Erst Land – dann Frieden
Turki
al-Faisal
Die Vereinigten Staaten und
andere westliche Mächte bemühen sich darum, Saudi
Arabien dahin zu bringen, diplomatisch sich Israel mehr
zu nähern. Vor kurzem drängte der Kronprinz von Bahrein
zu größerer Kommunikation mit Israel und zu gemeinsamen
Schritten der arabischen Staaten, um den
Friedensprozess neu zu beleben.
Saudi Arabien ist das
Geburtsland des Islam, der Wächter der beiden heiligen
Moscheen, die Weltenergie-Supermacht und der de facto
Führer der arabischen und muslimischen Welt – deshalb
wird die Anerkennung unsererseits von Israel besonders
hoch geschätzt. Doch genau aus diesen Gründen legt das
Königreich selbst den Maßstab für Gerechtigkeit und
Rechte höher. Es muss sich deshalb weigern, sich mit
Israel zu engagieren, bis es nicht seine illegale
Besatzung der Westbank, des Gazastreifens und der
Golanhöhen, wie der Shabaa Farmen im Libanon beendet
hat. Schritte in Richtung diplomatischer Normalisierung
zu unternehmen, bevor dies Land nicht seinen
rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben wäre, würde für die
Saudis das Völkerrecht unterwandern und die Augen vor
der Unmoral ( der Besatzung) zudrücken.
Kurz nach dem
Sechs-Tage-Krieg 1967, während dem Israel diese Gebiete
und Ost-Jerusalem und die Sinaihalbinsel besetzte, hat
der UN-Sicherheitsrat eine Resolution erlassen,
in der es heißt, „um einen gerechten und dauerhaften
Frieden im Nahen Osten zu erlangen“ muss Israel sich
von diesem neu besetzten Land zurückziehen. Die
Vierte Genfer Konvention besagt Ähnliches: „der
Besatzungsmacht ist es nicht gestattet, Teile der
eigenen Bevölkerung in die besetzen Gebiete zu
transferieren.“
Nun deuten israelische
Führer daraufhin, dass sie bereit seien, Teile der
besetzten Gebiete unter arabische Kontrolle zu geben,
aber nur wenn ihnen militärische und wirtschaftliche
Konzessionen gewährt werden. Solch einen Vorschlag
anzunehmen, würde für die Araber bedeuten, dass in
Zukunft zu ähnlichen Untaten ermutigt wird quasi als
Belohnung für die militärische Eroberung.
Nach den Oslo-Abkommen von
1993 unternahmen die Araber Schritte, um ihre
Beziehungen zu Israel zu verbessern: eine Art
Anerkennung in Form von Handels- und konsularischen
Abkommen. Israel jedoch fuhr fort, Siedlungen zu bauen
und machte so seine Nachbarn verständlicherweise nicht
bereit, mehr zu geben, ohne dass ihnen etwas dagegen
gegeben würde.
Heute zitieren
Israelunterstützer die überholte Hamas-Charta, die zur
Zerstörung Israels aufrufen, als Beweis für Palästinas
Haltung gegenüber einer Zwei-Staatenlösung, ohne die
Illegalität von Israels eigener Besatzung in Betracht zu
ziehen. Israel hat nie irgend eine umfassende
Formulierung eines Friedensplanes vorgestellt.
Saudi-Arabien – im Gegensatz dazu - hat dies zweimal
getan: den Fahd-Friedensplan von 1982 und die
Abdullah-Friedensinitiative von 2002. Beide wurden von
der arabischen Welt unterstützt und beide wurden von
Israel ignoriert.
Um Frieden und eine
anhaltende Zwei-Staaten-Lösung zu erlangen, muss Israel
bereit sein, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben.
Der erste Schritt sollte die sofortige Entfernung aller
israelischen Siedlungen in der Westbank sein. Nur dies
würde der Welt zeigen, dass es Israel um Frieden
wirklich ernst sei und nicht nur drum herum redet und
dabei weitere illegale Siedler denen hinzufügt, die
schon palästinensisches Land besetzen.
Gleichzeitig müsste die
internationale Gemeinschaft Israel unter Druck setzen ,
alles arabisches Land aufzugeben, nicht um unverdiente
Konzessionen zu bekommen, sondern als ein Akt des
Vertrauensbeweises und als Beweis dafür, sich an die
Regeln des Sicherheitsrates zu halten und an die
globalen Maßstäbe der militärischen Besatzung. Die
arabische Welt hat mit der Arabischen
Friedensinitiative, die 2002 von 22 Ländern unterstützt
wird, Israel Frieden und Normalisierung angeboten, wenn
Israel sich aus allen arabisch-palästinensischen
Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem zurückzieht. Das
Flüchtlingsproblem sollte später in gegenseitigem
Einvernehmen gelöst werden.
Zunehmend gab es auch
wohlmeinende Aufrufe an Saudi Arabien, es wie „Sadat zu
tun“: König Abdullah solle nach Israel reisen und die
Israelis machen im Gegenzug Frieden mit Saudi Arabien.
Doch die, die zu solch einem Schritt drängen, sollten
sich daran erinnern, dass Präsident Sadat von Ägypten
1977 erst dann nach Israel ging, um sich mit
Ministerpräsident Begin zu treffen, nachdem Sadats
Botschafter Hassan el-Tohamy vom israelischen
Außenminister Moshe Dayan versichert worden war, dass
Israel sich bis zum letzten Quadratmeter aus ägyptischem
Gebiet zurückziehen würde. Da es bis heute kein
ähnliches Angebot Israels an die Führer Palästinas, des
Libanon und Syriens gibt, gibt es auch keinen Grund auf
1977 als Modell zu schauen.
Präsident Obamas Rede in
Kairo in diesem Sommer ließ die arabische und
muslimische Welt mit hohen Erwartungen zurück. Seine
Hartnäckigkeit, die Siedlungstätigkeit einzufrieren, war
eine gute Entwicklung. Doch alle israelischen
Regierungen haben die Siedlungen erweitert, auch die,
die behaupteten, es nicht zu tun.
Kein Land in der Region
will weiteres Blutvergießen. Doch während Israels
Nachbarn Frieden wünschen, kann man von ihnen nicht
erwarten, dass sie weiteren Diebstahl tolerieren und
dahin gedrängt werden, Israel für die Rückgabe von Land,
das ihm nicht gehört, zu belohnen. So lange wie Israel
Präsident Obamas Forderung, alle Siedlungen aufzulösen,
keine Beachtung schenkt, sollte sich die Welt keinen
Illusionen hingeben, dass Saudi-Arabien den Israelis das
anbietet, was es sich am meisten wünscht – die regionale
Anerkennung. Wir sind bereit, jedem die Hand zum
Frieden zu reichen, aber erst wenn er das arabische Land
frei gegeben hat.
PrinzTurki al Faisal ist
der Vorsitzende des King-Faisal-Zentrum für Forschung
und islamische Studien und ist ein früherer Direktor von
Saudi-Arabiens Geheimdiensten und Botschafter in den
USA.
(dt. Ellen Rohlfs)
13.Sept. 2009
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