Das nächste Mal Feuer
Uzi Benzimann. Haaretz, 5.3. 06
Wenn eine
geringschätzige Karikatur des Propheten Mohammed weltweit
Aufstände verursachen kann, die u.a, mit Todesfällen und
Verletzten verknüpft waren, kann man Gott nur danken, dass die
primitive Provokation, die von einer exzentrischen Familie in
der Verkündigungskirche in Nazareth mit Feuerwerkkörpern und
kleinen Gasbehältern angerichtet wurde, nur mit 26 leicht
Verletzten und nicht mit Schlimmerem endete.
Das
Geschehen Freitagnacht in Nazareth demonstrierte noch einmal
die extreme Entzündbarkeit an einer Berührungsstelle zwischen
Religion und rivalisierenden Nationalitäten. Es ist nichts
Neues: die menschliche Geschichte ist weithin durch
Religionskriege gestaltet worden, einige um der Religion selbst
willen und andere, in denen Religion als Vorwand für politische
und territoriale Streitigkeiten dienten. Die Ironie des
Schicksal ist es, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nachdem
Religion schon in eine stille Ecke gedrückt worden war, aus der
sie internationale Beziehungen und das Schicksal von Staaten
und Völkern nicht mehr diktierte, sie nun als größere
Bedrohung zurückgekehrt ist .
Die
Havivi-Familie, die in Nazareth ein Streichholz entzündete, das
die Polizei mobilisierte und von dem das ganze Land Notiz nahm,
führte eine Aktion aus, die trotz ihres Wahnsinns wohl
durchdacht war. Sie wählte einen Ort, der der christlichen Welt
sehr heilig ist, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.
In dieser
Hinsicht folgten die Havivis den Fußstapfen Baruch Goldsteins,
der das Grab der Patriarchen in Hebron als Ort seines Massakers
wählte. Goldstein ging Dennis Rohan voraus, der sich Jerusalems
Al Aqsa-Moschee auswählte, um dort seine Brandstiftung
auszuführen; ein Paar warf einen Schweinekopf in eine Moschee in
Jaffa; unbekannte schmierten kürzlich schändliche Graffitis in
der Nähe einer Moschee in Ramallah und jüdische Extremisten
planten, die Moscheen auf dem Tempelberg zu schädigen oder gar
zu zerstören. Religion ist nicht nur das Opium für die Massen,
es ist auch ein Stimulans, um nicht Brennmaterial zu sagen, das
über die ganze Welt eine Feuerbrunst entzünden kann.
Dank der
schnellen Reaktion der Polizei und der verantwortlichen
Zusammenarbeit mit den kirchlichen und örtlichen Führern in
Nazareth, endete der Vorfall relativ friedlich. Aber man kann
unmöglich ignorieren, dass es leicht in einen großen Sturm hätte
ausarten können.
Die Opfer
der Provokation – die Bewohner und Führer Nazareths – verstanden
sie als einen geplanten Angriff auf sie. Sogar ihre moderaten
Führer sprachen im Zusammenhang mit dem Geschehen davon, dass es
eine Folge der Regierungspolitik sei, die die Rechte der
arabischen Minderheit im Lande verletzt. Die jüdische Mehrheit –
auf der andern Seite – sah das Verhalten der Havivis in der
Kirche, als die Tat einer Problem-Familie, die psychisch krank
und nur von persönlichen Gründen motiviert sei und gar nichts
mit dem arabisch-israelischen Konflikt zu tun habe. Die
gegenseitigen Vorurteile, die die Wurzel jeder Rivalität ist,
kamen Freitagabend noch einmal zum Vorschein.
Von diesem
Vorfall kann man einige Lektionen lernen: am Eingang solcher
Orte, die für alle drei Religionen wichtig sind, sind Wächter
notwendig; die Beziehungen zwischen örtlicher Polizei und den
religiösen Führern müssen gepflegt werden und man muss mit
einander darin übereinstimmen, wie man zukünftig ähnliche
Zwischenfälle löst. Solche Vorschläge sind wie Slogans. Wenn
ein religiöser Ort als Ort des Protestes oder der Rache gewählt
wird, ist er besonders schwer unter Kontrolle zu halten.
Wir brauchen
nur auf die kürzliche Explosion in der Moschee in Karbala im
Irak schauen.
Die
Regierung sollte aus den Ereignissen in Nazareth vor allem eine
Lektion lernen: das Gefühl der Vernachlässigung und
Unterdrückung, das von Israels arabischer Bevölkerung empfunden
wird, ist ein fruchtbarer Boden für Feindseligkeit und
Frustration, besonders in Krisenzeiten und bei Konfrontationen
mit religiösem Hintergrund. Eine Regierung, die nicht bereit
ist, Diskriminierung abzubauen und das Gefühl für
(gleichwertige) Bürger zu stärken, ist nicht in der Lage, die
Flammen zu löschen, die durch religiösen Bruch entstehen. Diese
Tatsache anzuerkennen, ist besonders dann relevant, wenn wir am
Beginn einer Zeit stehen, in der die Hamas die Herrschaft in der
Palästinensischen Behörde übernimmt und so das Potential für
eine religions-orientierte Konfrontation zwischen Juden und
Arabern wächst.
(dt. Ellen
Rohlfs) |