ährenddessen
in Salfit...
Letzten Monat beschlossen wir in unserem Bericht
von unserem üblichen Fokus auf das Westjordanland und auf die Region
Salfit im speziellen abzusehen und uns aufgrund der verheerenden
Lage in Gaza dieser Region zu widmen. Auch die deutschsprachigen
Medien waren zu diesem Zeitpunkt noch voll von Berichten über die
Angriffe auf dieses kleine Stück Land. Heute – einen Monat später –
wird man sich schwer tun Neuigkeiten über die Situation in Gaza zu
finden. Alle Aufmerksamkeit gilt nun den israelischen Offensiven
gegen den Süden des Libanons bzw. den Angriffen der Hizbollah auf
den Norden Israels oder den bisher erfolglos gebliebenen
internationalen Vermittlungsversuchen. Nach den 97 Menschen die in
Gaza seit Beginn der Kämpfe in, über und um den Libanon umgekommen
sind wird kaum gefragt, ganz zu schweigen von den Hunderten von
Verletzten, den unzähligen Familien, die ihre Häuser verloren haben
etc. (1).
Was im letzten Monat im Westjordanland passierte
scheint noch irrelevanter zu sein und im Vergleich zu den anderen
Krisengebieten gleicht diese Region wohl tatsächlich einem
Kinderspielplatz. Letztlich ist alles relativ... Wir möchten Ihnen
diesen Monat dennoch erzählen was sich in Salfit unter anderem
zugetragen hat.
Der nun folgende Bericht ist eine Zusammenfassung
der Menschenrechtsberichte, die von IWPS Aktivistinnen im Monat Juli
verfasst wurden:
Am 3.Juli um ca. 4 Uhr nachts wurde das Dorf Kufr
Ein von ca. 30 israelischen Militärjeeps umstellt. Das Dorf sieht
sich bereits seit einigen Monaten diesen nächtlichen
Militäreinfällen ausgesetzt. In besagter Nacht verhängte das Militär
eine Ausgangssperre um daraufhin zahlreiche Häuser zu durchsuchen.
Den Aussagen der DorfbewohnerInnen zufolge verschafften sich einige
Soldaten gewaltsam Zutritt zu Wohnhäusern und zerstörten dabei Türen
oder Fenster. Während die Häuser durchsucht wurden mussten deren
BewohnerInnen – darunter ältere Menschen und kleine Kinder – bis zu
drei Stunden draußen warten. Schließlich wurden zwei 22jährige
Männer festgenommen. Die Gründe für die Festnahme sind nach wie vor
unklar. Den IWPS Aktivistinnen wurde außerdem berichtet, dass ein
älterer tauber Mann, der die Warnung über die Ausgangssperre nicht
gehört und sich auf den Weg zur Moschee gemacht hatte um das
Morgengebet zu verrichten von Soldaten für über eine Stunde
festgehalten wurde.
In derselben Nacht wurde in dem Dorf Deir Istiya
ein 17Jähriger festgenommen. Das Haus seiner Familie wurde von ca.
40 Soldaten umstellt. Sowohl seinen Eltern und Geschwistern als auch
den Familien seines älteren Bruders und seines Onkels wurde befohlen
vor die Tür zu treten. Bevor er in einen Jeep verfrachtet wurde
wurde dem Jungen noch erlaubt sich von seiner Familie zu
verabschieden. Der 17jährige verbrachte bereits mit 12 Jahren 18
Monate im Gefängnis. Ebenso sein älterer Bruder, der sich seit Juli
letzten Jahres wieder in Administrativhaft befindet. Seine Familie
wurde hinsichtlich seiner Entlassung immer wieder vertröstet. IWPS
hatte Teilen der Familie der damals 12-und 14jährigen dazu verholfen
die Brüder im Gefängnis besuchen zu können.
Am 5. Juli wurde aufgrund einer Vermutung über
einen möglichen Selbstmordanschlag der gesamte Norden des
Westjordanlandes abgeriegelt. Alle Checkpoints waren geschlossen und
eine große Anzahl von BewohnerInnen der Region konnte bis ca. 11 Uhr
nicht ihre Dörfer und Städte verlassen. Auch Notfälle, wie z.B.
Ambulanzen durften die Straßensperren nicht passieren. In der Nähe
eines Checkpoints bei Brukin in der Salfit Region wurden Berichten
zufolge ca. 20 Männer für zwei Stunden festgehalten und dazu
veranlasst sich bis auf die Unterwäsche zu entkleiden.
Am 22.Juli wurde in Haris ein 15jähriger Junge
der von israelischen Soldaten beim Steineschmeissen beobachtet wurde
für kurze Zeit festgehalten. Der Vater des Jungen erzählte IWPS
Aktivistinnen, dass sein Sohn in einen Jeep verfrachtet wurde der
daraufhin das Dorf verließ. Der Junge sei im Jeep von Soldaten
geschlagen worden bevor er zurück ins Dorf gefahren wurde. Am selben
Tag betraten einige Soldaten ebenfalls in Haris ein Café, schmissen
Tische und Stühle nach draussen und zerschlugen einige Gläser. Dem
Besitzer des Cafés zufolge hatten einige Jungen zuvor mit Steinen
auf die Jeeps der Soldaten geworfen jedoch hätten sie sich zu diesem
Zeitpunkt nicht in der Nähe seines Lokals aufgehalten.
Am 23. Juli betraten drei Bewohner der nahe
gelegenen israelischen Siedlung Revava das Dorf Haris. Einer von
ihnen, der im Besitz eines Gewehrs war näherte sich einem Bewohner
von Haris und forderte ihn dazu auf aus seinem Wagen zu steigen und
mit ihm zu seinem Haus zu gehen, in dem sich zu diesem Zeitpunkt die
Frau des Bewohners von Haris und deren sieben Kinder befanden. Als
die Brüder des Mannes von dem Vorfall erfuhren liefen sie herbei
woraufhin zwei der Siedler flohen. Bei dem Versuch den Siedler zu
entwaffnen lösten sich einige Schüsse. Dabei wurde u.a. das Bad der
Familie beschädigt. Der Mann konnte schließlich überwältigt und die
Polizei verständigt werden.
Am 25. Juli fuhren drei Militärjeeps in das
Salfit Dorf Marda. Augenzeugenberichten zufolge warfen Soldaten
einige Schockgranaten und hielten Jugendliche auf der Straße dazu an
sich auszuweisen. Die Soldaten verließen nach ca. 20 Minuten das
Dorf wieder, parkten ihre Jeeps jedoch außerhalb Mardas wo sie
weitere drei Stunden blieben.
Die eben aufgelisteten Vorkommnisse geben nur
einen Teil von dem wieder was sich letzten Monat in der Region
Salfit zugetragen hat. Sie geben keine Auskunft über Menschen die in
Nablus getötet, in Ramallah festgenommen oder in Hebron von
SiedlerInnen angegriffen wurden. Selbst wenn man all das was sich im
letzten Monat im Westjordanland zugetragen hat auflisten würde, so
könnten derartige Begebenheiten bezüglich ihrer Medienwirksamkeit
nicht mit den Hunderten von Toten aus Gaza, dem Libanon, und Israel
konkurrieren. Erzählte man sie unbeteiligten BewohnerInnen der
Region, so würden diese wohl nur mit den Achseln zucken, denn
schließlich konstituieren derlei Vorkommnisse den Alltag dieser
Menschen. Letztlich ist alles relativ... Andererseits existiert auch
kein Maßstab für individuelles Leid, welches folglich auch nicht
abgewogen oder verglichen werden kann, es sei denn es wird
abstrahiert und in Ziffern verwandelt hinter denen die persönlichen
Schicksale verschwinden.
Um die vollständigen Menschenrechtsberichte auf
Englisch lesen zu können gehen Sie bitte auf