Streitfall
Jerusalem
Vor 25 Jahren wurde die Heilige Stadt von der Knesset zur
"ewigen und unteilbaren Hauptstadt" erklärt -
Die Staatengemeinschaft hat diesen Schritt ebenso wenig
anerkannt wie der Heilige Stuhl
DT vom 30.06.2005
JOHANNES ZANG
Jerusalem soll siebzehn Mal erobert worden sein - keiner hat
sie indes behalten können, die Heilige Stadt. Am 30. Juni
1980, heute vor 25 Jahren, erklärte die israelische Knesset
kraft des Jerusalem-Gesetzes die Heilige Stadt zur "ewigen
und unteilbaren Hauptstadt Israels". Eine Entscheidung, die
bis heute von der internationalen Staatengemeinschaft ebenso
wenig anerkannt wurde wie vom Heiligen Stuhl - was auch
damit zu tun hat, dass die Bevölkerung Jerusalems zu zwei
Dritteln aus Israelis und zu einem aus Palästinensern
besteht. Die Auseinandersetzung um den Status Jerusalems
reicht lange zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg hoffte der
Vatikan, so der amerikanische Politologe Fred J. Khouri,
dass das Heilige Land einer christlichen Macht unterstellt
würde. Deshalb "gefiel es dem Heiligen Stuhl, dass dem
christlichen Großbritannien das Palästina-Mandat 1922
übertragen wurde". Von Anfang an widersetzte man sich
hingegen in Rom der Errichtung eines jüdischen Staates. So
etwa Papst Benedikt XV. 1919: Seiner Meinung nach bedrohte
dieser die Christen in Palästina. Während und auch nach dem
Zweiten Weltkrieg fürchtete der Vatikan, dass sowohl ein
arabisch als auch ein jüdisch dominiertes Palästina
katholische Interessen im Heiligen Land beeinträchtige.
Deshalb hielt es der Heilige Stuhl für das Beste, wenn
Großbritannien weiter das Mandat behalten würde. Doch die
Briten übergaben im April 1947 die Palästina-Frage an die
Vereinten Nationen und erklärten, dass sie spätestens am 15.
Mai 1948 Palästina verlassen würden. Das vom
Welt-Sicherheitsrat errichtete "Spezial Komittee für
Palästina" (UNSCOP) empfahl daraufhin die Teilung Palästinas
in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Jerusalem und
Umgebung sollte als "corpus separatum" den Vereinten
Nationen unterstellt werden. Der Plan des Komittees fand
Unterstützung im Vatikan, schien er doch am besten geeignet
zu sein, den "Schutz der Heiligen Stätten und der
katholischen Gemeinschaft in Palästina zu garantieren, den
universalen Charakter von Jerusalem zu sichern und zu
verhindern, dass Jerusalem von einem jüdischen oder
arabischen Staat verschlungen" würde, erklärt Khouri.
Verständlich, dass der Vatikan damals katholische
Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung des
Teilungsplanes bat. Am 29. November 1947 stimmte die
Generalversammlung der Vereinten Nationen mehrheitlich dafür
- was jedoch zu Kämpfen zwischen Juden und Arabern führte.
Am 1. Mai 1948 bedauerte Papst Pius XII. die Kämpfe und
betete für den Frieden. Zwei Wochen später erklärte Israel
die Unabhängigkeit, worauf sich die bisherigen Kämpfe zum
Krieg auswuchsen. Während des Krieges besetzte Israel den
Westteil Jerusalems und Transjordanien den Ostteil inklusive
der Altstadt samt vieler heiliger Stätten. Im Oktober 1948
sowie im April 1949 äußerte sich der Papst dazu. Einerseits
beklagte der Pontifex den Verlust an Leben, die Zerstörung
von kirchlichem Eigentum und das Leiden Tausender von
Flüchtlingen. Andererseits rief er politische Führer auf,
"Jerusalem und seinen Randgebieten internationalen Charakter
zu geben." Viele katholische Mitgliedsstaaten der Vereinten
Nationen bestanden auf einer Umsetzung der UNO-Resolution
für Jerusalem, was seinen Niederschlag in der Resolution 194
vom Dezember 1948 fand. Darin bekräftigte die
Vollversammlung der Vereinten Nationen die volle
Internationalisierung der Heiligen Stadt. Doch Jordanien und
Israel lehnten dies ab. Ein Jahr später rief eine weitere
Resolution, vorgebracht von Australien und unterstützt vom
Vatikan, erneut dazu auf, Jerusalem "unter dauernde
internationale Verwaltung" zu stellen. Israel stimmte nicht
nur dagegen, sondern verlagerte eilends die Knesset und
einige Ministerien von Tel Aviv nach Jerusalem. In den
folgenden Jahren wurde die Jerusalem-Frage kaum mehr
ernsthaft diskutiert - bis zum Sechs-Tage- Krieg vom Juni
1967. Am dritten Kriegstag eroberte Israel den Ostteil
Jerusalems samt Klagemauer: Für viele Israelis war dies die
"Erfüllung religiöser Prophezeiungen", so Fred J. Khouri.
Etwa tausend Palästinenser seien im Anschluss aus der
Altstadt vertrieben worden, "um eine große Freifläche vor
der Klagemauer zu schaffen", erklärt die deutsche
Politologin Muriel Asseburg. Während des Krieges bekräftigte
der Vatikan, dass der zwanzig Jahre alte Teilungsplan der
Vereinten Nationen "sich weiterhin in Übereinstimmung mit
den Wünschen des Heiligen Stuhls" befände. "Noch im Juni
dehnte Israel seine Gesetzgebung auf ganz Jerusalem aus", so
Asseburg, "und vereinte die beiden Stadtteile offiziell."
Die Annektierung wurde damals vom "LOsservatore Romano" wie
auch von den Vereinigten Staaten scharf verurteilt und von
den Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Sie forderten
Israel auf, alle getroffenen Maßnahmen, um den Status der
Stadt zu ändern, rückgängig zu machen.
Doch nichts dergleichen geschah. Trotz weiterer
Resolutionen. Selbst das Treffen zwischen der israelischen
Premierministerin Golda Meir und Papst Paul VI. im Jahre
1973 konnte daran nichts ändern. Im Februar 2000 hat der
Vatikan im "Basisvertrag" zwischen dem Heiligen Stuhl und
der Palästinensischen Befreiungsbewegung erneut darauf
hingewiesen, dass "eine gerechte Lösung für die
Jerusalem-Frage, basierend auf internationalen Resolutionen,
grundlegend für einen gerechten und dauerhaften Frieden im
Nahen Osten ist". Einseitige Entscheidungen und Aktionen,
die den spezifischen Charakter und Status Jerusalems
änderten, seien "moralisch und rechtlich unannehmbar". Fällt
darunter auch der aktuelle Mauerbau? Nach Meinung des
Weltkirchenrates schon. Er hat sich jüngst "zutiefst besorgt
über den Status von Jerusalem" gezeigt. Die einseitige
Annektierung Jerusalems durch die israelische Regierung
gefährde den Frieden in der Region und in der ganzen Welt.
"Der Mauerbau auf besetztem Land schafft eine de
facto-Grenze und schneidet das annektierte Jerusalem vom
Westjordanland ab." Abu Mahmoud, ein palästinensischer
Taxifahrer und gläubiger Muslim ist sich allerdings sicher,
dass Israel Jerusalem eines Tages auch wieder hergeben muss.
Trotz Mauer.
Die Homepage von Johannes Zang:
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