Die Internationale
Staatengemeinschaft ist
gefordert!
Der israelisch-palästinensische
Konflikt ist einfach zu lösen,
sagen die Einen, höchst
kompliziert bis unlösbar, die
Anderen. In einer gewissen Weise
haben beide Recht. Auch die
internationalen Reaktionen auf
die Stürmung der „Free Gaza"
Flotte bestätigen dieses
nahöstliche Paradoxon. An sich
ist es weitgehend klar, was
geschehen müsste, es bewegt sich
leider nichts und das seit
Jahrzehnten. Das Szenario ist
bekannt und bereits zum
Überdruss beschrieben: Die
Lösungen liegen mehr oder minder
ausformuliert auf dem Tisch
(besser müsste man sagen, in den
Schubladen)1, die Arroganz und
Ignoranz der verschiedenen
israelischen Regierungen (hier
gab es im Laufe der letzten
Jahrzehnte auf israelischer
Seite kaum einen wesentlichen
Unterschied zwischen den
verschiedenen Regierungen; der
Einzige, dem man den Willen zu
einer wirklichen Lösung zutrauen
hätte können, Yitzhak Rabin,
wurde von einem fanatischen
Rechtsradikalen ermordet) haben
dies aktiv, die bedingungslose
Unterstützung seitens
unterschiedlicher US-Regierungen
passiv unterstützt und die
restliche Welt – inklusive
Europa – hat dies mehr oder
minder tatenlos akzeptiert. Auch
jetzt ist es wieder so weit:
Nach der verbrecherischen Aktion
der israelischen Armee gegen die
Schiffe von „Free Gaza" haben
selbst Barack Obama und Toni
Blair gemeint, dass die von
Israel einseitig verhängte und
von der überwiegenden Mehrheit
der Staatengemeinschaft
akzeptierte totale Abriegelung
des Gazastreifens endlich
beendigt werden sollte. Der
gelernte Nahostbeobachter ist
skeptisch, unverbindliche
Erklärungen gab es jede Menge,
worauf es aber ankommt, sind die
Taten. Und hier ist – nach den
Erfahrungen der Vergangenheit –
einmal mehr Skepsis angesagt.
Das Veto der USA bei der
jüngsten Sitzung des
UN-Menschenrechtsbeirates gegen
eine internationale und wirklich
unabhängige Untersuchung der
Ereignisse im Mittelmeer vor
Gaza nährt diese Zweifel.
1 Aus der Vielfalt an
Friedensvorschlägen seien vor
allem die am 1.12.2003
veröffentlichten Vorschläge der
sogenannten „Genfer Initiative"
erwähnt, in der israelische und
palästinensische Politiker und
Experten umfassende Vorschläge
erarbeitet haben. Siehe:
www.geneva.accord.org,
2 Detailinformationen sind unter
anderen folgenden Webseiten zu
entnehmen: www.who.int;
www.ochaopt.org; www.unrwa.org.
3 Hier ist vor allem der
anerkannteste internationale
think tank „crisis group" zu
erwähnen, der zweifellos über
die weltweit beste unabhängige
Expertise verfügt. Siehe:
www.crisisgroup.org.
Dabei liegen die Tatsachen
hinsichtlich der katastrophalen
Lage in Gaza auf der Hand.
Zahlreiche Berichte
unterschiedlicher
UN-Organisationen, anderer
internationaler Organisationen
und NGOs strafen die zynischen
Stellungnahmen Israels, wonach
es in Gaza keine Not gäbe,
Lüge.2 Die
Regierungsverantwortlichen auf
der ganzen Welt wissen dies seit
langem, aber nichts ist
geschehen und man muss abwarten,
was nun geschehen wird.
Ähnlich verhält es sich mit der
im Westen von ganz wenigen
Ausnahmen praktizierten
Kontaktsperre zur Hamas. Man
(inklusive Israel) unterhält
zwar dezente Kontakte zur Hamas,
offiziell wird sie aber als
Terrororganisation gebrandmarkt
und isoliert. Vergessen ist die
Tatsache, dass die Bewegung aus
den vom Westen massiv
unterstützen Wahlen 2006 als
eindeutiger Sieger
hervorgegangen ist, und dass
nahezu alle internationalen
Experten und Beobachter
zumindest eine spürbare
Lockerung dieses politischen
Boykotts verlangen.3 Aber
Israel, welches in den späten
siebziger und frühen achtziger
Jahren die Gründung der Hamas
sogar indirekt unterstützt hat,
praktiziert hinsichtlich der
Gesprächspartner auf
palästinensischer Seite eine
willkürliche und destruktive
Politik der einseitigen Ein- und
Ausgrenzung. Wenn man in den
letzten Tagen wieder lobende
Worte über „maßvolle" Politiker
a la Salam Fayyad gehört hat, so
darf uns diese nicht vergessen
lassen , dass Israel dieses
Spiel bereits mit Perfidie auch
mit Yasser Arafat betrieben hat.
Dieser hat in der Einschätzung
Israels den Wandel vom
Terroristen zum pragmatischen
Friedenspartner (und
Friedensnobelpreisträger) und
wieder zurück zum ausgegrenzten
„Gefangenen in Ramallah" über
sich ergehen lassen müssen. Ein
zynisches „Spiel", welches die
ganze Welt zugelassen hat und
das letztlich bei Vielen das
Vertrauen in die Ernsthaftigkeit
Israels, an einer politischen
Lösung des Konfliktes mit den
Palästinensern überhaupt
wirklich interessiert zu ein,
schwerst erschüttert.
Israel mit konkreten Taten zu
ernsthaften Verhandlungen
veranlassen
Israel ist im Kern nach wie vor
eine kolonialistische
Siedlergesellschaft, welche bis
dato nicht bereit ist, in
Gleichberechtigung und
Partnerschaft mit seinen
arabischen Nachbarn zu leben.
Die Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte habe dies leider
vielfach bewiesen. Und die
derzeitige Rechtsregierung hat
diese Tendenz nur noch
verstärkt. Sollen die neun von
der israelischen Armee vor Gaza
Getöteten nicht sinnlos
gestorben sein, so wie Tausende
weitere Opfer der aggressiven
israelischen Vertreibungs- und
Besatzungspolitik, so ist es nun
höchst an der Zeit, dass die
Internationale
Staatengemeinschaft endlich die
Lehren aus vergeudeten Jahren
des sogenannten
Friedensprozesses zieht, und
konkrete Maßnahmen setzt. Von
den USA ist zu fordern, dass sie
von ihrer durch eine kaum
übersehbare Anzahl von
Einsprüchen gegen UN-Beschlüsse
gekennzeichnete
„Nibelungentreue" zu Israel
abrücken und Europa muss sich zu
einer klaren Politik der
Durchsetzung von Völkerrecht und
internationaler Legalität
durchringen. Dies sollte auch
bedeuten, dass die UN zur
Überwachung und Durchsetzung von
internationalen Beschlüssen sich
auch selbst massiver (z.B. durch
die Entsendung von
Beobachtertruppen) einbringt und
letztendlich internationale
Sanktionen verhängt, wie dies
bei anderen internationalen
Rechtsbrechern weitaus rascher
getan worden ist. Europa könnte
hier eine Vorreiterrolle
übernehmen, in dem man von jenen
Menschenrechtsparagrafen, die in
fast allen
europäisch-israelischen
Verträgen enthalten sind, auch
tatsächlich Gebrauch macht. Die
besondere und durch nichts
infrage zu stellende
geschichtliche Verantwortung
Europas für das Jüdische Volk
und den Staat Israel kann und
darf nicht länger als
Rechtfertigung für eine passive
Unterstützung israelischer
Menschenrechtsverletzungen
dienen.
Fritz Edlinger ist
Generalsekretär der
„Gesellschaft für
Österreichisch-Arabische
Beziehungen" (GÖAB) und
Herausgeber der Zeitschrift
INTERNATIONAL.