Sechs Familien in Jerusalem von der
Hausdemolierung bedroht
Am 7. Januar 2016 besuchten Mitglieder der
Internationalen Solidaritӓtsbewegung [International
Solidarity Movement –ISM]die Witwe Kifaya Rishek, die
zusammen mit ihren fünf Kindern und 16 Enkelkindern in
ihrem Haus in Beit Hanina im besetzten Ost-Jerusalem
lebt. Sie lebt in der Furcht vor einer baldigen
Demolierung ihres Hauses. Die finanzielle Situation der
Hausbewohner ist unsicher: Murad und Ashraf haben vier
Kinder und arbeiten beide als Reiniger. Sharif hat fünf
Kinder und verdient den Lebensunterhalt als
Spielwarenverkӓufer in einem Laden. Mohannad hat ein
Kind und arbeitet in der Bauindustrie; sein Einkommen
hӓngt davon ab, wie oft seine Firma ihn zur Arbeit ruft.
Frau Risheks Tochter Faiza ist geschieden und lebt mit
ihren zwei Kindern im Haus. Wenn das Haus zerstӧrt wird,
sind diese fünf Familien obdachlos.
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Familienfreund Nuredin Amro und sein Sohn, Abedkarim,
sitzen auf der linken Seite. Sieben der Kinder im Haus
sitzen neben ihm, von links nach rechts: Mira, Mayaan,
Ahmad, Yara. Oben ist Fajer. Auf dem Boden sitzen
Mohammad und Badar.
2012 kamen Vertreter der israelischen Stadtverwaltung
von Jerusalem zu Frau Risheks Haus, um die Familien über
den geplanten Bau einer Strasse zu informieren, die auf
ihrem Grundstück verlaufen sollte. Zuerst war nur die
Terasse mit der Sommerküche betroffen. Im Laufe der Zeit
ӓnderten die israelischen Behӧrden ihre Plӓne und sagten,
dass das ganze Haus im Wege sei.
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Frau Risheks Küche.
Frau Rishek ging vor Gericht und beauftragte ihren
Rechtsanwalt mit der Mission, die Stadtverwaltung zu
einer Ӓnderung der Bauplӓne zu bewegen. Die Familie ist
Mitbesitzer eines anderen Grundstückes und schlug vor,
dass die Strasse darüber gebaut werden kӧnnte. Frau
Risheks Haus kӧnnte dann stehen bleiben. Frau Rishek
ging regelmӓssig zu den Sitzungen des Gerichts, konnte
aber die Verhandlungen kaum verstehen, weil sie nur auf
Hebrӓisch geführt wurden. Letztendlich verlor sie ihren
Prozess vor dem Obersten Gericht, obwohl das Haus in
ihrem Besitz ist und alle Steuern und Abzahlungen
geleistet wurden. Das Vorgehen der israelischen Behӧrden
und Gerichte ist nach Erfahrung der palӓstinensischen
Bewohner von Ostjerusalem Teil des umfassenden
zionistischen Planes der ethnischen Sӓuberung der Stadt:
Die in Jerusalem lebenden Palӓstinenser werden obdachlos
und müssen dann als Flüchtlinge in die Westbank ziehen.
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Einige der Kinder in einem Schlafzimmer
Seit Anfang des Jahres steht der Demolierungsbefehl, der
jeden Tag ausgeführt werden kann. Die Familie muss
jederzeit damit rechnen, dass die Bulldozer vor dem Haus
auffahren. Die israelischen Behӧrden sagen nie im voraus,
wann ein Haus zerstӧrt wird und die betroffenen Familien
leben in stӓndiger Angst vor dem Verlust ihres Heimes.
Weil auf dem Grundstück der Familie Rishek eine Strasse
gebaut werden soll, muss die Familie unwiderruflich
wegziehen.
Die Lehrer der Kinder sehen in der Schule, dass die
Kinder der Familie unter grossem Stress stehen. Sie
haben den Eltern berichtet, dass die Kindert sich nicht
konzentrieren kӧnnen und sich die Noten verschlechtert
haben. Die elfjӓhrige Malak sagt: “Ich habe Angst, wenn
ich zur Schule gehe, dass ich heimgehe und das Haus
nicht mehr existiert.”
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Malak ist 11 Jahre alt und muss regelmӓssig zur
Behandlung ihrer Beine ins ALYN Kinderkrankenhaus in
Jerusalem gehen.
Frau Rishek und ihre Familie denken nicht nur an den
Verlust des Hauses und des Grundstücks. Weil sie nicht
viel Geld haben, kӧnnen sie sich einen Umzug innerhalb
von Jerusalem nicht leisten, sie müssen in die Westbank
ziehen, was weitreichende Konsequenzen für sie hat: Die
Mӓnner werden ihre Arbeit verlieren, weil die Fahrt zur
Arbeit zu lange dauert und sie israelische
Strassenkontrollpunkte passieren müssen. Wenn die
Familie von Jerusalem wegzieht, verliert sie ihre
Jerusalemer ID-Karten und die damit verbundene
Sozialversicherung, wie Witwenrente, Krankenkasse und
Mareks Invalidenversicherung. Die Kinder müssen die
Schule wechseln, verlieren ihre Freunde und müssen
vielleicht auch das Schuljahr wiederholen. Mareks Eltern
wissen nicht, ob sie sich die Physiotherapie für ihre
Tochter leisten kӧnen, wenn sie nicht mehr durch eine
Versicherung abgedeckt ist. Die stӓndige Unsicherheit
und der Verlust der Kontrolle über das Leben hat bei
Frau Rishek u.a. dazu geführt, dass sie immer wieder
ihre wichtigsten Besitztümer einsammelt und dann wieder
an den Platz stellt. Die Familie weiss nicht, wo sie
nach der Zwangsdemolierung des Hauses leben wird.
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Wohnzimmer
Die Nachbarn von Frau Rishek haben das gleiche Problem:
Das Haus von Rajeh und Nadia Hawareen wird ebenfalls
demoliert werden, weil die Strasse auch auf ihrem
Grundstück verlaufen wird, eine Form der kollektiven
Bestrafung.
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Rajeh und Nadia Hawareen.
Das Ehepaar lebt mit den vier Kindern im Nachbarhaus.
Zwei der Kinder sind verlobt und wollten im August
heiraten, wissen aber nicht, wie sie ihre Hochzeit
planen kӧnnen, wenn das Haus der Familie unter einem
Demolierungsbefehl steht. Herr Hawareen erklӓrte, dass
die Familie unter grossem psychologischen Druck stünde,
wie Frau Rishek und ihre Kinder. Die Familie Hawareen
hat ihe Ersparnisse darauf verwandt, um Rechtsanwӓlte,
Ingenieure und Experten zu bezahlen und die
Hausdemolierung zu verhindern. Wie Frau Rishek haben sie
ihren Prozess verloren.
“Dies ist unser Land. Sie kӧnnen uns tӧten, aber wir
werden hier bleiben. Wir werden unser Land nie verlassen,”
versichert Herr Hawareen. “Wenn man sein Haus plant,
plant man seine Trӓume. Und Israel zerstӧrt das. Ich bin
50 Jahre alt und mir bleiben keine weiteren 50 Jahre, um
mein Leben wiederaufzubauen. Es ist sehr aufreibend, vor
allem für meine Frau.” Er sagt auch, dass die
Gerichtsverfahren gegenüber den Palӓstinensers sehr
unfair sind: Palӓstinenser dürfen nicht aussagen, und
die Verhandlungen werden auf Hebrӓisch geführt. Die
Gesetze unterscheiden zwischen Israelis und
Palӓstinensern. Israel hat auch spezielle Gesetze für
die in Jerusalem lebenden Palӓstinenser erlassen, um sie
aus Jerusalem zu vertreiben.
“Ich hab es satt, seit 60 Jahren sammeln international
Organisationen die Fakten,” erklӓrt Herr Hawareen. “Wir
verlieren unsere Würde, sie behandeln uns, als wӓren wir
weniger wert als Tiere. Wir verlieren alles, wir werden
auf die Strasse geworfen. Ich mag international
Organisationen, Einrichtungen und Institute nicht, weil
sie von Regierungen kontrolliert werden.”
“Seit 60 Jahren wird alles dokumentiert und niemand hӧrt
hin, niemand will es hӧren. Ich habe tausende von
Dokumenten für die Uno und für OCHA in New York erstellt,
aber niemand unternimmt etwas. Es gibt keine Resultate.
Wir brauchen Antworten, selbst wenn sie negativ sind,
damit wir wissen, was auf uns zukommt. Regierungen sind
Heuchler. Sie kümmern sich nur um Allianzen und
gegenseitige Vorteile. Sie kümmern sich nicht um
Menschenrechte, die Unterdrückten. In der Politik gibt
es keine Gnade.”
“Aber wir werden niemals aufgeben.
Wir glauben, dass sie uns seines Tages hӧren
werden. »
![](../Bilder3/2016-J12.JPG)
Die Bulldozer arbeiten auf einem benachbarten Grundstück.
Sie kӧnnen jederzeit vor den Hӓusern der Familien Rishak
und Hawareen auftauchen.
http://palsolidarity.org/2016/01/six-families-in-jerusalem-wait-for-their-homes-to-be-demolished/
Übersetzung:
M.Lauer
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