Kann Deutschland
neutral sein?
Eine Verlängerung des
Bundeswehreinsatzes im Nahen Osten lehnen
wir kategorisch ab!
Khalid Tatour
Wir fordern zivile
Aufbauhilfe statt Militäreinsatz und eine
Neuorientierung deutscher Nahostpolitik.
Wir sagen nein
zu jedem Bundeswehreinsatz in Nahost, sowohl
im Grenzpuffer zu Syrien oder Israel als
auch vor der libanesischen Küste. Eine
sinnvolle Durchführung der UN-Resolution
verlangt Truppen neutraler Staaten. Solange
Berlin einseitig die Position Israels und
damit auch der USA einnimmt, kann es weder
Vermittler, Makler oder neutraler Akteur in
einer multinationalen Blauhelmtruppe an
einem so neuralgischen Punkt sein. Niemand
käme z.B. auf die Idee, US-Truppen oder
syrische Truppen für eine solche Aufgabe
anzufordern.
Wir sagen ja
zu ziviler Aufbauhilfe im Geiste der
Völkerverständigung der UN. Die Mittel, die
von einer evtl. Bundeswehrmission in
Anspruch genommen würden, sind viel besser
in konkreter ziviler Aufbauhilfe aufgehoben.
Gerade weil die deutsche Bundesregierung
nichts, aber auch gar nichts unternommen
hat, um den Krieg Israels gegen den Libanon
zu stoppen, ist sie moralisch und politisch
in der Pflicht, wenigstens jetzt dem
zerstörten Land zu helfen.
Wir sagen ja
zu zivilen Hospitalschiffen
und
fordern die Anschaffung solcher
durch die Bundesregierung für
Zivilschutz-Organisationen, z.B. an der
Küste des Gaza-Streifens.
Wir sagen nein
zu jeder militärischen Logistikhilfe
Wir sagen ja
zu ziviler Logistikhilfe
und
fOrdern
deshalb die Anschaffung solcher
Flugzeuge für Zivilschutz-Organisationen.
Es gibt viele Gründe, die
gegen einen bundesdeutschen Einsatz
sprechen. Ein weit verbreitetes Argument,
aufgrund der besonderen Verantwortung
Deutschlands dürften deutsche Soldaten unter
keinen Umständen in eine Lage gebracht
werden, eventuell auf israelische Soldaten
schießen zu müssen, ist jedoch
aus mehreren Gründen
aufschlussreich:
Erstens
bedeutet es ein
unfreiwilliges Eingeständnis der mangelnden
Neutralität Deutschlands im Nahostkonflikt.
Bei einem aggressiven Mandat der Blauhelme
(beschönigend „robust“ genannt), welches
viele westliche Staaten durch die Hintertür
noch realisieren möchten, müssen
Blauhelmsoldaten notfalls auch mit der Waffe
gegen Rechtsbrecher vorgehen. Und hierbei
kann es sich auch um israelische Soldaten
handeln, wie Kofi Annan gerade erst betrübt
feststellen musste. Wenn Bundeswehrsoldaten
dies nicht tun dürften, würden sie damit im
Namen Deutschlands Partei für Rechtsbrecher
einnehmen..(blau hinterlegtes
würde ich weglassen)
Zweitens
– und das ist
sehr, sehr wichtig - versteckt sich hinter
dem Argument ein latenter Rassismus. Im
Umkehrschluss heißt das doch nichts anderes
als: Auf alles andere, auf islamische
Hisbollah-Kämpfer, auf libanesische
Soldaten, auf Hamas-Mitglieder, auf
irgendwelche „Araber" also, kann sehr wohl
geschossen werden. Nur israelische Soldaten
sind ein "Tabu".
Das ist eine nur
sehr fatale Konsequenz aus der deutschen
Geschichte. Aus der unheilvollen deutschen
Geschichte der millionenfachen
Judenvernichtung und der Behandlung anderer,
insbesondere slawischer Völker als
"Untermenschen", gilt es als wichtigste
Lehre zu ziehen: Deutschland darf Menschen
unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft,
Religion usw. nie wieder als mehr oder
weniger "minderwertig" klassifizieren.
Deutschland muss das Lebensrecht aller
Menschen gleich hoch bewerten. Die
Menschenrechte, wie sie in der Allgemeinen
Menschenrechtserklärung 1948 und in den
beiden Menschenrechtskonventionen
("Sozialpakt" und "Zivilpakt", 1967)
verankert wurden, haben universelle
Gültigkeit.
Wir
sagen ja zum
Leben, ja dazu, dass niemand auf einen
anderen Menschen schießt oder dass auf ihn
geschossen wird. Das funktioniert allerdings
nur ohne Militär und Miliz.
Es
stellt sich ohnehin die Frage, ob eine
UN-Truppe im Friedensprozess des Nahen
Ostens
hilfreich sein kann.
Es sei denn, man
würde statt einer Mauer zwischen Israelis
und Palästinensern eine waffenfreie Zone
errichten - natürlich ohne deutsche
Soldaten!
Im Falle von
Zusammenstößen hilft es mit Sicherheit nicht
weiter, wenn UN-Soldaten als „dritter Mann“
am Schießen beteiligt sind. Vielmehr ist
politisch auf beide Parteien einzuwirken, in
einen ernsthaften, umfassenden
Friedensprozess einzutreten.
Genau dies
verlangt im Grund genommen auch die
Resolution 1701. In Ziffer 18
heißt es unmissverständlich, dass der
Waffenstillstand genutzt werden solle, um
einen "umfassenden, gerechten und
anhaltenden Frieden im Nahen Osten" auf der
Grundlage aller "relevanten UN-Resolutionen"
herbeizuführen. Aufgeführt werden namentlich
die Resolutionen 242 (1967) und
338 (1973), in denen der Rückzug Israels
aus den besetzten Gebieten auf die Grenzen
von 1967 verlangt und ein Rückkehrrecht der
Flüchtlinge anerkannt wird. Und genau hierin
liegt auch der Schlüssel für die Lösung so
mancher Probleme im Nahen Osten.
Die Diskussion
um eine Beteiligung deutscher Truppen im
Libanon führt letztlich sogar in die Irre.
Zu diskutieren wäre vielmehr über einen
politischen deutschen Beitrag zu
einer umfassenden Lösung des
israelisch-palästinensischen
Grund-Konflikts. Wem es wirklich ernst ist
um die Sicherheit Israels, der muss endlich
auch die Sicherheitsinteressen der anderen
Seite(n) anerkennen. Dies erfordert von der
Bundesregierung eine vollkommene
Neuorientierung ihrer Nahost-Politik.
Wem wirklich an politischen
und sozialen Veränderungen im Iran, im
Libanon, in Syrien, im Irak, in Israel und
Palästina gelegen ist, muss auf die
Entwicklung der demokratischen Kräfte in
deren Gesellschaft vertrauen.
Deutschland
behauptet von sich eine Demokratie zu sein,
hat aber z.B. nicht die demokratische Wahl
in Palästina anerkannt.
Die universellen
Menschenrechte und das Völkerrecht müssen
gelten, um die drängenden Probleme der
Menschen global friedlich lösen zu können.
Krieg zerstört beides.
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