Italienische
Verhältnisse in Israel
Der „Hardliner“ Scharon ist nicht mehr hart genug – Spekulationen
über Neuwahlen
DT vom 21.08.2004
Von Johannes Zang
(Jerusalam.info
- Die Wort- und Bildwerkstatt)
„Likud“ heißt übersetzt „Einheit, Einigkeit“. Genau das aber fehlt
Scharons Partei bei der Frage, ob sich Israel aus dem Gazastreifen
zurückziehen soll. Die oppositionelle Arbeitspartei jedoch
unterstützt den Rückzugsplan des israelischen Premierministers. Und
da Scharon im Regierungskabinett eine Mehrheit dafür braucht, wollte
er die Arbeitspartei mit ins Boot holen. Der erste Schritt dazu
sollte am Mittwoch erfolgen.
Doch dieses Vorhaben endete für Scharon mit einer Niederlage. Nur
drei Monate nach der Ablehnung des Rückzugsplans hat sich der Likud
mit 843 gegen 612 Stimmen gegen einen Regierungsbeitritt der
sozialdemokratischen Arbeitspartei ausgesprochen. Auch Scharons
Vorschlag, Gespräche mit jeder „zionistischen Partei“ aufzunehmen,
wurde mit 765 zu 753 Stimmen zurückgewiesen. Trotzdem will er am
geplanten Abzug aus dem Gazastreifen und der Bildung einer neuen
Koalition festhalten. Scharon werde versuchen, ein „starkes,
stabiles“ Regierungsbündnis aufzubauen, sagte ein
Regierungssprecher. Der israelische Regierungschef sagte allerdings
schon zuvor, er werde sich nicht an den Parteitagsbeschluss gebunden
fühlen.
Dabei hatte Scharon vor einer Woche mit der Ausschreibung für den
Bau von tausend neuen Wohnungen im Westjordanland den Gegnern einer
Koalition mit der Arbeitspartei den Wind aus den Segeln nehmen
wollen. In seiner Ansprache am Mittwoch warf er ihnen vor, eine
„rebellische, extremistische und unverantwortliche Opposition“ zu
sein. „Im Leben einer Nation gibt es Momente, in denen schwere
Entscheidungen getroffen werden müssen“, ermahnte er sie. Doch das
Lager der parteiinternen Gegner um den früheren Ministerpräsidenten
und jetzigen Finanzminister Benjamin Netanjahu schoss mit Warnungen
zurück. Da hieß es, dass eine Koalition mit der Arbeitspartei Arafat
auf die internationale Bühne zurückbringen, die Wirtschaft schädigen
und schließlich Jerusalem teilen würde.
Die Arbeitspartei verurteilte den Beschluss des Parteitags. Likud
mache damit alle Chancen auf ein Ende der Gewalt im Nahen Osten
zunichte, hieß es. Die Fraktionsvorsitzende Dalia Itzik sagte, das
Ergebnis der Abstimmungen stelle den geplanten Rückzug in Frage und
bedeute wahrscheinlich Neuwahlen. Auch ein hochrangiger Vertrauter
des Regierungschefs schloss gegenüber der Nachrichtenagentur AFP
nicht aus, dass Scharon innerhalb von sechs Monaten vorgezogene
Neuwahlen ansetzen könnte. Der israelischen Tageszeitung „Ma’ariv“
zufolge könnte sich Scharon dabei mit einer neuen Partei
präsentieren. In der Zeitung „Ha’aretz“ befassen sich gleich drei
Beiträge mit der Analyse des Sonderparteitags. Dass Scharon seine
Ansichten ändere, um Gefallen bei genau dieser – als „links“
geltenden – Zeitung zu finden, wirft ihm Industrie-, Handels- und
Arbeitsminister Michael Ratzon vor.
Die politische Landschaft vor einem Generationswechsel
Ein andere Zeitung, „Die Jüdische“, fragte, ob „Scharon am Ende der
politischen Laufbahn?“ sei. Im Leitartikel sieht Samuel Laster den
Likud jedenfalls „vor einer Zerreißprobe“, in der Politik Israels
einen bevorstehenden „Generationswechsel“ und das ganze Land „an der
politischen Zeitenwende“. Benjamin Netanjahu und Silvan Schalom, der
jetzige Außenminister, repräsentierten die nächste Generation, so
Las-ter. Der eine sei ein „rücksichtslos scheinender Thatcherist“,
der andere ein „smarter Aufsteiger“ der Sefardim, der orientalischen
Juden. Und auch Laster ist sicher, dass es Neuwahlen geben wird –
„außer die beiden mythologischen Figuren Schimon Peres und Ariel
Scharon zaubern neue Hasen aus dem Hut.“
Der Likud, der im Oktober 1973 aus vier konservativen Parteien
entstand, stimmte im Mai 2002 gegen einen palästinensischen Staat –
egal unter welchen Bedingungen. Dies ging damals auf einen Vorschlag
von Netanjahu zurück, gegen den klaren Rat von Scharon. Ob Netanjahu
bei Neuwahlen als Likud-Kandidat zurückkehrt, ist seit Mittwoch
nicht mehr ausgeschlossen
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