Deutsche Bischöfe in
Palästina/Israel - 2007
Sehr geehrte Bischöfe,
als Erstunterzeichnerin der „Berliner Erklärung Schalom5767“
verfolgte ich mit großer Aufmerksamkeit Ihre Pilgerreise. Nur wenige
Wochen zuvor hatte ich die gleichen Stationen aufgesucht, nicht als
Pilgerin, sondern als Friedensaktivistin. In Jerusalem durfte ich
die Gastfreundschaft der Benediktiner genießen, führte meine Tochter
durch Jad Vashem, passierte die Mauer und nahm einige Tage am
leidvollen Leben der Palästinenser teil. Auch den Ölberg erklomm
ich, um den multireligiösen Klängen der Stadt zu lauschen. Sie
hätten mit Ihrem angestimmten Lied Tochter Zion mit zu dieser
Polyphonie beitragen können, doch brachen Ihnen, wie ich las, die
Worte ab. Die „Tochter Zions“ hat auch keinen Grund zur Freude.
Welche Tochter würde jauchzen, wenn ihr Gewalt angetan wird?
Sie haben beobachten können, wie sich die gewaltige Mauer weit in
palästinensisches Land hineinschlängelt, um illegal und
völkerrechtswidrig israelische Siedlungen zu schützen. Die
Folgen des Mauerbaus werden Ihnen nicht entgangen sein. Die Mauer
trennt Familien, behindert den Zugang zu Bildung, erschwert
kulturelles und religiöses Leben. Eine immer stärker zu Rassismus
und Nationalismus tendierende Politik sorgt dafür, dass der
palästinensische Bevölkerungsanteil Jerusalems trotz höherer
Geburtenrate immens schwindet.
Sie haben jenseits der Mauer die alltäglichen
Demütigungen, die psychische Bedrängnis, die Armut , die
Bildungsarmut kennen gelernt. Sie werden die Kinder gesehen haben,
die mit Gewehren und Pistolen auf der Straße spielen, statt zur
Schule zu gehen, - ihre Lehrer können nicht mehr bezahlt werden,
seitdem die versprochenen EU-Gelder zurückgehalten werden. Sie
werden während Ihres Aufenthalts in den Nachrichten vernommen haben,
dass wieder einmal unschuldige Zivilisten bei einer Militärinvasion
getötet wurden.
„Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um
Jerusalems willen nicht still sein“. Nicht nur die
Prophetenworte mahnen uns zu verantwortungsvollem Handeln, sondern
auch die Frage, die Sie der Generation Ihrer Eltern stellen, „Warum
habt Ihr geschwiegen?“ Das Unrecht benennen, ist schon ein wichtiger
politischer Schritt. Politisch ist eben nicht, wie Sie meinten,
„wirklich alles ausgereizt“. Über 70 jüdische Bewohner in
Deutschland haben eine Petition an die Bundesregierung verfasst und
Sie an ihre Verantwortung für den Friedensprozess im Nahen Osten
gemahnt (www.schalom5767.de). Die
Bundesregierung könnte sehr viel bewirken: die Aufhebung des
Boykotts und die Fortzahlung der EU-Gelder, ein Embargo für Waffen
und Güter, die dem Ausbau der Siedlungen dienen, Einladungen zu
Friedensgespräche, kulturelle Förderprogramme, etc. Ob die Mauer
friedlich fallen wird, liegt nicht zuletzt auch an den
„vertrauenswürdigen Maklern“, zu denen Sie auch Ihre Kirche zählen.
Die Makler müssen ehrlich, beständig, einfühlsam und deutlich hörbar
auftreten. Irgendwann lässt sich dann auch Tochter Zion
singen.
Edith Lutz