Augenwischer oder
Doppelmoral oder Eine Frage der Ehre
Von
Johannes Zang
19. April 2004
„Sharraf“ heißt
Ehre auf arabisch. Weder Sharon noch Bush scheinen die Bedeutung dieses
Wortes für die arabische Gesellschaft zu kennen. Jedenfalls trampeln die
beiden immer wieder auf ihr herum. Nun hat der israelische Premier den
Palästinensern, denen 1947 noch neunzig Prozent des „Britischen
Mandatsgebietes Palästina“ gehörten, weiteres Land von den restlichen 22
Prozent des Flickenteppichs Palästinas abgeluchst. Ohne mit ihnen selbst
zu reden. Dafür gibt es ja Bush. Ihn habe er überzeugen können, dass es
keinen Sinn mache, für einen umfassenden Frieden tatenlos auf die
Friedensfähigkeit der Palästinenser zu warten. Ist er selbst denn
friedensfähig? Warum hat er vor zwei Jahren die sensationelle
saudi-arabische Friedensinitiative so eifrig überhört? Und wo bitte schön
hat er die vertrauensbildenden Maßnahmen, die er gebetsmühlenartig von der
Gegenseite gefordert hat, selbst erbracht? Hat er den Palästinensern ein
Licht am Ende des Tunnels aufgesteckt? Oder den Tunnel verlängert? Warum
darf Israel Resolutionen der Vereinten Nationen, sogar die des
Sicherheitsrats, folgenlos ignorieren – im Gegensatz zum Irak?
Als „Triumphator“ sei Sharon von seiner
USA-Reise zurückgekehrt. Ist die Behauptung, „seine Pläne würden die
Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern abbauen“, Ausdruck der
sprichwörtlichen „chuzpe“, also von Unverschämtheit? Reuven Moskovitz,
israelischer Träger des Aachener Friedenspreises 2003, nennt Sharon seit
langem „Israels König der Lügner.“ Binnen vier Wochen hat die angeblich
„einzige Demokratie im Nahen Osten“ (Selbstdefinition) nicht nur neue
palästinensische Wut entfacht, sondern mit dem Abschuss eines Geistlichen,
des gelähmten Scheichs Yassin womöglich gesamt-islamische Vergeltungssucht
genährt. Hoffentlich müssen Israelis und Juden dafür nicht büßen.
Die USA hat sich ein für allemal als
Mittler im Nahostkonflikt disqualifiziert. Denn sie stehen nicht in der
Mitte. Hoffentlich hat die EU das Rückgrat, um von Israel ohne Wenn und
Aber das Ende der Besatzung des palästinensischen Volkes einzufordern. Und
die überfällige Umsetzung von UN-Resolutionen. Sonst wird uns die
arabische und die restliche Welt zu Recht eine Politik der Doppelmoral
vorwerfen. Moskovitz, der um die deutsche Befangenheit gegenüber Israel
weiß, wünscht sich „einen deutschen Emile Zola“. Einen, der „mutig jede
Unterdrückung und mörderische Politik anprangert.“ Wo ist er? Es steht
viel auf dem Spiel. Nein, alles! Die Sicherheit von Mosche in Tel Aviv
ebenso und Mustafa in Bethlehem. Die von Bob in Denver oder Hans in
Hamburg.
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