Liebe Felicia, lieber Moshe und liebe,
verehrte Freunde der Erich-Maria Remarque-Gesellschaft
wir sind heute hier - im
historischen Friedenssaal in Osnabrück - versammelt, um dich
Felicia als Ehrenmitglied in die Remarque-Gesellschaft
aufzunehmen, und die Freunde der Remarque-Gesellschaft baten
mich, die Laudatio zu halten, weil ich dich am längsten kenne.
Zunächst möchte ich sagen,
dass es nicht die 1. Ehrung ist: du bekamst 1990 den
Alternativen Friedensnobelpreis in Stockholm, und vorher den
Hans Litten-Preis in Berlin, danach den
Kreisky-Menschenrechtspreis in Wien und vor zwei Jahren den
Erich-Mühsam-Preis, - und nun ist es schön, dich hier als
Ehrenmitglied der Remarque-Gesellschaft begrüßen zu dürfen.
Es sind tatsächlich fast 25
Jahre, dass ich dich kenne – deshalb möchte ich zunächst
etwas Persönliches sagen. Durch einen kleinen Artikel in einer
kirchlichen Zeitschrift erfuhr ich das erste Mal etwas von dir
und deinem ungewöhnlichen Engagement: Eine jüdisch-israelische
Anwältin setzt sich für die Palästinenser ein. Das ließ mich
aufhorchen: Hier scheint ein Mensch zu sein, der spürt und weiß,
was es bedeutet, wenn man unter einer unterdrückerischen
Besatzung lebt.
Ich nahm mir vor, diese Anwältin bei
meiner nächsten Reise nach Israel-Palästina aufzusuchen..
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Es ist das pal. Volk,
das unter israelischer Besatzung lebt und leidet; denn die
israel. Gesellschaft ist die eine Seite --- und die pal.
Gesellschaft ist die andere. Beide Gesellschaften lebten
damals schon getrennt – und nun durch die 8m hohe Mauer erst
recht - und wissen kaum etwas von ein einander. Es ist
Apartheid sogar eine noch schlimmere als die in SA, sagte
Bischof Tutu.
Als palästinensische
Arbeiter irgendwo auf dem Bau, auf der Straße, in einem
Restaurant arbeiteten, hat man sie nicht nur wie
Billiglohnarbeiter, sondern wie Luft behandelt. Die Photographin
Rachel Avnery hat dies einmal in einer Photoausstellung deutlich
gemacht. Sie nannte die Ausstellung „Die Unsichtbaren“ .
Wie ist es nun möglich,
dass es da eine israelische Anwältin gibt, die sich genau um
diese „Unsichtbaren“ bzw. um die in isr. Gefängnissen sitzenden
Palästinenser kümmert? Die Antwort fand ich in deinem Buch:
„Zorn und Hoffnung“. In den ersten Kapiteln erzählst du von
deiner Kindheit und Jugend:
Du musstest 1939 neun
jährig mit Deinen Eltern vor den Nazis aus der polnischen
Stadt Tarnow nach Russland fliehen und dort hast mit den Eltern
6 lange Jahre eine unglaublich harte Zeit als Flüchtling
erlebt: gehungert, gefroren, im Winter ohne Schuhe und
schließlich dann noch den geliebten Vater verloren, der von
Zwangsarbeit, Krankheit und Hunger geschwächt dort starb; er war
bis zuletzt noch Dein Lehrer; denn ohne Schuhe konntest du ja
keine Schule besuchen.
Doch was das Kind Felicia
an sich und seinen Eltern an Ungerechtigkeit, Diskriminierung,
und Verfolgung erlebte, prägte sich tief in seine Seele ein. -
Felicia , du weißt also sehr wohl, was Entmenschlichung,
Ungerechtigkeit und Armut heißt und wie man als mittelloser
Flüchtling lebt – obwohl deine Familie vor der Flucht eine gut
betuchte Familie war.
Nach dem Krieg hast du in
Breslau nicht nur die Schule mit Abitur abgeschlossen , sondern
auch
Mosche Langer geheiratet,
der 5 KZs durchlitten und wie ein Wunder sie überlebt hat.
Seit 60 Jahren ist er Deine
psychische und physische Stütze.
1950 seid Ihr Deiner Mutter
nach Israel gefolgt. Nachdem Michael Euer Sohn zur Schule ging,
konntest du es dir endlich leisten, den lang gehegten Wunsch zu
erfüllen, nämlich mit dem Jura-Studium beginnen.
Viele Jahre später hatte
ich die Möglichkeit, Dich in deiner Anwaltspraxis in Jerusalem
zu erleben. 1992 durfte ich dich ins Flüchtlingslager Deheishe
bei Bethlehem begleiten und danach machten wir noch einen
Kondolenzbesuch in Jebel el-Mukabr ( Vorort von Jerusalem), wo
eine Familie gerade 2 ihrer Söhne durch das isr. Militär
verloren hatte, . Was mir am meisten bei diesen Besuchen
auffiel, war, dass Du wie eine Schwester von den
palästinensischen Familien aufgenommen wurdest – offiziell
waren sie doch Deine Feinde. Und hier erlebten wir eine solche
Herzlichkeit – trotz der Trauer, die auf der Familie lag.
Hier sah ich mit eigenen
Augen, was du an vielen Beispielen in deinen Büchern beschreibst
– du wurdest vielen Palästinensern, die du vor Gericht vertreten
durftest, wie eine Schwester
Und nun möchte ich ein
wenig von dem wiederholen, was ich 1990 schon in Stockholm
sagte, als sie den Alternativen Nobelpreis erhielt - denn was
ich damals über zu Felicia auf englisch sagte, ist noch immer
gültig - auch wenn sich vieles an der Situation in Israel und
Palästina leider zum Schlimmeren, zum viel Schlimmeren hin
verändert hat :
Im Gazakrieg hat sich z.B.
vor einem Jahr ein Wort Erich-Maria Remarques („Wann wird
zum Mord, was man sonst Heldentum nennt“)
realisiert: der tausendfache Mord an Zivilisten wurde –
unbegreiflich - von israelischen Soldaten tatsächlich als
Heldentum gefeiert – wie später bekannt wurde .
Quasi als Gegenwort
möchte ich nun - wie in Stockholm - das Wort eines
jüdischen Weisen, (von Rabbi Nathan) aus dem 4. Jhdt stellen:
„Wer ist ein Held? Der aus Feinden
Freunde macht….“
Liebe Felicia heute ist eine der seltenen
, erfreulichen Gelegenheiten, und für mich eine große Ehre
an diesem besonderen Ort Worte der Achtung und des Lobes an
dich zu richten.
Und ich denke, es ist mir
nicht nur erlaubt, sondern ich bin dazu verpflichtet, diese
Laudatio auch im Namen Unzähliger anderer innerhalb und
außerhalb Israel/ Palästinas zu tun: es sind die, denen du 23
Jahre deines Lebens , deiner Kraft, mit deinem juristischen
Wissen und deinem Mitgefühl gewidmet hast, um ihr Leben unter
israelischer Besatzung zu erleichtern. Und es sind viele – hier
von den ca 2000 nur ein paar Namen -, Hamsi Tukan, Nabil,
Ahmed, Qasim, Fahmi, Subhi, Naziha, Hanna, Yussuf, Muhammad,
Abdallah, Bashir, Khaled, Walid El-Arda, Fuad al-Atrash, Abu
Taher und viele andere – wenn diese Namen auch uns nichts
sagen…So bist du mit jedem durch bes. meist unerfreuliche
äußere Umstände im Gefängnis und vor Gericht verbunden … und
mit dem einen oder anderen hast du noch heute Kontakt.
Ich hatte oft Gelegenheit
, mit jüdischen, israelischen und palästinensischen Freunden ,
zu sprechen. Als ich ihnen sagte, dass du in Stockholm eine
besondere Ehrung erhältst, sagten alle: „sie hat es verdient.“
Inzwischen bist du nicht nur Ehrenbürgerin von Nazareth,
sondern gehörst auch zu den 50 wichtigsten Frauen Israels, wie
eine Umfrage vor ein paar Jahren ergab.
Vor 25 Jahren las ich
Dein 1.und 2. Buch „Mit eigenen Augen“ und „Dies sind meine
Brüder“ und war sehr beeindruckt , auch von deiner Ehrlichkeit
Dann bekam ich durch Zufall die Gelegenheit, Dein Buch : „ Die
Zeit der Steine“ zum Übersetzen.
Und - ich lernte dich
durch deine israelischen und arabischen Kollegen/ Kolleginnen
wie Lea Tzemel, durch Linda Brayer, den pal. Anwalt Na’amni
in Arrabe kennen und durch einige, die du vor Gericht vertreten
hast. Schließlich sah ich dich auch in deiner Anwaltspraxis in
Jerusalem mit einigen Deiner Klientel und Deiner
palästinensischen Sekretärin zusammen arbeiten. Ich erlebte dich
in Nazareth im Zusammenhang mit der internationalen Tagung :
„Time vor Peace 1989/90“.
An Deinem letzten Tag in
Büro fühlte ich – wenn auch wieder weit entfernt, wie schwer es
für dich ist, diese große, verantwortliche und schwere Aufgabe,
Menschen, die ihr Vertrauen in dich setzten, nicht mehr vor
Gericht vertreten zu können, weil die israelische Militärjustiz
immer mehr ihren legalen Status verloren hatte und die
sogar noch stärker strafte, die dich als Anwältin aussuchten.
In Nazareth sagtest du im Rahmen der Konferenz – „Die
Militärjustiz ist nur mehr eine Farce“ ja, eine Farce !!---
wie solltest du, wie kann man mit solch einer Justiz
weiterarbeiten?
Also hast du dein
Anwaltsbüro in Jerusalem aufgegeben – um auf andere Weise der
Welt zu sagen, was in Israel tatsächlich geschieht, dass z.B.
in den Gefängnissen gefoltert wird – und das seit Anfang an
bis heute …
Ja du wolltest mit deinen
Büchern das Gewissen der Menschen aufrütteln und Aufmerksamkeit
wecken gegenüber der brutalen Ungerechtigkeit, die - für dich
völlig unverständlich - von deinem eigenen gequälten Volk ---
einem anderen Volk angetan wird.
Deshalb hast du viele
Freunde – aber auch viele Feinde. In der Öffentlichkeit wurdest
du schon in Israel als „Verräterin“ oder als
„Terroristen-Anwältin“ denunziert. ( und wir haben dies in
diesem Sommer sogar hier in Deutschland erlebt, als einige
arrogante und fiese Leute dich fertig machen wollten, weil sie
dir das Bundesverdienstkreuz nicht gönnten – es ist ihnen zum
Glück nicht gelungen!) – ( Erich Fried hat es auf den Punkt
gebracht; denn er hatte anscheinend Ähnliches erlebt und darum
folgendes geschrieben:
Sie nennen mich Verräter am eigenen Volk
Sie nennen mich jüdischer Antisemit
Weil ich spreche von dem
Was sie tun in Israels Namen gegen
Palästinenser ….
Später einmal, wenn Juden, die
übrigbleiben
Wenn dieser Wahnsinn vorbei ist,
zu suchen beginnen
nach Spuren von Juden
die nicht mittaten, sondern warnten.
--- dann werden sie auch auf dich stoßen
Ich bin davon überzeugt
und hoffe es sehr – dass eines Tages Dein Volk Dir für alles,
was du getan hast, dankbar sein wird , dass es erkennen wird,
wie du versucht hast, zwischen beiden Völkern Brücken zu
schlagen, ja dass du eines Tages als „Heldin“ angesehen
wirst, weil du Feinde in Freunde verwandelt hast, wie es Rabbi
Nathan gesagt hat: „Wer ist ein Held? -- Der aus
Feinden Freunde macht.“ Und in dir begegnete ich das erste
Mal einer Jüdin, die dieses Wort konkret in die Tat umsetzte:
„ Wer ist ein Held? Der aus Feinden Freunde macht.“
Um dir eine Plattform für
weltweite Öffentlichkeit zu geben, haben Freunde die Nominierung
für den Alternativen Nobelpreis unterstützt, und so bekamst du
ihn 1990 auch – und nun bin ich sehr glücklich, dass du
nicht nur diesen und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
erhalten hast, sondern auch noch Ehrenmitglied der
Remarque-Gesellschaft der Friedensstadt Osnabrück geworden
bist. .
Wir wünschen und hoffen,
dass du mit Deinen Büchern immer mehr Herzen gewinnst, - dass
verantwortliche Persönlichkeiten mit Gewissen und Rückgrat,
die bis jetzt die Realität im israelisch-palästinensischen
Konflikt noch immer nicht erkannt haben, aufgerüttelt werden
und bereit sind, aktiv und konkret Frieden zwischen beiden
Völkern mit aufzubauen. Hier in Deutschland hast du inzwischen
einen größer werdenden Kreis geschaffen, der begreift, wie
gefährlich die Situation nicht nur für die Palästinenser,
sondern gerade auch für die Israelis selbst ist. Immer mehr
sagen: Israel zerstört sich mit dieser Politik selbst – und wer
ein Freund Israels ist, wird deshalb diese aggressive Politik
nicht gut heißen können, sondern muss die Menschenrechte
anmahnen und nach Wegen des Vertrauens und der Versöhnung suchen
.
„Wer ist ein Held? Der
aus Feinden Freunde macht“ --- das wäre ganz gewiss auch im
Sinne von Erich-Maria Remarque.
Danke!
Ellen Rohlfs