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Dezember 2015
Sumaya Farhat-Naser -
Jahresbrief 2015
Frohe Festtage und ein gesegnetes Neues Jahr
Liebe Freunde,
Das Jahr 2015 gekennzeichnet von Kriegen und
Leiden, Angst und Bedrohung, geht zu ende. Hoffen wollen wir,
dass das nächste Jahr Entspannung und Menschlichkeit wie auch
Annäherung zum Frieden mitbringt. Weihnachten soll ja Freude und
Hoffnung verkünden und daran wollen wir glauben und es möglich
machen. Über die Medien wird mehr über die Schreckenstaten
berichtet, weniger über die kleinen Schritte, die zur positiven
aufbauenden Entwicklung beitragen. Gerade weil alles schwerer
und komplizierter geworden ist und weil das Leiden und die Not
zunehmen, sehnen wir uns nach Freude und ein normales Lebens.
Die Freude am Leben soll erhalten bleiben und es ist unser Recht
und unsere Pflicht danach zustreben. Aus dem tiefen Leiden und
der Trauer erdenken sich die Menschen in Palästina,
Freudebringende Aktivitäten, damit Junge und Alte sich erfreuen
und wider aller Hoffnungen das Überleben mit Freude
begegnen. Von Juni bis September finden an verschiedenen
Orten Kultur-Festivals statt. In Taybeh findet das (Bier-)Oktoberfest
statt, in Jifna das Aprikosenfest, in Birzeit Kuskus-Festival,
in Ein Arik das Granatapfel Festival und in Hebron das (Wein)
Traben Festival. Von ganz Palästina, auch aus Galilea, strömen
die Leute um dabei zu sein, und viele Gruppen präsentieren
Musik-, Tanz- und Theater Vorstellungen. Kunst-und Handwerks-
Ausstellungen, Heimarbeiten und verarbeitet Produkte des Landes
werden angeboten. Sogar von den Golan Höhen kommen Tanz- und
Musikgruppen. Begleitet werden sie von Lastwagen voller
köstlichen Äpfel zum Verkauf. Syrische Bäuerinnen aus den
Golanhöhen backen kunstvoll auf Blechgewölbe, mit Holzfeuer
beheizt, das leckere dünne Fladenbrot, das im Nu abgekauft wird.
.
Tausende Menschen nehmen teil, denn sie
wollen sich erfreuen und viele beteiligen sich, weil sie
gefördert werden und weil sie sich dadurch die Qualität des
Lebens verbessern versprechen.
Palästina:
Unser Fortbildung und
Friedenserziehungsprojekt, getragen von der Evangelischen
Jerusalem Stiftung und verwaltet vom Berliner Missionswerk, in
Palästina, vermittelt die Handfertigkeiten zum gewaltfreien
Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln.
1. Gewalt und Frauenrechte:
Palästinenser sind verschiedener Gewalt
ausgesetzt: Besatzungs-Politische, gesellschaftliche,
sozial-wirtschaftliche und persönliche. Ohnmacht und
Perspektivlosigkeit sind Nährboden für Gewalt und Fanatismus.
Die Kriege in den umliegenden Staaten und die grausamen
Tötungen, verübt von fanatischen und terroristischen
Gruppierungen machen die Menschen stumpf, verharmlosen und
relativieren die Brutalität. Die Empörung lässt nach. Die
Unfähigkeit Gewalt von aussen zu stoppen führt dahin, dass
Gewalt sich nach Innen ausrichtet. Gewalt in den Familien und
Ehrenmorde nehmen zu. In den letzten drei Jahren sind 29
Mädchen und Frauen ermordet worden, Christinnen und Moslime.
Viele Frauen werden getötet im Rausche von Zorn und Wut des
Ehemannes oder Bruders und Vaters. Die Rettung der Ehre der
Familie wird als Grund angeben, damit sie mit leichterer Strafe
davon kommen, denn im Gesetz, galten bis vor kurzem Ehrenmorde
nicht als Verbrechen. Nach hartem Kampf der Frauenbewegung und
der fortschrittlichen Männern in Palästina, hat die
palästinensische Gesetzgebung beschlossen, dass Ehrenmorde als
kriminelles Verbrechen eingestuft werden und demnach verfolgt.
Ehrenmorde sind traditionsbedingt und niemals von den
Religionen bestimmt. Die Frauenbewegung in Palästina kämpft
für ihre Rechte. Gleichberechtigung und Chancengleichheit in
Bildung und Arbeit und Schutz wird gefordert. Eine Kampagne,
„Deine Erbe meine Erbe", zur Gleichberechtigung der
Erbenverteilung wird im ganzen Land verbreitet. Nach islamischem
Gesetz bekommt ein Mädchen nur die Hälfte von dem, was ihr
Bruder bekommt, eine verheiratete Frau, die Kinder hat, bekommt
einen achtel des Familienbesitzes, eine Frau ohne Kinder einen
Viertel. Das gilt auch für Christen. Die Erbverteilung der
Christen wird von den jeweiligen Kirchengerichten nach
islamischem Gesetz vollzogen. Die evangelisch-lutherische
Kirche beschloss Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen
Bereichen, auch in der Erbverteilung. Die palästinensischen
Autorität akzeptierte diesen Beschloss als Kirchenangelegenheit
und entsprechend der Handlungsfreiheit und Souveränität der
Kirchen. Grosser Widerstand seitens der anderen Kirchen brach
aus, vor allem der christlichen Männer, die ihre Erbrechte von
der Tradition herleiten und behalten wollen. Manche christliche
Rechtanwälte studieren den Entwurf und suchen nach Möglichkeiten
ihn zu blockieren. Die Kirche behält jedoch Oberhand, denn deren
Gericht ist die Stelle, die Erbverteilung vornimmt. Das ist ein
Präzedenz-Fall, auf dem andere Frauen, Moslime und Christen sich
berufen könnten.
2. Friedenserziehung:
Ich möchte weitere positive Ereignisse
vortragen, damit Ihr seht, auch das gehört zu unserem Leben. Es
ist unsere Aufgabe und unser Recht, Freude zu schaffen um uns zu
stärken, aber auch aus Verantwortung gegenüber unseren Kindern
und Mitmenschen:
Ich arbeite mit Jugendgruppen in neun Schulen
und mit Frauengruppen. In Ein Arik, habe ich ein Haus
renoviert, in dem ich die Besitzer, die in USA leben, weil sie
nicht zurückkehren dürfen, überzeugte, dass sie ihr Haus
renovieren und wir das Haus als Zentrum für Fortbildung und
Friedenserziehung mit Jugendlichen und Frauen benutzen. Das
wäre ihr Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Erbe und
Bestätigung ihrer Geschichte und Wurzel. Sie waren erfreut und
begeistert und stellten das nötige Geld da. In diesem Dorf
arbeite ich in zwei Schulen und mit den Müttern der Schülerinnen
und Schüler. Die Schulbehörde macht jedes Jahr ein Wettbewerb
im Rahmen einer Champagne: Schulen werden aufgefordert,
ausgeführte Projekte vorzustellen, die ausserhalb des
Curriculums geschehen, und die zur besseren Leistung der
Schüler führen, ihre Freude an der Schule erzeugen und ihr
Verhalten in der Schule und Zuhause verbessern bzw. weniger
Gewalt anwenden und weniger Gewalt erfahren. Ausserdem Projekte,
wo die Schule an gesellschaftliche Entwicklung und am Leben im
Dorf sich beteiligt. Die UN- Flüchtlingslager Schule in Ein
Arik hat mein Projekt in der Schule und mit den Müttern im Dorf
vorgeschlagen. Mehr als 700 Projekte und Initiative wurden der
Schulbehörde vorgestellt. Die besten 50 Projekte sind dann zur
Endevaluierung gewählt worden. Zu unserer Freude, war unser
Projekt unter den besten 50 Projekte. Die Schulbehörde lud die
Schulleiterin, einige Schüler und Schülerinnen und auch mich zu
einem Gespräch. Jede und jeder sagte, was das Projekt für sie
oder ihn brachte. Das Komitee war sehr beindruckt und baten
mich mit ihnen zu arbeiten um Pläne zu entwickeln, wie man
dieses Projekt in anderen Schulen verwirklichen könnte und dazu
pensionierte Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen, ihr Wissen und
Erfahrung weiter geben. Zu unserer grossen Freude, bekam unser
Projekt den 1. Platz im Gebiet Ramallah. Mitte Oktober 2015
bekam ich einen Anruf von der Schulleitern und sie sagte: Die
Schulbehörde würde meine Seminare und Workshops filmen wollen,
damit diese Filme der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrer
angeboten werden. Ich war sehr erfreut. Denn ich wollt nie eine
Organisation gründen, eine weitere NGO. Sondern, ich arbeite in
existierenden Organisationen, wie Schulen und Frauen- und
Jugendorganisationen mit der Absicht, dass die Arbeit dort
integriert wird. Genau das ist jetzt eingetreten. Die
Schulbehörde erkennt die Bedeutung der Arbeit an Bildung der
Persönlichkeit, Verwaltung und Bewältigung von Problemen, Umgang
mit Wut, Zorn und Ohnmacht, Zeitplanung und Verantwortung
lernen, Freude am Unterricht und am Leben finden und zu bessere
Leistung gelangen. Die Anerkennung und Wertschätzung der
Schulbehörde für Friedenserziehung ist vom grossen Wert. Denn,
hier ist die Stelle, wo Beschluss-Name vorgenommen wird und wo
Policy Making stattfindet. Das ist unser Ziel und wir machen
mit Freude weiter.
3. Brennende Themen im Gespräch:
Laut der Angaben der
Menschenrechtsorganisation Al Haq in Ramallah, sind seit Beginn
2015 sind 82 Palästinenser in den besetzten Palästina_ Gebieten
und innerhalb Israel von Israelischen Soldaten und Siedler
getötet worden. Israelische Besatzungsmacht hält 24 Leichen,
darunter von sechs Kinder-Leichen fest. Die Familien werden
bestraft die Tote nicht begraben zu dürfen. Oft werden die
Leichen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilet und sie werden in
den Friedhöfen der Nummern in Israel aufbewahrt bis die Haftzeit
abgelaufen ist. Ein Begräbniszug ist eine grosse
Demonstration an der tausende von Menschen teilnehmen um die
letzte Ehre für die getöteten zu bekunden. Die Atmosphäre ist
hoch beladen von Gefühlen der Trauer, Wut, und Zorn. Mitgefühl
zeigen und empfinden gehört zur Tradition und Tugend in unserer
Gesellschaft. Die Aussichtslosigkeit der Situation und die
zunehmende Unterdrückung und Entrechtung lassen keinen Raum für
Hoffnung oder Neubeginn. Verherrlichung der Toten liegt auf der
Hand. Das aber ermutigt andere, gerade wenn sie Probleme Zuhause
oder in der Schule haben, die getöteten als ihr Vorbild zu
finden. Hier bedarf es intensive Arbeit, den Jugendlichen
Zuhören, Verständnis zeigen für das Aufkommen von destruktiven
und gewaltvollen Verhalten, sie ermutigen ihre Gefühlen
auszusprechen, mit dem Ziel ihnen zu verhelfen ein anderes
Vorbild zu finden. Den Jugendlichen die Liebe zum Leben nahe
zubringen und ihre Menschlichkeit zu bewahren und entwickeln
wissen rettet sie. Das ist der Kern unserer Arbeit. Gerade in
dieser schweren Zeit, wo Fanatismus in Religion und Politik
zunimmt, müssen wir die Religionen als Quelle für das würdige
Leben und für Ideale und Werte der Menschlichkeit vom neuen
entdecken. Nur so kann Schutz, Sicherheit und Perspektive für
eine befriedigende Zukunft geschaffen werden. Abschiednehmen
von den Toten muss mit Respekt und Würde geschehen, jedoch
niemals den Tod verherrlichen.
Herzlich seien allen gedankt für die
Unterstützung und Begleitung, wodurch Kontinuität und
Entwicklung der Arbeit ermöglicht wird.
Sumaya Farhat-Naser
Empfänger: Berliner Missionswerk
Bank: Evangelische Bank
IBAN: DE86 5206 0410 0003 9000 88
BIC: GENODEF1EK1
Projektnr: 4613 (Friedensarbeit SFN ) |
Kontoinhabers:
Reformierte Kirchen
Bern-Jura-Solothurn
CH-3007 Bern
IBAN: CH68 0900 0000 3000 7036 2
BIC: POFICHBEXXX
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