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Es ist schlicht Apartheid
Jamil Dakwar, Al-Ahram, 21.12.06

 

Präsident Jimmy Carter wird kritisiert, weil er in seinem neuen Buch „ Palästina, Frieden , nicht Apartheid“ das Etikette Apartheid benützt, um Israels Praxis in den besetzten  palästinensischen Gebieten zu beschreiben. Als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land klingt der Terminus „Apartheid“ für die palästinensischen Bürger Israels  zutreffender als Demokratie.

Die jüdische Mehrheit Israels erfreut sich dagegen einer blühenden Demokratie. Aber Israels nicht-jüdische Bürger – etwa 20 % der Bevölkerung – lebt in einer anderen Realität. Die palästinensischen Bürger Israels schicken ihre Kinder in getrennte, aber ungleiche Schulen, die weniger finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten als die jüdischen Schulen. Sie können weder Land kaufen  noch in den meisten jüdischen Städten Wohnungen pachten. Und am Flughafen müssen sie sich in einer andere Reihe anstellen als jüdische Passagiere.

 

Während der Apartheidvergleich in der Westbank und im Gazastreifen höchste Gültigkeit hat, leben die palästinensischen Bürger Israels unter einem apartheid-ähnlichen Rechtssystem. Mehr als 20 israelische Gesetze begünstigen explizit Juden vor Nicht-Juden, einschließlich des Rückkehrgesetzes, das automatisch Juden das Bürgerrecht zugesteht, egal wo sie herkommen und sie sogar auffordert auf Land zu siedeln, das ihnen nicht gehört – dies aber Palästinensern verwehrt. Die israelische Wohnungs- und Landpolitik ist rassistisch bestimmt. Hundert tausende Hektar  palästinensischer Privatbesitz wurden  für jüdische Siedlungen enteignet.

 

Das Gesetz über Nationalität und Zutritt nach Israel verhindert Palästinenser aus den besetzten Gebieten, die mit palästinensischen Bürgern Israels verheiratet sind, das Wohnrecht und den Status eines Bürgers zu erhalten. Das Gesetz zwingt Tausende von palästinensischen Bürgern Israels entweder Israel zu verlassen oder von ihren Familien getrennt zu leben.

 

Israels kürzlich ernannter vertretender Ministerpräsident und Minister für strategische Bedrohung, Avigdor Lieberman betrachtet die palästinensischen Bürger Israels als eine „demographische Bedrohung“. Seit Jahren spricht er sich dafür aus, dass Israel sich seiner einheimischen palästinensischen Bewohner entledigen sollte, um die jüdische Mehrheit zu bewahren. Seine Ernennung löste nicht dieselbe Empörung aus, wie beim Sieg Jörg Haiders Freiheitspartei in Österreich. Israel rief seinen Botschafter zurück, Europa drohte Österreich mit Wirtschaftssanktionen und die USA drohte  damit, auf jeden Ausdruck von Rassismus oder Antisemitismus schnell zu reagieren.

 

Obwohl die Palästinenser nun seit 40 Jahren unter israelischer Herrschaft leben, haben sie kein Mitspracherecht bei der israelischen Politik und einen sehr begrenzte Hilfe durch das Rechtssystem Israels. Hunderte von Kontrollpunkten  (522) behindern die Bewegung, unterbrechen oder blockieren die Schulbildung, die Arbeit, medizinische Versorgung. Wie unter dem südafrikanischen „Pass-System“ müssen Palästinenser oft Anträge stellen, um innerhalb der Westbank von einem Dorf zum andern zu gelangen. Der Südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu sagte während eines Besuches in Palästina, dass die Situation sehr ähnlich derjenigen sei, wie „wir Schwarzen in Südafrika sie erlebten“. Gleichzeitig hat Israel ein ausgedehntes Straßensystem  ausschließlich für die jüdischen Siedler errichtet, die illegal in der Westbank leben. Dieses Netzwerk von Siedlungen und getrennten Straßen zerteilt die Westbank, fördert die palästinensische Isolierung und den Verlust von Land und Besitz.

Israels „Trennungsmaueranlage“ innerhalb der Westbank konfisziert palästinensisches Land und trennt die palästinensischen gemeinden. Die Berliner Mauer erscheint dagegen klein und harmlos, dient diese neue Mauer nicht nur der Sicherheit. Da sie weit in die Westbank reicht, schließt sie die großen illegalen Siedlungen ein. Die Palästinenser sind in zunehmendem Maße in Ghettos  gesperrt, die den Bantustans der Apartheid Südafrikas ähneln.

 

Inzwischen hat sich Israel vor über einem Jahr aus dem Gazastreifen „zurückgezogen“,  aber es kontrolliert Gazas Grenzen, Luftraum, Küste und fährt fort willkürlich militärische Angriffe und Operationen innerhalb Gazas auszuführen. Indem es bestimmt, wer oder was hinein kommt bzw. herauskommt, hat es den Gazastreifen in das größte Freiluftgefängnis der Welt verwandelt.

 

Auch wenn es Jahrzehnte gedauert hat, einigte sich die Welt – mit Ausnahme Israels – gegen das südafrikanische Apartheidsystem und verlangte für alle seine Bürger die gleichen Rechte. Derselbe Standard sollte sofort gegen Israel angewandt werden. Die Diskriminierung palästinensischer Bürger in Israel und die Unterdrückung der Palästinenser in den besetzten Gebieten als auch der enterbten palästinensischen Flüchtlinge verlangt eine  umfassende Lösung, die sich auf das Völkerrecht und gleiche Rechte für alle gründet, ohne Rücksicht auf Rasse, Religion und Volkszugehörigkeit.

 

Die vereinigten Staaten und die EU spielen dabei eine zentrale Rolle. Das US-Außenministerium und die EU haben wiederholt Israels diskriminierende Praktiken dokumentiert. Doch während die Bush-Regierung und die EU verlangen, die Palästinenser unter Besatzung mögen ein demokratisches System entwickeln, wurde gegenüber Israel keinerlei Druck ausgeübt seine exklusiv „nur für Juden-Demokratie“ zu reformieren und alle seine Bürger da mit einzuschließen, einschließlich der 20% seiner palästinensischen Bürger. Es ist an der Zeit, dass die US und die EU Israel in Verantwortung nehmen und ihre massiven wirtschaftliche und militärische Hilfe davon abhängig machen, wie Israel seine diskriminierende Politik aufgibt. Amerikaner und Europäer mieden einmal die Apartheid. Es ist an der Zeit, dies noch einmal zu tun.

 

Der Autor ist ein früherer Senior-Anwalt, der mit ADALAH, dem Rechtszentrum für arabische Minderheitsrechte in Israel gearbeitet hat.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

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