„Keine Araber, kein Terror“
IWPS
Bericht Nr. 38
Wenn man mit dem Bus nach Salfit unterwegs ist, muss man bei der
Straßensperre vor Yasouf aus dem Bus aussteigen, über die
Straßensperre (ein Erd- und Steinwall) steigen und einen weiteren
Bus nach Salfit nehmen. Kurz vor dieser Straßensperre ist die
Abzweigung in die israelische Siedlung Tapuach, deren Bewohner Teil
von Rabbi Meir Kahanes „Kach Bewegung“ sind, einer extremistischen
Siedler-Kolonialistenbewegung, die seit 1994 in Israel verboten ist
und in den USA als Terrororganisation deklariert wurde.
Gegenüber vom Siedlungseingang ist eine Straßentafel, die auf der
Rückseite ein paar Aufkleber hat. Einer davon ist in Englisch: „No
Arabs, no terror."
Ein
bisschen weiter unten ist mit einem Spray geschrieben:„Kill all
Arabs“. Daneben ein Totenkopf und überkreuzte Knochen. Klar, dass
das alles rassistisch ist. Aber hier ist noch mehr im Spiel. Die
Siedlung ist auf besetztem Gebiet erbaut und nach internationalem
Recht illegal. Die Siedler kommen an und parken zuerst einmal ihre
Wohnwagen auf dem Grundstück, das sie von den einheimischen
Besitzern stehlen wollen, patrouillieren auf ihrem „erlösten Land“
mit Maschinenpistolen, um ihr neu beanspruchtes Gebiet zu
verteidigen. Normalerweise gefällt es niemandem, wenn einfach jemand
daherkommt und sein Eigentum stielt. Die Leute protestieren auch
normalerweise, wenn immer mehr und mehr Land genommen wird, um so
eine Kolonie-Siedlung zu erweitern. Schlimm genug, dass ihr Land in
Beschlag genommen wird, aber der unrechtmäßige Machthaber verhindert
auch, dass die Einheimischen ihr Land bewirtschaften können, indem
sie sie mit Gewehren und Hunden bedrohen, um sich verständlich zu
machen.
Viele der neueren Siedlungen sind auf Hügelkuppen erbaut. Es gibt
viele Hügel in der Westbank und die Siedler befolgten Ariel Sharons
Aufruf vom Jahre 1998 an militante Siedler der rechtsextremistischen
Tsomet-Partei: „Jeder muss sich aufmachen, rennen und sich so
viele Hügel wie möglich schnappen, damit wir die Siedlungen
ausbreiten können. Alles was wir jetzt nehmen, wird unseres bleiben.
... Alles was wir uns jetzt nicht schnappen, wird ihnen gehören“.
„Ihnen“, das sind die Palästinenser, die dieses Land seit
Jahrhunderten bewirtschaften.
Letzten Herbst, als die Bauern die Oliven unterhalb der
Siedlungskolonie ernten wollten, wurden sie mit der Gewalt der
Siedler konfrontiert. Die wehrlosen Bauern wurden angeschossen, mit
Gewehrkolben geschlagen, mit Steinen beworfen. Ihre Oliven waren
gestohlen. Gelegentlich schmeißen Tapuach-Siedler auch Steine auf
vorbeifahrende palästinensische Autos.
Zu
den etwas milderen Formen der Siedlergewalt gehört mancherlei:
Olivenbäume ausgraben oder vergiften, frisch geerntete Oliven
klauen, Oliven verbrennen, Schafe erschießen, Schafe stehlen,
Weizenfelder abbrennen, Wasserquellen verseuchen, Wasserleitungen
unterbrechen und Abwässer vom Hügel zu den darunter wohnenden
Palästinensern rinnen lassen.
Siedler können relativ ungestraft agieren. Seit 36 Jahren ist
dieses Gebiet unter militärischer Besatzung und so hat das Militär
das Sagen. Wenn Militär auftaucht, kommt es nicht, um die
schikanierten palästinensischen Bauern zu schützen, sondern um die
Siedler zu verteidigen. Sie deklarieren das Gebiet einfach zur
militärischen Sperrzone und die Bauern können ihre Oliven nicht
weiter ernten.
In
den meisten Ländern wird so offensichtlicher Diebstahl, drohende und
aktuelle Gewalt nicht toleriert. Solche Vorkommnisse gelten als
kriminell, die Täter werden gefasst, vor Gericht gebracht und wenn
sie für schuldig befunden werden, inhaftiert. Die Polizei ist da, um
dich und dein Eigentum zu beschützen. Im Falle des besetzten
Palästinas aber, wenn es ein Palästinenser schafft, sich an die
Polizei zu wenden und eine Klage einzureichen, wird dem sehr selten
nachgegangen. IWPS hat Beschwerden bei der Polizeistation von Ariel
gegen identifizierte Siedler eingereicht, inklusive Beweismaterial.
Aber es wurde ihnen nicht nachgegangen.
Die
meisten Palästinenser haben die Hoffnung auf jegliche Gerechtigkeit
aufgegeben und keinen Glauben mehr an israelisches oder
internationales Recht. Ihre Reaktion auf erwähntes internationales
Recht ist Spott und Kopfschütteln über den naiven Glauben an so hohe
Ideale wie Menschenrechte.
Währenddessen sind diese gewalttätigen,
nationalistisch-messianischen israelischen Siedler überzeugt, dass
sie durch diese Landbesiedelung ihre Pflicht erfüllen, als ob Gott
eine Art himmlischer Immobilienmakler wäre. Schon das Gebot „Du
sollst nicht töten!“ würde an sich die meisten Juden von einer
Zustimmung zu den Gewalttaten der Extremisten abhalten. Aber ohne
ernstliche Kritik innerhalb Israel, ohne Eingreifen von Seiten der
Autoritäten, weder des Militärs noch der Polizei und mit einer
Regierung, die gerne ein Auge zudrückt, haben die Siedler allen
Grund zu glauben, dass sie mit allem straflos davonkommen.
Der
Aufkleber auf der Straßentafel: „Keine Araber, kein Terror“
und die Aufschrift „Tötet alle Araber“ ist erschreckend.
Erstens, weil derselbe Aufkleber auf Plakatwänden in Israel selbst
zu finden ist und diese Haltung von vielen in der israelischen
Gesellschaft geteilt wird. Weiters, weil dies die Meinung
verbreitet, dass im Umgang mit der arabisch sprechenden Bevölkerung
auch ethnische Säuberungen gerechtfertigt sind.
Text: IWPS, Barbara; 5. Juli 2003
Übersetzung: Karin
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