zerstört und deren Halbmond auf der Spitze des
Daches durch eine Menorah ersetzt wurde.
Wir haben noch nicht die Gräber von Scheichs
erwähnt, die zu Gräbern heiliger jüdischer
Personen gemacht wurden: das Dan-Grab anstelle
des Grabes von Scheich Gharib, einem
Lokalheiligen, oder das Grab von Sit Sakina in
Tiberias, das zum Grab von Rachel, Rabbi Akivas
Frau, wurde. Weniger als 40 muslimische
Friedhöfe blieben von mehr als 150, die in den
verlassenen Dörfern bestanden. Sie sind alle in
einem heruntergekommenen Zustand und in
ständiger Gefahr, dass ihre Gräber zerstört und
enteignet werden.
Die israelische Regierung weiß, warum sie nicht
wünscht, dass Palästinenser Synagogen schützen.
Was wäre, wenn die Palästinenser eine
Gegenforderung stellen und Israel zwingen, nach
den verfallenden Moscheen in seinem Gebiet zu
schauen? Ob all die gutherzigen Leute, deren
Herz beim Anblick der Zerstörung der Synagogen
schier bricht, lautstark protestieren würden, um
die Moscheen von Ijzim, Lajjun und Ghabbasiya zu
retten? Wenigstens sollten sie erkennen, dass
die bei der Zerstörung der verlassenen Synagogen
hoch gekommenen Gefühle denen der Hundert
Tausenden israelischer Muslime entspricht, als
diese sahen, wie ihre heiligen Stätten
verschwanden. Vielleicht wird dann der Krieg um
die heiligen Stätten aufhören, wenn jeder
anerkennt, dass der Schmerz über Zerstörung (
heiliger Stätten) universal ist.