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Texte von Johannes Zang

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 „Zuversicht wäre zuviel gesagt“
Nach der Amtseinführung vom Mahmud Abbas herrscht in Palästina allenfalls gedämpfte Hoffnung - Viele Menschen bleiben misstrauisch
DT vom 18.01.2005
Von Johannes Zang

Selbst die judäische Wüste wurde aus ihrer Ruhe gerissen. Dieser Winter erlebt eine Achterbahnfahrt der Temperaturen: warm und kalt, trocken und nass. Unerwartet heftiger Winterregen spülte Straßen und Brücken weg. Wird es dem zarten Hoffnungspflänzchen Mahmud Abbas ebenso ergehen?

Wenige Tage nach dem Wahlsieg ist es durch den Angriff vergangenen Freitag auf den israelischen Grenzübergang Karni mit sechs toten Soldaten bedroht. Schmerz und Trauer sind wieder einmal über die Mütter und Väter von Soldaten gekommen. Wird nicht mit jedem palästinensischen Anschlag auch das israelische Friedenslager getroffen und dezimiert? „Dieses Land wird nie zur Ruhe kommen“, sagte die palästinensische Biologin Judy Al-Bandak, die in München studiert hat, noch kurz vor dem Anschlag.

Das Auf und Ab des Wetters scheint Hand in Hand zu gehen mit dem Auf und Ab auf der Hoffnungsskala. Ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter hat dem neuen Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas – auch Abu Mazen genannt – vorgeworfen, die Attentäter des jüngsten Anschlags im Gazastreifen zu kennen. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat daraufhin alle Kontakte zu Abbas vorerst abgebrochen und seinem Militär freie Hand gegeben, Operationen im Gaza-Streifen durchzuführen. Wieder einmal dreht sich die nur kurz zur Ruhe gekommene Spirale der Gewalt. Mit Toten auf beiden Seiten.

Nun kam es zum Abbruch aller Kontakte, noch bevor sich die beiden Regierungschefs überhaupt gesehen haben. Schon zum Jahresende hatte Scharon die Grenzen seiner Kompromissbereitschaft in die Worte gefasst, dass Israel den Palästinensern nichts schulde, einzig dem Herrn im Himmel. Diese Haltung zeigte sich indirekt auch bei den Wahlen vor einer Woche. Nur 26365 von circa 120000 wahlberechtigen Palästinensern aus Ost-Jerusalem gaben ihre Stimme ab. „Die Israelis jagen Menschen auf unterschiedliche Art und Weise Angst ein“, begründet Ziad Hammouri, Direktor des „Jerusalemer Zentrums für soziale und wirtschaftliche Rechte“ die niedrige Wahlbeteiligung. Es seien Gerüchte im Umlauf gewesen, dass die Stimmabgabe die eigenen Rechte in Jerusalem beschneiden könne. Auch Pater Gregor Geiger, Franziskaner in Jerusalem, weiß um dieses Problem: „Viele Palästinenser aus Ost-Jerusalem sind nicht wählen gegangen, weil sie befürchteten, dass Israel die Wähler registriert und bei der nächsten Verlängerung ihres Jerusalem-Ausweises sagt: Ihr gehört ja zur anderen Seite.“

Palästinenser haben noch immer Angst vor den Israelis

Die Angst ist nicht unbegründet. Das langjährige Fatah-Mitglied Nasser Qous wurde eine Woche vor der Wahl bei einer Razzia in einem Fatah-Jugendclub von israelischen Grenzpolizisten verhaftet und mehrere Stunden lang vernommen. „Sie sagten mir, dass der Wahlkampf für Abu Mazen ungesetzlich sei.“ Man würde den Club beobachten und alle, die ein- und ausgingen, verhaften oder ihre Ausweise konfiszieren.

Die israelischen Behörden hatten nur 5376 palästinensischen Bürgern von Ost-Jerusalem erlaubt, in israelischen Postämtern abzustimmen. Palästinensische Wahllokale waren nicht zugelassen. Alle übrigen Wahlberechtigten waren somit gezwungen, im an Jerusalem angrenzenden Westjordanland ihre Stimme abzugeben. Vielleicht würde man an den zahlreichen Kontrollpunkten und Toren der Trennmauer nicht mehr nach Jerusalem zurückgelassen werden – so befürchteten nicht wenige. Pater Gregor meint zudem, manche Palästinenser hätten ohnehin nicht an freie Wahlen geglaubt. Für sie habe das Wahlergebnis schon vorher festgestanden.

Zwar seien die Wahlen im Großen und Ganzen frei und fair gewesen, bekennt Ammar Dwaik, der stellvertretende Vorsitzende der palästinensischen Wahlkommission. Trotzdem ist er mit 45 anderen Mitgliedern der Kommission zurückgetreten. Mitarbeiter in Abbas’ Wahlkampfteam und Sicherheitsdienst sollen am Wahltag Druck ausgeübt haben, die Modalitäten zu ändern. Die Änderung habe Tausenden von Sicherheitskräften – die meisten von ihnen Abbas-Anhänger – die Möglichkeit gegeben, ihre Stimme in der Nähe ihres Standortes abzugeben anstatt in ihren Heimatorten. Absicht, so Dwaik, sei es gewesen, „die Wahlbeteiligung und den Anteil von Fatah-Wählern zu erhöhen“.

Westliche Medien sehen das Wahlergebnis, in dem auf Abbas bei etwa sechzig Prozent Wahlbeteiligung 62 Prozent der Stimmen entfielen, als klares Mandat. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Abbas bei dieser geringen Wahlbeteiligung von nicht einmal der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt wurde.

Für Judy Bandak hat sich die Stimmung nach Abbas’ Sieg nicht geändert. Nüchtern sagt die Deutschlehrerin an der lutherischen Schule „Haus des Wortes“ in Bethlehem: „Entweder passen wir uns an und werden mit der Zeit seelisch und körperlich krank – oder wir wandern aus.“ Kein Wunder eigentlich, dass Pater Gregor „die Euphorie der internationalen Medien“ im palästinensischen Volk kaum wiederfindet.

Pater Bernt, der einzige deutsche Geistliche im lateinischen Patriarchat von Jerusalem, drückt sich ähnlich aus: „Die Stimmung ist mittel-hoffnungsvoll. Zuversichtlich wäre zuviel gesagt.“ Das Treffen von Bischöfen – sie hielten sich auf Einladung des Patriarchen im Heiligen Land auf – mit Abu Mazen Mitte der vergangenen Woche sei jedoch „freundlich bis herzlich und sehr offen“ gewesen.

Tikva und Amal haben es schwer im Heiligen Land. So heißt Hoffnung auf hebräisch und arabisch. Und selbst wenn es hoffnungsvolle Ansätze gibt, bleiben die Menschen misstrauisch. In seiner Rede zur Amtseinführung sagte Abbas am Samstag, er reiche Israel „die Hand zum Frieden“. Er verurteilte die jüngsten palästinensischen Anschläge und israelischen Militäreinsätze. Diese Aktionen seien „nicht hilfreich“, um die für einen Friedensprozess nötige Ruhe zu erreichen.

Gestern konkretisierte Abbas sein Angebot an Israel: Die Palästinenserpolizei soll von sofort an jede Gewalt gegen Israel stoppen. Der palästinensische Kommunikationsminister Asam Ahmed sagte am Montag nach einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts und des Nationalen Sicherheitsrats in Ramallah, Ziel sei „völlige Ruhe“. Die Polizei solle Extremisten auch an Angriffen auf Grenzposten hindern.

Die Homepage von Johannes Zang: Jerusalam.info - Die Wort- und Bildwerkstatt)

 

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