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Rezension
„Das unheilvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser.
Plädoyer für eine andere Nahostpolitik“ von Arn Strohmeyer
Ekkehart Drost
Der Bremer
Journalist Arn Strohmeyer hat ein neues, drittes Buch vorgelegt. In
„Volk ohne Hoffnung“ beschreibt er das Leben der
Palästinenser hinter der Mauer. „Wer rettet Israel?“ fragte
er 2012. Auf der Grundlage der Geschichte Israels, so wie sie von
den Neuen Historikern geschrieben wurde, betrachtete er darin den
Ist-Zustand der israelischen Politik, deren Ziel es war und ist,
Erez Israel zu schaffen, um dann
zu fragen, ob
Israel mit der Fortführung einer solchen Politik der Überheblichkeit
und Selbstisolierung überleben könne. „Deutschland und Israel“ ist
sein letztes Kapitel überschrieben, in dem er die Unterstützung der
israelischen Politik des Landraubs, der unzähligen und alltäglichen
Menschenrechtsverstöße durch die deutschen Regierungen belegt.
Sein neues Buch
„Das unheilvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser.
Plädoyer für eine andere Nahostpolitik“ ist ein überzeugender
Appell an alle Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und
Kirchen, endlich die Palästinenser als das zu betrachten, was sie
spätestens seit 1967, eher noch seit 1948, tatsächlich sind: Die
Opfer der Opfer. „Wer Hitler abschütteln will, muss heute die
Palästinenser verteidigen.“ zitiert Strohmeyer am Anfang seines
Buches den Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Alfred
Grosser.
Nicht einmal
Spurenelemente dieser Aufforderung fanden sich in den Reden bei der
Berliner Kundgebung gegen Antisemitismus vom 14.9.2014. Im
Gegenteil: Betrachtet man das Plakat, auf dem zu dieser
Veranstaltung aufgerufen wurde, so stehen Davidstern und die
israelische Flagge nebeneinander. Diese Montage beschwört geradezu
eine Gleichsetzung, über die der Autor auf Seite 79 schreibt: „Aus
der Gleichsetzung von Juden, Zionisten und Israel folgt (...) die
Gleichsetzung von Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik.“
Das Leid der Palästinenser wurde weder bei diesem aktuellen Anlass –
Repräsentanten der muslimischen Gemeinden in Deutschland saßen zwar
auf der Gäste-Tribüne, hatten aber kein Rederecht – noch beim
jüngsten Massaker im Gazakrieg 2014 durch die Bundesregierung
thematisiert. In einem Interview mit dem DLF bezeichnete der
Nahostexperte Michael Lüders dieses Schweigen als „eine Schande für
Deutschland“.
Strohmeyers
Verdienst ist es, akribisch nachgewiesen zu haben, dass die
moralisch-ethischen Schlussfolgerungen aus dem Holocaust „die
Politiker der nachfolgenden Generationen kaum tangieren“, diese
ihrer Verantwortung auch für die Palästinenser und deren
Existenzrecht und Selbstbestimmung niemals gerecht wurden. Der Autor
verweist auf eine Vielzahl jüdisch-israelischer Intellektueller,
Politiker und Historiker, u.a. Ilan Pappe, Simcha Flapan, Shlomo
Sand, Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann, Avraham Burg, Gideon
Levy, Amira Hass, Aktivisten wie Reuven Moskovitz und Jeff Halper,
um nur die bei uns bekanntesten zu nennen, die „der destruktiven
Politik ihres Staates entgegentreten“. Sie fordern Deutschland und
die deutsche Politik mit deutlichen Worten auf, die Realität im
Nahen Osten zur Kenntnis zu nehmen. Dazu müsse der Druck auf Israel
verstärkt und aus humanistischer Gesinnung heraus das Schweigen
gegenüber den israelischen Menschenrechtsverstößen beendet werden.
In einem längeren
Kapitel widmet sich Strohmeyer dem Antisemitismus-Argument, mit dem
Israel-Kritik hierzulande diffamiert wird. Er zitiert die
Kernaussagen von Elie Wiesel, dem führenden Apologeten einer
„Sakralisierung des Holocaust“ und entlarvt mit dem
amerikanisch-jüdischen Historiker Peter Novick diese Strategie, die
zu einem völlig verstellten Bild der historischen und politischen
Realität im Nahen Osten führe, „weil es die wirklichen Ursachen des
Palästina-Konfliktes verdränge“. Strohmeyer lässt in diesem Kapitel
schließlich Ilan Pappe zu Wort kommen, der sich vehement gegen die
Vereinnahmung des Holocaust durch die israelische Regierung wendet,
wenn diese ihre Unterdrückung der Palästinenser mit dem an ihnen
begangenen Verbrechen zu rechtfertigen sucht. Eine befreiende
Wirkung im Kampf gegen diese Strategie sieht Pappe in der
internationalen Boykottbewegung BDS, der inzwischen auch viele Juden
„durch ihre Achtung vor dem historischen jüdisch-christlichem Erbe“
angehören.
Als „Antwort auf
den Antisemitismus“ geht Strohmeyer auf Deutschlands Weg zum
Philosemitismus ein. Diesen Weg haben Politik,
Geschichtswissenschaft und Kirchen bereits in der Nachkriegszeit
eingeschlagen, ein Weg, der auch dazu angelegt war, zur „Entsorgung
der deutschen Vergangenheit“ beizutragen, wie der Autor unter
Verweis auf Historiker wie Eberhard Jäckel und Hans Ulrich Wehler
schreibt. Unter Berufung auf den Holocaust wurde nach 1989 immer
stärker Partei auf der weltpolitischen Bühne ergriffen. Erwähnt sei
hier beispielhaft Joschka Fischers Begründung eines „Engagements“ im
Bosnien-Krieg, „unter völliger Missachtung des aus dem Holocaust zu
ziehenden moralischen Anspruchs“, wie A.S. feststellt.
Bis heute, so
Strohmeyer, habe dieser Philosemitismus die deutsche Politik in
ihrem Verhältnis zu Israel beherrscht, was besonders in Angela
Merkels Knesset-Rede (Israels Sicherheit als deutsche Staatsraison)
zum Ausdruck kommt. Der Autor konstatiert: „Der Philosemitismus als
verfestigter politischer Stil erstarrt zum inhaltsleeren Ritual, das
ein wirklich angemessenes Erinnern des Ungeheuren unmöglich macht.
Und er verhindert die wirklichkeitsnahe Kenntnisnahme der
politischen Fakten und ein entsprechendes Reagieren, wofür die
deutsche Nahost-Politik ein äußert beredtes Beispiel ist.“
Detailliert und mit
zahlreichen Belegen – eine Feststellung, die durchgängig für das
gesamte Buch gilt - wird über die Geschichte der deutschen
Waffenlieferungen an Israel und die Rüstungskooperation zwischen
beiden Ländern informiert, eine Geschichte, die trotz der
„Richtlinien für den Rüstungsexport“ noch nicht an ihr Ende gekommen
ist. Vielleicht ist die Kritik durch den SPD-Vize Ralf Stegner an
dieser Politik ein kleiner Hoffnungsschimmer. Die „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“ hat Stegner in einem Brief vom
18.9.2014 ermuntert, bei seiner Kritik zu bleiben. Zur
Rüstungskooperation mit Israel stellt Strohmeyer fest: „Die
Leidtragenden einer solchen Politik sind vor allem die
Palästinenser, an deren Kontrolle, Besetzung und Unterdrückung sich
Deutschland so aktiv beteiligt.“ (S. 104)
An der oben
erwähnten Berliner Kundgebung nahmen auch die führenden Vertreter
der evangelischen und katholischen Kirche mit Redebeiträgen teil.
Über die Stellung der Kirchen zum Nahostkonflikt heißt es gegen Ende
von Strohmeyers bemerkenswertem Buch: „Die Kirchen mystifizieren und
schweigen zum Unrecht.“ Der Autor setzt sich hier mit der „Nach-Auschwitz-Theologie“
auseinander und bezieht sich dabei im Wesentlichen auf das
hervorragende Buch von Peter Bingel und Winfried Belz („Israel
Kontrovers“) sowie auf den amerikanisch-jüdischen Psychotherapeuten
Mark Braverman. Dem Urteil der Autoren schließt sich Strohmeyer an,
wenn sie (Bingel/Belz) konstatieren: „Die Nach-Auschwitz-Theologie
ist hinsichtlich des modernen zionistisch-nationalistischen Israel
mit seinem säkularen Fundament und seiner unvertretbaren Politik
gegenüber den Palästinensern völlig blind.“ Ohne Entmythologisierung
und Entideologisierung des Begriffs Israel und seiner Realität kann
es keinen Frieden in der nahöstlichen Region geben.
Arn Strohmeyer,
profunder Kenner Israel-Palästinas, Netzwerker und Aktivist,
häufiger Kommentator im Palästina-Portal, hat ein Buch geschrieben,
das für alle Leser, die nach anspruchsvoller Lektüre über den
Nahostkonflikt suchen, eine wahre Fundgrube ist. Aber auch
denjenigen, die immer noch nicht die Ursachen dieses Konflikts zur
Kenntnis nehmen (wollen), sei „Das unheilvolle Dreieck“ zum
Nachdenken empfohlen.
Ekkehart Drost, 18. September 2014 |