Ein neues Beispiel
zum Verständnis des palästinensischen Problems 1. Teil
Die ethnische Säuberung in Palästina
(1. Teil)
AUTOR: Ilan Pappe
Übersetzt von Übersetzt von Frigga Karl
Diese
Konferenz wurde vom Lehrstuhl Emilio Garcia Gomez der Universität
von Granada (Spanien) veranstaltet und fand am 26. Oktober 2006 im
Konferenzsaal der Rechtswissenschaften der Universität von Granada
statt.
Ilan
Pape:
Guten Abend.
Ich möchte damit beginnen, Ihnen zu sagen, dass ich,
wegen der Simultanübersetzung, langsam sprechen werde, also nicht
wegen eines Sprachfehlers. Weiters möchte ich den Veranstaltern für
die Einladung danken, und es tut mir leid, dass hier manche am Boden
sitzen müssen, aber ich hoffe dass sich diese unbequeme Situation
auszahlt. Es ist mein erster Besuch in Granada, und so weit, ein
sehr schöner.
Ich möchte meinen Vortrag, der ungefähr eine halbe
Stunde dauern wird, mit einem sehr schönen Haus beginnen, denn ich
habe heute in Granada sehr viele schöne Häuser gesehen, und die
haben mich an ein sehr schönes Haus in der Stadt Tel Aviv erinnert.
Und wie Sie wissen ist Tel Aviv die größte Stadt in Israel. Das Haus
existiert nicht mehr. Es war eines der schönsten Häuser von Tel Aviv
und war von einer Baukunst, die die Mittelmeerbaukunst mit der der
europäischen Kultur vermischte. Typisch für Häuser in Tel Aviv und
in Palästina der 20er Jahre. Und wie alle Häuser aus dieser Zeit,
war es weiß und die meisten Häuser waren weiß, wie man heute noch
in einigen Regionen am Mittelmeer sehen kann. Aber dieses besondere
weiße Haus wurde Rotes Haus genannt. Es wurde deswegen Rotes Haus
genannt, weil es für lange Jahre das Hauptquartier der
sozialistischen Bewegung der jüdischen Gemeinschaft in Palästina
war. Dieses Rote Haus, das hauptsächlich für Probleme der Arbeiter,
Gewerkschaften und verschiedene andere Probleme die die
sozialistische Bewegung im Üblichen behandelt, da war, wurde dieses
Rote Haus, im Jahr 1946, das Hauptquartier des jüdischen,
militärischen Untergrundes. Das waren zwei Jahre vor dem Ende des
britischen Mandates in Palästina. Wie viele von Ihnen wahrscheinlich
wissen, war Palästina von 1918 bis 1948 unter britischer Herrschaft,
dann wurde das palästinensische Problem den Vereinten Nationen
übergeben und nachher wurde der israelische Staat gegründet. Ich
werde also hier von den letzten zwei Jahren der Britischen
Verwaltung in Palästina sprechen.
In diesem Haus, haben sich die militärischen
Befehlshaber der jüdischen Gemeinschaft regelmäßig getroffen, genau
gesagt, jeden Mittwochnachmittag. Und an einem solchen Treffen, am
10. März 1948, hatten elf Männer, die Befehlshaber und politische
Führer der Zionistischen Bewegung waren, ein sehr wichtiges Treffen.
Während dieses Treffens haben sie beschlossen, dass alle
Palästinenser, die in dem Teil von Palästina lebten, den die
zionistische Bewegung als den zukünftigen israelischen Staat
bestimmte, dass alle diese Palästinenser vertrieben werden müssen.
Die zionistischen Führer haben 30 bis 40 Jahre gebraucht um zu
dieser drastischen und dramatischen Entscheidung zu kommen.
Vielleicht wissen viele von Ihnen hier, dass der Zionismus am Ende
des 19ten Jahrhunderts in Europa begann, mit dem allerersten Wunsch,
einen sicheren Platz für Juden, die verfolgt wurden, und unter dem
Antisemitismus litten, zu schaffen. Das war der erste Antrieb für
eine zionistische Bewegung. Der zweite Anstoß war, Judentum, oder
Judaismus nicht nur als Religion zu betrachten sondern auch als
nationale Bewegung. Und in vieler Hinsicht waren diese zwei
Triebkräfte, die ich Eingebungen oder Anregungen nenne, sehr edel
und positiv. Sie können verstehen, besonders im Licht der Ereignisse
in Europa, im Zweiten Weltkrieg, dass so viele Juden das Gefühl
hatten, nicht weiter in Europa leben zu können, und sich nach einem
sicheren Platz umsehen müssten.
Das Problem, und ich wiederhole, überzeugt zu sein, Ihnen nichts
Neues zu erzählen, aber es ist wichtig in diesem Zusammenhang: Das
Problem war, dass der Platz den sich die Juden für einen sicheren
Hafen ausgesucht haben, bereits von einem anderen Volk besetzt war.
So was macht man: man will einen sicheren Platz für die Juden? Man
will eine nationale Bewegung werden, was bedeutet, dass man ein
eigenes Heimatland haben will, aber man will es auf einem Platz
haben, wo bereits ein anderes Volk lebt, oder für Jahrhunderte
gelebt hat. Und ich denke, dass diese erste Bewegung, als die
zionistischen Führer nach Palästina kamen, das war am Ende des 19ten
Jahrhunderts, beschlossen hat, in Palästina einen sicheren Platz für
die Juden zu schaffen, und Palästina als Heim für den jüdischen
Nationalismus zu machen, und dass der einzige Weg, der ist, die
Menschen die dort wohnen, zu vertreiben. Aber als sie 1882 kamen,
waren sie eine ganz kleine Gruppe und hatten nicht die Macht das
durchzuführen. Und die Briten besetzten das Land 1918, und sie
konnten diese Politik für ihren Staat nicht festsetzen. Aber zum
Ende der britischen Verwaltung, beschlossen sie, dass sie die
historische Gelegenheit und die militärische Macht hatten, die
Palästinenser aus Palästina zu vertreiben. Und an diesem besonderen
Treffen, am 10. März 1948 hat die zionistische Führung beschlossen,
dass sie einen jüdischen Staat in Palästina, ohne Palästinenser
haben wird.
Die jüdische Führung, oder die zionistische Führung, war in diesem
Moment nicht interessiert am ganzen Palästina. Wir haben keine
Landkarte, aber ich bin sicher, dass viele von Ihnen, wenn Sie die
Anstrengung gemacht haben und heute hier her gekommen sind, um über
Palästina zu hören, wissen wo Palästina liegt. Also stellen Sie sich
Palästina heute vor, oder Israel heute, ohne dem Westjordanland, das
ist, grob gesehen, das Gebiet das Palästina war und die zionistische
Führung sagte: das muss der jüdische Staat werden. Die
internationale Gemeinschaft hatte Ihnen auch nicht ganz Palästina
angeboten. Wie vielleicht einige von Ihnen wissen werden, haben die
Vereinten Nationen, als die Briten im November 1947 beschlossen
haben, Palästina zu verlassen, vorgeschlagen, dass die beste Lösung
für den Konflikt in Palästina die Teilung sei, Palästina in zwei
Staaten zu teilen: Die Hälfte für die Juden und die Hälfte für die
Palästinenser, fifty-fifty mehr oder weniger. Das lehnten die
Palästinenser zu der Zeit ab, weil sie das als ihr Heimatland
empfanden, und sie wollten es nicht mit einer Gruppe von Siedlern
teilen, die erst vor einigen Jahren gekommen ist. So ähnlich wie die
Algerier, die ihr Heimatland nicht mit den Franzosen teilen wollten.
Das war ein ähnliches Betragen. Es könnte ein historischer Fehler
gewesen sein, aber es ist verständlich, warum die Palästinenser das
im Jahr 1948 nicht annehmen konnten. Und das machte es auch den
jüdischen Führern leichter zu beschließen, dass sie alle Teile von
Palästina mit Gewalt nehmen können, die sie für sich wollen. Und Sie
kamen zu dem Beschluss vom 10. März 1948 was mit den
Palästinensern, die in dem Teil lebten, den sie für sich
beanspruchten, zu geschehen hat, und ich sage, Israel von heute,
ohne Westjordanland. Das war das Gebiet das sie wollten. In diesem
Gebiet wohnten eine Million Palästinenser, eine Million
Palästinenser! Die Israelis begannen ihre Vertreibung im März 1948,
oder was ich ethnische Säuberung nenne. Und es bedurfte ein halbes
Jahr, sechs Monate, und da hatten sie fast alle Menschen vertrieben,
die sie vertreiben wollten. In dieser Zeit haben sie mehr als 500
Dörfer, elf Städte, zerstört und alles in allem, wurde die Hälfte
der gesamten palästinensischen Bevölkerung heimatlos, als Ergebnis
der israelischen Maßnahmen die im März 1948 begannen. Und wie es
immer geschieht bei ethnischen Säuberungsaktionen, wenn die Menschen
Widerstand leisten, wenn die Menschen, die vertrieben werden sollen,
sich wehren, dann geschehen Massaker. Sie haben vielleicht vom Deir
Yassin Massaker gehört, aber es war nur eins von 30 Massakern das
die Israelis im Jahr 1948 verbrochen haben.
Die Welt wusste von den Ereignissen in Palästina. Die internationale
Gemeinschaft hatte ihre Berichterstatter am Ort, die Vereinten
Nationen hatten Vertreter am Ort, das internationale Rote Kreuz
hatte Abgesandte und Vertreter, oder Delegierte überall in
Palästina. Und wenn man tatsächlich eine Zeitung, wie zum Beispiel
die New York Times vom Mai oder Juni 1948 öffnet und liest, kann man
feststellen, dass jeden Tag, ein amerikanischer Reporter an seine
Leser berichtete, was wirklich los war: Ausweisungen, Massaker und
Entführungen. Aber wenn Sie dieselbe New York Times ein Jahr später
öffnen, im Mai oder Juni 1949, ist nichts mehr von Palästina zu
lesen. Es gibt keine Flüchtlinge; nichts geschah 1948, das ist ein
erstaunliches Phänomen. Sie haben hier einen sehr wichtigen Vorfall:
die Vertreibung der Hälfte der Menschen eines Staates, eines Landes,
Die Zerstörung der Hälfte seiner Dörfer und Städte. Denken Sie an
Spanien: Die Hälfte der Dörfer und Städte, die Hälfte der Bewohner
sind verschwunden und nach einigen Monaten im 20ten Jahrhundert, in
der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts existiert so etwas nicht
mehr. Niemand berichtete in Schulbüchern, niemand erwähnte das in
öffentlichen Diskussionen über Palästina. Und selbst als ein
Friedensprozess in den 60er Jahren begann, ein Friedensprozess um
das Palästinensische Problem zu lösen, erwähnte niemand, was im Jahr
1948 geschah!
Dort wo ich in Israel lebe, kann man, selbst heute noch, die Ruinen
der Dörfer sehen, die zerstört wurden, kann man Überlebende der
Massaker treffen, und nichts wird Ihnen erzählt über die
Geschehnisse von 1948. Das ist ziemlich erstaunlich. Es ist nicht
nur erstaunlich, weil niemand darüber berichtet, oder weil darüber
heute nicht diskutiert wird, es ist dann besonders erstaunlich, wenn
die Leute den Konflikt lösen wollen, denn das ist der Grund des
Konflikts. Es ist überraschend, denn in der heutigen
internationalen und legalen Welt, das was die Israelis 1948
verbrochen haben, hat eine klare Definition der ethnischen
Säuberung. Und wenn Sie sich an die Regierung wenden, in der
Webseite der amerikanischen Regierung, im Internet, dann können Sie
sehen, dass sie eine ganz bestimmte Definition ethnischer Säuberung
haben. Und sie, sowie der Internationale Gerichtshof in Den Haag,
als auch die Vereinten Nationen, und auch viele
Menschenrechtsorganisationen, definieren ethnische Säuberung als
Menschenrechtsverbrechen. Und sie sagen, dass jeder, der mit so
einem Verbrechen zu tun hatte, vor Gericht kommen muss. Noch
wichtiger, sie beschreiben genau, was ethnische Säuberung ist, sie
beschreiben sie in einer sehr exakten Weise, zum Beispiel, wie im
ehemaligen Jugoslawien eine ethnische Säuberung stattfand. Was genau
den Menschen angetan wurde, wie Männer von Frauen und Kindern
getrennt wurden, wie ethnische Säuberung stattfinden kann, entweder
zwingt man die Menschen in einen Bus zu steigen, oder man schießt in
die Luft und sie laufen aus Angst davon. Wenn Sie diese
Beschreibungen lesen, können Sie sehen, dass es genau so 1948 in
Palästina zuging. Noch interessanter ist die Tatsache, dass der
beauftragte amerikanische Regierungsberater wissen ließ, dass die
einzige Lösung, im Fall ethnischer Säuberung, die Rückkehr der
Menschen in ihre Häuser ist. Und wie Sie wissen, haben die Vereinten
Nationen diese Lösung auch für Palästina angenommen. Im Dezember
1948 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die
Resolution 194 angenommen, die die bedingungslose Rückkehr in die
Dörfer, in die Städte aller Vertriebenen aus Palästina, vorsieht.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass Israel diese Resolution nie
annahm und niemand daran dachte, von den Vereinten Nationen, oder
der globalen Gemeinschaft zu verlangen, Druck auf Israel auszuüben,
damit Israel an dieser Resolution festhält. Die Tatsache, dass
Israel 1948 eine ethnische Säuberung begehen kann, die ein
Verbrechen gegen die Menschheit darstellt, und darüber hinweg gehen
kann, ohne vor Gericht zu kommen, und ohne jede Kritik, war
natürlich eine sehr wichtige Botschaft für die Erfolge der
israelischen Regierung seit 1948. Denn, wenn Sie von der Säuberung
der Hälfte der Palästinensischen Bevölkerung ungeschoren davon
kommen, was könnte Sie von weiteren ethnischen Säuberungen abhalten?
Und was in Israel nach 1948 geschah, ist die ganze Sache, die ich
vorher beschrieben habe: dass, wenn Juden einen sicheren Platz, wenn
die Juden eine nationale Heimat haben wollen, wie andere Nationen in
der Welt, und wie ich schon gesagt habe, habe ich kein Problem mit
dem, weil ich denke, dass das zwei edle Ideen sind: die Juden
sollten sicher sein, und sie sind berechtigt eine eigene Heimat zu
haben. Aber der Gedanke, die Formel war diese: sie können nie einen
sicheren Platz haben, sie können nie eine Nation sein, solange
Araber oder Palästinenser in ihrer Heimat sind. Und als 1948 Israel
ein Staat wurde, wurde diese Ideologie zur Staatsideologie. Und
ich wiederhole, diese Ideologie ist ein Verbrechen gegen die
Menschheit. Die globale Welt akzeptiert diese Ideologie nicht. Sie
ist unmoralisch, sie ist politisch falsch und ist gesetzmäßig nicht
annehmbar, aber das ist ein Teil der Staatsideologie des Staates
Israel. Wir bekommen sie mit dem Schulsystem geliefert. Unsere
Politiker glauben daran, und unsere palästinensischen Freunde und
Nachbarn leiden darunter. Also ist es nicht überraschend, dass seit
1948 die ethnische Säuberung ununterbrochen fortdauert. Nicht im
selben Ausmaß wie im Jahr 1948, weil Sie den Staat haben und weil
die internationale Gemeinschaft genau schaut was in Palästina
passiert, aber eine sehr langsame ethnische Säuberung, die bis heute
durchgeführt wird. Im Jahr 1967, als Israel das Westjordanland und
den Gazastreifen besetzte, kam es zu einer weiteren groß angelegten
ethnischen Säuberung. Aber wenn Sie sich erinnern, war der Krieg von
1967 sehr kurz, er dauerte nur 6 Tage. Und da gibt es eine Grenze
wie viele Menschen man in 6 Tagen vertreiben kann. Also vertrieben
sie „nur“ 300.000 und nicht eine Million wie 1948. Der Krieg von
1967 war für Israel ein Problem. Es hat ganz Palästina besetzt. 1948
ist Israel auf 80% von Palästina entstanden, seit 1967 kontrolliert
Israel 100% von Palästina. Aber in diesen 100% von Palästina gibt es
ziemlich viel Palästinenser. Also begannen die Israelis, und sie tun
es weiterhin, die Palästinenser zum Verlassen zu zwingen. Und eine
politische Debatte begann in Israel zwischen dem was wir in Israel
euphemistisch „das Friedenslager“ nennen. Das Friedenslager in
Israel ist kein Friedenslager. Das ist falsch. Die Welt glaubt, dass
Amos Oz ein Mann des Friedens sei, er ist kein Mann des Friedens,
noch sind es die Leute in Israel, die dem Friedenslager angehören.
Sie glauben, dass Israel nicht ganz Palästina kontrollieren soll,
das ist sehr nett von ihnen. Aber sie haben genau die gleichen Ideen
wie der Rest der Israelis, das was Israel sein soll, das heißt ein
ausschließlich jüdischer Staat, mit einer großen und substantiellen
jüdischen Mehrheit. Der rechte Flügel in Israel will das ganze
Gebiet und spricht offener über die ethnische Säuberung. Unlängst
wurde die israelische Regierung erweitert und ein gewisser Avigdor
Liberman gehört nun dazu, der sich offen für die ethnische
Säuberung einsetzt. Der Rest der israelischen Politiker stimmt mit
ihm überein, aber sie sagen es nicht laut.
Die ethnische Säuberung geht heute weiter. Ich gebe Ihnen drei
Beispiele um Ihnen zu zeigen, dass die ethnische Säuberung die
ideologische Basis des israelischen Staates ist. Und ich werde am
Ende einige Schlussfolgerungen ziehen, wie, meiner Meinung nach, die
internationalen Antworten, zu so einer Ideologie und zu einer
solchen Politik sein sollten.
Heute haben wir drei Regionen, wo die Israelis wirklich aktiv die
ethnische Säuberung durchführen. Die eine ist die Region von
Großjerusalem – die Israelis definieren Großjerusalem auf eine
Weise, dass es fast 1/3 des Westjordanlandes ausmacht. Für jene die
Palästina und das Westjordanland kennen, ist die neue israelische
Definition Großjerusalems, vom Süden Ramallahs bis zum Norden von
Bethlehem und vom Jordanfluss bis Tel Aviv. Das ist ein sehr großes
Gebiet in dem Hunderttausende Palästinenser wohnen, die die Israelis
weg haben wollen. Und was sie machen ist eine sehr raffinierte Art,
die Menschen, die sie nicht wollen, aus dem Land zu treiben. Wenn
Sie, als palästinensischer Bürger, und ich bin sicher, dass wir das
alle einmal tun, kein Einparkticket bezahlen, oder die städtischen
Gebühren zu spät bezahlen, oder Sie haben das Land verlassen, ohne
das Formular der Ausreise genau ausgefüllt zu haben, wird Ihnen das
Wohnen in Großjerusalem verboten. Und das nennt man in Israel den
stillen Transfer. Sie können darüber in einer einzigen Zeitung
lesen, Haaretz, die von nur 7% der Israelis gelesen wird, aber
selbst da wird selten darüber berichtet. Die israelischen
Gesetzgeber nennen das den stillen Transfer – warum still? Weil
niemand darüber spricht und deswegen mögen sie mich nicht, weil ich
darüber spreche, ich schweige nicht und wenn ich darüber spreche,
hört der stille Transfer auf. Es beginnt ein bekannter Transfer zu
werden.
Der zweite Transfer ist entlang der Apartheid
Mauer, die die Israels bauen. Sie wissen vielleicht von der Mauer,
eine Mauer der Segregation, eine unglaubliche Mauer… Die Grenze
zwischen dem Westjordanland und Israel ist 300 km lang. Die Mauer,
die die Israels in diesem Jahr fertig gebaut haben werden, wird 600
km lang sein. Das Doppelte. Warum? Weil die Israelis über die
Trennung von Israel und dem Westjordanland durch eine hohe Mauer von
8 Meter Höhe nicht glücklich sind, sondern sie wollen auch die
Einkreisung jeder Stadt und jedes großen Dorfes durch eine große
Mauer. 8 Meter hoch! Selbst die Mauren hier in Spanien haben keine 8
Meter hohen Mauern gebaut und wenn sie es taten, taten sie es aus
Schutz, und nicht zur Trennung von Menschen. Sie ist 8 Meter hoch,
und diejenigen die sie gesehen haben, wissen worüber ich spreche
und alle Städte und Dörfer sind von einer solchen Mauer eingekreist,
mit einer einzigen Öffnung und die israelische Armee hat den
Schlüssel zu dieser Öffnung. Die Israelis wissen, und ich fürchte,
dass sie Recht haben, dass die Menschen unter solchen Bedingungen
nicht lange leben werden können. Das ist also ein anderer stiller
Transfer, und wir können bereits das Resultat sehen: die Menschen
können unter diesen Umständen einfach nicht leben.
Die dritte ethnische Säuberung geht innerhalb Israel vor sich, im
Süden von Israel, wo die Israelis über eine besondere
palästinensische Gemeinschaft unglücklich sind, die hier wohnt, die
Beduinen, die ein Nomadenleben führen. Und die Israelis drücken sie
langsam aus ihren Dörfern und Feldern hinaus. Sie besprühen ihre
Felder mit Gift und sie zerstören die Dörfer und verjagen sie in
Gebiete wo sie die größten Schwierigkeiten zum Überleben haben.
Ich
möchte, am Ende meines Vortrages ziemlich offen sein. Ich bin in
Israel geboren, und ich liebe Israel, das Land. Und ich liebe meine
israelischen Universitätskollegen und ich weiß, dass es da viele
schöne Dinge gab, die der Zionismus für die Juden tat. Es hat die
hebräische Sprache wieder belebt, die ich spreche, es ist meine
erste Sprache. Es hat viele Juden vor der Ausrottung bewahrt. Ich
bin nicht nur negativ eingestellt, aber ich verstehe auch, dass
diese Ideologie unmöglich ist, von der palästinensischen Seite
gesehen. Sie ist auch unmöglich, wenn Israel Teil der arabischen
Welt sein will, und sie ist auch unmöglich für Frieden und
Aussöhnung, was wir in Palästina haben wollen. Wir müssen diese
Ideologie aufgeben, selbst wenn sie gute Seiten hat, wie ich sagte,
und ich bin der Erste der die guten Seiten erkennt, es ist nicht
alles negativ. Aber sie wird nicht nur negativ, sie wird auch
kriminell, wenn sie gegen die Menschen von Palästina gerichtet ist.
Und daher ist der einzige Weg zum Frieden, diese Ideologie zu
beseitigen. Nun, die Chance, dass die israelische jüdische
Gesellschaft zu denselben Schlussfolgerungen kommt, wie ich gekommen
bin, ist sehr gering. Israel ist eine sehr indoktrinierte
Gesellschaft, und ich glaube nicht, dass sie jemals, von sich aus,
die Politik ändern wird. Die meisten Israelis sind sehr zufrieden,
dass die Regierung die ethnische Säuberung fortsetzt. Und die
ethnische Säuberung wird vielleicht einen großen Krieg zwischen
Israel und der arabischen Welt bringen, und zwischen der islamischen
Welt und Israel. Und das betrifft die ganze Welt, wie sie genau hier
in Spanien wissen, und das wird die Stabilität der Welt erschüttern.
Es ist nicht nur ein Problem zwischen Juden und Arabern, es ist ein
globales Problem. Wenn aber keine Änderung in Sicht ist, was kann
da gemacht werden?
Und
ich glaube, dass das einzige was wir, als globale Gemeinschaft
machen können - und ich spreche hier eher von der Zivilgesellschaft,
denn ich glaube nicht an Regierungen, die nur im eigenen
Einverständnis etwas machen – als Zivilgesellschaft müssen wir gegen
Israel etwas tun, oder handeln, auf dieselbe Weise, wie wir als
globale Gesellschaft gegen die Apartheid in Südafrika gehandelt
haben. Ich befürworte Gewalt nicht, und ich bin auch nicht verrückt
nach einem bewaffneten Kampf. Ich bin Pazifist, und ich glaube
nicht, dass Militäraktionen, auch wenn sie in Befreiungsbewegungen
gerechtfertigt sind, sehr viel nützen. Ich kann aus der Geschichte
sehen, dass sie einige Erfolge in der Befreiung hatte. Aber schauen
Sie nach Palästina, die militärischen Aktivitäten in Palästina, die
Selbstmordattentate, haben nicht einen Quadratmeter von Palästina
befreit. Sie haben nur noch mehr israelische Aktionen hervorgerufen,
mehr Zerstörungen, und sie helfen nicht Palästina zu befreien. Also
denke ich, dass uns nur der gewaltlose Kampf übrig bleibt, der sehr
gut in Südafrika gewirkt hat, und das ist der Druck von außen, in
Form von Sanktionen, Boykott, und das was man in Amerika ‚Entzug’
nennt. Es ist sehr schwer für mich, als israelischer Staatsbürger,
durch die ganze Welt zu fahren und einfach zu sagen, „macht den Job
für uns“. Aber ich weiß, dass es die einzige Möglichkeit ist, die in
Israel wirkt.
Ich sage nicht, dass der Druck von außen die israelische Ideologie
verändert, das müssen die Leute dort selbst machen. Aber wir sollten
zumindest den Druck von außen nützen, um die schrecklichen
Verbrechen zu stoppen, die die Israelis an den Palästinensern im
Westjordanland und im Gazastreifen begehen. Im Gazastreifen
bombardieren die Israelis unentwegt aus der Luft, aus dem Meer und
am Boden. Eineinhalb Millionen Menschen die in einem riesigen
Gefängnis unter freien Himmel leben. Sie können nicht hinaus,
keiner kann hinein und die Bomben fallen auf sie, das ist…, und ich
zaudere bei diesem Wort, Genozid. Denn Genozid ist normalerweise
etwas, dass mit einem Mal ein Massentöten geschieht. Aber die
Israelis töten jeden Tag einige Palästinenser, Kinder, Frauen und
Männer. Und das passiert nun seit mehreren Monaten, und das wird
sich steigern, und sie werden weiter töten, wenn wir sie nicht zum
Stoppen bringen. Und im Westjordanland werden sie die Apartheidmauer
fertig bauen. Sie werden Menschen ausrotten. Es sind zehntausend
Palästinenser im Gefängnis ohne irgendein gerichtliches Verfahren.
Die Hälfte sind Kinder, fünftausend Kinder im Gefängnis, und die
Welt sagt nichts. Ich kann lesen, mein Spanisch ist nicht gut, aber
es ist gut genug um zu wissen, dass keine einzige spanische Zeitung
diese Tatsache berichtet. Keine englische Zeitung berichtet diese
Tatsache, keine französische Zeitung berichtet diese Tatsache, und
jeder behandelt Israel als die einzige Demokratie im Nahen Osten.
Sie schreiben über arabische Regimes, über Iran, über Syrien, aber
nicht was in Israel passiert. Und wenn Sie die Tatsachen wissen, und
natürlich ist es die beste Idee, hinzufahren und mit eigenen Augen
zu sehen, dass ich nicht lüge, aber wenn Sie die Tatsachen wissen,
können Sie nicht mehr ruhig zu Hause sitzen. Und Sie schließen sich
einer Bewegung an, die wächst, selbst in Amerika, von Leuten die
sagen, und ein Grossteil ist jüdisch, „wir haben genug“. Was den
Palästinensern passiert ist nicht das Schlimmste was heute in der
Welt passiert. Was in Darfur passiert ist noch schlimmer und das was
noch wo anders in der Welt passiert ist vielleicht noch schlimmer.
Die Tatsache ist, dass wir über andere schlimme Ereignisse sprechen,
und wir können dafür Leute gewinnen, aber wie immer, sprechen wir
nicht über das was in Palästina passiert. Und wir lassen die
Israelis weitermachen in ihren Verbrechen. Daher müssen wir ihnen
eine klare Botschaft geben, weil sie genau so ein Teil de so
genannten zivilisierten Welt sein wollen. Und wir akzeptieren sie
nicht in der zivilisierten Welt solange sie diese Politik betreiben.
Und glauben Sie mir, wenn die Leute aufhören israelischen Waren zu
kaufen, wenn die Leute aufhören, formale Kontakte mit offiziellen
israelischen akademischen Institutionen zu haben, wenn Leute keine
kulturelle Zusammenarbeit mit dem Staat Israel haben wollen, würde
niemand mehr sterben, niemand würde mehr verwundet werden, und die
jüdische Gesellschaft in Israel würde beginne nachzudenken:
„vielleicht ist das was wir tun, für die Welt nicht annehmbar, und
vielleicht sollten wir unsere Politik ändern“.
Und ich werde damit den Vortrag beenden, dass ich sicher bin, dass
jeder unter Ihnen, der bereits in solchen Aktivitäten involviert
ist, sofort als anti-semitisch angeprangert wird, wenn er auf diese
Weise tätig ist. Ich glaube nicht, dass wir über solche
Anschuldigungen entsetzt sein sollten. Das hat nichts mit
Antisemitismus zu tun. Wir bekämpfen den Antisemitismus, wir sollten
gegen den antiislamischen und antiarabischen Rassismus kämpfen, aber
wir sollen auch gegen das, was die Israelis den Palästinensern
antun, kämpfen. Und es spielt keine Rolle, wie uns die Leute nennen.
Denn als Mensch, nur als menschliches Wesen, wollen wir doch nicht
Menschen sein, die nichts gemacht haben und die nichts machen, wenn
Menschen in Palästina durch eine hundertjährige Unterdrückung,
Kolonisation und Enteignung leiden, und das durch Menschen, die
selbst Opfer einer der schlimmsten Verbrechen der Menschheit waren.
So hoffe ich, dass viele von Ihnen darin aktiv sind. Es ist nicht
nur eine akademische Rede. Ich entschuldige mich, aber ich habe
keine Zeit für rein akademische Reden, ich bin nicht nur entsetzt,
von dem was geschieht, sondern noch mehr entsetzt von dem was noch
geschehen wird. Besonders wenn Europa nicht diese starke Stimme hat,
die Israel in ihren Verbrechen stoppt, werden noch mehr
Palästinenser ihr Heim verlieren, ihre Felder und ihr Leben. Und wie
ich schon sagte, dass diese Katastrophe, die Katastrophe von jedem
im Nahen Osten, in Europa und in der Welt sein wird.
Ich danke Ihnen.
Übersetzt vom Englischen von Frigga Karl, Mitglied von
Tlaxcala,
dem
Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung
unterliegt dem Copyleft für jeden nicht-kommerziellen Gebrauch : sie
kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht
verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt
werden.
URL dieses Artikels :
http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=1922&lg=de
Ein neues Beispiel
zum Verstândnis des palästinensischen Problems 2. Teil
Die
ethnische Säuberung in Palästina (2. Teil)
AUTOR: Ilan Pappe
Übersetzt von Übersetzt von Frigga Karl
Fragen und Antworten nach der
Ansprache
Frage 1:
Ich weiß nicht ob ich die Übersetzung richtig
verstanden habe, aber Sie sagten, dass die neue Definition des
israelischen Staates, Groß-Israel, von Ramallah bis Nord-Libanon
reicht. Ist es so? Heißt das nicht….
Antwort 1 :
Nein, nein. Ich sprach über Großjerusalem, nicht Großisrael. Ich
sagte, dass sie nun Jerusalem definieren, nicht Israel, und zwar vom
Jordan Fluss bis zum Mittelmeer und von Bethlehem nach Ramallah. So
sagen sie, dass das Jerusalem ist und Jerusalem muss jüdisch sein.
Und ich frage mich was wird aus den Palästinensern die dort leben.
Und die offizielle israelische Politik ist: Wir wollen die
Palästinenser aus diesem Gebiet vertreiben. Ok?
Frage 2:
Was bedeutete die israelische Invasion unlängst in Süd-Libanon?
Antwort 2:
Ich denke, dass es zwei Hauptgründe gab, für die israelische
Invasion im Libanon. Einer hat mit der amerikanischen Politik zu
tun. Sie wissen, dass Amerika in großen Schwierigkeiten im Irak ist,
und die Bush-Verwaltung hat sehr geringe Leistungen ihrer
Versprechen, im so genannten Krieg gegen den Terror, aufzuweisen.
Und sie hatten das, was sie die Achse des Bösen nannten; erinnern
Sie sich über die Liga der bösen Länder. Eines dieser Länder war
Irak, das andere war Iran, da war auch Syrien, und die amerikanische
Politik war nicht gerade von Erfolg gekrönt, und Amerika hoffte,
dass es zumindest bis zu den nächsten Regionalwahlen in den USA,
eine Erfolgsgeschichte aufweisen könne. Und das wäre der Sieg über
Hezbollah im Libanon gewesen. Ich glaube, dass sie sehr überrascht
und enttäuscht waren, über das israelische Versagen, Hezbollah im
Libanon zu zerstören. Also der eine Grund war die amerikanische
Politik, die Israelis aufzufordern etwas zu machen.
Der zweite Grund war, dass die Israelis fühlten, dass sie nun eine
Gelegenheit hätten, ihre Politik den Palästinensern aufzuzwingen,
mit praktisch keinem Widerstand. Die arabischen Regimes machen
nichts. Europa macht nichts. Amerika unterstützt. Es gibt nur zwei
Bewegungen die gegen sie sind: Hamas und Hezbollah. So wollten sie
also diese beiden Bewegungen physisch zerstören. Und sie sind
überrascht dass es ihnen nicht gelungen ist. Und da gibt es zwei
regionale Länder: Syrien und Iran, die Hamas und Hezbollah
unterstützt. So war der israelische Plan, Hamas und Hezbollah
gleichzeitig, im Sommer, anzugreifen. Die Israelis fühlten sich
sicher, weil sie von ihrer Armee das Versprechen hatten, nur einige
Stunden zu brauchen um die beiden Organisationen zu zerstören, und
der weitere Plan war, glaube ich, Syrien und den Iran anzugreifen.
Das ist noch immer der Plan. Wir sprechen offen in Israel über
unsere nächste militärische Kampagne. Aber weil der Krieg gegen
Hamas und Hezbollah nicht wie geplant verlaufen ist, zögern die
Israelis etwas mehr. Und ich spreche von der israelischen Armee, sie
zögern, den nächsten Schritt der israelischen Regierung zu bieten.
Also meine letzte Bemerkung über den Libanon: die meisten Länder in
der Welt, glaube ich, würden das als einen militärischen Fehlschlag
betrachten, oder als eine Niederlage, und dass vielleicht die
militärischen Entscheidungen keine gültigen Entscheidungen oder
schlechte Entscheidungen waren. Leider, funktioniert diese
Denkweise in Israel nicht. Und was wir in Israel beobachtet haben,
ist, dass das ganze politische System nach rechts gleitet, nicht
nach links, wegen der Niederlage im Libanon. So war die wesentliche
Auswirkung innerhalb des Landes, dass sich Israel zu einem noch
aggressiveren Staat in seinem Verhalten gegen die Palästinenser und
dem Rest der Nahostländer, wie gegen Syrien und den Iran, entpuppte.
Frage 3:
Gibt es eine Zukunft für Israel? Ich beobachte einen zunehmenden
Pessimismus innerhalb der israelischen Gesellschaft, und ich glaube,
dass das zu diesen Reaktionen und Wahlen geführt hat, mit einer
Tendenz zur Amnesie und die Einbeziehung von Avigdor Liberman in die
israelische Regierung.
Antwort
3:
Danke. Ich glaube, dass auf lange Sicht, diese
israelische Politik, die ich beschrieben habe - und alles das, was
Sie hier dazu beigetragen haben - nicht funktionieren wird. Ich
glaube nicht, dass man eine Gesellschaft mitten in der arabischen
Welt einrichten kann, mitten in der moslemischen Welt und sagt: „wir
gehören nicht dazu“, oder was ähnliches in diesem Sinn, und diese
Gesellschaft sagt weiters: „ich werde aggressiv sein und mir die
Gegend die ich will, aneignen, und die Menschen, die dort wohnen und
die ich dort nicht haben will, ausweisen. Ich denke, dass auf lange
Sicht, diese Politik nicht funktioniert. Selbst wenn die Waage der
Macht heute zum Vorteil dieser Gesellschaft ist, wird morgen die
Waage der Macht auf der anderen Seite sein. Die Hauptmotivation
meines Handelns ist im Grunde genommen, und ich zahle dafür einen
hohen Preis, nicht nur meine Sorge um die Palästinenser, sondern
auch die Sorge um die Juden in Israel. Und ich glaube, dass sie
genau so Opfer dieser Politik sein werden, wie heute die
Palästinenser. Leider sehe ich, in der nächsten Zeit, sagen wir in
den nächsten fünf, sechs oder zehn Jahren, keine bedeutende Kraft,
die Israel stoppen könnte. Selbst wenn mein Aufruf, und der Aufruf
anderer Menschen für eine anti-zionistische Bewegung, wie die Anti-
Apartheid Bewegung, gehört wird, wird es Jahre brauchen, um eine
Wirkung zu erlangen. Wie Sie vielleicht wissen, hat Südafrika 21
Jahre gebraucht, um die Anti-Apartheid Bewegung zu formen. 21 Jahre!
Ich hoffe, dass wir nicht 21 Jahre brauchen, aber wir sind nur am
Beginn. Also müssen wir einen langen Weg gehen. Es wird also eine
lange Zeit brauchen, selbst wenn wir erfolgreich sind, um das
globale Verhalten zu Israel so zu ändern, dass Israel gezwungen ist
seine Politik zu ändern.
Und wie Sie wissen ist andererseits Amerika voller Überraschungen,
und Amerika hält den Schlüssel. Die amerikanische Politik ist ein
solches Desaster, dass selbst die Amerikaner, die ziemlich
beschränkt sind, das verstanden haben. Ich glaube, dass es da eine
Chance gibt, wenn wir Glück haben, dass sich was in Amerika
schneller verändert als wir annehmen. Und wenn sich die
amerikanische Politik ändert, nicht weil sie die Palästinenser
mögen, oder weil sie sich um die Araber sorgen, sondern aus eigenen
Gründen, weil es ökonomisch nicht tragbar ist, und wenn sie die
Politik ändern, selbst nur gering, dann wird sich auch Israel
ändern. Jedoch solange Israel die unbedingte Unterstützung von
Amerika hat, und Europa sich nicht rührt und Angst vor Amerika hat,
und die arabischen Regimes eher in der Korruption tätig sind als wo
anders, dann werden die Palästinenser weiterhin einen hohen Preis
bezahlen.
Frage 4:
Ich lebe in der Europäischen Union und ich fühle, dass die Menschen
immer mehr gemeinsam leben wollen und voneinander abhängen, und dass
wir alle in Frieden leben wollen, und ich bin sicher, das Sie ein
Mensch des Friedens sind, weil Sie nicht in Rivalität leben, wie
manche sagen. Glauben Sie, dass die palästinensische Gesellschaft
vorbereitet ist, in Frieden mit den Juden zu leben?
Antwort 4:
Ich muss Ihnen sagen, dass die überraschende
Tatsache die ich über Palästina und die Palästinenser erfuhr, und
das ist auch der hauptsächliche Grund warum ich in meiner Arbeit
weitermache – und verstehe noch immer nicht wieso – ist die
Tatsache, dass trotz der hundertjährigen Unterdrückung, unter der
die Palästinenser leiden, das Hauptanliegen ein normales Leben zu
führen, ist. Es ist erstaunlich, Sie treffen Palästinenser die
unter israelischer Besatzung leben, und der Grossteil sagt Ihnen: „
Alles was wir wollen, ist ein normales Leben führen. Wir wollen
einkaufen können, wir wollen in die Schule gehen können, wir wollen
uns einen Film anschauen können“. Und ich glaube nicht, dass sich
die Menschen vorstellen können, dass man ihnen das nicht gestattet.
Man erlaubt ihnen kein normales Leben. Und sie suchen keine Rache!
Sie suchen keine Rache! Das ist ziemlich erstaunlich, dass sie
keine Rache haben und auch keine suchen! Und ich bin mir nicht
sicher, dass diese Situation so bleiben wird. Weitere 100 Jahre
israelischer Unterdrückung, und die Palästinenser werden sagen:
„genug ist genug“. Wir haben eine seltene Öffnung für eine
Gelegenheit, wo der Grossteil der Palästinenser mit den Juden
gemeinsam leben will, nicht so wie die Israelis, die an Stelle der
Palästinenser leben wollen. Ich komme aus Galiläa, das halb jüdisch,
halb palästinensisch ist, und wir leben zusammen, soweit uns die
israelische Regierung nicht stört. Wir bauen gemischte Schulen, die
nicht erlaubt sind, weil die Israelis ein getrenntes
Apartheid-Schulsystem wollen, eines für Araber, kein gutes, und eins
für die Juden. Aber wir Eltern, richten ein gemischtes Schulsystem
ein. Wir wollen gemeinsame Geschäfte, wir wollen am selben Platz
gemeinsam leben und die Regierung ist dagegen. Sie sagt: „nein,
nein, Araber und Juden wollen nicht gemeinsam leben“. Und wir sagen:
„wir wollen gemeinsam leben“. „Nein, Ihr könnt nicht“.
Israel ist ein Apartheid-Staat, und dieser
Apartheid-Staat soll als solcher behandelt werden, damit die
Palästinenser mit den Juden zusammenleben können. In bestimmten
Gegenden haben sie schon zusammengelebt. In der Vergangenheit – wenn
Sie mein Buch lesen, und ich hoffe es kommt bald in Spanisch heraus
– schildere ich, wie Juden mit den Arabern in Frieden und in
Harmonie, in friedlicher Koexistenz, bis 1948, zusammengelebt
haben. Weil die islamische Welt die Juden gut behandelt haben. Nicht
so die christliche Welt. Es war in Europa, dass die Juden verfolgt
wurden, nicht in der arabischen Welt. Vergessen wir das nicht.
Frage 5:
Also, ich wiederhole die Frage. Ich bin an der ausländischen Politik
interessiert. So möchte ich wissen, wie, zum Beispiel die Beziehung
zwischen dem Iran und Israel ist, und zwischen der Türkei und
Palästina, zum Beispiel, und wer könnte, sozusagen die besten
Freunde von denen sein, zum Beispiel Palästina oder Israel in diesen
auswärtigen Angelegenheiten. Danke.
Antwort 5:
Also, wie Sie wissen, haben der Iran und Israel einen ernsthaften
Konflikt, und es könnte zu einem Nuklearkonflikt kommen, der, wie
Sie sich vorstellen können, sehr gefährlich für uns alle sein
könnte. Ich glaube, dass ich schon in meiner vorhergehenden Antwort,
was den Libanon betrifft, gesagt habe, dass der Iran und Syrien die
einzigen Länder sind, die gegen die israelische Politik sind, und
sie sind auch die einzigen, die die Palästinenser unterstützen.
Also, auf dem Gebiet der ausländischen
Angelegenheiten, ist das Hauptproblem dasjenige, dass Israel,
geographisch, in der arabischen Welt liegt, aber psychologisch und
geistig glauben die Israelis in Europa zu sein. Deswegen treten sie
der europäischen Fußball-Liga bei. Sie sind nicht sehr gut, aber
trotzdem (!), und deswegen nehmen sie an der Eurovision teil, wo
sie, als Popsänger, etwas besser sind. Und sie wollen nicht Teil der
Welt sein, dem sie angehören, und das, trotz der Tatsache, dass die
Hälfte von ihnen aus arabischen Ländern kommt Also, sind sie
Araber, arabische Juden, und nicht europäische Juden. Und für sie
sollte es sehr einfach sein, der arabischen Welt anzugehören, aber
sie haben diese Ideologie, von der ich schon gesprochen habe, dass
sie einen Platz brauchen, ohne Araber, und dann wissen Sie, dass
das ein jüdischer Staat ist. Das beeinflusst die Auslands- Politik.
Israel hat keine Auslandspolitik, aber eine Sicherheitspolitik. Wir
machen einen Witz in Israel, wenn wir sagen: „Israel ist nicht ein
Staat mit einer Armee, aber eine Armee die einen Staat hat“. Das ist
die Auslandspolitik von Israel, in einem Satz.
Frage 6:
Ich möchte von einer möglichen Lösung für den Nahen Osten sprechen,
weil, wie Sie es schon unterstrichen haben, ein Genozid stattfindet
und kein Krieg! Und das Problem liegt bei den Medien, die das Volk
erheblich beeinflussen, und was sie ständig vermitteln, ist dass sie
im Krieg sind, und das ist nicht der Fall. Ich habe mit einem
Argentinier, der in Israel lebt, gesprochen und seine Lösung ist ein
geteiltes Land, Israel und Palästina, und ein geteiltes Jerusalem,
palästinensisch und israelisch. Ich glaube nicht, dass das die
Lösung ist. Meiner Meinung nach, sollte Israel die Tatsache des
Genozids zugeben und sich dafür entschuldigen. Auf gleiche Art und
Weise, wie man sich bei den Juden nach dem Genozid entschuldigt hat,
war es nicht so? Abgesehen davon, sollten sie das geraubte Land
zurückgeben.
Antwort 6:
Ariel Sharon war für eine Zweistaatenlösung. Der jetzige
Ministerpräsident ist für eine Zweistaatenlösung, der rechte Flügel
ist für eine Zweistaatenlösung, weil sie unter der Zweistaatenlösung
den größten Landraub verstehen und die Palästinenser in kleine
Bantustans verdrängen, in kleine Haftlager, wo alle Palästinenser
hineingedrängt werden. Also, wenn Sie das eine Zweistaatenlösung
nennen, sind alle dafür. Also müssen wir das Paradigma ändern. Wir
müssen sagen, dass das kein Krieg ist, dass es eine Situation
zwischen einem Schlächter und einem Opfer ist, zwischen einem
Siedler und einem Besiedelten, zwischen einem Besetzer und einem
Besetzten, einem Unterdrücker und einem Unterdrückten. Das ist kein
Krieg. Wir wollen die Kolonisierung beenden, die Schlächterei, die
Unterdrückung, die Besatzung, und wenn wir das beenden wollen,
müssen wir den Besatzer und den Vertreiber zwingen, diese Politik zu
beenden. Und das ist gerade das was die Welt nicht tun will. Und nur
wenn die Welt das tun will, dann wird es eine Veränderung geben,
denn wir brauchen die Außenwelt zur Einwirkung, damit eine
Veränderung herbeigeführt wird.
Frage 7:
Guten Abend. Ich möchte Sie fragen, ich kenne keinen Konflikt in der
Welt, jeglicher Natur, der durch Unterdrückung und Landraub gelöst
werden kann. Sie sagten, und ich stimme mit Ihnen überein, und ich
glaube, dass der israelische Staat und die israelische Gesellschaft
Dinge für den Frieden machen sollen. Was können die Palästinenser
für den Frieden tun? Ich glaube, sie können auch etwas tun, glauben
Sie nicht?
Antwort 7:
Ja, natürlich, da gibt es etwas, was die Palästinenser tun sollten.
Aber ich denke an die Schritte, und der erste Schritt ist, sich von
dem, was ich das Paradigma der Parität nenne, zu lösen. Wir sollten
von den Opfern nicht dieselben Dinge erwarten, wie von den
Schlächtern. So glaube ich, dass unsere größten Erwartungen von
Israel kommen sollten, und nicht von den Palästinensern. Aber
natürlich können die Palästinenser auch was tun. Ich glaube, dass
die Palästinenser Wege finden müssen, und sie sind die Einzigen, die
das tun können, ihre Kräfte zu vereinen. Es ist verständlich, dass
sie unter den sehr schwierigen Umständen, unter denen sie leben,
interne Auseinandersetzungen haben, was es ihnen nicht erlaubt eine
klare Führung, eine klare Strategie, eine klare Politik zu haben.
Ich glaube, es würde allen von uns helfen, wenn wir eine Führung von
einer geeinigten palästinensischen Front hätten. Ich glaube, dass es
der wichtigste Anteil der Palästinenser in ihrem Kampf um Frieden
und Gerechtigkeit in Palästina ist. Und ich glaube, dass die Leute,
die in der Anti-Apartheid-Bewegung gearbeitet haben, sagen können,
dass ein sehr klarer ANC – African National Congress - eine von den
guten Sachen war. Sie gaben genaue Direktiven. Wir haben keinen ANC
in Palästina. Es ist nicht die palästinensische Führung und es ist
nicht die PLO, wir haben ein Problem in Palästina: ein Problem der
Führung, und ein Problem der Einigung. Und ich glaube, wenn diese
Probleme gelöst sind, und nur die Palästinenser können das lösen,
dann haben wir etwas, was uns weiter bringt.
Die zweite Sache, die auch gemacht werden kann, ist im Besonderen
das was die palästinensische Gemeinschaft in Amerika machen kann.
Ich weiß nicht ob Sie es wissen, aber es gibt viele, viele
Palästinenser in Amerika. Und Amerika ist, wie Sie wissen, in einer
Schlüsselposition, ich wiederhole es, und die Palästinenser in
Amerika haben nicht genug getan, um die amerikanische Politik zu
beeinflussen, und sie können es machen. Sie sind sehr fachmännisch,
sie kennen die amerikanische Gesellschaft, sie sind bereits eine
zweite Generation dort, ich erwarte etwas von ihnen. Ich glaube
nicht, dass die Palästinenser letztlich ein Problem haben würden,
wenn ihnen jemand sagt: „Wissen Sie, Selbstmordattentate in
Geschäftsstrassen, war keine gute Strategie“. Ich glaube, dass 95%
von den Palästinensern damit einverstanden ist. Aber dann würden sie
fragen, was Sie anstelle vorschlagen. Den Friedensprozess? Der hat
mehr und mehr Besatzung gebracht. Also wenn wir den Palästinensern
helfen wollen, um einen besseren Weg zum Widerstand gegen die
israelische Besatzung zu finden, als die Selbstmordattentate, was
blöd ist, und meiner Meinung keinen Sinn hat, dann müssen wir, als
sehr realistische Entscheidung, die Sanktionen, den Boykott und den
Entzug, bringen. Andererseits, sollten wir die Palästinenser wegen
ihrer Lebensweise nicht verantwortlich machen, wenn die
Hoffnungslosigkeit in der sie leben, sie glauben lässt, dass der
einzige Weg, um einen Sinn im Leben zu finden , eine menschliche
Bombe zu werden, ist.
Übersetzt vom
Englischen von Frigga Karl, Mitglied von
Tlaxcala,
dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt.
Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft für jeden
nicht-kommerziellen Gebrauch : sie kann frei verwendet werden unter
der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der
Autor als auch die Quelle genannt werden.
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http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=1923&lg=de
Ein neues Beispiel
zum Verständnis des palästinensischen Problems 3. Teil
Die
ethnische Säuberung in
Palästina
(3. Teil)
AUTOR: Ilan Pappe
Übersetzt von Übersetzt von Frigga Karl
Frage 8:
Ich möchte gern versuchen mir vorzustellen, dass eine vereinte
palästinensische Gesellschaft, wie Sie gesagt haben, notwendig ist,
um positive Dinge zum Frieden zu tun. Wenn ich richtig verstanden
habe, würde das, Ihrer Meinung nach, die Hauptsache sein. Also,
nehmen wir an, dass das existiert und Sie es wissen, welche
spezifischen Dinge könnte die vereinte palästinensische Gesellschaft
für den Frieden tun? Das war meine Frage. Ich möchte spezifische
Dinge hören, nicht Dinge… gut, so abstrakt wie Sie sie genannt
haben.
Antwort 8:
Sie sehen Palästina mit 100% Land. Die Palästinenser seit 1993, die
Führung sowie die Gesellschaft gibt Israel zu verstehen, um des
Friedens willen, sind wir bereit, 80% unseres Heimatlandes an Israel
abzugeben. Und was antworteten die Israelis? : „Nicht gut genug“.
Also was wollen Sie noch mehr von den Palästinensern? Ich höre auf
von den Palästinensern zu wollen. In dieser Hinsicht, habe ich, an
die Palästinenser, keine Forderungen mehr. Hatten Sie irgendwelche
Forderungen an die afrikanische Gemeinschaft unter der Apartheid?
Hatten Sie an das chilenische Volk irgendwelche Forderungen unter
Pinochet? Hatten Sie Forderungen an das argentinische Volk unter den
Generälen? Und hatten Sie Forderungen an das spanische Volk unter
Franco?
Wenn Sie faschistische, diktatorische, ethnische
Säuberungs-Regierungen haben, geht die Forderung zu allererst and
die Kriminellen und nicht an die Opfer!
Frage 9:
Guten Abend. Zuerst möchte ich sagen, dass es stimmt, dass der
Grossteil der israelischen Gesellschaft den Krieg gegen den Libanon
unterstützt hat, und hat auch der Regierung Ehud Olmert die
Unterstützung gegeben. Aber es stimmt auch, dass in der israelischen
Gesellschaft einige Friedensgruppen sind. Zum Beispiel denke ich an
Gush Shalom, das Emil Toumas Institute, die Soldatengruppe „Das
Schweigen brechen“, die die Politik der israelischen Regierung in
Frage stellen. Ich möchte wissen, was der einfache Bürger von diesen
Gruppen denkt?
Antwort 9:
Ich, persönlich, war der Wortführer für das israelische Komitee
gegen den Krieg im Libanon. Das sind mutige Menschen in der
israelischen Gesellschaft, die gegen die Besatzung sind, gegen den
Krieg im Libanon, aber das ist eine ganz kleine Anzahl. Es ist sehr
wichtig zu begreifen, dass das eine kleine Gruppe ist, eine wichtige
Gruppe die von außen gestärkt werden muss. Sie brauchen
Unterstützung von außen, sie sind klein und im Verhältnis zur
allgemeinen Haltung in der israelischen Gesellschaft sind sie nicht
als legitim akzeptiert, und brauchen daher diese Unterstützung. Sie
sind sehr wichtig, weil ich überzeugt bin, dass diese Gruppe
mithilft eine andere Zukunft in Israel und Palästina, nach
Beendigung der Besatzung, aufzubauen. Aber sie kann die Besatzung
nicht beenden. Sie kann Israel nicht hindern Syrien und den Ir
an anzugreifen. Israel wird leider Syrien angreifen und wird auch
leider den Iran angreifen. Und es ist nur die Außenwelt die dagegen
was tun kann. Aber ich freue mich, dass Sie diese Gruppen genannt
haben, weil ich glaube, dass es wichtig ist, diese einige Tausende
Juden in Israel, die täglich gegen die Besatzung, gegen die Politik
arbeiten, zu nennen. Aber das sind nur einige Tausende von 7
Millionen. Und was die Durchschnittsperson betrifft, ich weiß nicht
wie die Durchschnittsperson in Spanien denkt, aber die
Durchschnittsperson auf der Strasse will es nicht wissen. Sie hat
Zeitungen, die ihr nichts berichten, sie hat TV mit amerikanischem
Programm, das sie, nach fünf Monaten schon verblöden kann wie Sie
wissen, und sie sieht es das ganze Jahr. Sie hat Radiosender,
Akademiker und Politiker, die ihr sagen, dass alles in Ordnung ist.
Sie hat keine Ahnung, dass sich die Dinge verschlechtern, und immer
weiter verschlechtern. Also glaube ich, dass wir in Israel, daran
arbeiten müssen, die Menschen wissen zu lassen, was wirklich los
ist, und wir arbeiten auch daran, aber es ist sehr schwierig. Und
die Leute hier, sollen ihnen das begreiflich machen, was sie nicht
wissen wollen, und dass es passiert, und dass das einen hohen Preis
hat. Und glauben Sie mir, dass sie sich dann fragen werden, was
eigentlich wirklich los ist. Aber noch wollen sie nichts wissen. Sie
sind nicht sehr glücklich mit ihren Politikern, und sind auch nicht
sehr glücklich mit ihren Führern, und nun sind sie auch nicht sehr
glücklich mit ihrer Armee, nach dem Libanon Krieg. Aber sie finden
nicht die richtigen Schlussfolgerungen, sie wollen eine andere
Armee, sie wollen eine bessere Armee. Wir sagen in Israel, dass,
wenn wir einen schlechten Krieg gehabt haben, einen anderen Krieg
brauchen, um von dem wegzukommen. Daher bin ich sehr besorgt, weil
das ein sehr schlechter Krieg war, also brauchen wir einen großen
Krieg, um von dem wegzukommen.
Frage 10:
Also, ich möchte damit beginnen, dass ich Ihnen für den Vortrag
danke. Ich bin im Grossen und Ganzen mit Ihnen einverstanden. Ich
denke, dass es stimmt, den Konflikt so zu verstehen, dass man
verstehen muss, dass der israelische Staat zwischen zwei Polen
schwankt, zwischen einen jüdischen Staat und einem demokratischen
Staat, und da gibt es keinen Ausweg, und das führt zu den
herrschenden Widersprüchen. Aber ich möchte Sie über Dinge fragen,
die ihnen keine Zeit gelassen haben sie weiter auszuführen. Zu
allererst, sagten Sie, dass eine geringe Veränderung der US Politik
für den Nahen Osten die Art des Handelns von Israel verändert. Das
letzte Mal, als wir so eine Veränderung erlebt haben, glaube ich,
war zum Zeitpunkt des Falls der Mauer von Berlin, als die US
Hegemonie im Nahen Osten größer wurde, natürlich wegen des
Zusammenbruchs des Ostblocks, und das führte zu den Osloer
Verträgen. Aber, wie Sie erwähnt haben, waren die Osloer Verträge
nicht mehr, als die Macht des Handelns der palästinensischen
Polizei, die Palästinenser selbst zu verhauen, anstelle sie der
israelischen Polizei auszuliefern. Und ich glaube, hier finden wir
eine der großen Konfrontationen, dass, wie Sie richtig sagen, selbst
wir von den Palästinensern nicht fordern können, noch mehr
aufzugeben, ich glaube das auch, und ich stimme dem zu, dass wir
unsere Hoffnungen, leider in diese kleinen jüdischen Gruppen setzen
sollen, die in Israel für den Frieden kämpfen. Ich glaube auch, dass
ich während der Diktatur Francos keine Hoffnungen hatte, ich konnte
keine Hoffnungen haben, dass Franco sich ändern würde, aber ich
konnte Hoffnungen haben, dass das spanische Volk es zusammenbringen
würde die Faschisten hinauszuwerfen. Und ich glaube, dass wir das
Problem in diesem Kontext sehen sollen, dass der palästinensische
Widerstand zerstört wurde, mehr oder weniger, und ich sehe nicht
wirklich in Ihrem Vorschlag, wie wir, und das ist die wichtigste
Sache der wir gegenüber stehen, die Entkräfteten stärken können, für
die Palästinenser eine Möglichkeit schaffen, ihre eigene Macht zu
fordern. Wir haben den Keim in der ersten Intifada gesehen, in den
Nachbarschaftskommittees und so weiter. Aber ich möchte Sie fragen,
was sind Ihre Vorstellungen für die Möglichkeit, diese Netzwerke
wieder zu beleben, neue Hoffnungen für die Möglichkeit von
Gewerkschaften oder Bewegungen zu bekommen, die den Palästinensern
mehr geben können, als 20 Jungfrauen im Himmel.
Antwort 10:
Der erste Teil der Frage war über die USA. Ich denke, dass die Dinge
in den späten 80er Jahren anders standen, denn die israelische
Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten ist jetzt viel größer, als
in den 80er Jahren. Und daher hat ein Wechsel in der amerikanischen
Politik, heute, einen größeren Einschlag in die israelischen Politik
als in den 80er Jahren. Sie müssen sich erinnern, dass in den 80er
Jahren Israel auch mit anderen Mächten, was den Geld- und Waffen-
verkehr betrifft, ein Netzwerk und Verbindungen hatte. 2006, ist es
hauptsächlich Amerika, vielleicht nur Amerika. Also, selbst jede
kleine Veränderung ist nun dramatischer als in den 80er Jahren.
Zweitens, glaube ich nicht, dass die Osloer Verträge auf Grund des
amerikanischen Drucks erfolgten. Es war tatsächlich ein Vertrag, der
gegen den Wunsch Amerikas begann. Das ist, glaube ich, für das
Problem nicht sehr wichtig. Aber bestimmt müssen wir nun eine
Veränderung in der amerikanischen Politik anpeilen, und je
bedeutender sie sein wird, umso besser ist es.
Der zweite Teil der Frage, wie können wir die Entkräfteten stärken,
wie Sie sich ausdrückten, das heißt, wie können wir den
Palästinensern helfen, und was sollte die palästinensische Strategie
sein.
Erstens, bin ich kein Berater für die Palästinenser; ich habe genug
Probleme in der Kritik meiner eigenen Gesellschaft. Ich beanspruche
nicht die Rolle eines Beraters und ich glaube, dass das
palästinensische Volk selbst entscheiden kann. Ich kann Ihnen nur
berichten, was in den besetzten Gebieten vor sich geht, und in der
palästinensischen Diaspora, die diese neue Strategie aufzeigt und
die die Palästinenser annehmen werden und können. Eine ist der
Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft unter Besatzung (CPCSUO,
Call of the Palestinian Civil Society Under Occupation) weil es
unter der Besatzung keine Infrastruktur mehr gibt, es gibt kein
politisches Leben unter der Besatzung. Das einzige was die
Palästinenser unter der Besatzung machen können ist bleiben, nicht
weggehen. Und glauben Sie mir, dass das eine sehr heroische Leistung
ist. Wenn Sie die größte Militärmacht im Nahen Osten hinauswerfen
will und es Ihnen gelingt in Ihren Feldern zu bleiben, in Ihren
Häusern, dann sind Sie ein Held. Sie brauchen keine Steine werfen,
Sie brauchen keine Bomben werfen, und Sie schlagen die Israelis
durch die einfache Tatsache, dass sie geblieben sind, dass sie
bleiben, dass sie nicht weggehen. Und ich glaube, dass die
Zivilgesellschaft, die Zivilgesellschaft, in diesem Bezug, viel
machen kann, ich meine die verschiedenen NGO’s die sie haben, und
sie organisieren sich jetzt in einer einzigen Bewegung und sagen
zwei Dinge:
Eines richtet sich an das Volk drinnen: geht nicht
weg, versucht zu bleiben.
"Esst
keine Blutapfelsinen von Israel", von Juan Kalvellido, Tlaxcala,
Januar 2006
Das zweite richtet sich an die Außenwelt:
BOYKOTTIERT ISRAEL, sagt den Israelis, dass ihr diese
Politik nicht akzeptiert, das ist das einzige was wir machen können.
Unter der Besatzungsmacht, kann man nicht viel mehr machen. Was den
größeren palästinensischen Kontext betrifft, gibt es den
interessanten Beginn einer Bewegung, die versucht, die
palästinensischen Flüchtlingslager, die palästinensische
Exilgemeinschaft, die Diaspora, in die politische Szene
zurückzubringen. Da gibt es ein Netzwerk in Europa, das heißt
Al-Awda, das die Flüchtlinsgemeinschaft in Europa in den politischen
Prozess hineinbringt. Weil im Friedensprozess, der von Amerika und
Israel koordiniert wurde, die Palästinenser, die nicht in Palästina
leben, und die die Mehrheit der Palästinenser ausmachen, vom
Friedensprozess vollkommen ausgeschlossen waren. Da ist also ein
Versuch, sie in die politische Szene zurückzubringen, in den
politischen Prozess, und ich glaube, dass das die Palästinenser
drinnen auch stärkt, zu wissen, dass die Menschen in den
Flüchtlingslagern im Libanon, in Syrien, die Menschen in den
Diasporagemeinschaften in Spanien, in Frankreich und in Amerika nun
auch an der Politik teilnehmen, und sie eine viel stärkere Politik
möglich machen. Diesbezüglich, war übrigens die Hamas weitaus besser
als die Fatah, weil die Hamas die Verbindung mit den Flüchtlingen
aufrecht hielt, was die laizistische Bewegung vergaß. Diesbezüglich,
glaube ich, ist das einer der Gründe, dass die islamitische Bewegung
in Palästina so einen hohen Stellenwert, so eine Popularität hat,
selbst unter den Leuten, die nicht sehr gläubig sind, oder die die
Zukunftsvision der islamischen Bewegung nicht teilen. Das ist der
Grund des Erfolges, dass sie das taten, was die laizistische
Bewegung, besonders die Linke in Palästina vergessen hat zu tun. Das
heißt die gesamte palästinische Gesellschaft in den Kampf für
Palästina einzuschließen. Und das könnte das Gleichgewicht der
Kräfte, am Ende des Tages, verändern.
Veranstaltung
in Südafrika
Frage 11:
Vor einigen Monaten gab es ein Interview mit einer sehr umstrittenen
Persönlichkeit, dem neuen Präsidenten des Irans, ich glaube, es
erschien im „Der Spiegel“ in Deutschland, in welchem sich
verschiedene Sätze zur jüdischen Holocaust Verneinung bezogen, der
Holocaust im Weltkrieg, und das wurde in allen westlichen Medien
wiedergegeben. Andere Sätze wurden nicht wiedergegeben, und wenn
man das vollständige Interview liest, gab es da eine Frage die er
stellte. Natürlich, verteidige ich das, was dieser Mann im
Allgemeinen sagt, nicht, aber diese Frage war wirklich sehr
intelligent. Er fragte die europäischen Staatschefs: „warum, wenn
der Genozid wirklich stattgefunden hat, warum die historische
Verantwortung, um dieses Desaster gutzumachen, an das
palästinensische Volk abgeschoben wurde“? Dann fragte er noch:
„wenn die westlichen Staatschefs damit einverstanden waren, dass der
Genozid kompensiert werden muss, warum haben sie dann nicht den
Staat Israel zwischen Frankreich und Deutschland gebildet“? Da wurde
dieser Ausspruch als eine immense Provokation betrachtet. Aber wenn
man das von der historischen Seite betrachtet und auch bezüglich der
Verantwortung, gibt es einen Sinn. Ich würde gern Ihre Anschauung
dazu wissen. Eine andere kurze Frage ist die, Leute, wie die
Frankfurter Schule, wie Enzo Traverso, wie einige marxistische
Schriftsteller, versuchten, das Niveau der Integration von Leuten in
faschistischen Regimes zu verstehen. In der heutigen Zeit sieht man
dieses Niveau von Integration nur in Israel. Zusätzlich zum
Fernsehen, Presse etc., warum ist die israelische Bevölkerung im
imperialistischen Regime, politisch und militärisch, so integriert?
Antwort 11:
Das sind gute Punkte,
die sie erwähnen. Zuerst zum iranischen Präsidenten, Ahmadinedjad.
Ich denke, dass einige seiner Aussagen nicht sehr clever sind, und
hätten nicht ausgesprochen werden sollen. Ich glaube, dass ich den
wichtigen Punkt, den er machte verstehe, und ich werde gleich darauf
zurückkommen. Aber ich glaube, dass die Art und Weise, wie er diese
wichtigen Punkte ausgedrückt hat, von einer Hoffnungslosigkeit
bestimmt sind, wegen der iranischen Position in der Welt, und ich
verstehe das. Ich glaube, dass ich, so wie er, einen doppelten
Diskurs, den der Scheinheiligkeit, empfinde, in der Weise, wie der
Iran von der Welt behandelt wird. Aber ich denke, dass ein
Staatschef seine Argumente viel behutsamer ausdrücken soll. Ich
glaube, dass er in manchen Punkten zu weit gegangen ist, obwohl, wie
ich sagte, verstehen kann von wo der Druck kam, und ich glaube
auch, dass einige der Punkte, die er ausführte, keine schlechten
Punkte waren. Ich glaube es waren gültige Punkte. Und einer der
Punkte, die er anführte, und den Sie auch erwähnten, war die
Tatsache, dass Europa ein Verbrechen begangen hat, als ein
Kontinent, wenn Sie wollen, als eine Zivilisation gegen das jüdische
Volk, ein schreckliches Verbrechen. Es ist sicher dass es in
Deutschland stattgefunden hat, aber wie wir wissen, fand der
Holocaust nicht nur in Deutschland statt. Es gibt keine einzige
europäische Gesellschaft, die nicht an der Zerstörung und
Eliminierung der Juden teilgenommen hat. Und wie Ahmadinedjad
richtig sagte, haben es sich die Europäer sehr einfach gemacht, das
Problem der Juden vor die Tür der Palästinenser zu kehren. Anstelle
das Problem in Europa zu behandeln, haben sie gesagt: eine gute
Idee, die Juden sollen nach Palästina gehen, und dann brauchen wir
uns darum nicht zu kümmern, was wir getan haben“, anstelle zu sagen:
„ wir geben den Juden eine sichere Heimat in Europa selbst“. Das ist
was Ahmadinedjad gesagt hat. Und ich glaube nicht, dass das eine
Holocaust-Verneinung ist, ich glaube nicht, dass das antisemitisch
ist, ich denke, dass das historisch gesehen, ein gültiger Punkt ist.
Ich glaube nicht, und da stimme ich mit ihm nicht überein, dass es
im Jahr 2006 durchführbar ist, dass es im Jahr 2006 nützlich ist.
Sie lösen das Problem der ethnischen Reinigung der Palästinenser
nicht, wenn Sie jetzt die Juden ethnisch reinigen. Sie löschen ein
Verbrechen nicht mit einem anderen Verbrechen aus. Ich weiß, dass
ein krimineller Geist das tut, aber Sie tun es nicht. Es ist keine
seriöse politische Lösung. So glaube ich, dass wir am moralischen,
historischen Boden bleiben sollten, wenn wir darüber sprechen und
nicht als politische Lösung. Sie wissen, dass die Palästinenser eine
schlimme Periode durchmachten, als sie sagten, dass wir die Israelis
ins Meer werfen sollten. Das hat sie nicht weit gebracht, es half
keinem Palästinenser, das machte die Sache nur schlimmer. Ich
spreche von den palästinensischen Führern. Und sie haben das hinter
sich gelassen, sie sprechen nicht mehr so, sie denken nicht mehr so,
und deswegen sind sie in einer besseren Position.
Was den Grund betrifft, dass die Europäer nichts
gegen die ethnische Reinigung machen. Ich glaube, die Antwort ist,
wegen des Schuldkomplexes. Die Europäischen Regierungen wissen, dass
ihre früheren Regierungen, für das was passierte, und was jetzt in
Palästina passiert, tatsächlich verantwortlich waren und sind. Jede
Regierung mit ihrer eigenen Problematik. Großbritannien, als
Kolonialmacht, gab was her, was ihm nicht gehörte, nahm es von den
Palästinensern und gab es den Juden, noch vor dem Holocaust! Wenn
Großbritannien nicht beschlossen hätte, Palästina den Juden zu
geben, da wäre nichts gewesen, was die Welt, in diesem Bezug, machen
hätte müssen. Und später, der ganze europäische Kontinent,
besonders, als er die Europäische Union wurde. Anstatt zu verstehen,
was er, durch den Holocaust, verursacht hat: eine Kette von Opfern:
ein Opfer verursachte das Opfer eines anderen Volkes. Aber die
Europäer begannen mit den Opfern. Und sie hatten eine Verantwortung
den Palästinensern zu helfen. Es war einfacher für sie, in dieser
Sache nichts zu tun, weil sie mit Israel nicht in Konflikt treten
wollten, indem sie was tun.
Besonders die Akademiker, die Intellektuellen. Sie
haben eine moralische Verantwortung, und sie empfinden diese
moralische Verantwortung nicht. Und das ist es, was ich von Ihnen
als Gruppe, verlange, einen hohen Preis zu zahlen, weil ich
überzeugt bin, dass, sowie die Medien, die Akademie in der modernen
Welt, eine Rolle zu spielen hat, und wenn sie diese Rolle nicht
spielt, sie dafür streng kritisiert werden muss. Und ich glaube,
dass wir mit diesen Gruppen beginnen müssen, wie Journalisten und
Akademiker in Israel, weil sie wissen - nicht so wie der Rest der
Gesellschaft - sie wissen und sie machen nichts, weil die meisten
feige sind und der Rest glaubt an eine Ideologie die unmoralisch und
gesetzlos ist.
Danke
Übersetzt vom Englischen von Frigga Karl, Mitglied von
Tlaxcala,
dem
Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung
unterliegt dem Copyleft für jeden nicht-kommerziellen Gebrauch : sie
kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht
verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt
werden.
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