Im Jahr 1962 wurde in Israel zum letzten Mal
die Todesstrafe vollstreckt: an Adolf Eichmann. Am 30. August 1998,
36 Jahre später, hat die Palästinensische Autonomiebehörde zum
ersten Mal eine Exekution ausgeführt: an den Brüdern Raid und
Mohammad Abu Sultan in Gaza. Ein dritter Bruder wurde in einem
Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Dabei ging es um den Tod
zweier Menschen in einem Familienstreit.
Schon damals hatte die
Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ in einem Brief an
Arafat vehement gegen die Todesstrafe protestiert und auf die
Schnelligkeit des Prozesses hingewiesen: Die Tatsache, dass ein
Militärgericht in zwei Tagen die Urteile fälle, lasse vermuten, dass
die Rechte der Angeklagten verletzt worden seien. Die Organisation
forderte, sich an ein Minimum internationalen Rechts zu halten.
Dieser Tage nun hat der Informationsdienst EMS
des Evangelischen Missionswerkes in Südwestdeutschland „zur Lage im
Nahen Osten“ neben erfreulichen Entwicklungen auch auf Bedenkliches
hingewiesen. Der Beschluss der israelischen Regierung über den
Weiterbau der Mauer sei angesichts des Beschlusses über den
Gaza-Abzug untergegangen. „Leider gibt es aber auch auf der
palästinensischen Seite prob-lematische Entwicklungen.“ Damit meint
der EMS die Meldung, derzufolge Mah-moud Abbas 51 Todesurteile
unterschrieben hat, wogegen prompt „Israel Law Center“, eine
Vereinigung israelischer Anwälte, protestierte.
Das palästinensische Gesetz sieht die
Todesstrafe für Mord, Verrat, „Kollaboration mit Israel“ und für den
Verkauf von Grundbesitz an Juden vor. Letzteres wurde aus dem
jordanischen Gesetzbuch – Grundlage für die palästinensischen
Gesetze – übernommen. Jordanien hat die entsprechenden Paragrafen
infolge des Friedensvertrags mit Israel von 1994 gestrichen. Bei den
Palästinensern blieben sie bestehen.
Bekannt wurde der Fall des palästinensischen
Geschaftsmannes Farid el-Bashiti, der von Arafats persönlicher
Garde, der „Force 17“, entführt und später tot aufgefunden wurde.
Das Oberhaupt der von der palästinensischen Nationalbehörde
eingesetzten islamischen Autorität in Jerusalem hatte der Familie
des Getöteten verboten, ihn nach muslimischer Tradition zu begraben.
Bashiti soll angeblich kurz vor dem Abschluss eines
Grundstückverkaufs auf dem Ölberg an einen jüdischen Geschäftsmann
gestanden haben.
Nach Berichten über den Mord äußerte sich der
damalige palästinensische Justizminister Freih Abu-Medein:
„Palästinenser werden Verräter nicht akzeptieren.“ Die
palästinensische „Organisation zur Überwachung von Menschenrechten“
(PHRMG) teilte mit, dass seit der Errichtung der Autonomiebehörde
1994 insgesamt 68 Todesurteile gefällt worden seien.
Berufungsverfahren seien dabei ausgeschlossen. Palästinenserchef
Abbas soll die vor wenigen Tagen unterzeichneten Todesurteile an den
Mufti Ekrem el Sabri, die höchste muslimische Instanz in Palästina,
weitergeleitet haben. Dieser solle jeden Fall „gemäß dem islamischen
Recht Scharia“ prüfen und endgültig bestätigen.
Kann man von einer islamischen Instanz
erhoffen, dass sie das Kapitel Todesstrafe nicht nur dieses Mal,
sondern ein für alle Mal schließt?