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Warum verfolgt
mich Israel?
Azmi Bishara
Amman, Jordan:
Ich bin ein Palästinenser aus Nazareth, ein Bürger Israels, und war
bis vor einem Monat Mitglied des israelischen Parlamentes.
Aber jetzt – in
einer eigenartigen verzerrten Erinnerung an Frankreichs
Dreifuss-Affäre, in der ein französischer Jude wegen Untreue
gegenüber seinem Staat angeklagt wurde - klagt mich die Regierung
Israels an, ich hätte dem Feind geholfen, während Israel im Krieg
gegen den Libanon (Juli 2006) einen Fehlschlag erlitten habe.
Anscheinend
verdächtigt mich Israels Polizei, Informationen an einen
ausländischen Agenten gegeben und dafür Geld erhalten zu haben. Nach
israelischem Gesetz kann jeder - Journalist oder persönlicher
Freund – als ausländischer Agent vom Israelischen Sicherheitsapparat
bezeichnet werden. Solch eine Anklage kann zu lebenslänglicher Haft
oder gar zur Todesstrafe führen.
Die Vorwürfe
sind lächerlich. Es ist unnötig zu sagen, aber die Hisbollah,
Israels Feind im Libanon, hat unabhängig mehr Informationen über
Israel gesammelt, als irgendein arabischer Knessetabgeordneter
möglicherweise hätte liefern können. Anders als jene in Israels
Parlament, die in Gewaltakte verwickelt waren, habe ich niemals
Gewalt angewandt oder an Kriegen teilgenommen. Im Gegensatz dazu
sind meine Überzeugungswaffen nur Wörter in Büchern oder Artikeln
gewesen.
Diese erlogenen
Anklagen, die ich zurückweise und dementiere, sind nur das letzte in
einer Serie von Versuchen, mich und andere zum Schweigen zu bringen,
die in den Kampf der palästinensisch-arabischen Bürger Israels
verwickelt sind, die in einem „Staat für all seine Bürge“ leben
wollen und nicht in einem Staat, der besondere Rechte und
Privilegien nur den Juden gewährt und den anderen verweigert.
Als Israel 1948
errichtet wurde, wurden mehr als 700 000 Palästinenser vertrieben
oder flohen aus Angst. Meine Familie gehörte zur Minderheit, der
dieses Schicksal erspart und im Lande blieb, wo wir noch heute
leben. Der israelische Staat, nur für Juden errichtet, fing sofort
damit an, uns zu Ausländern im eigenen Land zu machen.
Während der
ersten 18 Jahre israelischer Herrschaft lebten wir als israelische
Bürger unter militärischer Herrschaft mit Passgesetzen, die jede
unserer Bewegungen kontrollierte. Wir beobachteten wie
jüdisch-israelische Städte über zerstörten palästinensischen Dörfern
entstanden.
Heute machen wir
20 % der israelischen Bevölkerung aus. Wir trinken nicht aus
besonderen Wasserquellen oder sitzen im Bus im hintersten Teil. Wir
haben das Stimmrecht und können im Parlament sitzen, aber wir
stehen einer rechtlichen, institutionellen und grässlichen
Diskriminierung in allen Sphären des Lebens gegenüber.
Mehr als 20
Gesetze privilegieren nur Jeden gegenüber Nicht-Juden. Das Recht auf
Rückkehr z.B. garantiert automatisch die Staatsbürgerschaft für
Juden, egal woher sie kommen. Doch palästinensische Flüchtlingen
wird das Recht der Rückkehr in ihr eigens Land, aus dem sie 1948
vertrieben wurden, verweigert. Das Grundrecht menschlicher Würde
und Freiheit – Israels „Bill of Rights“ – definiert den Staat als
„jüdisch“ und nicht als „Staat aller seiner Bürger“. Auf diese Weise
ist Israel eher ein Staat für Juden in Los Angelos oder Paris aber
nicht für die einheimischen Palästinenser.
Israel gibt
selbst zu, es sei ein Staat für eine spezielle religiöse Gruppe
sei. Jeder, der sich der Demokratie verpflichtet fühlt, muss sich
eingestehen, dass eine gleich berechtigte Staatsbürgerschaft unter
solchen Umständen nicht möglich ist.
Die meisten
unserer Kinder besuchen Schulen, die von einander getrennt und (
den jüdischen ) nicht gleichwertig sind . Nach Umfragen der letzten
Zeit würden zwei Drittel der israelischen Juden sich weigern, als
Nachbarn von Arabern zu wohnen, und fast die Hälfte würde es Arabern
nicht erlauben, ihre Wohnung zu betreten .
Sicher habe ich
Israel verärgert. Abgesehen davon, dass ich die oben genannten Dinge
ausgesprochen habe, habe ich auch behauptet, dass das libanesische
und das palästinensische Volk auf der Westbank und im Gazastreifen
das Recht haben , gegen die israelische illegale Besatzung
Widerstand zu leisten. Ich sehe die, die für ihre Freiheit kämpfen,
nicht als meine Feinde an.
Dies mag
jüdischen Israelis nicht gefallen, aber sie können uns unsere
Geschichte und Identität genau so wenig aberkennen, wie wir ihre
Verbindungen zum Weltjudentum ableugnen können. Nicht wir, sondern
die israelischen Juden sind in dieses Land eingewandert. Von
Immigranten könnte man fordern, dass sie im Tausch für gleiche
Staatsbürgerschaft ihre frühere Identität aufgeben – aber wir sind
keine Immigranten.
Während meiner
Jahre in der Knesset hat mich der Staatsanwalt angeklagt, dass ich
meine politische Meinung zum Ausdruck gebracht habe (die Anklage
wurde dann zurückgenommen); Lobbyisten wollten mir meine
parlamentarische Immunität absprechen und versuchten erfolglos,
meine politische Partei zu disqualifizieren, damit sie nicht an den
Wahlen teilnimmt – das alles , weil ich glaube, Israel sollte ein
Staat für alle seine Bürger sein, und weil ich gegen die
israelische Militärbesatzung gesprochen habe. Im letzten Jahr
erklärte das Kabinettsmitglied Avigdor Lieberman – ein Immigrant aus
Moldawien – die „palästinensischen Bürger Israels haben hier keinen
Platz, sie sollten hier verschwinden.“
Nachdem ich
einen Führer der palästinensischen Behörde von Hamas getroffen
hatte, rief Lieberman dazu auf, mich zu exekutieren.
Die israelischen
Behörden versuchen, nicht nur mich einzuschüchtern, sondern alle
palästinensischen Bürger Israels. Aber wir lassen uns nicht
einschüchtern. Wir lassen uns nicht zur permanenten Knechtschaft im
Lande unserer Vorfahren herabwürdigen oder uns von den natürlichen
Verbindungen zur arabischen Welt trennen. Die verantwortlichen
Führer unserer Gemeinschaften trafen sich vor kurzem, um über einen
Plan über einen Staat zu beraten, der von ethnischer und religiöser
Diskriminierung in allen Lebensgebieten frei ist. Wenn wir uns
jetzt vom Pfad der Freiheit abwenden, werden wir auch die
zukünftigen Generationen der Diskriminierung überlassen, wie wir sie
seit sechs Jahrzehnten durchlebten.
Die Amerikaner
kennen aus ihrer eigenen Geschichte von institutioneller
Diskriminierung die Taktiken, die gegen Bürgerrechtler angewandt
wurden. Das schließt das Abhören von Telefongesprächen,
Polizeiüberwachung, politische Delegitimierung, Kriminalisierung der
Meinung durch falsche Anklagen ein. Israel wendet auch weiterhin
diese Taktiken in einer Zeit an, in der die Welt solche Praxis nicht
mehr toleriert und mit einer Demokratie als unvereinbar ansieht.
Warum
unterstützt die US-Regierung weiterhin ein Land so sehr, dessen
Identität und Institutionen sich auf ethnische und religiöse
Diskriminierung gründen, der die eigenen Bürger zum Opfer fallen?
Los-Angelos-Times,
3.5.07
(dt. Ellen Rohlfs) |