..... Unten bei der Zensur ist dem Redakteur
auch ein Fehler
unterlaufen. Ich hatte geschrieben, dass für ausländische
Medien die Zensurbestimmungen gelten, wahrend die einheim.
israelischen viel freier sein können. Johannes Zang.
„Wir sind sehr oberflächlich“
Hürden und Lücken, Zensur und Selbstzensur –
Der
Nahostkonflikt in den Medien
DT vom 29.01.2005
von Johannes Zang
„Viele Zeitungen zeichnen ein Schwarz-Weiß-Bild. Grautöne
kommen ebenso wenig vor wie Hintergründe oder der Alltag
der Menschen. Für Positives ist gar kein Platz.“ Der
Entwicklungshelfer Stefan ärgert sich über die Art, wie
deutsche Medien den Nahostkonflikt darstellen. Seinen
Nachnamen will er nicht nennen. Der Mittdreißiger hat in
den palästinensischen Gebieten die Intifada erlebt, mit
weit über 100 Tagen unter Ausgangssperre. Bald begann er,
in Rundbriefen an Verwandte und Freunde das zu berichten,
was die Medien seiner Meinung nach übersahen, wegließen,
ausblendeten.
Keine Hintergründe – und das, obwohl sich in diesem
Landstrich, so groß wie Hessen, weltweit die meisten
Journalisten pro Quadratkilometer tummeln, angeblich allein
achthundert feste Korrespondenten, die
Sonderberichterstatter gar nicht mitgerechnet.
Der Entwicklungshelfer lobt die Berichterstattung der Neuen
Zürcher Zeitung. Deren Korrespondent hat seinen Standort
allerdings in Zypern und deckt den gesamten Nahen Osten ab.
Keine Seltenheit. Korrespondenten betreuen mehrere Länder
und sind oft nur für wenige Stunden am Ort, über den und
dessen Bewohner sie schreiben. Viele sprechen die
Landessprachen, wenn überhaupt, nur unzureichend, so die
Erfahrung von Stefan. Und kein ausländischer Journalist
wohne in den palästinensischen Gebieten, nicht einmal in
Ost-Jerusalem. „Wie will da ein Journalist Ahnung vom
Alltag der Palästinenser haben? Von Ausgangssperren,
Razzien, Kontrollpunkten, Invasionen des Militärs?“
Diesen Alltag kennen – und da dürften sie eine Ausnahme
unter den nichtarabischen Journalisten sein – zwei
Israelis. Amira Hass, die im palästinensischen Ramallah
lebt, sowie Gideon Levy, Sohn von Holocaust-Uberlebenden.
Levy nimmt Woche für Woche in der Rubrik „Twilight Zone“
den israelischen Leser mit in weitgehend unbekanntes Land,
obwohl nur wenige Kilometer entfernt. In der vorletzten
Ausgabe der israelischen Zeitung „Ha’aretz“ begann er
seinen Beitrag mit folgenden Worten: „Vier Kinder liegen
nun im Shifa-Krankenhaus in Gaza. Jedes von ihnen verlor
beide Beine – die Hälfte des menschlichen Körpers. Drei von
ihnen sind bei Bewusstsein, eines wird beatmet. Zu Hause in
Beit Lahia im nördlichen Gaza-streifen trauern die Eltern
um ihre toten Brüder. Am ersten Tag des Opferfestes
verloren Maryam und Kamal in einem einzigen Augenblick ihre
drei Söhne, zwei Neffen und einen Enkel. Ein anderer Sohn
liegt auf der Intensivstation, nachdem er zwei Beine, eine
Hand und ein Auge verloren hat und am Sauerstoffgerät
liegt. Sein Vater weiß noch nicht, dass dem Sohn beide
Beine amputiert wurden, ihm wurde nur von einem erzählt.
Wie viel Verlust kann ein Mensch verkraften?“
Levy lässt auch Maryam zu Wort kommen: „Wenn ich einen
getöteten Israeli sehen würde, dann würde ich über ihn
weinen. Ich würde mit seiner Mutter weinen. Wir haben es
nicht verdient, dass Sharon und Mofaz unsere Kinder töten,
Kinder in diesem Alter, die gerade Erdbeeren gepflückt
haben. Ich schreie zu Sharon und Mofaz, die drei meiner
Kinder getötet haben. Und eines liegt im Krankenhaus. Ich
frage: Könnten sie dieses eine Kind nicht in ein
Krankenhaus nach Israel bringen? Ich würde ihnen für die
drei Getöteten verzeihen.“
Das Leben der zwölf Kinder und Jugendlichen wurde plötzlich
beendet. „Das ist es, was eine Rakete der Israelischen
Verteidigungsarmee tun kann“, sagt Levy nüchtern „zur
Information des Soldaten, der die Granate abschoss und des
Kommandeurs, der ihm die Genehmigung dazu gab und des
Sprechers, der gegenüber allem gleichgültig ist und kein
Wort der Entschuldigung hat.“
Über das unmittelbare familiäre Leid auf beiden Seiten der
Nahostkämpfe erfahren wir wenig. Die israelischen Medien
scheinen eindeutige Bestimmungen zu haben. Für die hat die
israelische Militärbehörde für Presse- und
Kommunikationszensur Folgendes festgelegt:
„Korrespondenten, (…) sind verpflichtet, alle Fotographien,
Video-und Tonbandaufnahmen, Artikel und Reportagen, die sie
ausführen wollen und die irgendwie die Sicherheit des
Staates Israel, einschließlich der von der israelischen
Armee verwalteten Gebiete, betreffen, dem Zensor
vorzulegen.“ Der, der dies zu umgehen versucht, kann vom
Zensor an der „Übermittlung verbotener Nachrichten“
gehindert werden.
David Margolis von der Zeitung „The Jewish Week“ gibt
Entwarnung, wenn er behauptet, dass von israelischer Seite
„keine Sanktionen gegen diejenigen, deren Berichterstattung
missfällt“ ergriffen würden. Genau dies unterstellt er
jedoch der palästinensischen Autonomiebehörde, die durch
„Einschüchterung von Journalisten und Manipulation des
journalistischen Prozesses“ sicherstelle, dass „ihre
Version der Ereignisse auf westlichen Fernsehbildschirmen
und in dortigen Zeitungen dominiert.“
Margolis macht kein Hehl daraus, dass er mit Israel
sympathisiert. Er beklagt, dass viele Journalisten wenig
oder keine Vorbereitungszeit haben, bevor sie ins Heilige
Land geschickt werden. Vor Ort müssten sie ihr Wissen
während der Arbeit aufholen, wobei sie es oftmals von
anderen ausländischen Korrespondenten übernähmen. „Dieser
Mangel an Vorbereitung führt beinahe zwangsläufig dazu,
dass Korrespondenten die Schablone eines anderen
Ereignisses auf eine Situation mit völlig unterschiedlicher
Geschichte legen.“ Als Beispiel führt er Mike Hanna, Chef
des CNN-Büros in Jerusalem, an. Der sehe die Situation in
Israel durch seine zwanzig Jahre als Korrespondent in
Südafrika – hier Unterdrücker, dort Unterdrückte.
„Wir sind sehr oberflächlich“, bestätigt Jörg Bremer von
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Wann haben wir
Zeit, ein Buch zu lesen, wenn wir jeden Tag die Nachrichten
zusammenstellen müssen?“ Wenn man dann noch in Betracht
zieht, dass die Heimatredaktion vielleicht kürzt, ist es
kein Wunder, dass der Entwicklungshelfer vergeblich nach
Grautönen und Hintergrundinformationen sucht.