Die Sorge um den Frieden bleibt
Der Sharon-Abbas-Gipfel in den
palästinensischen und israelischen Zeitungen
VON JOHANNES ZANG
DT vom 23.06.2005
Glauben
die Politiker beider Seiten überhaupt noch an die Möglichkeit,
Durchbrüche in Verhandlungen zu erzielen? Haben sie den Willen dazu?
Wie ernst haben beide den vorgestrigen Gipfel genommen? Stand etwa
schon vorher alles fest? "Haretz"-Kommentator Akiva Eldar jedenfalls
hatte vorausgesagt, dass Sharons Antwort auf die Wünsche von Mahmoud
Abbas so knapp wie eine Handy-Nachricht ausfallen würde. "Eine
Kombination von zwei Buchstaben, ,N und ,O", so der israelische
Journalist. Die gewohnt regierungskritische Zeitung titelte am Tag
nach dem Gipfel-Treffen: "Sharon und Abbas stimmen überein, den
Rückzug zu koordinieren, aber geraten aneinander wegen Terror." In
der Rubrik "Analyse" in der gleichen Zeitung schreibt der Journalist
Aluf Benn: "Keine Überraschungen in Jerusalem." War auch für ihn
Sharons "Nein" im Voraus schon klar? Benn behauptet, dass keiner,
der an diesem Treffen teilnahm, von dem, was dort gesagt wurde,
überrascht gewesen sei. Damit meint er sowohl "das Gerangel in
punkto Terror" als auch den Abzug aus Gaza sowie die israelische
Weigerung, auf die palästinensischen Bitten einzugehen. "Sogar die
palästinensische Enttäuschung, die nach dem Treffen geäußert wurde,
konnte man erwarten." Sind die Palästinenser nun mal leicht
enttäuscht oder verdienen die angeblichen "Gesten des guten
Willens", die Sharon gezeigt haben will, diese Bezeichnung nicht?
Auch die palästinensische Zeitung "Al Haya Al-Jadida" - zu deutsch
"Das neue Leben" spricht so: "Palästinensische Enttäuschung wegen
der Ergebnisse des Gipfels Abbas-Sharon." Ähnlich titelte die
israelische Zeitung "Jerusalem Post", die mit "Palästinenser
erachten Gipfel als Versagen" aufmachte. Die, wie "Haaretz"
schreibt, "Gesten guten Willens" - in keiner arabischen Titelzeile
kommen sie vor. Der palästinensische Journalist Abu Yusef von der
Tageszeitung "Al Quds" ("Die Heilige", d.h.: Jerusalem) schreibt,
dass "das Treffen sehr hart" gewesen sei und "jenseits unserer
Erwartungen, derer der arabischen Welt und der internationalen
Welt". Das, was vorgeschlagen worden sei, "war nicht genug". Die
gleiche Zeitung zitiert den palästinensischen Politiker Qureia mit
den Worten: "Wir legten alle Fragestellungen vor, und kriegten keine
positiven Antworten." In der gleichen Zeitung befasst sich ein
weiterer Beitrag mit dem Treffen. Zuerst wird diesem das Attribut
"pessimistisch" angeheftet. Dann erst heißt es, dass "Bethlehem und
Qualquilia während zweier Wochen" an die Palästinenser übergeben
werden sollen. Gleichzeitig soll es "Erleichterungen für Arbeiter
und die Wirtschaft" geben. Viele Palästinenser im Westjordanland, in
Ost-Jerusalem und im Gaza-Streifen haben genug von israelischen
Ankündigungen und Versprechungen. Zu oft sind sie enttäuscht worden.
Ihre Erfahrung lehrt sie, israelische Zusagen mit Skepsis zur
Kenntnis zu nehmen. Kommt es dann tatsächlich zu Erleichterungen in
einem Bereich, so befürchten sie im Gegenzug zusätzliche Hindernisse
in anderen. Für viele von ihnen ist der Gaza-Abzug ohnehin nur ein
Ablenkungsmanöver, um die Mauer weiterbauen zu können und den
Siedlungsbau im Westjordanland, um und in Jerusalem nur zu stärken.
Zündstoff für neue Spannungen? Der palästinensische Journalist Daoud
Kuttab spricht schon von einer "dritten Intifada". Für ihn müssen in
allererster Linie die Kontrollpunkte der israelischen Armee abgebaut
werden - in seinen Augen das "demütigende Symbol der fortgesetzten
israelischen Besatzung". Diese Hindernisse hätten in den letzten
vier Jahren die Saat von Hass und Wut gesät, die zu gewaltsamen
Aktionen heranreifen wird, warnt der preisgekrönte Journalist. Hat
man darüber auch gesprochen? Abbas, der diese Gefahr offensichtlich
zu sehen scheint, wandte sich, man könnte meinen fast flehentlich,
an Sharon mit den Worten: "Hilf mir, ich bin schwach." Dieser ließ
das nicht gelten und entgegnete: "Sage das nicht, die Leute könnten
es sonst noch glauben", wie die Jerusalem Post schreibt. Auch wenn,
wie es scheint, die Kernpunkte des Konflikts wie die fortgesetzte
Besatzung, die Flüchtlings- und die Jerusalemfrage gar nicht
angesprochen wurden, so war es doch "ein schwieriger und
spannungsgeladener Gipfel", wie die palästinensische Zeitung "Al
Ayyam" titelte. Was hätte sie geschrieben, hätten die ebengenannten
Punkte auf der Tagesordnung gestanden? "Abbas und Sharon brauchen
einander", kommentiert Tovah Lazaroff in der "Jerusalem Post" - nur
scheinen sie nicht danach zu handeln. Der Gipfel, unter Ausschluss
der Presse, hatte nicht einmal eine gemeinsame Pressekonferenz. Um
zu den Eingangsfragen zurückzukehren - hier mögen folgende
Beobachtungen aufschlussreich sein: Auf der offiziellen
Internetseite des israelischen Premierministers Sharon findet sich
auf den ersten Blick kein Hinweis auf das Gipfeltreffen von
vorgestern. Nur wer sich die Mühe macht, die Rede Sharons auf einer
Konferenz von Hoteliers zu studieren, wird im zweiten Teil auf den
Namen Mahmoud Abbas stoßen. Im ersten Teil der Ansprache hatte Ariel
Sharon den Angehörigen der Opfer des Zugunglücks vom gleichen Tag
sein Beileid ausgesprochen
http://www.die-tagespost.de/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=15190
Die Homepage von Johannes Zang:
Jerusalam.info
- Die Wort- und Bildwerkstatt)