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Über palästinensischen zivilen Ungehorsam
Neve Gordon, The Palestine Chronicle, 2.10 .2009 (!)
http://imeu.net/news/article0017564.shtml 

 

Irgendwann 1846 verbrachte Henry David Thoreau eine Nacht im Gefängnis, weil er sich weigerte, Steuern zu zahlen. Dies war seine Weise , sich gegen den mexikanisch-amerik. Krieg und gegen die Sklaverei zu protestieren. Ein paar Jahre später veröffentlichte er den Aufsatz über „Zivilen Ungehorsam“ der seitdem von Millionen einschließlich Israelis und Palästinensern gelesen worden ist.

Kobi Snitz las dieses Buch. Er ist ein israelischer Anarchist, der z.Zt eine Gefängnisstrafe von 20 Tagen absitzt, weil er sich weigert, 2000 NIS als Strafe zu zahlen.

Snitz,38, wurde  mit andern Aktivisten  2004  in dem kleinen pal. Dorf Kharbata verhaftet, weil er die Zerstörung des Hauses eines prominenten Mitgliedes des lokalen Komitees zu verhindern versuchte. Die Zerstörung  wurde anscheinend deshalb ausgeführt, um die lokalen Führer einzuschüchtern und zu bestrafen. Sie hatten nämlich gerade vor ein paar Wochen damit angefangen, die wöchentlichen Demonstrationen gegen die Mauer zu organisieren. Die Demonstrationen und der Versuch, die Zerstörung des Hauses zu verhindern sind beides Akte des zivilen Ungehorsams.

 

In einem Brief an Freunde kurz vor seiner Gefängnishaft schreibt Snitz,  „ich und die anderen, die mit mir verhaftet wurden, haben keinerlei Schuld, außer dass wir  gegen die  wahrlich kriminelle Politik des Staates protestieren.“ Snitz erklärt auch, wenn er das Strafgeld gezahlt hätte, dann wäre dies eine Anerkennung von Schuld gewesen, die er  erniedrigend findet. Schließlich – so schloss er seinen Brief – bestand er darauf, dass seine Strafe im Vergleich zu denen palästinensischer Teenagers für belanglos hält, die gegen die Besatzung  Widerstand leisten.  Diese 13, 14, 15 und 16-Jährigen müssen oft 20 Tage  schon in Haft sein, bevor ihr Rechtsprozess beginnt.

 

In einem Bericht vor kurzem dokumentieren palästinensische Menschenrechtsorganisationen „Stopp the Wall“ und Addameer die Formen der Unterdrückung, die Israel gegen Dörfer anwendet, die Widerstand gegen die Annexion ihres Landes ausüben. Die zwei Rechtsgruppen zeigen, dass, wenn sich ein Dorf entscheidet, gegen die Annexionsmauer zu kämpfen, die ganze Gemeinde bestraft wird: außer  der Zerstörung von Häusern, Ausgangssperren und andere Formen der Bewegungseinschränkung, wendet die IDF durchweg Gewalt gegen die Demonstrierenden an – und  meistens zielen sie auf die Jugendlichen mit Schlägen, Tränengas  und wenden tödliche und nichttödliche Munition gegen sie an.

Seit 2004 ( -2009) sind 19 Menschen, mehr als die Hälfte Kinder bei Protesten gegen die Mauer getötet worden. Die Rechtsgruppen fanden heraus, dass allein in vier kleinen palästinensischen Dörfern  (Bilin, Nilin, Masara und Jayyous) 1566 Palästinenser verletzt wurden . In allein fünf Dörfern wurden 176 Palästinenser wegen des Protestes gegen  die Mauer verhaftet, besonders Kinder und Jugendliche. Die aktuelle Zahl derjenigen, die verletzt und verhaftet wurden, sind zweifellos höher,  weil hier  nur wenige Dörfer  berücksichtigt wurden.

Jede Nummer hat einen Namen und eine Geschichte: z.B. die Verhaftung des 16Jährigen Mohammed Amar Hussan Nofal, der mit 65 anderen Leuten aus seinem Dorf Jayyous im Februar 2009 verhaftet wurde. Nach seinen Aussagen wurde er zunächst 2,5 Stunden in der Dorfschule verhört.

„Sie fragten mich, warum ich an den Demonstrationen teilgenommen hätte. Aber ich versuchte, dies zu leugnen. Dann fragten sie mich, warum ich ein Molotow-Cocktail auf sie geworfen hätte. Ich sagte, das habe ich nie getan, was auch stimmte. Meine Eltern waren da und waren Zeugen von dem, was geschah. Sie können bestätigen, dass ich niemals ein Molotow-Cocktail geworfen habe. Später gab ich zu, dass ich an Demonstrationen teilgenommen hätte …

Nachdem ich geschlagen worden war, weil ich mich weigerte, ein Papier mit Zahlen und hebräischen Worten hoch zu halten, um fotografiert zu werden,  wurde Nofal  nach Kedumim geschickt und nochmals mehrere Stunden verhört. Während dieses Verhörs, versuchte Captain Faisal ( ein Deckname), den Teenager als Kollaborateur zu gewinnen.

„Der Captain drohte damit, er würde meine Eltern  und meine ganze Familie verhaften . Ich sagte, sie könnten meine ganze Familie verhaften – schlimmer wäre es, ein Kollaborateur zu werden. Er sagte dann, er würde die Passierscheine  meiner Familie konfiszieren, damit sie keine Oliven mehr ernten könnten.“

Nofas einziges Verbrechen war, gegen die Enteignung des Familienbesitzes protestiert zu haben. Er war drei Monate im Gefängnis. Während dieser Zeit wurde die Familie auch bestraft. Man verweigerte eine Verlängerung  der Passierscheine, um in Israel zu arbeiten.

 

Wenn man Noval und Tausende von anderen Palästinensern mit  dem vergleicht, was Kobi Snitz durchmachen musste, dann war dies wirklich ein kleiner Preis. Aber sein Akt ist symbolisch bedeutsam – nicht nur wegen seiner Solidarität mit seinen palästinensischen Partnern, sondern weil er , wie Tausende von Palästinensern sich entschieden hatte, sich der Führung von Henry David Thoreau anzuvertrauen und zivilen Ungehorsam zu praktizieren, um sich Israels unmoralischer Politik  und der Unterwerfung eines ganzes Volkes zu widersetzen.

Ich bin überzeugt, dass Thoreau stolz auf Nofal, Snitz und ihre Mitaktivisten gewesen wäre. Es wäre wichtig, dass auch die Medien und die internationale Gemeinschaft ihren Mut anerkennt.

 

Neve Gordon lehrt Politikwissenschaften an der Ben-Gurion-Universität in Bersheba.

Sein neues Buch: „Israels Besatzung“ : www.israelsoccupation.info.

 

( dt. Ellen Rohlfs)

 

 

 

 

 

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