Rede von Dr. Muhaisen
am 15. November 2014 auf dem
Hermannplatz in Berlin
Schluss mit der gewaltsamen
Vertreibung von Palästinensern aus
Jerusalem.
Es darf keine Veränderung
des Status vom Haram Al Sharif und der
Al Aqsa Moschee geben.
Liebe Freunde, vor
wenigen Tagen standen wir zum
wiederholten Mal vor dem deutschen
Außenministerium in Berlin-Mitte und
forderten von der Bundesregierung und
der Europäischen Union, die Stimme gegen
Israels aggressive Besatzungspolitik zu
erheben. Denn sogar nach der fast
achtwöchigen Bombardierung von Gaza, der
Ermordung so vieler Palästinenser, die
nicht einmal vor den Bomben aus Gaza
fliehen konnten, weil auch die Grenze
nach Ägypten fest verschlossen blieb,
nach der unglaublichen Zerstörung von
Gaza gab es kein Innehalten der
israelischen Verantwortlichen. Im
Gegenteil:
Seit dem Tod der drei
Siedler im Juni in der Westbank hört die
israelische Propaganda nicht auf, alle
Palästinenser dafür verantwortlich zu
machen. Israel schürte den Hass gegen
Araber in Israel, gegen die
Palästinenser in Ost-Jerusalem, der
Westbank und in Gaza, so dass es neben
der Siedler-Gewalt gegen Palästinenser
zu zusätzlichen Bedrohungen vieler
Menschen kam.
Es dauerte nicht lange
und ein unschuldiger junger
Palästinenser, Mohammed Abu Kdheir,
wurde das Opfer einer grausamen Tat: Er
wurde in Jerusalem entführt bei
lebendigem Leibe verbrannt. Sein Cousin
wurde von Polizisten fürchterlich
zusammengeschlagen. Und die Angst der
Palästinenser um ihre Kinder wuchs in
Jerusalem und in der Westbank.
Friedliche Menschen
wurden auf Demonstrationen bedroht oder
zusammengeschlagen. Menschen wurden
festgenommen oder durch Schüsse von
bewaffneten Siedlern, Polizei oder
Militär verletzt oder auch getötet.
Gaza ist immer noch
belagert, in der Westbank gehen die
Verhaftungen weiter, Israel kündigt
wieder neuen Siedlungsbau an, fast
täglich sterben Menschen und die Sätze
der Verantwortlichen steigern sich zu
Drohungen, an erster Stelle die von
israelischen Politikern.
Und seit einigen Tagen
kommen heftige Bedrohungen in Jerusalem
zu all diesen Ereignissen hinzu: Siedler
waren auf dem Haram al-Sharif, Polizei
und Militär drang in die Al Aqsa-Moschee
ein, warf in der Moschee Tränengas und
schoss sogar mit scharfer Munition.
Mehrmals wurde besonders jungen
Palästinensern das Betreten des Haram
al-Sharif untersagt.
In Silwan-Ost-Jerusalem
werden Kinder und Erwachsenen
verprügelt, verhaftet und auch getötet,
Häuser zerstört und auch Häuser
besetzt.
Während des Heiligen
Monats Ramadan Juli/August starb
Mohammad Abu Kdheir in Jerusalem und
viele andere Palästinenser in der
Westbank, nahmen israelische Soldaten
über 600 Menschen fest, fielen die
israelischen Bomben auf Gaza und töteten
über 2.160 Palästinenser, über 12.000
wurden verletzt und über 500.000
Menschen wurden vertrieben.
Gleichzeitig wurden
palästinensische Bewohner in Jerusalem
aus ihren Wohnungen von Siedlern
vertrieben. Und die israelische
Regierung kündigte dreist den Bau von
weiteren neuen Wohnungen für Israelis in
Jerusalem an, während Häuser von
Palästinensern zerstört wurden, weil die
Bewohner angeblich keine Baugenehmigung
hatten.
Die israelische
Besatzungsmacht hinderte Gläubige am
Betreten der Al Aqsa Moschee.
Palästinenser, die jünger als 50,
manchmal sogar nur jünger als 60 Jahre
alt sind, durften nicht zum
Freitagsgebet auf den Haram al-Sharif in
die Al Aqsa Moschee.
Fast täglich erschienen
dort religiöse rechte Israelis, manchmal
sogar unterstützt von
Knesset-Abgeordneten.
Die Palästinenser
demonstrierten mutig und die israelische
Polizei und das Militär reagierten
brutal: Der 17jährige Mohammad al Araj
wurde im Juli während einer
Demonstration am Qalandiya-Checkpoint
getötet. Mohammed Ja’abis wurde am 7.
August kaltblütig von Siedlern und
Polizisten erschossen. Mohammad Sinokrot
wurde Anfang September von einem
Polizisten durch einen Schuss in den
Kopf ermordet. Und viele Menschen wurden
verletzt.
Abdul Rahman Al Shloudi
wurde erschossen, weil er angeblich
absichtlich mit seinem Auto in eine
Menschengruppe gefahren sei, seine
Familie spricht dagegen von einem
Autounfall. Moataaz Hijazi wurde in
seinem Haus erschossen, weil er
angeblich auf den Siedler-Fanatiker
Yehuda Glick gezielt und ihn verletzt
hat, der täglich provokativ mit Siedlern
und einer Israel-Fahne vor der Al Aqsa
Moschee erschien. Die Al Aqsa Moschee
wurde für gläubige Muslime geschlossen
oder nur für wenige Tage geöffnet,
während extreme Siedler mit ihren
Führern weiter provozieren konnten.
Khair al-Din Hamdan aus
Kafr Kana wurde kaltblütig von
Polizisten erschossen, als er gegen die
Festnahme seines Cousins protestierte.
Der palästinensische
Protest gegen ihre beabsichtigte
Vertreibung aus Jerusalem blieb stark,
obwohl die Besatzungsmacht 3000
Polizisten eingesetzt hat, um die
Kontrolle über Jerusalem
wiederzugewinnen. Seit dem Mord an
Mohammad Abu Kdheir wurden 1000
Palästinenser festgenommen, gegen 300
von ihnen wurde Anklage erhoben.
„Justizministerin“ Zipi
Livni, bekannt als Mitverantwortliche
für die Bombardierung von Gaza
2008/2009, empfahl eine
Gesetzesverschärfung: Für Steinewerfen
fordert sie 20 Jahre Haft. Die Knesset
muss diesem „demokratischen“ Vorschlag
noch zustimmen. Es zeigt, wie sehr die
Besatzungsmacht außer Kontrolle gerät,
weil sie merkt, dass die Palästinenser
nicht aufgeben werden, dass sie alles
tun werden, um ihre Rechte in Jerusalem
zu erkämpfen.
Auch in der Westbank
wurde vor 3 Tagen Al Mugahir Moschee in
der nähe von Ramallah von Siedlern
angezündet, der erste Stock brannte aus.
Wir haben große Angst,
dass niemand diese Entwicklung stoppen
wird. Wir befürchten, dass nicht genug
Protest von verantwortlichen Politikern
in aller Welt gegen Israels
Besatzungs-Gewalt laut wird, wir haben
Angst, dass sich die palästinensische
Tragödie wiederholt. Weil Israel bis
heute Straflosigkeit erlebt.
Denn hätte die Welt den
Goldstone-Bericht des
UNO-Menschenrechtsrats über die
israelische Bombardierung von Gaza zum
Jahreswechsel 2008/2009 zur Kenntnis
genommen, in dem alle israelischen
Kriegsverbrechen und Lügen aufgelistet
sind, und wären die Verantwortlichen
dafür bestraft worden, hätte Israel
diese Verbrechen nicht noch einmal 2012
und jetzt im Juli und August 2014
wiederholen und sogar steigern können.
Denn alle Lügen und alle Verbrechen
wurden nur wiederholt, auch die
Bombardierungen von Schulen und
Krankenhäusern, auch die Lügen, die
Palästinenser hätten Raketen von dort
und aus Moscheen nach Israel
abgeschossen. Alle Lügen sind im
UNO-Bericht von Goldstone und seinen
drei Mitarbeitern widerlegt. Und etliche
militärische Handlungen der israelischen
Armee gegen die Palästinenser wurden in
dem Bericht als Kriegsverbrechen oder
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
eingestuft.
Später hieß es, Goldstone
habe seinen Bericht zurückgenommen. Aber
auch das war eine Lüge und Israel hat
gehofft, die Politiker und Journalisten
würden den Widerruf glauben und den
Bericht gar nicht erst lesen. Tatsache
ist: Die Straflosigkeit für Israel hält
an.
Nun hat der
UNO-Menschenrechtsrat eine zweite
Untersuchung angekündigt und die Autoren
genannt. Was war die israelische
Antwort? Wie damals, als man dem
renommierten Juristen Richard Goldstone
aus Südafrika die Einreise ins Land
verweigerte oder die Reise von Gaza in
die Westbank und jede Mitarbeit ablehnte
und hinterher behauptete, der Bericht
sei einseitig, wurden am letzten
Mittwoch auch der neu ernannte
UNO-Ermittler und seine Mitarbeiter an
der Einreise gehindert. Und Israel
kündigte wieder an, nicht zu
kooperieren.
Deshalb protestieren wir
heute mit unseren friedlichen Mitteln
und rufen den Verantwortlichen in der
ganzen Welt zu: Erkennt, dass Israel
Verbrechen begeht.
Jerusalem wird die
Hauptstadt eines künftigen Staates
Palästina sein, auch wenn Israel heute
versucht, die muslimische und
christliche palästinensische
Vergangenheit auszulöschen und die
palästinensischen Bewohner zu
vertreiben.
Fanatische Siedler würden
am liebsten die Al Aqsa-Moschee
zerstören und einen neuen Tempel bauen,
Archäologen graben Tunnel unter der
Moschee und suchen nach den Spuren eines
angeblichen alten Tempels, sie haben
damit die Statik des Bauwerks gefährdet.
Vor Jahren gab es schon einmal ein
Attentat auf die Al Aqsa-Moschee. Wir
geben es offen zu: Wir sind verzweifelt,
aber wir werden nicht aufgeben: We will
never give up!
Richard Falk, der von uns
über alle Maßen geschätzte
UNO-Sonderbeauftragte für Palästina, der
viele Beleidigungen und Anfeindungen von
israelischer Seite ertragen musste, hat
jetzt nach 6 Jahren seine Tätigkeit
beendet. Gerade hat er ein Buch
herausgegeben: „Palestine: The
Legitimacy of Hope“. Auf Deutsch:
„Palästina: Die Legitimität von
Hoffnung“. Wir haben ein Recht zu
hoffen. Unser Kampf ist legitim.
Widerstand gegen Besatzung ist ein
anerkanntes Völkerrecht.
Über 300
Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften
und politische Parteien aus ganz Europa
haben die EU aufgefordert, Israel für
sein Massaker an Gaza zur Rechenschaft
zu ziehen. Deshalb fordern sie, das
EU-Israel-Assoziierungsabkommens
auszusetzen.
Wir bitten die deutsche
Regierung und die Europäische Union:
Schweigen Sie nicht zu dem Unrecht, das
die Palästinenser zur Zeit erleiden. Die
israelische Besatzung muss ein Ende
haben. Schluss mit der gewaltsamen
Vertreibung von Palästinensern aus
Jerusalem. Es darf keine Veränderung des
Status vom Haram Al Sharif und der Al
Aqsa Moschee geben. Wir fordern die
Freilassung der palästinensischen
Gefangenen. Die Apartheid-Mauer in
Palästina muss fallen. Die Belagerung
von Gaza muss aufhören und die
Grenzübergänge müssen dauerhaft geöffnet
bleiben.
Wir danken allen
Menschen, die unsere Hoffnung teilen.
Sagt es bitte weiter!
Wir danken allen, die solidarisch an
unserer Seite stehen und uns helfen,
nicht zu verzweifeln.
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