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Yassir Arafat

Mord an Arafat Uri Avnery - Während ich dies schreibe, ist Arafat noch am Leben. Aber sein Leben hängt an einem seidenen Faden. Als wir ihn das letzte Mal in seinem ausgebombten Mukata'ah Gebäudekomplex in Ramallah besuchten, warnte ich ihn davor, dass Sharon sich vorgenommen hat, ihn zu töten.

Jeder, der Sharon kennt, weiß, dass er niemals etwas aufgeben wird. Wenn er sein Ziel nicht beim ersten Mal erreicht, dann wird er es immer und immer wieder versuchen. Niemals wird er aufgeben.

Schon im belagerten Beirut, auf dem Höhepunkt des Libanonkrieges, versuchte Sharon, seine Hand an ihn zu legen. Dutzende von Agenten, meist libanesische Phalangisten, durchkämmten die westlichen Viertel, um ihn zu fangen. Er ist ihnen entkommen, wie er Dutzenden von Mordversuchen vorher und nachher entkommen ist, u.a.. auch Abu Nidal, (der wenigstens teilweise ein Mossadmietling war)

Nun glaubt Sharon, dass er seinem Ziel sehr nahe ist. Er braucht nur noch Bushs Zustimmung. Nicht unbedingt eine offizielle Bestätigung. Eine kleine Andeutung genügt, ein halbes Wort, ein Wink.

Es wird einfach sein, die Entscheidung auszuführen. Ein Unfall kann inszeniert werden: Soldaten betreten das Dienstgebäude, um "gewünschte Personen" gefangen zu nehmen, irgend jemand wird das Feuer eröffnen, Arafat wird "aus Versehen" getroffen. Arafat zieht seine Pistole, Soldaten werden "keine andere Wahl" haben als zurückzuschießen. Eine Granate mag versehentlich das Gebäude treffen, Arafat wird unter den Trümmern begraben. Im Krieg geschehen schließlich Unfälle, eine Menge Unfälle.

Sharon wollte Arafat niemals nach Gaza oder an irgend einen andern Ort in dieser Welt "deportieren". Er will ihn in die andere Welt befördern. Jetzt wäre das möglich.

Deshalb ist es nötig, dies klar und deutlich auszusprechen:
Moralisch ist der Mord an Arafat, dem historischen und gewählten Präsidenten des palästinensischen Volkes, abscheulich. Genau wie der Mord an Rabin.

Juristisch gesehen ist der Mord an Arafat ein Kriegsverbrechen.
Politisch gesehen, kann über den Mord an Arafat mit einem französischen Staatsmann über einen anderen politischen Mord gesagt werden: "Es ist schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler!"

Es war Arafat, der vor 28 Jahren entschied, den Weg der Verhandlungen mit Israel zu beschreiten, um diesen Weg der nationalen Hoffnungen für das palästinensische Volk zu verwirklichen. In jener Zeit war das eine unglaublich kühne Entscheidung und er befasste sich damit schon lange, bevor Rabin und Peres überhaupt von Oslo träumten. Ich weiß es; denn ich war ein Augenzeuge des Prozessbeginns.

Seit damals hat Arafat nicht im geringsten diese Entscheidung abgewandelt: er suchte Versöhnung mit Israel innerhalb eines Friedensabkommens, das einen unabhängigen palästinensischen Staat einschließt, innerhalb der Grenzen von 1967 mit kleinen gegenseitig abgesprochenen Korrekturen, Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten, Abzug der Siedler, geeignete Sicherheitsmaßnahmen, eine Lösung für das Flüchtlingsproblem in gegenseitigem Einvernehmen.

Auf dieser Basis wäre sogar jetzt Frieden möglich. Und zwar sofort. Aber Sharon weist dies mit beiden Fäusten zurück. Er wünscht ein "Groß-Israel", die Ausdehnung der Siedlungen und schließlich die Eliminierung der palästinensischen Präsenz westlich des Jordan.

Die Behauptung Ehud Baraks, dass Arafat seinen eigenen Friedensplan zurückgewiesen habe, ist eine eklatante Lüge, die ein historisches Unglück verursachte.

Baraks "großzügige Angebote" waren weit entfernt von dieser vernünftigen Lösung.

Wie früher ist Arafat auch jetzt die einzige Person, die in der Lage ist, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen und sein Volk davon zu überzeugen, dies zu akzeptieren und zu erfüllen. Kein anderer palästinensischer Führer ist am Horizont in Sicht, der fähig wäre, dies zu tun. Die Führung des palästinensischen Volkes wird nicht in die Hände von "Gemäßigten" gehen, die man wie Kollaborateure oder wie Komplizen der Mörder betrachten würde, sondern in die Hände der Extremisten oder Fanatiker, die es nach Rache gelüstet.

Der Mord an Arafat wäre gleichzeitig der Mord an allen Friedenschancen.

Dies wäre ein Verbrechen gegenüber dem israelischen Volk: es würde uns über Jahrzehnte hinweg zu Kriegen verurteilen, vielleicht generationenlang, vielleicht auf immer. Der moralische, soziale und wirtschaftliche Niedergang, den wir gerade überall in Israel erleben, wird Israel in noch größere Tiefen ziehen und die Auswanderung vieler bewirken.

Der tote Arafat wird für sein Volk eine Legende des Heldentums werden und ein neuer Che Guevara für die Welt. Seine Fehler wird man vergessen. Für zukünftige palästinensische Generationen wird er ein Vorbildmodell werden. Hundertmillionen von Arabern und Muslimen von Marokko bis Indonesien werden ihre eigenen Führer mit dem toten Arafat vergleichen und der Vergleich wird verhängnisvoll sein.

In den Augen dieser Hundertmillionen werden Israel und die Juden ein Synonym für Betrug, Mord und Lüge sein. Die Giftpflanze des Antisemitismus wird wie nie zuvor gedeihen. Wir erhalten schon jetzt einen kleinen Vorgeschmack desselben.

Falls dies Unglück geschieht, ist die gesamte Regierung daran schuld. Kein einziger Minister wird davon freigesprochen. Weder Ben Eliezer, noch Peres oder irgend einer ihrer Kollegen. Auch kein Offizier, der kooperierte und die politische Führung vorantrieb. Auch nicht die Knessetmitglieder, ob sie zur Koalition oder zur Opposition gehören, die sich in den letzten Monaten schweigend verhielten. Auch nicht die Korrespondenten und Kommentatoren, die sich selbst zu Regierungs- und Armeesprechern machten, noch die Professoren und Intellektuellen, die zusahen und schwiegen. Alle werden die Verantwortung tragen.

Es ist der letzte Moment, um aufzustehen und laut zu schreien: Nein!

(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs und vom Verfasser autorisiert)

 

Arafat besuchen? Um Himmelswillen, warum?

Uri Avnery- „Sind Sie verrückt geworden? Gerade jetzt? Er ist doch erledigt!“ Das waren die Reaktionen von einigen Leuten, als das israelische Fernsehen mein Treffen mit Arafat in Ramallah in dieser Woche zeigte.
Ist Arafat „erledigt“? Wenn dem so wäre - er hat nichts darüber gehört. Ich fand ihn in bester Verfassung. Bei einigen meiner Treffen mit ihm im Laufe der letzten Jahre sah er häufig müde aus, zurückhaltend und in sich selbst versunken. Dieses Mal war er in guter Stimmung. Er sprach entschieden, reagierte schnell, machte sich sanft lustig über seine Mitarbeiter und machte auch ein paar bissige Bemerkungen.

Bild - Uri Avnery meets with Arafat in Beirut, 1982, in violation of Israeli law.

( Z.B.: als er über Sharons Forderung sprach, dass Abu-Mazen Massenverhaftungen ausführen solle, lachte er: „Aber die Israelis haben alle unsere Gefängnisse zerstört, außer dem einen in Jericho. Und wenn wir einen Kriminellen dorthin bringen wollen, müssen wir das Quartett (USA, EU, UNO, Russland) um einen Wagen bitten und die Durchfahrt durch die israelischen Checkpoints ermöglichen.“)

Man kann seine gute Stimmung verstehen. Während des letzten Jahres hat sein Leben wie an einem seidenen Faden gehangen. Sharon hätte jeden Augenblick seine Leute schicken können, um ihn zu töten. Mehrere Male schien diese Gefahr so nahe, dass meine Freunde und ich es für nötig fanden, schnell hinzueilen und menschliches Schutzschild zu sein. Einer der israelischen Offiziere rühmte sich in dieser Woche, dass „nur eine dünne Wand mich von ihm trennte.“
Nun ist diese Gefahr in weitere Ferne gerückt – auch wenn Arafat noch immer in seinem kleinen Gebäude inmitten von surrealistischen Ruinen festgehalten wird.

Während der letzten 45 Jahre war sein Leben viele Male in Gefahr. Viele Attentatsversuche wurden auf sein Leben unternommen. Einmal musste sein Flugzeug notlanden und mehrere seiner Mitarbeiter kamen ums Leben. Er überlebte. Dieses Mal auch. Sein Gefühl der Erleichterung ist nur zu verständlich.
Es gibt auch eine physische Erleichterung. Seitdem er nach Palästina zurückgekehrt ist, war seine Arbeitslast unglaublich. Da er darauf bestand, praktisch alles selbst zu entscheiden, große und kleine Dinge, arbeitete er unmenschlich, oft bis in die frühen Morgenstunden. Jetzt ist er vom wesentlichen Teil der Routinearbeit befreit und die Folgen sind offensichtlich.
Die Hauptsache aber ist, dass Arafats Ansehen innerhalb seines Volkes jetzt stärker als jemals zuvor ist. Seltsam genug, dass dies die Folge der Ernennung eines Ministerpräsidenten ist. Die Ernennung von Abu-Mazen, die von Sharon und Bush verlangt wurde, um Arafat zu „schwächen“ und um ihn „beiseite zu schieben“, hatte den gegenteiligen Effekt.

Das muss erklärt werden: Schon seit Jahren war in Israel und im Westen eine andauernde und konzentrierte Kampagne geführt worden, die Arafat dämonisierte. In den zehn Jahren nach Oslo sind in den israelischen Medien Millionen von Wörtern über ihn gesprochen oder geschrieben worden – aber ich erinnere mich nicht an ein einziges Wort des Lobes. Er ist systematisch als Terrorist, Tyrann, Diktator, korrupter Lügner, Betrüger und was noch alles beschrieben worden. Insbesondere wurde er als der Mann hingestellt, der zu den „unerhört großzügigen“ Angeboten von Ehud Barak und Präsident Clinton „nein“ sagte und der damit „beweist“, dass sein wirkliches Ziel sei, Israel zu zerstören.
All diejenigen, die mit dieser Propaganda gefüttert wurden, können nicht verstehen, warum die Palästinenser ihn verehren. Die Antwort lautet: genau aus denselben Gründen.

In den Augen der Palästinenser – fast aller von ihnen – ist Arafat ein furchtloser Führer, der auch unter den schwierigsten Umständen unerschütterlich bleibt; ein Mann, der den Mumm hat, zu den Forderungen der Mächtigen der Welt „nein“ zu sagen, da sie das palästinensische Volk um seine fundamentalen Rechte betrügen wollen. Ohne zurückzuschrecken stand er den Herrschern der arabischen Welt gegenüber. In Camp David stand er unter immensem Druck von Clinton und Barak - ohne zurückzuweichen. Er hielt unter schrecklichen Bedingungen die Belagerung seines Amtssitzes in Ramallah aus – ohne zusammenzubrechen.
Die Palästinenser, wie alle Araber und alle Völker, bewundern persönlichen Mut. Arafat hat Mut unter Bedingungen bewiesen, denen kein anderer Führer der Welt gegenüber stehen musste. Er ist zu einem Symbol der Standhaftigkeit des ganzen palästinensischen Volkes geworden. Dies ist die Quelle seiner Autorität, sogar in den Augen seiner vielen Kritiker des rechten und linken Flügels.

Seine Autorität ist für Abu-Mazens politische Effektivität wesentlich. Im Gegensatz zu Arafat ist Abu-Mazen im Westen populär. Er strahlt Mäßigung und Bereitschaft zu Kompromissen aus. Das ist das Gesicht, das der Westen zu sehen wünscht. Beide sind in etwa wie Ben Gurion und Sharett in Israels frühen Tagen. Ben Gurion war das Idol der israelischen Öffentlichkeit, während Sharett auf internationaler Ebene populär war.
Abu-Mazen wird von der palästinensischen Öffentlichkeit akzeptiert. Wenn jemand anders unter diesen Umständen das Amt angenommen hätte, würde er unter Verdacht stehen, ein Kollaborateur zu sein. Aber Abu-Mazen ist als palästinensischer Patriot bekannt und wird als einer der Gründer der Fatah-Bewegung respektiert. Selbst in extremen Demonstrationen hörte ich nie Protestschreie gegen ihn. Doch ist er kein charismatischer Führer, und er hat keine solide politische Basis.
Das ist es, warum Abu-Mazen Arafat benötigt. Ohne seinen soliden Rückhalt wird Abu Mazen weder fähig sein, Konzessionen im Ausland zu machen, noch zu Hause wirkungsvoll handeln können. Mehr als je ist Arafat für den Fortschritt auf dem Weg des Friedens wichtig.

Aber wünscht Arafat wirklich Frieden? Die meisten Israelis können sich so etwas gar nicht vorstellen. Wie sollten sie auch? Hörten sie jemals die wahre Geschichte?
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich folgendes erzählen: Am Ende des Oktoberkrieges, 1973, folgerte Arafat, dass wenn die Armeen Ägyptens und Syriens nach ihren unerwartet glänzenden Anfangssiegen besiegt werden, dass es keine militärische Lösung dieses Konfliktes gibt. Wie gewöhnlich entschied er schnell und entschied allein. Er wies den ihm nahe stehenden Said Hamami an, in London einen Artikel zu veröffentlichen, um ein Friedensabkommen mit Israel mit politischen Mitteln zu befürworten. (Dies veranlasste mich, mich mit Hamami im Geheimen zu treffen, und seitdem habe ich Arafats Maßnahmen aus der Nähe verfolgt)
Für die palästinensische Nationalbewegung war die vorgeschlagene Wende radikal. Ein politischer Prozess anstelle des alleinigen Verlasses auf den „bewaffneten Kampf“. Ein Friedensabkommen mit Israel, das 78% des palästinensischen Landes in Besitz genommen und die Hälfte des palästinensischen Volkes aus seiner Heimat vertrieben hat?

Das erforderte eine geistige und politische Revolution, und seit 1974 fördert Arafat diese Revolution vorsichtig, aber entschlossen - Schritt für Schritt. (Ich konnte diese Schritte verfolgen: zuerst durch Hamami und Issam Sartawi, später durch persönlichen Kontakt mit Arafat). 1988 hat der Palästinensische Nationalrat - nach einer Reihe von ambivalenten Resolutionen - zu guter Letzt diese Linie ausdrücklich angenommen. Abu-Mazen war mit diesem Prozess von Anfang an eng verbunden.
Während dieser Periode widersetzten sich Yitzhak Rabin und Shimon Peres aktiv dieser Entwicklung. (Auch hier bin ich ein persönlicher Zeuge, da ich mehrere Botschaften von Arafat an Rabin überbrachte.) Es muss um der historischen Wahrheit willen klar festgestellt werden: nicht Rabin und Peres waren die geistigen Väter von Oslo, sondern Arafat und Abu-Mazen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Peres und nicht an Abu-Mazen war deshalb eine große Ungerechtigkeit.

Sharon wünscht natürlich keinen Frieden, der einen lebensfähigen Staat in den besetzten Gebieten mit sich bringt – und die Evakuierung der Siedlungen. Aber er ist viel zu schlau, um Abu-Mazen, den Protégé des Westens, offen zu sabotieren. Deshalb konzentriert er all seine Bemühungen, um Arafat zu brechen. Er weiß genau, Abu-Mazen ist ohne ihn wirkungslos.
Das ist der springende Punkt bei der Sache. Arafat ist für die Friedensbemühung wesentlich.
Genau deshalb habe ich ihn besucht.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
 

Der Gefangene von Ramallah - Uri Avnery - Jeder TV-Zuschauer kennt die Brücke zwischen den beiden Gebäuden, die zwischen den Ruinen des Mukata’ah-Komplexes in Ramallah stehen geblieben sind.
Während eines meiner letzten Besuche zeigte ein palästinensischer Offizier auf einen einfachen Tisch und Stuhl neben einem der Fenster dieser Brücke. Durch dieses Fenster kann man ein Stück palästinensischer Landschaft hinter Ramallah sehen. „Hier sitzt Abu Amar gern zwischen den Sitzungen und schaut hinaus“, erklärte er. Abu Amar ist der Kosename von Yasser Arafat.
Als ich ihm vor 21 Jahren zum ersten Mal in Beirut begegnete, war er einer der beweglichsten Führer der Welt, wenn nicht der beweglichste von allen. Einmal erzählte er, dass er in den letzten fünf Tagen sieben Länder besucht und nur im Flugzeug zwischen den Bestimmungsorten geschlafen habe. Zu jener Zeit trug er um den Hals einen Stützapparat. Jetzt sitzt er seit mehr als zwei Jahren im Gebäudekomplex gefangen. Zeitweise waren die Lebensbedingungen schlimmer als in einem gewöhnlichen Gefängnis: er lebte in einem abgeschlossenen Raum ohne Sauerstoffzufuhr und fast ohne Wasser, mit verstopfter Abwasserleitung. Er wusste, dass in jedem Augenblick Sharons Soldaten hereinstürmen konnten, um ihn zu töten.

In ein paar Tagen wird er 74 Jahre alt. Er wird seinen Geburtstag in seinem Gefängnis verbringen.

Dies ist eine gute Gelegenheit, sich über diesen Menschen und sein Lebenswerk Gedanken zu machen.
Auf der Weltbühne befindet er sich länger als jeder andere Führer – ausgenommen Fidel Castro. Viele der heutigen Führer der Welt , wie Bush oder Blair, waren noch Kinder, während er schon die Verantwortung für das Schicksal des palästinensischen Volkes in seinen Händen hielt. Sein Gesicht ist in der ganzen Welt bekannt. Er ist einer der verleumdetsten Staatsmänner der Welt, vielleicht mehr als jeder andere.
Er ist die am meisten gehasste Person in Israel. Die vom rechten Flügel wetteifern mit denen vom linken, wie sie diesen Hass am besten ausdrücken können. Es gibt kaum einen Artikel eines israelischen Linken, der nicht ein paar Worte des Abscheus über ihn enthält.
Er ist der bewundertste und geliebteste Führer seines eigenen Volkes und anscheinend auch der bewundertste Führer der Massen der arabischen und muslimischen Welt.
Gar nicht übel für einen Menschen, der 74 Jahre alt wird.

Der Titel, der seinem Namen meistens hinzugefügt wird, ist „Symbol“. Selbst die palästinensischen Oppositionsgruppen nennen ihn „Das Symbol des palästinensischen Volkes“. Das stimmt, ist aber auch irreführend.
Irreführend deshalb, weil eine „symbolische“ Person gewöhnlich jemand ist, für den Denkmäler errichtet werden oder dessen Photos die Mauern zieren. Der Präsident von Israel ist ein Symbol, wie auch die Präsidenten von Deutschland und Italien, während Arafat ein sehr aktiver Führer ist, der die palästinensische Szene beherrscht.

Trotzdem passt der Titel auch zu ihm. Arafats Lebenslauf vom Anführer einer winzigen Gruppe von Flüchtlingen bis zum gegenwärtigen Stand, in der die ganze Welt die Idee eines palästinensischen Staates unterstützt, symbolisiert den palästinensischen Überlebenskampf. Keiner symbolisiert die Lage des palästinensischen Volkes, sein Leiden, seine Entschlossenheit und seinen Mut mehr als der Mann im belagerten Mukata’ah, einem Gefängnis innerhalb eines Gefängnisses (Ramallah), innerhalb eines Gefängnisses (alle palästinensischen Gebiete).

Viel ist schon über sein frühes Leben geschrieben worden, über seinen Vater, einen Kaufmann aus Gaza, der nach Ägypten übergesiedelt ist; über seine Mutter, die starb, als er noch ein kleines Kind war; über seine Kindheit in der Familie seiner Mutter in Jerusalem.
In letzter Zeit erzählt Arafat wiederholt seinen Gästen – Palästinensern, Israelis und Ausländern – von jenen glücklichen Jahren, als er mit jüdischen Kindern in der Nähe der Klagemauer spielte. Die Jahre mit der Familie seines Vaters scheinen viel weniger Nostalgie zu wecken.
Er erinnert die Leute gern daran, dass er Ingenieurwissenschaften studiert hat. Er führt sein legendäres Gedächtnis – besonders für Zahlen und Fakten – auf seinen Beruf zurück. Mehr als einmal korrigierte er mich, wenn es sich um Zahlen handelte: wie viele ultra-religiöse Mitglieder in der Knesset seien, wie viele Prozente genau von der Westbank Sharon als „schmerzhafte Konzessionen“ den Palästinensern zu „geben“ bereit sei.

Seine politische Karriere begann in der Palästinensischen Studentenvereinigung in Kairo. Diese gewann historische Bedeutung, als er in den späten Fünfziger Jahren die Fatah-Organisation gründete - die erste palästinensische Befreiungsbewegung seit der Katastrophe von 1948.

Befreiung – von wem? Nun offensichtlich von Israel. Aber in Wirklichkeit auch von der Vorherrschaft der arabischen Führer. Es ist unmöglich, Arafat zu verstehen, ohne dieses wichtige Kapitel seines Lebens zu kennen. Damals diente die palästinensische Sache als Fußball im inter-arabischen Spiel. Jeder arabische Herrscher instrumentalisierte sie, um seinen Anspruch auf die Führung der arabischen Welt zu verstärken und seine Konkurrenten zu schlagen. Gamal Abd-al-Nasser in Ägypten, Abd-al-Karim Kassem im Irak, der junge König Hussein in Jordanien und ihre Kollegen in Saudi Arabien, Marokko und den andern Ländern – jeder behauptete, er sei der Verteidiger des palästinensischen Volkes, während er gnadenlos jedes Anzeichen einer unabhängigen palästinensischen Aktion im eigenen Lande unterdrückte. In den Augen Arafats und seiner Genossen wurde deshalb die Unabhängigkeit der palästinensischen Beschlussfassung zu einem heiligen Ziel.

Fatah wurde in diese Realität hineingeboren. Arafat und seine Gruppe wollte die palästinensische Sache den Händen der arabischen Herrscher entreißen. Die neue Bewegung hatte keine Macht, kein Geld, keine Waffen. Sie hatte nirgendwo eine freie Basis. Ihre Aktivisten konnten von den Geheimdiensten jeder arabischen Regierung gefangen genommen werden, wenn sie nicht den Befehlen der lokalen Diktatoren gehorchten. Dies geschah viele Male. Der Höhepunkt wurde erreicht, als der syrische Diktator die ganze Fatah-Führung, einschließlich Arafat, ins Gefängnis warf. Nur die Frau von Abu Jihad, Umm Jihad (jetzt die Ministerin für Soziale Angelegenheiten in der palästinensischen Regierung) wurde draußen gelassen; sie übernahm das Kommando der Fatahkräfte.

Damit die Bewegung überlebte, musste Arafat zwischen den Führern manövrieren, Leuten schmeicheln, die er verachtete, sich Führern anbiedern, die sich nicht im geringsten für die Sache der Palästinenser interessierten. Wie eine bedeutende palästinensische Persönlichkeit mir erzählte: „Für das Überleben unseres Volkes musste er heucheln, lügen, tricksen, sich zweideutig ausdrücken, Listen anwenden. Es war damals, als die für Arafat typische Redeweise sich entwickelte.“

Trotz der Sabotage durch die arabischen Regime wuchs mit Hilfe dieser Methoden die Macht der Fatah langsam. Um sie zu blockieren und die Palästinenser den ägyptischen Interessen zu unterwerfen, initiierte Abd-al-Nasser die Gründung der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) und ernannte den alternden und ineffektiven Demagogen Ahmad Shukeiri zu ihrem Führer. Aber der Juni-Krieg 1967 zerstörte die Achtung gegenüber den Herrschern in Kairo, Amman und Damaskus. Die Schlacht von Karameh (1968), in der die Fatahkämpfer - von Arafat persönlich geführt - einen Sieg gegen das israelische Militär, das sie vernichten sollte, errangen, ließ das Prestige der Fatah himmelhoch anwachsen. Nachdem drei arabische Armeen schmachvoll durch Israel besiegt wurden, hatten sich die Kämpfer der Fatah heroisch halten können. Die Folge davon: Fatah übernahm die PLO, der 39jährige Arafat wurde der Führer der Nation.

Alle arabischen Herrscher, mit denen sich Arafat damals konfrontieren musste, sind inzwischen gestorben oder wurden ermordet - allein Arafat bleibt.

Vielleicht liegt seine größte Leistung als nationaler Führer in seiner Fähigkeit, die Palästinenser zusammenzuhalten.

Die meisten Befreiungsbewegungen haben Bruderkriege gekannt, bittere Abspaltungen und verzweifelte innere Kämpfe. Der vorstaatliche hebräische Untergrund hat auch die Bruderkriegs-Saison gekannt und den blutigen Altalena-Zwischenfall. Aber die Palästinenser, deren Situation unvergleichlich schwieriger war, wurden vor diesem Los bewahrt.

Fast alle anderen Bewegungen wuchsen aus der Bevölkerung, die auf ihrem Land lebte, unter einem fremden Regime. Das palästinensische Volk jedoch war in einem Dutzend Länder zerstreut, alle unter unterdrückerischen Diktaturen. Der Name Palästina war gänzlich von der Landkarte verschwunden – und selbst die Palästinenser, die in ihrer Heimat geblieben waren, lebten unter gewaltsamen Herrschern – zunächst unter den Jordaniern und Ägyptern, dann unter dem israelischen Militärgouverneur.

Als die PLO wuchs, versuchten alle arabischen Regierungen Einfluss auf sie auszuüben. Damaskus, Bagdad, Riad, Kairo gründeten - zusätzlich zu Moskau - palästinensische Organisationen, um ihre Agenden dem palästinensischen Volke aufzudrängen. Säkulare und religiöse, linke und rechte Organisationen versuchten ihr Spiel innerhalb der Bewegung zu spielen. Arafat musste mit allen fertig werden, manövrieren, schmeicheln, drohen, befrieden. So wurde er ein Altmeister dieser Kunst, vielleicht ihr hervorragendster Praktiker in der Welt.
Zur selben Zeit musste er den nationalen Kampf führen. Wie fast alle Führer der modernen Befreiungsbewegungen, von Garibaldi bis Nelson Mandela, glaubte er an den „bewaffneten Kampf“ (von den fremden Regimen immer „Terrorismus“ genannt). Die PLO-Organisationen führten viele blutige Attacken aus, viele von ihnen brutal, einige absolut monströs, auch wenn die meisten von diesen durch Organisationen geschahen, die gleichzeitig gegen Arafat kämpften. Alle PLO-Führer glaubten, dass der „bewaffnete Kampf“ notwendig wäre, in Anbetracht des großen Missverhältnisses zwischen der Militärmacht Israel und der fast unbedeutenden Macht der Palästinenser.

Arafat selbst ist nach den Aussagen seiner Mitarbeiter weit davon entfernt, grausam oder blutdurstig zu sein. Nur in seltenen Fällen bestätigte er die Todesstrafe und nur dann, wenn die Forderung der Öffentlichkeit unnachgiebig war. Die Zahl der in seinem Bereich ausgeführten Exekutionen ist unvergleichlich kleiner als im Texas des früheren Gouverneurs George W. Bush.

Kaum ein Experte in der Welt leugnet, dass die Palästinenser ohne den „bewaffneten Kampf“ nichts erreicht hätten, ja dass sie längst ihre Heimat verloren hätten. Sie glauben, dass die gewalttätigen Angriffe das palästinensische Volk in die Lage brachten, wieder auf der Weltkarte zu erscheinen und der PLO erlaubte, ihre historischen Erfolge zu erzielen: ihre Anerkennung als die „einzige legitime Vertreterin“ des palästinensischen Volkes zu sein, die Einladung in die UN, ihren internationalen Rang, das Oslo-Abkommen, ihre Rückkehr nach Palästina und die Schaffung des weltweiten Konsenses, der die Idee eines palästinensischen Staates unterstützt.

Aber Arafat sah den „bewaffneten Kampf“ nicht als ein Ziel an sich. Gewalt ist für ihn ein Mittel unter anderen.
Ende 1973 tat er etwas, was unter Führern selten ist. Nachdem er eine Revolution gemacht hat (die Schaffung der Fatah und den Beginn des „bewaffneten Kampfes“) initiierte er eine andere. (Jahre später machte Yitzhak Rabin etwas Ähnliches.)

Der Oktoberkrieg 1973 änderte sein strategisches Konzept. Bis dahin glaubte er, dass Israel mit Gewalt besiegt werden könne. Der palästinensische Kampf war zunächst dafür bestimmt, eine allgemeine militärische Konfrontation zwischen Israel und der arabischen Welt auszulösen, wie es 1967 geschah. Im Oktober 1973 wurde Arafat klar, dass diese Hoffnung in Wirklichkeit jeder Grundlage entbehrt. Die Armeen von Ägypten und Syrien griffen Israel tatsächlich an und erzielten anfangs Überraschungserfolge und einen überwältigenden Sieg. Aber innerhalb von zwei Wochen drehte die israelische Armee den Spieß um und näherte sich Kairo und Damaskus. Arafat – noch immer der rationale Ingenieur - zog den logischen Schluss: es gibt keine militärische Lösung.

Von da war es nur noch ein Schritt zur zweiten Schlussfolgerung: der palästinensische Staat kann nur durch Kompromisse gegründet werden – durch ein politisches Abkommen mit Israel. Er begann, daran zu arbeiten.
Die dafür notwendige Mühe war immens. Eine ganze Generation von Palästinensern sah in Israel einen monströsen Feind, der die Hälfte des palästinensischen Volkes aus seinen Häusern und von seinem Boden vertrieben hatte und fortfuhr, die andere Hälfte zu unterdrücken und zu enteignen. In dieser Zeit der Verzweiflung klammerten sich die Palästinenser an den Glauben, dass die pure Existenz Israels illegal sei, und dass es zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwie vernichtet werden würde. Arafat musste ihnen diesen Glauben nehmen und sein Volk dahin bringen, einen Kompromiss zu akzeptieren, der dem palästinensischen Volk nur 22% seiner historischen Heimat lassen würde.

Er arbeitete daran, wie er es immer getan hat: mit unendlicher Geduld und Sensibilität gegenüber den Menschen, mit taktischen Manövern, Umwegen und Zweideutigkeiten. Er baute geheime Kontakte mit einer winzigen Gruppe von israelischen Friedensaktivisten auf, (von denen ich einer war), und hoffte, dass sie den Weg ins israelische Establishment ebnen würde. Er ermutigte einige seiner Leute (hauptsächlich Said Hamami und Issam Sartawi, die beide deshalb ermordet wurden), seine verborgenen Gedanken öffentlich auszusprechen. Er veranlasste den Palästinensischen Nationalrat, das Parlament im Exil, nach und nach seine Resolutionen zu ändern. Bei diesen Bemühungen, die sich zwischen 1974 und 1988 vollzogen, wurde er hauptsächlich von Abu Mazen unterstützt.

Zu jener Zeit war Yitzhak Rabin noch ein extremer Gegner eines Friedensabkommens mit den Palästinensern, und Shimon Peres war der Pate der Siedlungen. Beide vertraten die „Jordanische Option“. Wenn jemand den Friedensnobelpreis für das Oslo-Abkommen verdient hat, dann war es Arafat.

Eines der Attribute, die ihn den Palästinensern teuer machen, ist sein ungewöhnlicher Mut.
Als Ariel Sharon 1982 in den Libanon einfiel, um die Palästinenser zu vertreiben und ihren Führer zu töten, hätte Arafat sich leicht beizeiten aus Beirut absetzen können. Dies wäre von jedem als verständlicher Schritt akzeptiert worden. Aber er blieb mit seinen Kämpfern bis zum letzten Tag in der belagerten Stadt. Nach einer langen Schlacht verließen seine Männer mit erhobenem Kopf und mit ihren Waffen – von Arafat angeführt – Beirut.

Eine andere, fast vergessene Episode brachte ihm sogar noch mehr Bewunderung ein. Ein Jahr nach dem Auszug aus Beirut griffen die Syrer und ihre Agenten die palästinensischen Kräfte in den nordlibanesischen Flüchtlingslagern bei Tripoli an. Damals war Arafat gerade Gast der UN in Genf. Er tat etwas fast Unglaubliches: im Geheimen kehrte er in den Libanon zurück, schlüpfte in das belagerte Flüchtlingslager und verließ dieses schließlich mit den Kämpfern, die sich auch diesmal nicht ergaben.

Fast immer schwebte er in Lebensgefahr; denn ein Dutzend Geheimdienste versuchte, ihn zu töten. Er überlebte mehrere Mordversuche. Einmal entkam er aus größter Lebensgefahr, als sein Flugzeug mitten in der Wüste unter schwierigen Bedingungen notlanden musste. Seine Leibwächter kamen dabei ums Leben.

Mitten in der Schlacht von Beirut fragte ich ihn, wo er wohl hingehen würde, wenn er lebend herauskäme. Ohne zu zögern, sagte er: „Natürlich nach Hause!“ Zwölf Jahre später – an seinem ersten Tag in Gaza - flüsterte er mir zu: „Erinnern Sie sich daran, was ich in Beirut sagte? Nun bin ich hier.“

Als Chef der neuen Palästinensischen Behörde war er mit einer der schwierigsten Aufgaben seines Lebens konfrontiert. Er sah sich einer Herausforderung gegenüber, die jeder anderen Befreiungsbewegung unbekannt war: er sollte eine Art Staat aufbauen, während der Befreiungskampf noch in vollem Gange war.

Zusammen mit Arafat kehrten auch die Veteranen des Kampfes zurück, die verständlicherweise glaubten, dass es ihr Recht sei, die Nationale Behörde mit zu kontrollieren. Dasselbe beanspruchte auch die junge Generation von Kämpfern, die während der Intifada herangewachsen war - in Gefängnissen und im Untergrund. Dasselbe wurde auch von den Tausenden von ausgebildeten Fachkräften gefordert, die an den Universitäten überall in der Welt studiert hatten. (Einer von ihnen sagte mir: „ OK, zeichnet all die Kämpfer mit Medaillen aus! Der Staat aber muss von Leuten regiert werden, die dafür ausgebildet sind“.) Arafat musste „den Kuchen“ unter ihnen aufteilen sowie unter Leute der christlichen Minderheit, unter Frauen und Vertretern der verschiedenen Regionen und - besonders wichtig - unter die Vertreter großer Clans, die die palästinensische Gesellschaft seit Jahrhunderten beherrschen und ohne die man nicht regieren kann. Alles zusammen genommen, eine fast unmögliche Aufgabe.

Man kann nicht sagen, dass die Errichtung der Palästinensischen Behörde ein ausgesprochener Erfolg war. Aber in Anbetracht des in der Sache liegenden Druckes hat Arafat keine so schlechte Arbeit geleistet.
Einer der Schwachpunkte war, dass die neue Verwaltung zentralisiert war. Während des jahrzehntelangen Kampfes war Arafat daran gewöhnt, alleine und schnell zu entscheiden. Seine Mitarbeiter ließen ihn allzu willig die historischen Entscheidungen, die Mut und persönliches Risiko verlangten, selbst zu übernehmen. Die meisten seiner engsten Kampfgenossen waren während des Kampfes getötet worden, einige von Israel, einige von dem irakischen Agenten Abu Nidal und andere wie er. Wie alle Führer, die lange Zeit im Zentrum innerer Machtkämpfe und der Verantwortung standen, ist Arafat einsam und misstrauisch geworden.

Einige palästinensische Persönlichkeiten glaubten, dass mit der Einrichtung der Behörde der Kampf zu einem Ende gekommen sei. Sie begannen damit, ihren eigenen persönlichen Interessen nachzugehen, einige wurden korrupt, indem sie sich den Normen der Nachbarländer (und nicht nur dieser) anglichen. So erhob sich in der palästinensischen Öffentlichkeit Verstimmung. Israelische Linke begannen, die „korrupte Behörde“ zu verurteilen, die offizielle israelische Propagandamaschine nahm die Geschichte auf und verbreitete sie fröhlich in der ganzen Welt. Dies schadete der palästinensischen Sache während einer sehr schwierigen Zeit.

Aber nicht der leiseste Verdacht konnte Arafat selbst angehängt werden. Während Ariel Sharon im Begriff ist, in einem Morast von Korruptionsaffären zu versinken, und führende Politiker wie Helmut Kohl in Deutschland und Jacques Chirac in Frankreich in größeren Skandalen eine Rolle spielen, bleibt Arafat außerhalb eines solchen Verdachtes. Weder seinen Gegnern zu Hause noch den israelischen Geheimdiensten gelang es, „Schmutzflecken“ zu entdecken. Er führt ein sehr einfaches Leben, hat kein eigenes Haus, seine Kleidung besteht aus seiner Khakiuniform.

Während seines Lebens hat Arafat viele Fehler gemacht. Er mag seine Opposition gegenüber der Sadat-Initiative 1977 übertrieben haben, indem er dem Druck seiner wütenden Mitarbeiter nachgegeben hat. Seine Unterstützung für Saddam Hussein während des 1. Golfkrieges war ein größerer Fehler, der teuer bezahlt werden musste. Mehr als einmal irrte er sich bei der Auswahl der Mitarbeiter und Vertrauten.

Aber gegenüber seinem eigenen Volk ist er der einzige Führer geblieben, dem bedingungslos vertraut werden kann. Ausländer können dies nicht verstehen. Sie finden es merkwürdig, dass dieselben Attribute, die ihn für viele Leute im Westen verhasst machen, ihn zu einem Helden seines Volkes werden lassen.

Zum Beispiel: als Arafat in Camp David (2000) ein klares „Nein!“ zu den Vorschlägen von Ehud Barak und Bill Clinton sagte, wurde er von den meisten im israelischen „Friedenslager“ verurteilt. Aber mit palästinensischen Augen gesehen, war dies der Inbegriff von Mut und des nationalen Stolzes. Als er zum Gipfeltreffen ging, fürchteten viele Palästinenser, dass er in eine Falle ginge, und dass er nicht die Kraft haben würde, sich da herauszuziehen. Es war klar, dass die „großzügigen Vorschläge“ von Barak nicht dem Minimum entsprachen, das für Palästinenser annehmbar war. Als er zurückkam, ohne nachgegeben zu haben, wurde er wie ein Held empfangen.

Nun sind die Palästinenser bereit, Abu Mazen, der davon überzeugt ist, dass er Konzessionen von Israel und den US erhalten kann, einigen Glauben zu schenken. Abu Mazen ist ein alter Mitarbeiter von Arafat und wird von der Öffentlichkeit geachtet. Aber kein Palästinenser kann sich vorstellen, ihm das Schicksal der Nation anzuvertrauen.

Nur eine Person erfreut sich dieses Vertrauens: der belagerte Mann im Mukata’ah. Er bleibt der letzte Schiedsrichter.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

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Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1994 an Jassir Arafat

 

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