Reuven Moskovitz
„Ein Held
ist, wer seinen Feind zum Freund macht“ - Dr Reuven
Moskovitz fühlt sich dieser jüdischen Weisheit verpflichtet.
Dezember 2003
Der Holocaust im Dienst der Gewalt
und des Todes
....... Nach dem zweiten Weltkrieg war ein Teil der Welt
erschüttert über die Folgen des bestialischen National-Sozialismus.
Angesichts der einmalig schrecklichen Situation herrschte ein fast
einheitlicher Aufschrei: "NIE WIEDER"! Es darf der Menschheit nie wieder
Ähnliches passieren. Wesentlich anders war die Schlussfolgerung der
führenden israelischen Politiker. "Es darf uns Juden nie wieder
passieren. Damit es nie wieder passiert, müssen sich alle Juden in einem
jüdischen Staat konzentrieren und dafür sorgen, sich stark und
gewalttätig wehren zu können. Die Welt hat gleichgültig und herzlos
zugeschaut, wie die Juden abgeschlachtet wurden, und nur wir, der
Zionistische und Demokratische Staat Israel, entscheiden, was richtig
für unsere Sicherheit ist. Für diesen Zweck sind alle Mittel heilig“.
Ausser der militärischen Stärke, die Israel zur regionalen
Supermacht umwandelte, ist der Holocaust das wichtigste Mittel zum
Zweck. Diese Auffassung ist in der israelischen Öffentlichkeit heftig
umstritten gewesen. So zum Beispiel haben Martin Buber, Akiba Ernst
Simon und viele andere noch vor fünfzig Jahren vor der Gefahr gewarnt,
Sparta oder Preussen zu werden.
Neulich erschien in deutscher Sprache das Buch von Idith
Zertal "Nation und Tod. Der Holocaust in der israelische
Öffentlichkeit". Zertal ist in einem Kibbuz geboren und
zionistisch-sozialistisch erzogen worden. Sie schliesst sich der Kritik
von Hannah Arendt an, die die "Germanisierung der Israelischen Politik"
durch die Einspannung des Holocaustes an den Wagen der
nationalistisch-militaristischen Politik Israels mit Sorge verfolgt. Ein
kurzes Zitat aus ihrem Buch : "Mit Hilfe von Auschwitz - Israels
ultimativer Trumpfkarte bei seinen Beziehungen zu einer Welt, die immer
wieder aufs Neue als antisemitisch und auf ewig feindselig definiert
wurde - immunisierte sich Israel selbst gegen jedwede Kritik und
genehmigte sich einen quasi sakrosankten Status, verschloss sich einem
kritischen, rationalen Dialog mit seiner Umwelt".
Dieser Satz erläutert das Wesen der israelischen Politik
seit der Staatsgründung. Die Fusion zwischen Holocaust und aggressivem,
expansionistischem Militarismus, die Einbahnstrasse einer Politik, die
nur in eine Richtung führt: Möglichst viele Palästinenser zu vertreiben,
viel Land mit der zynischen Behauptung, es sei öffentliches Land, zu
enteignen, viele uralte Weinberge und Olivenhaine für Strassen zu
entwurzeln, auf denen nur die gewalttätigen Siedler fahren dürfen, um
sich auf den "befreiten"Gebiete unserer Vorfahren vor Jahrtausenden
niederzulassen. Diese Schandtat - als neue Siedlungen bekannt -
bezeichnet eine andere Fusion: Nämlich die Fusion zwischen Nationalismus
und faschistischem Klerikalismus. Bis 1977 herrschte ununterbrochen eine
säkulare Regierung mit einer zionistisch-sozialistischen Mehrheit.
Sozialisten, die mehr und mehr nationalistisch werden und den Staat
teilweise klerikal prägen, fördern die Ansiedlung von einem fanatisch
überhitzten Messianismus, der das Leben von armen und schwer schuftenden
Bauern zu einer Qual und Hölle macht. Die "Einbahnstrassenpolitik"
findet auch seinen Ausdruck in der scheinheiligen Behauptung, dass
– n a c h Hitler - diejenigen, die sich weigern, das Recht von
Juden anzuerkennen, sich in irgendeinem Teil von Eretz-Israel
niederzulassen, die antisemitische und rassistische "Judenreinpolitik"
untermauern. Warum eigentlich auch sollten Juden nicht in der Westbank
als friedfertige Nachbarn leben? Warum aber dürfen von Israel
vertriebene Palästinenser nicht in Israel leben? Ein Recht, das nicht
nach zweitausend Jahren verjährt, verjährt nicht nach fünfzig Jahren.
Nun zeigt sich aber der rassistische Haken: Ein Rückkehr von
Palästinensern wird unausweichlich die Sicherheit von Israel gefährden.
Unausweichlich aber kommt die Frage: Und was ist mit der
palästinensischen Sicherheit? Denn die meisten Siedler haben das Leben
in der Westbank zu einer Hölle gemacht. Kein Palästinenser heute ist
sich seiner Freiheit, seines Olivenhains, seines Hauses, seines
Vermögen und seines Lebens sicher. Eine die Menschen liebende und
Freiheit achtende Welt hätte längst diese gewalttätige Bande von Rowdies
als Verbrecher angeprangert. Wir aber sind ewige Opfer, ewig gefährdet
durch diese „ewig wilden Tiere, die man, wenn man sie nicht los werden
kann, hinter Mauern und Zäunen einsperren muss“.
Die
Schilderung aller Ungeheuerlichkeiten der "Einbahnstrassenpolitik"
sprengt den Rahmen dieses Artikels. Mit Bertolt Brecht kann man
behaupten, dass nur Menschen mit glatter Stirn, mit tauben Ohren, mit
geblendeten Augen und mit stumpfen Gefühlen es noch nicht erfahren
haben. Die "Ultimative Auschwitz -Trumpfkarte" funktioniert
ausgezeichnet. Sie schliesst zauberhaft den Mund und das Gewissen von
vielen anständigen Menschen in Deutschland, die mit ehrlicher Sorge und
Kummer verfolgen, wie Israel mit dieser "Trumpfkarte" sich in den
Abgrund steuert.
Man kann sich in Deutschland die Hände in Unschuld waschen
und das abgedroschene "Mantra" wiederholen: "Was können wir schon mit
unserer Vergangenheit tun"? Die Achse aber von Bush / Sharon arbeitet
und das sehr wirksam. Der neuer Spin - von Sharon und von Bush genehmigt
- heisst "Einseitiger Rückzug aus Gaza". Er fegt alle UNO - Beschlüsse
samt der "Roadmap" In den Papierkorb. Mehr als drei Millionen
Palästinenser werden in einem riesen Käfig eingesperrt, mit Sicherheit
aber nicht der Terror.
Der fusionierte Terror von "el-Kaida" und" Hamas" bleibt
nicht vor den Toren Europas stehen. Sagt bitte bloss nicht wieder, es
nicht gewusst zu haben.
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Dezember 2003
Liebe Freundinnen und Freunde,
Das Jahr 2003 war, was mich
persönlich und meine Familie betrifft, ein beglückendes und schönes
Jahr. Der Kreis von Freunden und Bekannten hat sich sehr ausgeweitet und
ich kann eine lange Liste von Menschen und gute Freunde aufzählen, die
ich, leider, nicht öfter begegnen kann. Meine Friedens und
Versöhnungsbotshaft hat durch meine Jahresbriefe und viele gut besuchte
Auftritte, Tausende von Menschen erreicht. Beim ökumenischem Kirchentag
bin ich, unterstützt und organisiert von einigen unermüdlicheren
Freunde, wie Hanja Van Dyck, Dorothea Tettenborn, Hans Bender, Macky
Gabriel, Reiner Dalchow, Jörg Machel, Hermann Sieben, und vielen
anderen, in mehr als ein
Dutzend Veranstaltung aufgetreten. Die dritte Auflage meines Buches ist
vergriffen und ich habe eine Vierte bestellt. Die Höhepunkte des Jahres
waren für mich die Verleihung des Aachener Friedenspreises und mein 75.
Geburtstag, gefeiert in Newe-Shalom/Wahat-Salam. Meine dürftige deutsche
Sprache ermöglicht mir nur eingeschränkt meine Empfindungen und
Erlebnisse
zum Ausdruck zu bringen. Für die Vorbereitungen zum Friedenspreis möchte
ich mich insbesondere bei Britta Reinhardt und bei Hunderten Freunden,
die den langen Weg aus alle Ecken Deutschlands nach Aachen machten um
mich zu ehren und zu beglücken, bedanken. Für meine Geburtstagsfeier
bedanke ich mich bei meiner Frau Varda, unserer Kinder Semadar und
Shlomi und den Freunden von Newe-Shalom, die auf meinen Wunsch
eingegangen sind, dort mein Geburtstag zu feiern. Alle diese wohltuende
Erlebnisse habe dabei geholfen manche Gesundheitsbeschwerden gut zu
überwinden.
Mein Glück und Freude aber werden stets überschattet durch die
eskalierende Gewalt
s unsicherste Land unserer
Zeiten ist. Diese Tatsache aber wollen unsere Machthaber, berauscht von
Macht und Reichtum, nicht wahrhaben. Ermutigt von dem Schweigen der
demokratischen Welt, angesichts zahlreiche Verletzungen von
Menschenrecht und Völkerrecht, instrumentalisieren sie unsere
schreckliche Vergangenheit, das schlechte
Gewissen der westlichen Welt und die Schuldgefühle der deutsche
Bundesrepublik um die oben erwähnten Unsicherheitspolitik weiter zu
treiben.
Leider verstehen nur wenige führende Politiker der BRD und schon gar nicht
die der USA, das diese Politik nicht nur die Zukunft Israels, sondern
den ganzen Nahen Osten und bestimmt auch Europa bedroht. Auch unter der
Gefahr als 'Antisemit' oder 'Nestbeschmutzer' bezeichnet zu sein, wage
ich zu behaupten, das alle Regierungen Israels eine Politik getrieben
haben, die uns und die Palästinenser in eine Sackgasse oder umzäunten
Getto gesteuert haben.
Mit dem Antisemitismus ist auch
so eine Sache: Ein schrecklicher Syndrom, die die jüdische und die
christlich-europäische Geschichte seit Jahrhunderte begleitete, hat sich
in rassistischen Antisemitismus umwandelt und zum entsetzlichen
Nationalsozialismus geführt. Aus diesem Brand sind die Juden aus Europa
geflüchtet um sich einen eigenen Staat zu bauen. So ist der eskalierende
Konflikt zwischen uns, die Palästinenser und der arabischen Welt
entstanden. Solange diese Welt nicht bereit war Israel anzuerkennen, war
die israelische Angst und der übertriebene militärische Machtausbau
verständlich. Da aber kam die Euphorie und die Berauschung. "Als aber,
Jeschurun (Israel) fett ward, wurde er übermütig." - 5.Mose 32, 15-16.
Das hat schon Mose behauptet. Leider hat sich das in unserer Zeiten
wiederholt und führt zu verheerenden Ergebnissen. Der Drang aller
israelischen Regierungen sich nicht mit den erreichten Grenzen
seit 1949 zu begnügen, hat uns zu den zahlreichen Kriegen, unzählige
Vergeltungsaktionen und gewalttätige Auseinandersetzungen geführt, und
den palästinensischen Terror
und den israelischen staatlichen Gegenterror geschürt. Das Ausmaß dieses
Terrors und Gegenterrors hat alles anderes als Sicherheit für Israel und
Freiheit für die Palästinenser gebracht.
Zurück aber zum Begriff
'Antisemitismus'. Angeblich ist es ein abgedroschener begriff bis zu
'nicht mehr geht' mißbraucht. Dennoch bedienen sich Politiker auf die
arabischen Seite gerne, nicht weniger aber auf die israelische Seite um
ihn zu instrumentalisieren. Es ist bedauerlicherweise ein semitischer
Antisemitismus entstanden. Arabisch fanatische Kreisen machen Gebrauch
von den europäischen steriotypischen Feinbildern um Israel und die Juden
zu dämonisieren. Das gilt aber nicht weniger für manche israelische
rechtsradikale Kreisen, die sogar in die Regierung vertreten sind. Am
schlimmsten aber ist, meine ich, den Einsatz von Antisemitismus seitens
unserer Ministerpräsidenten Scharon und viele prominente Politiker um,
meiner Meinung nach, gerechtfertigte Kritik zurückzuweisen. Das ist eine
schamlose geistige Erpressung. Alle westeuropäische Regierungen, und
darunter auch die Deutsche, mit Antisemitismus anzuprangern, nur weil die
nicht einverstanden sind mit einer aussichtslosen Politik, ist nur einen
Beweis wie tief meine Machthaber moralisch heruntergekommen sind. Wir
Juden, sind gebranntes Kind, was anbelangt kollektive Beschuldigungen.
Leider
scheint es, das diese Erpressung nicht erfolglos bleibt. Auch
demokratische und friedfertige Kreisen in Deutschland tun sich schwer
mit meiner Kritik der israelischen Politik gegenüber, abzufinden.
Um zu meiner Person zurückzukommen: Ich schreibe diese Zeilen dreißig
Jahre nach dem ich das erste Mal nach Deutschland kam. Meine
Vermutungen, das es
Gemeinsamkeiten gibt zwischen dem Untergang der deutschen Weimarer
Republik und dem demokratischen Israel, haben sich zu meinen großen
Bedauern bestätigt. Was erfreulicherweise sich bestätigte war meinen
unaufhörlichen Aufruf von außen einzuwirken. Die führenden Kreisen
unserer Friedensbewegung
haben es letztendlich verstanden, den Teufelskreis von Gewalt und
Gegengewalt von unten zu durchbrechen. Der neulich unterschriebene
'Genfer Konvent' ist ein Beweis dafür. Was sich nicht bestätigt hat, ist
meine Hoffnung auf die deutsche und europäische Politik einwirken zu
können. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung und die deutsche
Außenpolitik, hauptsächlich, bleibt gefangen und befangen in einen
festgefahrenen Konzept,das im Nahostkonflikt nur die amerikanische Politik das Wort führen kann.
Unablässig habe ich als Friedensabenteurer versucht an deutsche Politiker
anzukommen um klar zu machen das eine deutsche und europäische
Mitwirkung im Nahostkonflikt nicht nur eine Moralische, sondern, auch
eine real politische Aufgabe ist. Noch versuche ich einem Lobby für
Frieden und Versöhnung in Deutschland aufzurufen. Es scheint mir aber
das die Zurückhaltung und die Angst als Antisemit angeprangert zu sein,
stärker sein werden als meine
Bemühungen. Ich kann nur hoffen, das meine Befürchtungen sich nicht
bestätigen und das Deutschland und Europa geschont bleiben von dem
Brand, der Scharon und Busch im Nahen Osten gestiftet haben. In der
Überzeugung, das einen für beide Völker erträglichen Frieden in
Israel/Palästina hauptsächlich durch eine Einwirkung von Außen, erreicht
werden kann, habe
ich nicht wenig meine Familie und meine Friedensarbeit in Israel
vernachlässigt. Ich stehe vor einem Wendepunkt: Mein Traum von einem von
mir mit bewirkten Friedenskonzept in der deutschen Politik ist nicht
wahr
geworden. Nach dreißig Jahren Arbeit in Deutschland aber, sind viele
Träume wahr geworden, und ich lebe meine Träume in verschiedenen Oasen,
wo ich meine Botschaft der Liebe, des Friedens, der Versöhnung und der
Nachsicht bringe.
Die Verleihung des
Internationalen Aachener Friedenspreises ist ein wunderbares Höhepunkt
in meinem leben und ich frage mich, ob es noch höher führen kann.
Ich bin mir bewußt, das ich mich im späten Herbst meines Lebens befinde,
zwar noch so bunt, wie der herbstlicher Wald. Eine alte Weisheit sagt:
Den Rat des Alters sich zu unterwerfen und aufzuhören, wenn es am
schönsten ist. Mein Herz aber, das sich noch im Frühjahr befindet,
weigert sich diesen Rat zu befolgen. Gerne hätte ich noch versucht an
neue Tausende von Freunden mit meiner Botschaft der Liebe und der
Nachsicht anzukommen. Ich frage mich aber, wie lange meinen alten Körper
die Reisen kreuz und quer durch Deutschland noch mitmachen. Vorläufig
habe ich vor vielleicht meine letzte Botschaft für das 'Deutschland das
ich liebe' durch einen Versuch ein neues Buch zu schreiben, unter dem
Titel "Blick zurück im Zorn und
Nachsicht", zu bringen. Für dem Versuch mir zu helfen die neue Auflage zu
verbreiten, werde ich sehr dankbar sein.
Zu den kommenden Feiertagen wünsche ich Euch viel Glück, Frieden und
Zufriedenheit. Euer Reuven |