Morgen in Gaza
Vera Macht
13.02.2011
Gaza. Während das Feuer der Revolution
brennt, in Ägypten und in Tunesien, liegt Gaza im Dunkeln.
Das ist weniger eine Metapher denn traurige Realität. Seit
die Unruhen begonnen haben, sind die Tunnel unter der Grenze
zwischen Gaza und Ägypten geschlossen. Durch die kam bis
jetzt das meiste, was Menschen für den Alltag brauchen.
Benzin zum Beispiel. Die Folge sind nicht nur endlos lange
Schlangen vor den Tankstellen, jeden Tag fällt hier der
Strom aus, und dann sind die Straßen Gazas erfüllt vom Lärm
der Generatoren. Doch für die fehlt jetzt das Benzin, und so
habe auch ich gerade keinen Strom und hoffe, der Akku meines
Laptops hält durch, bis dieser Text geschrieben ist.
Man könnte meinen, dass das in Gaza eine
allgemein eher negative Sicht auf die Revolution zur Folge
hätte. Denn auch der Grenzübergang ist geschlossen, niemand
weiß, wann und ob sich das wieder ändern wird. Aber daran
denkt noch keiner. Die Revolution ist in aller Munde, man
fiebert mit mit den Menschen auf dem Platz der Befreiung,
als ob es um die eigene Befreiung gehen würde. Die
Jugendlichen tauschen im Minutentakt Neuigkeiten auf
Facebook und Twitter aus, sie haben die Helden der
ägyptischen Revolution als Profilbilder, deren Helden sind
auch ihre Helden. Vergessen ist die Wut auf den
Nachbarstaat, der durch seine Grenzpolitik Gaza gleichsam zu
einem Gefängnis verwandelt hat.
Es ist neue Hoffnung entfacht in Gaza,
durch die Symbolkraft der Bilder eines Volkes, das vereint
im Kampf um Freiheit seinen verhassten Diktator bekämpft,
durch die Möglichkeit einer Veränderung nach der Revolution,
wer weiß, vielleicht könnte das neue Ägypten endlich zu
Hilfe kommen. Und wer weiß, ob der Funke des Feuers der
Revolution nicht auch nach Gaza überschlägt. Das ist die
Hoffnung der Jugend, das ist die Hoffnung derer, die vor ein
paar Wochen das sensationelle "Gaza Youth Breaks
Out"-Manifest verfasst haben. Schließlich stand am Anfang
der tunesischen Revolution auch eine Facebook-Gruppe. "Was
hat sich seit dem Manifest bei der Jugend in Gaza
verändert?", frage ich Abu Own, einen der Mitglieder der
Gruppe. "Die Jugend hat jetzt revolutionäre Herzen", sagt er
mit blitzenden schwarzen Augen. "Wirklich?", frage ich. "Wie
zeigt sich das?" Doch er lacht. "Ich bin mir nicht sicher",
meint er dann. "Die jungen Leute haben zu große Angst hier,
bei unserer Solidaritätsdemo sind einige verhaftet worden".
Man merkt, dass die Besorgnis der Herrscher in der
arabischen Welt auch die Hamas-Regierung in Gaza ergriffen
hat. Durch die Zahl der Polizisten auf den Straßen, durch
die Stärke, mit der sie die kleine Demonstration
niedergeschlagen hat.
Aber das große Problem der Jugend Gazas
ist, dass sie gar nicht wissen, gegen wen sie zuerst
rebellieren sollen. Gegen die Hamas-Regierung? Blickt man
ins Westjordanland, sieht man, dass auch Fatah ihrem Volk
keine Hilfe ist. Gegen Israel? Zu groß, zu übermächtig
scheint der Gegner. Doch heißt das aufgeben? "Nein", sagt
Abu Own entschlossen. "Ich bin Anfang zwanzig, es kann nicht
sein, dass meine Jugend inmitten dieses Konflikts
verlorengeht." Und diese Entschlossenheit ist es wohl, die
die Stimmung von Gazas Jugend widerspiegelt, die Fähigkeit,
immer neue Hoffnung zu schöpfen. Als Mubarak seinen
Rücktritt ankündigt, klingelt bei jedem das Telefon,
euphorisch wird die gute Neuigkeit verbreitet.
Ich treffe auf Ahmed, einen jungen
Ladenbesitzer. Er erzählt mir, dass es seit den Unruhen kaum
noch Zigaretten in Gaza gibt, aber er klingt kein bisschen
besorgt. "Morgen ist die Revolution in Gaza", sagt er und
lacht. "So Gott will." Vera Macht