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Palestine Update Nr.
270 – Eine neue politische
Realität bauen - *Eine neue
politische Identität auf den Ruinen des
Kolonialismus bauen: Eine Beschreibung der
Kampagne „One Democratic State“ (ODS)
- Yoav
Haifawi - 25. Juli 2019
Die erste Hälfte 2018 war
für uns eine geschäftige Zeit: Wir
arbeiteten an der Kampagne „One Democratic
State (ODS), einer neuen Initiative, die von
innerhalb Palästinas gekommen war und
versucht, eine positive Lösung für das
Jahrhunderte lange Leiden und den Kampf des
palästinensischen Volkes gegen Zionismus und
Kolonisation zu finden, indem wir uns
einsetzten für einen einzigen demokratischen
Staat vom Fluss (Jordan) bis zum (Mittel-)Meer
mit gleichen Rechten für alle seine Bürger.
Offene und geschlossene Konsultationen
wurden unter mehr als 100 Aktivisten und
Akademikern gehalten, um das politische
Programm der Kampagne zu formulieren und im
August 2018 zu veröffentlichen.
Dann kamen die lokalen
Wahlen im Oktober 2018 (für Palästina 1948),
gefolgt von den Wahlen zur israelischen
Knesset im April 2019. Die Basis der
Initiative bis jetzt wird größtenteils
gebildet durch die palästinensische
Bevölkerung von Palästina 1948, wo lokale
Wahlen sehr ernst genommen werden, weil die
Menschen trachten, das tägliche Management
ihrer Städte zu beeinflussen. Viele unserer
Aktivisten und Unterstützer waren tief an
den Wahlen beteiligt, und einige wurden
sogar gewählt als Mitglieder des
Gemeinderates.
Die Knessetwahlen im
April waren nicht nur verwirrend für die
Kampagne, sondern sie stellten auch ein
profundes politisches Dilemma dar. Die
palästinensischen Araber mit israelischer
Staatsbürgerschaft können zu nahezu gleichen
Teilen zwischen jenen geteilt werden, die
wählen, und jenen, die nicht teilnehmen oder
aktiv boykottieren. Die Perspektive für
einen einzigen demokratischen Staat basiert
auf dem Verständnis, dass Israel kein
demokratischer Staat ist und dass die
zionistisch-jüdische Mehrheit in der Knesset
als Ergebnis der ethnischen Säuberung und
der Unterjochung von Millionen
Palästinensern unter einem israelischen
Militärregime in der Westbank, in Gaza und
in Ostjerusalem besteht, wo diese ihrer
menschlichen Grundrechte und ihrer
politischen Rechte beraubt sind. Mit diesem
Wissen im Hinterkopf betrachte ich es als
die natürlichste Einstellung zur
ODS-Kampagne, am palästinensischen Boykott
der Wahlen mitzumachen und eine wirklich
demokratische Alternative herzustellen.
Aber die Politik der
Kampagne führte in eine andere Richtung. Sie
betrachtet sich nicht als eine neue
politische Kraft, die anstrebt, an der Seite
der derzeitigen Parteien und Bewegungen zu
stehen, sondern eine Initiative zu bilden,
um eine politische Perspektive vorzustellen,
die nicht nur darauf zielt, die allgemeine
Öffentlichkeit zu erreichen sondern auch
Sektionen der derzeitigen palästinensischen
politischen Führung. Weil die Kampagne auch
Unterstützer der palästinensischen Parteien
in der Knesset hat, wollte sie diese nicht
zwingen, zwischen ihrer Unterstützung für
die Kampagne zu wählen und ihrer Loyalität
zu ihren Parteien. Allgemein gesagt, sie
wählte, keinen Teil der geteilten
palästinensischen Öffentlichkeit vor den
Kopf zu stoßen und beschloss, keine Position
bezüglich Teilnahme oder Boykott
zu veröffentlichen. Keine klare Position zu
den Knessetwahlen einzunehmen ging zu Lasten
der Zustimmung, in einer Zeit aufgeheizter
politischer Debatten mit dabei zu sein.
Re-Organisation
- Nach den Knessetwahlen trafem sich ODS-Aktivisten
zur Evaluierung der Kampagne. Das Ergebnis
der Wahlen zeigte - wieder einmal - wie die
israelische Politik in einer Spirale von
rassistischem Hass und militaristischer
Kriegskrämerei mit nicht einmal einer Spur
von Hoffnung auf Frieden oder einer Wendung
zu mehr Demokratie und Gleichheit gefangen
sitzt. Die größten zionistischen
Oppositionsparteien – die „Blue and White“
und „Labor“ – griffen die ultra-rechte
Regierung an, sie sei zu wenig harsch gegen
die Palästinenser. Die arabischen Parteien,
die versuchten, eine Perspektive für
Einfluss durch die Teilnahme an den Wahlen
zu erhalten, waren frustriert, weil man sie
als legitime Partner in der israelischen
Politik zurückstieß. Und das wachsende Lager
der
Boykottierer
wurde ständig mit Fragen von Unterstützern
und Kritikern gleichermaßen bestürmt: Was
ist deine Alternative zu diesen Wahlen?
Die ODS-Kampagne ist gedacht, Palästinenser
von allen Orten, über Mauern, Grenzen und
politische Traditionen hinweg zu vereinigen,
um eine Bewegung zu bilden, die Leute aus
dem ganzen historischen Palästina mit jenen
in der Diaspora zusammenbringt. Sie möchte
auch ermutigen zur aktiven Teilnahme am
Kampf gegen den Zionismus innerhalb der
jüdischen Gesellschaft in Palästina*.
*Aber, weil die Menge der etablierten Basis
der Kampagne aus Palästinensern von 1948
kommt, beschlossen wir, den verlorenen
Schwung wieder zu gewinnen durch die
Abhaltung eines Studientages in Haifa Ende
Juni.*
In der Vergangenheit -2008 und 2010 – gab es
zwei große Konferenzen zum Recht auf
Rückkehr und zu One Democratic State (ODS)
in Palästina; sie wurden in Haifa im
al-Midan Theater abgehalten; es war eine
Initiative der Abnaa alBalad Bewegung. Seit
damals wurde das Midan, das gewöhnlich eines
der prominentesten Theater in der Umgebung
gewesen war, Ziel für Angriffe von der
Regierung und der Stadt. Sein künstlerisches
Programm erregte den Zorn israelischer
Beamter und wurde sanktioniert. Es ist ihm
seither verboten, seine Säle für jede
Versammlung mit politischem Anstrich zu
vergeben. Der palästinensische
Kulturaktivist in Haifa fand eine
Alternative und öffnete das Khashabi Theater
mit der offenkundigen Absicht, keinerlei
Unterstützung vom Establishment zu suchen
und für sein künstlerisches Repertoire die
Ermutigung für volle Unabhängigkeit der
freien Sprache zu bewahren. Daher war das
Khashabi Theater auch die natürliche Wahl
für das Abhalten des ODS Studientages.
Solides Programm kann die Realität
beeinflussen.
- Am Tag des Gipfeltreffens war die kleine
Halle mit etwa 70 Personen voll. Der
Aktivist Aya Mana eröffnete die erste
Sitzung und notierte, dass wir nur 10
Minuten nach der vorgegebenen Zeit
gestartet haben, ein bezeichnendes Zeugnis
für die ernsthafte Absicht der
Teilnehmenden. Die Zuhörerschaft war
unterschiedlich; es waren Veteranen des
Kampfes gekommen, aber auch
jugendliche Aktivisten, Akademiker und
Mitglieder verschiedener Bewegungen,
Parteien und NGOs. Mana begrüßte alle, und
lud jede/n ein teilzunehmen, nicht nur an
der Unterstützung der Kampagne und ihres
Programms, sondern auch an der kritischen
Diskussion des Programms und gemeinsamem
Suchen nach den wirksamsten Wegen, um eine
einflussreiche Bewegung in Richtung auf die
wirksamsten Ziele zu Gerechtigkeit, Freiheit
und Demokratie aufzubauen.
Der Historiker Ilan Pappé, einer der
Initiatoren der Kampagne, war der erste
Sprecher. Wenn ich mich nicht irre, war
dieser sein erster kompletter Vortrag in
arabischer Sprache – und er hat seine
Prüfung sehr gut bestanden, indem er eine
sehr klare Botschaft
über den historischen Hintergrund der alten,
wieder hergestellten Perspektive für ODS
gegeben hat.
Pappé analysierte die Ursprünge der
zionistischen Bewegung als Teil des
weltweiten Phänomens des europäischen
Kolonialismus, und, mehr spezifisch als
Beispiel für Siedler-Kolonialismus. Er
betonte, dass Siedler-Kolonialismus der
gefährlichste Typ von Kolonialismus ist,
weil er die Hoffnung gibt, nicht nur die
lokale Bevölkerung zu besetzen und
auszubeuten, sondern sie durch Siedler zu
ersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, führt
Siedler-Kolonialismus leicht zur Logik von
Genocid, der mit Erfolg gegen die
eingeborene Bevölkerung in den Vereinigten
Staaten und in anderen Kolonien praktiziert
wurde. Er erklärte, wie
Siedler-Kolonialismus einen verdrehten
nationalen Mythos baut, dem entsprechend die
Siedler-Population als die „Eingeborenen“
beschrieben werden und die ursprüngliche
eingeborene Bevölkerung schlecht gemacht
wird als „bedrohende ‚Aliens“. Ein anderer
ergänzender Mythos sagt, dass das Heimatland
„leer“ gewesen ist, bevor die Siedler kamen
– wobei die Existenz der eingeborenen
Bevölkerung ignoriert und abgeleugnet wurde.
In diesem Kontext ist klar, warum in der
israelischen Politik keine wirkliche
Diskussion darüber sein kann, wie eine
wirkliche Lösung zu erreichen wäre, die die
Rechte der arabischen Palästinenser wieder
herstellen und sie in Frieden und Gleichheit
leben lässt. Der Vorschlag einer
Zweistaaten-Lösung in ihrem israelischen
Kontext ist nur eine andere Variante der
gleichen Suche für Wege, wie man die
eingeborene Bevölkerung loswerden könne.
Pappé widmete einen wichtigen Teil seiner
Präsentation dem laufenden internationalen
Kontext des Kampfes. Er betonte die
Wichtigkeit einer wachsenden Anerkennung der
palästinensischen Rechte in der
internationalen Zivilgesellschaft und die
Bereitschaft vieler Sektoren der
Solidaritätsbewegung, die einzige Lösung,
die auf Menschenrechte und Demokratie
gegründet ist – ODS - anzuhören und
anzunehmen.
Andererseits erklärte er, dass die starke
Unterstützung für Israel und seine
rassistischen Politiken von reaktionären
Kräften wie Trump und europäischen
Nationalisten kein Zufall ist. Sie bauen
ihre Unterstützungsbasis auf dem Wunsch auf,
die koloniale Ära mit weißer Überlegenheit
und einer Hetze gegen die Menschen aus der
Dritten Welt wieder herzustellen. Die
Unterstützung für Israel durch reaktionäre
Kräfte wird von der israelischen
Führerschaft zelebriert, das heißt aber
auch, dass sie nicht mehr Gegenstand im
westlichen Konsens ist. Der
Israel/Palästina-Konflikt ist eines der
Themen im Zentrum des politischen Kampfes um
die Zukunft der Welt zwischen progressiven
und reaktionären Kräften.
Die neue globale Ausrichtung bezüglich des
palästinensischen Kampfes öffnet viele
Möglichkeiten, verlangt jedoch eine aktivere
und gut gezielte Annäherung. Um fähig zu
sein, neue Allianzen zu bilden und das
Potential der internationalen Solidarität zu
maximieren, ist es wichtig, dass die
Palästinenser selbst zur Basisnatur ihrer
Befreiungsbewegung als einem Kampf für
Freiheit und Menschenrechte für alle
zurückkehren.
Pappé erläuterte die Wichtigkeit, eine klare
politische Vision zu haben und die korrekte
Terminologie anzuwenden, um die derzeitige
Realität zu beschreiben. Zum Beispiel ist es
ein Unterschied, ob man von Israels
Apartheid-Regime spricht oder sich nur über
„Diskriminierung“ beschwert. Über
Dekolonisation zu sprechen ist etwas Anderes
als von „Konfliktlösung“ zu reden.
In Beantwortung einer Frage korrigierte
Pappé ein allgemeines Falschlesen der
Geschichte. Ein populäres Missverständnis
vermutet eine Dichotomie (Teilung) zwischen
dem „algerischen Weg“, bei dem die
Siedler-Bevölkerung ausgewiesen wurde, und
der „südafrikanischen Annäherung“, bei der
sich die Gesellschaft veränderte, sodass
Weiße und Schwarze volle und gleiche
Staatsbürger wurden nach der Abschaffung des
Apartheidsystems. Die historische Tatsache
ist, dass die algerische Befreiungsbewegung
den französischen Siedlern die Option
vorschlug, als Staatsbürger des neu
befreiten Algerien zu bleiben – eine Option,
die Teil des Dekolonisierungs-Vergleichs von
Evian 1962 zwischen FLN (= Front de
Libération = nationale Befreiungsfront) und
der französischen Regierung war. Aber die
überwiegende Mehrheit zog es vor, nach
Frankreich zurück zu kehren – und viele der
Weißen in Südafrika emigrierten nach der
Abschaffung der Apartheid dort
Das Programm EINES demokratischen Staates
ist die natürliche Alternative zum
Kolonialismus. Es wird Palästina zu seinen
lokalen und alternativen Identitäten
zurückkehren lassen; es wird das Privileg
der Siedler-Population abschaffen und diesen
die Option geben, sich auf der Basis ziviler
Gleichheit zu integrieren.
Wachsendes Interesse - Awad
Abdelfattah, ein Hauptkoordinator der
Kampagne, der früher Generalsekretär der
„National Democratic Alliance Partei (NDA
oder Balad) gewesen war, begann mit einem
optimistischen Bericht über den sich
erweiternden Einfluss und die Verbindungen
der Kampagne, besonders bei Palästinensern
in anderen Regionen. Auch wenn die Kampagne
selbst erst im Anfangsstadium ist, haben
Aktivisten der Volkswiderstands-Bewegungen
in der Westbank und in Gaza ihr Interesse an
der Botschaft der Kampagne und ihrer Agenda
gezeigt. Abdelfattah sagte, dass einige von
ihnen erklären, dass sie diesen Traum nie
aufgegeben haben – denn nur in diesem Rahmen
können das Recht auf Rückkehr erreicht und
die vollen Rechte der Palästinenser wieder
hergestellt werden – und sie möchten es
wieder beleben als eine Perspektive für ein
Wiederbeleben der palästinensischen
Bewegung.
Besonderes Interesse bestand, als
Abdelfattah über eine sich entwickelnde
Diskussion mit palästinensischen Aktivisten
in den Gefängnissen der Okkupation sprach,
darunter dem Generalsekretär der „Popular
Front for the Liberation of Palestine“,
Ahmad Sa’adat. Die Neuigkeit über das
Interesse der Gefangenenbewegung am Studium
des ODS-Programms machte am nächsten Tag
seine Runde in die Schlagzeilen der Araber
48 Seiten.
Abdelfattah fuhr fort eine Krise in der
palästinensischen nationalen
Befreiungsbewegung zu beschreiben, als diese
plötzlich erkannt hatte, dass die
Zweistaaten-Lösung und das Abkommen von
Oslo nur zu einer Verlängerung der
Okkupation führte. Unter den
katastrophalsten Ergebnissen des Abkommens
von Oslo, sagte er, sei die Zerstückelung
des palästinensischen Volkes. Die Westbank
ist getrennt von Gaza, Millionen von
Flüchtlingen sitzen außerhalb ihrer Heimat
fest ohne Prospekt für eine Rückkehr, und
Palästinenser innerhalb des Gebietes von 48
leiden an systematischer Diskriminierung
ebenso, wie sie regelmäßig aus der
nationalen Sache Palästinas ausgeklammert
sind.
Eine andere Konsequenz von Oslo ist die
Verwüstung der PLO, die bis Oslo als
revolutionäres Vehikel gedient hatte, aber
von der Palestinian Authority (PA) usurpiert
worden war, ohne ihr Ziel der Befreiung des
besetzten Landes zu erreichen. „Ironisch
könnte man sagen“, setzte er hinzu, „das
Abkommen von Oslo habe alle Palästinenser in
einem Gefühl der Hilflosigkeit vereint“.
Gegen diesen Hintergrund betonte Abdelfattah
die Wichtigkeit, weiter die Palästinenser um
eine neue Vision zusammen zu führen, die der
jüngeren Generation neue Hoffnung geben
kann durch das Bewahren der Grundsätze des
glückenden Befreiungskampfes, während die
Perspektive und die Kampfmittel an die
derzeitige Realität und die weitgesteckte
Technologie, Gesellschaft und Weltpolitik
angepasst wird. Diese neue Initiative ist
grundsätzlich der Weg zu einem anderen Leben
und neue und moderne politische Realität, wo
alle Palästinenser wie auch israelischen
Juden gemeinsam kämpfen können, um eine neue
demokratisch politische Einheit auf den
Ruinen des Kolonialismus, der Apartheid und
der rassistischen Trennung zu bauen. Der
zukünftige Staat basiert auf den Prinzipien
der Gerechtigkeit und voller und gleicher
Staatsbürgerschaft.
„Während wir uns der Tatsache bewusst sind,
dass vor uns ein langer Kampf liegt, können
wir heute anfangen, unser Verständnis für
Realität und Neu-Organisation entlang neuer
Linien wieder aufzubauen“, sagte Abdelfattah.
Er endete mit der Hoffnung, dass sich die
Kampagne schrittweise entwickeln werde zu
einer Massen-bewegung des Volkswiderstandes
gegen die Okkupation.“
Abdelfattah fuhr fort, einige der Ansprüche
jener aufzunehmen, die zögerten ODS zu
unterstützen: Dass ODS eine unrealistische
Utopie in der derzeitigen politischen
Realität sei, weil das Gleichgewicht der
Kräfte zu Gunsten der Kolonisten liege, die
vom mächtigsten Staat der Welt, den USA,
unterstützt werden; dass keine
palästinensische Fraktion für die
Einstaat-Lösung sei und dass keine größere
oder kleine israelische Partei bereit sei,
das Prinzip eines „jüdischen Staates“
aufzugeben.
Er zählte die Antwort auf diese Ansprüche
durch folgende Worte zusammen: „Zuerst
sollten wir Wert darauf legen, dass wir
unsere Annäherung auf das Prinzip der
Wiedererlangung der Gerechtigkeit für alle
Palästinenser legen, jener, die vertrieben
und enteignet worden sind und jener, die die
ethnische Säuberung überlebt haben, die von
der zionistischen Bewegung verewigt wurde.
Zweitens war die Zweistaaten-Lösung längst
gestorben und die beiden Bevölkerungen sind
unauflösbar verwoben. Das ist geschehen
durch die fortlaufende systematische Politik
von Landdiebstahl und Siedler-Kolonisation.
Als Ergebnis wurde ganz Palästina zu einer
geographischen und demographischen Einheit
unter einer offensichtlichen Apartheid und
einem kolonialen Regime“.
Er setzte fort: „Wir sollten die Illusion
verscheuchen, dass Israel einen unabhängigen
palästinensischen Staat akzeptieren würde.
Gleichzeitig sollten wir Palästinenser, die
befreundete internationale Zivilgesellschaft
und antizionistische Juden zu diesem Kampf
zusammen bringen, um dieses Regime zu
besiegen. Übrigens, Utopia ist nicht immer
ein Luftschloss. Viele Ideen, die so
ausgeschaut haben, wurden durch klare
Vision, weise Planung und starken Entschluss
Realität. Süd-afrika ist dafür ein starkes
Beispiel, das uns zur Hoffnung dient“.
Die zweite Session wurde vom Aktivisten Majd
Nasralla moderiert und war vorgesehen, um
einige praktische Fragen zu beantworten, vor
denen wir stehen, wenn wir zum Bauen einer
Bewegung auf der Basis von ODS kommen.
Ein Grundthema, zu dem wir wiederholt
angefragt wurden, ist die Position der
ODS-Perspektive angesichts des Völkerrechts.
Einige haben gezögert, ODS offen zu
unterstützen, weil sie glaubten, es gäbe
eine legale Garantie für palästinensische
Rechte im Rahmen des Rechts auf
Selbstbestimmung in einem palästinensischen
Staat als Teil der Zweistaaten-Lösung. Sie
fürchten, ODS anzunehmen als Lösung ohne
internationale Anerkennung könnte die
rechtliche Basis der palästinensischen
Forderungen schwächen.
Ein anderer Podiumsredner, Dr. Munir
Nusseibeh, gab seine fachmännische Meinung
zur Unterstützung von ODS in Hinblick auf
das Völkerrecht ins Gespräch. Er erklärte,
es gebe kein Prinzip, das fordert, dass die
Einteilung in Staaten parallel sei zur
Einteilung in nationale Identitäten. Er
erklärte, dass das Recht auf
Selbstbestimmung grundsätzlich das Recht
ist, nicht Gegenstand einer Unterjochung von
außen zu sein. Er beschrieb die schrittweise
Entwicklung des Völkerrechts in Richtung auf
die Annahme der Menschenrechte als ein
universelles Grundprinzip und die
Notwendigkeit, es allem Volk zu garantieren.
Viel von Nusseibeh’s Vortrag konzentrierte
sich auf das Konzept der „Übergangs-Justiz“,
worüber er tiefgründige Forschungen gemacht
hat. Er kritisierte zionistische
Rechtsexperten und einige ihrer Verteidiger
im Westen, die versuchen, dieses Konzept zur
Verwässerung der Verantwortlichkeit Israels
für Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung
und andere Verbrechen gegenüber
palästinensischen Menschen anzuwenden. Er
betonte, dass im Herzen dieses Konzepts der
„Übergangs-Justiz“ die Annahme eines
wirklichen „Übergangs“ stehe.
Dr. Nusseibeh erklärte, dass das Konzept der
Übergangs-Justiz nur passt, wenn ein Regime,
das auf der Verleugnung der menschlichen
Grundrechte beruht, abgelöst und durch ein
anderes Regime ersetzt wird, das die
Ungerechtigkeit anerkennt und beendet. Unter
diesen Umständen übernimmt das neue Regime
volle Verantwortung für die Konsequenzen der
vergangenen Ungerechtigkeiten und die
Restitution der Rechte der Opfer. Nur dann
tritt Übergangsjustiz in Kraft, die sich mit
den Tätern der Verbrechen befasst,
einschließlich Anklage und Bestrafung, die
zum Tragen kommen für die Bedingungen und
die Notwendigkeit, nach einem Trauma die
Gesellschaft neu aufzubauen. Aber zu
allererst sollen wir die volle
Transformierung der rechtlichen Basis des
Regimes garantieren - was nur im Rahmen von
ODS möglich ist.
Der letzte Sprecher war Majd Kayal, ein
Schriftsteller und einer der zentralen
Aktivisten der Jugend-bewegungen, die eine
führende Rolle in den palästinensischen
Protesten in den 48er Gebieten während der
letzten Jahre spielten. Er sprach über die
Rolle der Kultur und malte ein Bild von
kulturellen Aktivitäten, die der
palästinensischen Gesellschaft helfen
könnten, sich von der zionistischen
Hegemonie zu befreien. Er sagte, das
Einführen von politischen Slogans ist ein
natürlicher Teil des Lebens und der Kultur,
aber es ist nicht das Wesentliche, das
gefordert werde. In manchem Kontext könne
das Zeigen politischer Slogans über die
palästinensische Nationalität und sogar das
Schwingen palästinensischer Flaggen zur
Konsolidierung der derzeitigen vertrackten
Machtbeziehungen beitragen – wenn es
innerhalb eines Rahmens passiert, der vom
zionistischen Establishment dazu bestimmt
wird. Was verlangt wird, ist das Schaffen
und Entwickeln eines unabhängigen Rahmens
für kulturelle Kreativität, die außerhalb
des Einflusses des Establishments liegt und
die alle Aspekte des Lebens behandelt – von
furchtloser Kritik der politischen Situation
zur Konfrontation mit tiefen sozialen
Problemen bis zur Behandlung rein
ästhetischer und künstlerischer Gegenstände.
Die nächsten Schritte vorbereiten -
Nach zwei vollen Sessionen verteilten wir
uns alle in Workshops. Im ersten Workshop
wurde das politische Programm der Kampagne
diskutiert für Leute, für die die Idee neu
war und für jene, die Verbesserungen des
Programms vorschlagen wollten. Das zweite
befasste sich mit nächsten Schritten für den
Aufbau der politischen und medialen
Strategie der Kampagne.
Zum Abschluss der Workshop-Diskussionen
verkündeten die Organisatoren die
Einrichtung von zwei permanenten
Arbeitsgruppen. Eine wird die Kampagne in
der allgemeinen Öffentlichkeit verbreiten
und Kontakt schaffen zu politischen Parteien
und Bewegungen. Die andere wird sich mit der
Veröffentlichung neuen Materials befassen
und das Medienprofil der Kampagne anheben.
Beide Arbeitsgruppen sind offen für das
Mitmachen neuer Aktivisten.
Quelle Update (Übers.: Gerhilde Merz)
Meine Einschätzung zum
Entstehen dieses Textes: Ich nehme an, dass
die Reden ursprünglich vom Tonband abgetippt
wurden. Derjenige, der das gemacht hat,
dürfte der oben angeführte Yoav Haifawi
sein, wenn dieser (arabische?) Schriftzug
nicht etwa eine Ortsbezeichnung ist. Ich
kann kein Wort der dortigen Sprachen reden
oder verstehen.
Außerdem hatte ich
Probleme mit meinem PC, so dass sich trotz
Lesens vielleicht noch Fehler im Text
behauptet haben. Dafür bitte ich um
Entschuldigung. Die Übersetzerin
ebräiHebräisch
Palestine
Update 237 - 23. 4. 2019 -
Palästinenser bauten Israel
auf. - (Auszüge aus einem Artikel von
Andrew Ross) - Es ist nicht übertrieben zu
sagen, dass die Palästinenser fast jeden
Staat in der Region aufgebaut haben, mit
Ausnahme ihres eigenen Staates.
Die Palästinenser wurden nicht einfach
vertrieben und von Israel besetzt - die
überlegenen Fähigkeiten und billigen
Arbeitskräfte der palästinensischen Arbeiter
waren schon immer von zentraler Bedeutung
für den Aufbau der physischen Umwelt
Israels.
Zu den Merkmalen, die die Führer der USA und
Israels teilen, gehören Donald Trumps
Appetit auf weißen Nationalismus und
Benjamin Netanyahus Vision eines jüdischen
Staates. Als Antwort auf Trump haben wir
viele Stimmen gehört, die darauf hinwiesen,
dass Einwanderer dieses Land aufgebaut haben
und immer noch haben. Und in Israel? Wer hat
dieses Land aufgebaut? Die Palästinenser
haben es getan und tun es immer noch. Sie
haben immer den arbeitsintensiven Sektor der
Bauwirtschaft gefüllt. Jeder weiß das, aber
es ist das Thema einer weit verbreiteten
Verleugnung.
Es ist unbestreitbar, dass viele Siedler an
der physischen Konstruktion dessen beteiligt
waren, was die Balfour-Deklaration die
jüdische "nationale Heimat" in Palästina
nannte. Aber sie hingen immer von den
überlegenen Fähigkeiten und der reichlichen
Arbeit der palästinensischen Arbeiter ab,
sei es in der frühen zionistischen Siedlung
der osmanischen Ära, durch die lange
modernisierende Expansionswelle unter dem
britischen Mandat, während der
aufeinanderfolgenden Wellen der jüdischen
Einwanderung nach der Nakba, und dann,
während der Besatzung, als sich ein
Reservoir an billigen Arbeitskräften im
Westjordanland und Gaza öffnete.
So sind auch die Israelis seit 1967 auf eine
Versorgung mit Stein aus Steinbrüchen im
zentralen Hochland des Westjordanlandes
angewiesen, wo einige der besten
Dolomit-Kalksteine der Welt abzubauen sind.
Die Steinindustrie ist der größte
Arbeitgeber des privaten Sektors im
West-jordanland, trägt den größten Anteil am
BIP und an den Exporten und befindet sich
nach wie vor in lokaler Hand. Aber da 75
Prozent des Steins an den Besatzer gehen,
ist die Ironie, dass der Inhalt des
palästinensischen Landes minenartig abgebaut
und effektiv genutzt wird, um den Staat
Israel und den sich ausbreitenden
Siedlungsarchipel aufzubauen, der sich immer
weiter in das Westjordanland erstreckt.
Seit Jahrhunderten sind die hochgeschätzten
handwerklichen Fähigkeiten der Steinmetze
der Industrie die Hauptstütze des Baus in
der Region, obwohl diese Beiträge von
israelischen Beamten nie ausreichend
anerkannt wurden. Auf der Suche nach dem
langjährigen zionistischen Streben nach
araberfreien Arbeitskräften unternahmen die
israelischen Behörden regelmäßige
Anstrengungen, um Ersatz zu finden -
arabische oder Mizrahi, Juden, nach 1948,
und dann wieder als kollektive Strafe für
die erste Intifada, durch die
Massenrekrutierung von Wanderarbeitern. Aber
durch dick und dünn waren die Palästinenser
schon immer die bevorzugten Arbeitskräfte
der Arbeitgeber in der Bauindustrie.
Heute ist die Zahl der Palästinenser im
Westjordanland, die innerhalb der Grünen
Linie oder in den Siedlungen arbeiten, mit
oder ohne Genehmigung, noch nie so hoch
gewesen. Seit einem Jahrhundert oder mehr
haben palästinensische Arbeiter eine
entscheidende Rolle bei den meisten Anlagen
auf dem Land zwischen dem Jordan und der
Mittelmeerküste gespielt. Darüber hinaus
wurden palästinensische Maurer angeworben,
um Amman und einen Großteil der
Infrastruktur der postkolonialen Golfstaaten
- Kuwait, Saudi-Arabien und die VAE -
während des langen Ölbooms zu bauen. Es ist
nicht übertrieben zu sagen, dass die
Palästinenser fast jeden Staat in der Region
aufgebaut haben, außer ihrem eigenen.
Warum bevorzugen israelische Arbeitgeber
immer noch Palästinenser gegenüber Arbeitern
aus China, Rumänien, der Ukraine, Polen, der
Türkei oder Nigeria, die genauso anfällig
für Abschiebungen sind oder die mit einer
hohen Rekrutierungsschuld ins Land kommen?
Abgesehen davon, dass sie billiger und
besser sind, sprechen viele Palästinenser
Hebräisch und haben langjährige Beziehungen
zu den Arbeitgebern; sie überqueren die
Grüne Linie, um jede Nacht nach Hause zu
gehen, so dass dem Staat keine Sozialkosten
entstehen; anstatt ihr Einkommen in Form von
Erlassen nach Hause zu schicken, verwenden
sie ihren Lohn, um israelische Waren zu
israelischen Preisen zu kaufen; ihr Transfer
vom Land in Lohnarbeit hat es den Siedlern
erleichtert, Teile des Westjordanlandes zu
beschlagnahmen, die von den Behörden als
"ungenügend genutzt" angesehen werden; und
die "Einladung", für den Besatzer zu
arbeiten, steht im Mittelpunkt der Politik
der wirtschaftlichen Befriedung -
Arbeitsplätze für den Frieden -, die
besonders von rechten israelischen
Politikern favorisiert wird.
Die Arbeiter selbst sind nicht in der Lage
von Zwangsarbeitern (im Gegensatz zu den
Palästinensern, die nach der Nakba in
Arbeitslager getrieben wurden), aber per
Definition kann man nicht sagen, dass ihre
Arbeit frei ist, da die Alternative im
Westjordanland ein Hungerlohn ist. Ein
Mitarbeiter, den ich kürzlich am
grenzüberschreitenden Kontrollpunkt in
Bethlehem befragt habe, hat es so
formuliert: "Wenn wir keine Arbeit in Israel
hätten, müssten wir uns gegenseitig
auffressen." Angesichts der hohen
Ernährungsunsicherheit und der chronischen
Unterernährung der palästinensischen
Bevölkerung, insbesondere in Gaza, war seine
Bemerkung ein besonders dunkler Witz.
Fraktionen der palästinensischen
Arbeiterklasse wurden nach 1948 und 1967 zu
einer Zwangsarbeitskraft umgewandelt (weder
frei noch gezwungen). Dies war von
vornherein das Ergebnis der
Wirtschaftspolitik der Unterentwicklung. In
der Zwischenzeit ist die Besatzung für die
israelischen und palästinensischen
Kapitalisten, die ihre Hauptbegünstigten
sind, weiterhin eine koloniale Gans, die
goldene Eier legt und den Reichtum in den
Händen einiger weniger Familien auf beiden
Seiten der Grünen Linie konzentriert. Auf
palästinensischer Seite hat die Vermeidung
von Klassenkonflikten - im Namen der
nationalen Einheit - auf tragische Weise die
Opposition der Bevölkerung gegen den
kameradschaftlich-kapitalistischen Kreis um
die Palästinensische Autonomiebehörde
unterdrückt.
Jetzt, da die Zwei-Staaten-Lösung praktisch
in den Papierkorb der Geschichte gerät,
welche Rolle sollte die lange Geschichte der
palästinensischen Arbeit in der Region in
der schnelllebigen Debatte darüber spielen,
wer in einem Einheitsstaat bürgerliche und
politische Rechte genießen wird? Wie sollte
das Jahrhundert oder mehr palästinensisches
Leid in der zukünftigen Besiedlung eines
säkularen Staates auf dem Land des
historischen Palästinas anerkannt werden?
Sollten Menschen, die Länder aufbauen, durch
ihre Arbeit Rechte in ihnen erwerben?
Es war diese Version der
Schweißgerechtigkeit - John Lockes
Arbeitstheorie des Eigentums -, die den
Kolonialismus der Siedler sowohl in den USA
als auch in Israel antreibt: Siedler, die
das Land "verbesserten", erhielten
Eigentumsrechte darüber. Obwohl diese
Doktrin das Yeoman-Homesteader-Ideal von
Jefferson (und dem Siedler, der sich der
arbeitszionistische Theoretiker A.D. Gordon
im historischen Palästina vorstellte)
untermauerte, hat sie der Mehrheit der auf
dem Land Beschäftigten nie viel bedeutet,
und sie brach völlig zusammen, als das
industrielle System der Lohnarbeit Fuß
fasste.
So war auch in Ländern, deren Entwicklung so
viel der Mühe der Verpflichteten, Gebundenen
und Sklaven zu verdanken ist, der Anspruch
auf staatliche Anerkennung ihrer Rechte auf
der Grundlage ihrer Arbeit nicht sehr
erfolgreich (z.B. General Shermans
Versprechen von "vierzig Hektar und einem
Esel"). Doch in den Vereinigten Staaten kann
man mit Fug und Recht sagen, dass sich das
moralische Argument, die Schwerstarbeit von
Afroamerikanern, Chinesen, Iren, Mexikanern
und anderen anzuerkennen, im Laufe der Zeit
in eine zivile und rechtliche Anerkennung
der vollständigen Integration und
Staatsbürgerschaft dieser arbeitenden
Bevölkerungsgruppen umgesetzt hat.
Im Gegensatz zu den USA kamen die
palästinensischen Erbauer Israels jedoch
nicht von anderswo, und ihre Arbeit wurde
auf angestammten Ländern geleistet. Welchen
stärkeren Beweis könnte es dafür geben, dass
die Anerkennung ihrer Schweißgerechtigkeit
mit vollen Rechten in einem einzigen Staat
erfolgt?
Wenn die Verhandlungen über den "endgültigen
Status" wieder aufgenommen werden, werden
alle seit langem bestehenden
palästinensischen Forderungen auf dem Tisch
liegen: Rückgabe von verlorenem Eigentum aus
der "laufenden" Nakba, Entschädigung für
jahrzehntelanges moralisches Leid und
natürlich das Recht auf Rückkehr der
Flüchtlinge, um nur die prominentesten zu
nennen. Dies sind Schulden aus der
Vergangenheit, die zurückgezahlt werden
müssen und Teil der wieder gutmachenden
Gerechtigkeit sind.
Aber die Übergangsjustiz erfordert neue
Ansprüche, um den Weg für einen
Nachfolgestaat zu ebnen. Hier kann und
sollte der Fall der arbeitsbezogenen
Heilmittel eine Rolle spielen.
Es gibt eine lange Liste von Geldschulden,
die den palästinensischen Arbeitnehmern
geschuldet sind: für
Sozialversicherungsbeiträge, die ihren
Gehältern entnommen werden;
Unterberichterstattung von Löhnen und
Arbeitsstunden durch die Arbeitgeber; die
Verweigerung von Mindestlöhnen und
Sozialleistungen für Arbeiter in den
Siedlungen; und der Verlust von Einkommen
durch Grenzschließungen, Blockaden von
Kontrollpunkten und willkürliche Widerrufe
von Arbeitserlaubnissen.
Man könnte die Liste um Kompensationen für
die Verweigerung des Rechts auf Arbeit, die
Behinderung des Zugangs zu
Kollektivverhandlungen und rechtlichen
Rechtsbehelfen sowie um Einkommensentzug aus
der Politik der Kollektivstrafe und der
wirtschaftlichen Unterentwicklung in den
besetzten Gebieten erweitern.
Aber eine vollständige Erfüllung dieser
arbeitsrechtlichen Verpflichtungen könnte
über die Geltendmachung von Rechtsbehelfen
hinausgehen und sollte die volle Anerkennung
der Rechte in einem einzigen Staat umfassen.
In diesem Fall ist das Grundprinzip der
gerechten Wüsten kein komplexer moralischer
Vorschlag. Oder, wie einer meiner
grenzüberschreitenden Befragten, der an
einem Kontrollpunkt der Green Line ansteht,
sagte: "Ich baue dort seit dreißig Jahren
jeden Tag Häuser. In gewisser Weise ist es
auch mein Land, nicht wahr?"
(Übersetzt von Ernst-Ludwig Vatter)
Quelle
Quelle Update
Besatzung und die
Gaza-Blockade sind völkerrechtswidrig
- Annette Groth. -
Auch in diesem Jahr war Weihnachten in
Bethlehem, dem Geburtsort Jesus, ein
besonderes Fest, zu dem Christen aus aller
Welt anreisten. Für palästinensische
Christen, die in Gaza, in Jerusalem oder in
anderen Orten in der Westbank wohnen, ist es
allerdings fast unmöglich, nach Bethlehem zu
kommen. Die sog. 700 km lange
Apartheidsmauer, genannt „Sperranlage“, die
offiziell ein Schutz gegen Angriffe auf
Israel sein soll, verläuft zu 85% innerhalb
der Westbank. Die Mauer trennt nicht nur die
völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen
von den palästinensischen Dörfern, sondern
sie geht auch mitten durch Bethlehem. Darum
wird auch das Bansky´s Walled Off Hotel, in
dem viele Touristen übernachten, das Hotel
mit dem „schlimmsten Blick der Welt“
bezeichnet, weil es direkt an der Mauer
steht.
18 israelische Siedlungen mit 180 000
Siedlern umzingeln Bethlehem und schneiden
sie vom Rest der Westbank und von Jerusalem
ab. Zugang ist nur möglich durch 28
Checkpoints.
In der Nähe von Bethlehem liegt das
Flüchtlingslager Aida, über dem Eingangstor
ist der angeblich größte Schlüssel der Welt.
Der Schlüssel ist aus Stahl, wiegt eine
Tonne und ist neun Meter lang. Die Bewohner
des Lagers fertigten ihn 2008 an und er ist
ein Symbol und Andenken an die verlorenen
Häuser, aus denen die Palästinenser 1948
vertrieben wurden. Damals verloren etwa 720
000 Menschen ihre Häuser. Sie wurden in
Aktionen ethnischer Säuberungen vertrieben
und flohen aus Angst in den Gazastreifen,
ins Westjordanland, den Libanon, nach
Jordanien, Syrien, Ägypten und in den Irak.
Die Schlüssel zu ihren Häusern behielten sie
bei sich in der Hoffnung auf eine baldige
Rückkehr.
In Aida
leben über 6400 Menschen auf engstem Raum.
Laut einer Studie des Human Rights Centers
der kalifornischen Universität Berkeley ist
die Belastung durch Tränengas in diesem
Lager die höchste weltweit. Kinder und
Erwachsene sind dem Reizstoff mehrmals die
Woche ausgesetzt und das hat verheerende
Konsequenzen für die körperliche und
seelische Verfassung der Lagerbewohner. Die
Tränengasangriffe vonseiten des israelischen
Militärs sind reine Schikane, sie sollen die
Menschen einschüchtern und ihnen zeigen, wer
der „Herr im Haus“ ist. In den engen Gassen
des Lagers gibt es viele Graffitis in
englisch und arabisch mit Motiven der
Freiheit, des Widerstands und der Hoffnung.
Sie senden eine eindringliche Botschaft an
Touristen, die das Lager besuchen: “Uns
wurde Unrecht getan und wir werden nicht
aufgeben, bis wir Gerechtigkeit erfahren!”
Das
alltägliche Leben der Palästinenser wird
weithin durch über 700 Checkpoints bestimmt:
Hunderte von Kindern müssen auf ihrem Weg
zur Schule durch diese „Anlagen“, die
teilweise von schwerbewaffneten Soldaten
kontrolliert werden. Um zu ihrem
Arbeitsplatz zu gelangen, müssen
Palästinenser oft stundenlang an den
Checkpoints warten – oft werden sie
unverrichteter Dinge zurückgeschickt; Frauen
gebären an Checkpoints und Menschen sterben,
weil sie es nicht rechtzeitig zum
Krankenhaus schaffen.
Bereits im
Juli 2004 hat der Internationale Gerichtshof
(IGH) in Den Haag in einem fast einstimmig
verabschiedeten Gutachten den Mauerbau auf
palästinensischem Territorium als
rechtswidrig bezeichnet und Artikel 49 des
IV. Genfer Abkommens vom August 1949
ausdrücklich bestätigt. Artikel 49 verbietet
die Ansiedlung der eigenen Bevölkerung in
besetztem Gebiet, d.h. alle jüdischen
Siedlungen, die ohne Zustimmung der
Palästinenser in den besetzten Gebieten
errichtet wurden, sind völkerrechtswidrig.
Der
Gazastreifen mit fast 2 Millionen Einwohnern
ist seit 2007 völkerrechtswidrig mit einer
Blockade belegt, d.h. die Grenzübergänge
Erez nach Israel und Rafah nach Ägypten sind
meistens geschlossen, so dass weder Menschen
noch Waren rein noch raus können, oder erst
nach wochen- oder monatelangem Warten.
Die drei
Gazakriege (2008/9, 2012, 2014) haben den
Küstenstreifen mit seinen 365 qkm – so groß
wie Bremen – fast unbewohnbar gemacht.
Während des
Krieges 2014 warf die israelische Armee über
20 000 Tonnen unterschiedlichster Arten von
gefährlichen und international verbotenen
Bomben über dem Gazastreifen ab. Grundwasser
und Böden sind weitgehend verseucht.
Durch die
Zerstörung der Abwässeranlagen gelangt
ungeklärtes Wasser ins Meer. 2017 musste
Israel erstmalig zwei Strände aufgrund von
Umweltverschmutzung sperren, denn durch die
Meeresströmung gelangt verseuchtes Wasser
auch an Israels Küsten.
Auch die
Fischbestände, eine der wichtigsten
Einkommensquellen im Gazastreifen, sind
verseucht. Tausende Fischer, die ohnehin nur
sehr eingeschränkt agieren können, da sie
nur innerhalb von 9 Seemeilen aufs Meer
hinaus fahren dürfen (damit sind 85 Prozent
der Meeresgebiete, die in den Osloer
Abkommen den Palästinensern zugesagt worden
waren, für die palästinensische Bevölkerung
nicht zugänglich) und bei
„Zuwiderhandlungen“ von der israelischen
Armee beschossen werden, sind quasi
arbeitslos und können sich und ihre Familien
kaum ernähren. Parallel dazu wird den
Palästinensern der Zugang zu 17 Prozent des
Gazastreifens verwehrt, da die israelische
Regierung diese Gebiete zu „Pufferzonen“
erklärt hat.
Um die Welt
auf das Elend der Bevölkerung Gazas und die
völkerrechtswidrige Blockade des
Gazastreifens aufmerksam zu machen und an
die Nakba zu erinnern, organisierten
Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten
im März diesen Jahres große Protestmärsche.
Nakba ist das arabische Wort für Katastrophe
und weist auf die Vertreibung der über 700
000 Palästinenser durch israelisches Militär
im Jahre 1948 hin. Diese Demonstrationen
unter dem Banner „Great Returnmarch“ soll
die Welt an das Rückkehrrecht der aus ihrer
Heimat vertriebenen Palästinenser erinnern,
die damals nach Gaza flüchteten.
1948 sprach
die UNO in ihrer Resolution 194 den
Flüchtlingen ein Recht auf Rückkehr zu,
welches allerdings nicht rechtlich
verpflichtend ist. Allerdings war die
Annahme der Resolution 194 seinerzeit die
Voraussetzung für Israels Aufnahme in die
UNO gewesen.
1974 hat die
Generalversammlung in ihrer Resolution 3236
zum wiederholten Mal das „unveräußerliche
Recht der Palästinenser“ bekräftigt, „in
ihre Wohnungen und Eigentum, aus dem sie
vertrieben und entwurzelt wurden,
zurückzukehren und fordert ihre Rückkehr“.
Das Recht
auf Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat
ist seit langem Völkergewohnheitsrecht.
Sowohl die Menschenrechtserklärung von 1948
wie auch alle vier Genfer Konventionen von
1949 und der UN-Zivilpakt von 1967, den
Israel ratifiziert hat, garantieren das
Rückkehrrecht für Flüchtlinge.
Dieses Recht
muss endlich durchgesetzt werden. Alle
Staaten, die dem „Genfer Abkommen zum Schutz
von Zivilpersonen in Kriegszeiten“ vom 12.
August 1949 angehören, haben die
Verpflichtung, unter Respektierung der
Charta der Vereinten Nationen und des
Völkerrechts die Einhaltung des humanitären
Völkerrechts, wie es in diesem Abkommen
niedergelegt ist, durch Israel
sicherzustellen. Demzufolge sind auch alle
Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, die
Einhaltung des Völkerrechts durch Israel zu
erwirken, die Anerkennung des durch die
Siedlungspolitik geschaffenen rechtswidrigen
Zustands als rechtmäßig zu verweigern und
keinerlei Beihilfe oder Unterstützung zur
Aufrechterhaltung dieses Zustands zu
leisten.
Wenn die
EU-Mitgliedsländer und die EU diese
völkerrechtliche Verpflichtung ernst nehmen
würden, müsste das
EU-Israel-Assoziierungsabkommen so lange
ausgesetzt werden, bis die israelische
Regierung das Völkerrecht und die
Menschenrechte achtet. Artikel 2 des
Abkommens verpflichtet alle Vertragspartner
zur Wahrung der Menschenrechte und der
demokratischen Grundprinzipien.
Seit dem
Beginn der Demonstrationen in Gaza am
30.3.2018 sind 240 Menschen von israelischen
Scharfschützen getötet worden, darunter
Journalisten und medizinisches Personal,
alle als solche gekennzeichnet. Weit über 25
000 Palästinenser wurden verletzt. Vielen
mussten die Beine amputiert werden, weil
Scharfschützen gezielt auf Knie und die
unteren Extremitäten schießen.
Allein am
14.5.2018 wurden 60 Palästinenser getötet.
Dieses Massaker haben israelische
Prominente, darunter Avraham Burg,
ehemaliger Sprecher der Knesset und
Vorsitzender der Jewish Agency, zu einem
Appell veranlasst: „Die Welt muss
eingreifen“. Dort heisst es: „Wir,
israelische Bürger, die wünschen, dass unser
Land sicher und gerecht ist, sind entsetzt
und erschrocken über das massive Töten
unbewaffneter palästinensischer
Demonstranten in Gaza. Keiner der
Demonstranten stellte eine unmittelbare
Gefahr für den Staat Israel oder seine
Bürger dar. Die Tötung von 60 Demonstranten
und die Tausenden weiterer Verwundeter
erinnern an das Massaker von Sharpeville im
Jahr 1960 in Südafrika. Die Welt handelte
dann. Wir appellieren an aufrichtige
Mitglieder der internationalen Gemeinschaft,
zu handeln. Wir fordern, dass diejenigen,
die Schießbefehle erteilten, untersucht und
vor Gericht gestellt werden. Die derzeitigen
Mitglieder der israelischen Regierung sind
für das kriminelle Vorgehen verantwortlich,
auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen.
Die Welt muss eingreifen, um das laufende
Töten zu stoppen.“
(https://www.tagesspiegel.de/politik/appell-israelischer-prominenter-nach-den-blutigen-protesten-in-gaza-die-welt-muss-eingreifen/22571212.html)
Neben
verbalen Verurteilungen einiger Regierungen
hat dieser eindringliche Appell prominenter
Israelis nicht viel gebracht. Immerhin hat
der UN-Menschenrechtsrat mehrheitlich für
die Einsetzung einer Kommission gestimmt,
die das Töten von Zivilisten im Gazastreifen
untersuchen soll. Bei dieser Abstimmung im
UN-Menschenrechtsrat hat sich Deutschland
enthalten, während Belgien und Spanien für
die Untersuchungskommission gestimmt haben.
Der Bericht dieser Kommission soll Anfang
nächsten Jahres fertig gestellt sein.
Der Umgang
mit Gaza hat im November zu einer
Regierungskrise in Israel geführt.
Verteidigungsminister Avigdor Lieberman trat
am 14. November von seinem Amt zurück, weil
er eine härtere Gangart gegen die in Gaza
regierende Hamas und Militärangriffe
forderte. Dagegen strebte Premierminister
Nethanjahu einen Waffenstillstand mit der
Hamas an.
Fast
unbemerkt von der Weltöffentlichkeit geht
das Töten in Gaza weiter. In der
Weihnachtswoche (20. – 26. 12.) haben
israelische Soldaten laut dem
Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte
in Gaza 4 Palästinenser getötet, darunter
ein Kind und einen Behinderten, 142
Zivilisten wurden verwundet, darunter 30
Kinder, 2 Frauen, 2 Journalisten und 1
Sanitäter. (https://pchrgaza.org/en/?p=11793)
Solche
Meldungen kommen in unseren Mainstream
Medien kaum vor, es gibt keinen weltweiten
Protest, geschweige denn Sanktionen, die bei
jedem anderen Land erwartet werden könnten.
Wie das gezielte Töten in Gaza werden auch
die Verbrechen der israelischen Streitkräfte
und der Siedler in der Westbank und in
Ost-Jerusalem weitgehend verschwiegen. Fast
täglich kommt es zu nächtlichen
Hausdurchsuchungen, Zerstörungen von
Olivenbäumen und Häusern, Verhaftungen von
Palästinensern und Kindern zwischen 12 und
16 Jahren, sowie anderen gravierenden
Menschenrechtsverletzungen.
Seit 1967
hat Israel etwa eine Million Palästinensern
aus politischen Gründen inhaftiert. In den
israelischen Gefängnissen befinden sich etwa
7000 palästinensische Häftlinge, mehr als
400 davon sind Kinder zwischen 12 und 16
Jahren. Etwa 750 palästinensische Häftlinge
befinden sich in Administrativhaft – ohne
Anklage und ohne Verurteilung. Die angeblich
gegen sie vorliegenden Beweise werden als
sicherheitsrelevant eingestuft und dürfen
nicht eingesehen werden. Die Dauer der
Administrativhaft beträgt sechs Monate, wird
aber beliebig häufig und ebenfalls ohne
Angabe von Gründen verlängert. Unter Völker-
und Menschenrechtlern ist kaum noch
umstritten, dass Israel die
Administrativhaft als Kollektivstrafe
missbraucht – was genau wie die Verweigerung
eines Rechtsbeistandes und unabhängiger
Haftprüfungen – ein eklatanter Verstoß gegen
internationales Recht darstellt. Folter,
die in einigen Fällen auch zum Tod führte,
ist immer noch an der Tagesordnung, einer
Vielzahl von Gefangenen wird Familienbesuch
verweigert.
Nach
israelischem Militärrecht, das von der
israelischen Regierung in den besetzten
palästinensischen Gebieten angewandt wird,
können Kinder bereits ab einem Alter von
zwölf Jahren zu einem bis zu zwanzig Jahren
Haft verurteilt werden. Anders als das
israelische Zivilrecht hält sich das
Militärrecht nicht an die
UN-Kinderrechtskonvention. Im Militärrecht
können Verhaftete, auch Kinder, bis zu
neunzig Tage ohne juristischen Beistand
bleiben. Viele palästinensische Kinder und
Jugendliche „gestehen“ unter enormem Druck.
Eine Studie von UNICEF aus dem Jahr 2013
kommt zu dem Ergebnis: „Die Misshandlung von
palästinensischen Kindern in israelischen
Gefängnissen scheint weit verbreitet,
systematisch und institutionalisiert zu
sein. […] Das Muster der Misshandlung
beinhaltet die Verhaftung von Kindern
zuhause zwischen Mitternacht und fünf Uhr
morgens durch schwerbewaffnete Soldaten, die
Praxis, Kindern die Augen zu verbinden und
ihre Hände mit Plastikfesseln zu fixieren,
physische und verbale Misshandlung während
des Transports zum Ort des Verhörs […], die
Befragung mittels physischer Gewalt und
Drohungen […] und fehlender Beistand durch
Anwälte oder Familienmitglieder während des
Verhörs.“ (Annette Groth: “Die
menschenrechtliche Situation in den
besetzten palästinensischen Gebieten“, S. 92
in „Palästina – Vertreibung, Krieg und
Besatzung – Wie der Konflikt die Demokratie
untergräbt“ (Hg. A.Groth, N.Paech, R.Falk);
PapyRossa Verlag 2017)
Palestine Update Nr. 193 – 3. Dezember 2018
– Eine kleine christliche Gemeinde … -
Kommentar - Ranjan Solomon -
Eine christliche Gemeinde, klein an Zahl,
vibrierend in ihrer Wirkung
Wenn die Geschichte eines freien und
gerechten Palästinas geschrieben sein wird –
früher oder später – wird das Kairos
Palestine Dokument (erschienen am
11.Dezember 2009) sicherlich anerkannt
werden als eines der Schlüsselpapiere zur
Freiheit Palästinas. Das Dokument wurde von
einer Gruppe von hervorragenden Theologen
und führenden Laien der palästinensischen
Gesellschaft geschrieben und ragt heraus,
weil es den einmaligen Beitrag der Christen
zum Kampf gegen die kolonialistische
Besetzung durch Israel darstellt. Was als
Instrument herausgebracht wurde, um die
Herzen und den Intellekt der internationalen
Gemeinschaft aufzustören, besonders der
Christen in aller Welt, ist jetzt eigentlich
das Manifest des Volkes. Nicht nur hat es
Kirchen beeinflusst und die ökumenische
Bewegung von christlichen Laien auf der
ganzen Welt; es hat auch die Herzen und den
Intellekt fortschrittlicher Muslime berührt,
die heilsame Antworten der Solidarität mit
Kairos verfasst haben. Sie haben das
Dokument begrüßt als einen Aufbruch des
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus dem
Zentrum des Leidens der Palästinenser.
In dem unten aufgenommenen Artikel, der vor
rund zwei Jahren geschrieben wurde und heute
noch Wort für Wort gültig ist, hebt Rifat
Kassis hervor, wie palästinensische Araber –
Christen und Muslime – dabeibleiben, die
brutale und herzlose israelische Besetzung
von palästinensischem Land anzuprangern.
Bezeichnend ist, dass Kassis nicht von einer
Minorität spricht. Er identifiziert sich als
arabische/r Schwester/Bruder, mit der/dem er
dieselbe Notlage teilt, und also ein
gemeinsames Schicksal hat. Wenn er von
palästinensischen Christen in diesem Land
spricht, unterstreicht er, dass die Christen
nicht einfach in Palästina „existieren“;
eher manifestieren sie sich als eine
sichtbare und mitbestimmende präsente Gruppe
auf jedem Gebiet des palästinensischen
Lebens – politisch, sozial, wirtschaftlich,
kulturell, in Bildung, Wohlfahrt und
Entwicklung.
Kassis bezeichnet das Kairos-Dokument als
von Mut geprägt. Kairos sehnt sich nach
Gerechtigkeit als ein Recht – nicht als
karitatives Angebot eines Israel, dessen
Anspruch auf alles Land es illegal an sich
gerissen hat. Kairos bietet liebevollen
Widerstand an - nicht als Akt der Versöhnung
oder als harmonisierende Version von Frieden
- eines, der in der Ungerechtigkeit
begründet ist.
In diesem Sinn beharrt Kairos auf der
Mobilisierung globaler Solidarität, die
harten Widerstand mit friedlichen Mitteln
betreibt und sich weigert, sich den unreifen
und unanständigen Umgang der Besatzer zu
unterwerfen.
Dieser Artikel soll Kirchen und Christen wo
immer in der Welt vereinen, um gemeinsam zu
agieren. Nicht nur das. Auch, weite Teile
der Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen,
Gewerkschaften, Arbeiter und andere
kämpfende Teile der Gesellschaft – rassische
Minderheiten, Indigene, Frauen, Kinder,
Kastenlose und Leute guten Willens sind zu
mobiliseren.
Ranjan Solomon
Die Zukunft der Christen in
Palästina – Aktive Anwesenheit ist mehr als
Existenz
von Rifat Odeh Kassis *)
Der Titel dieses Artikels mag einige
LeserInnen verunsichern, weil er ungewollt
andeuten könnte, dass die Christen ein Teil
einer Gesellschaft sein könnten, die am
Rande der Auslöschung aufgrund von
vielfältigem Druck und Unterdrückungen
stehen. Das erinnert mich an eine Aussage
des Lateinischen Patriarchen Michel Sabbah
während eines seiner vielen Vorträge. Er
sagte: „Wir als Christen sehen uns nicht
einer besonderen Art von Bedrohung
gegenüber; wir stehen der gleichen Bedrohung
und Gefahr gegenüber, die jede/n in unserer
Gesellschaft betrifft. Diese Bedrohung ist
die politische Instabilität und das Fehlen
von Frieden und Gerechtigkeit, das von einer
brutalen und herzlosen Besatzungsmacht
verursacht ist“.
Es ist kein Geheimnis, dass ich vollends
dieser Interpretation zustimme, weil die
grundsätzliche Bedrohung unserer Existenz
die gleiche ist, der alle PalästinenserInnen
unter der israelischen Besetzung unseres
Landes und den unterdrückerischen
israelischen Praktiken unterliegen. Trotz
der Besetzung und ihren Unterdrückungen, und
trotz der zunehmenden Anzahl von Christen,
die auswandern, ist das Vorhandensein der
Christen stark und nachhaltig, wenn wir
unterscheiden zwischen Palästinensern, die
existieren und denen, die im Land leben.
Existenz bezieht sich auf Nummern und
Zahlen, während Gegenwärtigsein die Rolle
und die Aktivitäten der Christen bezeichnet,
die in ihren palästinensischen Gemeinden
präsent sind. Gegenwart bezieht sich auch
auf die Integration von Christen in ihre
Gesellschaft und mit ihren Mitmenschen, die
sich mit dem gleichen Schicksal abfinden.
Es gibt viele Beweise dieser starken Präsenz
und wir können die folgenden
zitieren:
*Die
Existenz von Christen ist seit dem Anfang
der Christenheit vor (fast) zweitausend
Jahren gewachsen und hat Raum gewonnen. Sie
ist in keiner Weise geschrumpft und blieb
standfest, machtvoll und
einflussreich.
*Diese
Existenz war vom Anfang an vorhanden und
wurde lokal von der arabischen Bevölkerung
gegründet. Sie ist nicht plötzlich
erschienen und sie kam nicht aus dem Westen,
wie manche Menschen glauben mögen oder wie
es irrtümlicherweise in einigen
palästinensischen Textbüchern aufgeschrieben
ist. Das Christentum wurde in Palästina mit
der Geburt des Christus in Bethlehem
grundgelegt und breitete sich später nach
dem Westen und in andere Teile der Welt
aus.
*Das Christentum hat eine Gegenwart in
Institutionen: es ist organisiert,
systematisch und solid. Kirchen, kirchliche
Institutionen in Gemeinden und andere
Strukturen haben seit langer Zeit existiert
und werden weiter existieren. Christliche
Institutionen sind die größten Arbeitgeber
und beschäftigen mehr als 20.000 Menschen in
ihren Projekten und Organisationen; davon
sind zwei Drittel muslimische
Palästinenser.
*Christliche Gegenwart ist politisch,
wirtschaftlich und gemeindeorientiert. Es
ist eine teilnehmende Gegenwart eher als
eine passive, auch wenn das Ausmaß der
Teilnahme je nach den Umständen variieren
kann.
*Diese
Gegenwart ist breit und gemeindeorientiert.
Sie ist für jedermann offen ohne
Diskriminierung auf der Basis von Sekten
oder
Geschlecht.
*Zuletzt: Diese
gebrechliche und verwundete Kirche ist noch
– wie andere palästinensische Institutionen
– fähig, Hoffnung in den Herzen der Menschen
auszustreuen und bietet viel mehr an als was
sie tatsächlich leisten kann. Diese
vibrierende, einmalige und unzerbrechliche
Gegenwart wird niemals aufhören zu
existieren.
Trotz dieser Punkte kann ich die Tatsache
nicht ignorieren – oder Unwissenheit
vortäuschen – dass diese Gegenwart heute zu
mehr Sorgen Anlass gibt als je zuvor. Einige
dieser Sorgen sind gerechtfertigt, viele
jedoch nicht. Heute sind wir als Christen
Gefangene unterschiedlicher intellektueller
Schulen (=Richtungen). Einige glauben, dass
wir uns auf Christen als eine Minderheit in
der Gesellschaft fokussieren müssen, und
dass das meiste, das diese Minorität für
ihre Religion anstreben kann, Respekt ist
zusammen mit der Freiheit, ihre Rituale
wahrzunehmen und Kirchen und heilige Orte zu
schützen und zu erhalten. Eine andere Schule
glaubt, dass Christen eine religiöse
Minderheit sind, die daraus das Recht zu
politischer Repräsentanz ableitet. Das haben
wir gesehen im existierenden System
politischer Quoten in Palästina, besonders
im Gesetzgebenden Rat und bei örtlichen
Wahlen. Eine dritte Schule empfindet sich
als unverzichtbaren Teil der Gesellschaft
und fordert volle Staatsbürgerschaft auf der
Basis, dass wir keine Insel sind oder
Minderheit, auch wenn wir wenige sind an
Zahl.
Ich denke, dass die Quelle dieser
gerechtfertigten Betroffenheit oder Sorge
bei den Vorfällen liegt, die in vielen
arabischen Ländern geschehen und in dem
Wachsen politischer Bewegungen, die
behaupten, islamisch zu sein, und die
religiöse Minderheiten in der Region
angreifen und unterdrücken. Dazu kommen die
rassistischen Praktiken Israels, seine
systematischen Enteignungen von Land und
die Abwesenheit jeglichen politischen
Horizonts für einen gerechten Frieden, der
politische und wirtschaftliche Stabilität in
unsere Region bringen könnte. Das Gefühl der
Entfremdung, das viele Christen empfinden,
entsteht im Grunde dadurch, dass
palästinensische Christen kein
Selbstvertrauen haben und die christliche
Präsenz und ihre Macht in Palästina nicht in
der Tiefe studiert haben. Diese Menschen
sind Pessimisten und bereit, zur Seite zu
steigen, und sogar zu emigrieren. Wir müssen
realisieren, dass unsere Zukunft in unseren
eigenen Händen liegt; wir besitzen genug
Potential, um in diesem Land aufzublühen.
Um
das zu beweisen werde ich einige Tatsachen
auflisten:
*
Kirchen und christliche Institutionen
betreiben viele Schulen, in denen mehr als
2.500 Personen angestellt sind, und sie
lehren mehr als 25.000 Schüler; dazu kommen
einige Universitäten, Colleges und
Gemeinde-Colleges.
*
Es gibt einige Berufs-Trainingszentren und
Berufs-Ausbildungsinstitutionen, die in
verschiedenen gewinnbringenden Gebieten
arbeiten.
*
Es gibt einige Spitäler, Erholungsheime,
Rehabilitationszentren für Behinderte und
Heime für alte
Personen.
*
Es gibt etliche Frauen- und
Jugendorganisationen, die größtenteils auf
ehrenamtlicher Basis betrieben werden,
außerdem verschiedene Pfadfindergruppen und
karitative Organisationen, die auch
ehrenamtlich betrieben werden.
*
Es gibt Minister und Mitglieder des
Palestine National Council und des Palestine
Legislative Council (= Pal.Nationalrates und
Pal. Gesetzgebenden Rates), dazu etliche
Botschafter, und Bürgermeister in Stadt und
Dorf.
Mehr als 60 % der Christen sind jünger als
40 Jahre und haben eine Menge anzubieten.
Mehr als 50 % von diesen haben einen
Universitätsabschluss. Mehr als 50 %
besitzen entweder einen Wirtschaftsbetrieb
oder arbeiten in einem solchen, oder haben
leitende Stellungen in der (politischen)
Gemeinde oder bei Non-Profit-Organisationen.
Etwa 30 % der Christen sind als
gutverdienende Angestellte eingestuft.
Dieses zusätzlich zu einem signifikanten
Potential von Kirchen und christlichen
Institutionen, deren weltweite Verbindungen
sie in die Lage versetzen, die israelischen
Praktiken gegen unser Volk zu
veröffentlichen, und den Kampf der
Palästinenser und die gerechte Sache der
Palästinenser zu erklären. Kirchen haben
sich auch für Anwaltschaft eingesetzt, die
öffentliche Meinung beeinflusst und die
Unterstützung für die palästinensische Sache
mobilisiert. Das Dokument „Kairos Palestine
– ein Moment der Wahrheit“, das von der
palästinensischen nationalen Initiative
herausgebracht wurde, war möglicherweise der
kraftvollste Ausdruck dieses Potentials,
weil es einen riesigen Eindruck auf die
Kirchen und christlichen Kreise weltweit
geschaffen hat. Es wurde überall in der Welt
gesehen und führte zur Unterstützung durch
international einflussreiche Figuren,
Institutionen und wirksame
Solidaritätsgruppen.
Dieses historische Dokument ist das Zeugnis
christlicher PalästinenserInnen an die Welt
über die Unterdrückung und Ungerechtigkeit
gegen das palästinensische Volk. In diesem
Dokument präsentieren christliche
Palästinenser der internationalen
Gemeinschaft ein Moment der Wahrheit über
die Unterdrückung, Zerstreuung, das Leiden
und die rassische Diskriminierung der
vergangenen sechs Jahrzehnte. Das
Palästinensische Kairos Dokument, das fast
zwei Jahre für seine Vorbereitung benötigte,
kann verglichen werden mit dem berühmten
Südafrikanischen Kairos-Dokument, das 1985
angekündet, und dann als der
Schlüssel-Wendepunkt im Kampf gegen die
Apartheid gesehen wurde, und schließlich
einige Jahre später zu deren Absturz führte.
Obwohl das palästinensische Dokument ein
rein lokales christliches Dokument ist,
richtet es sich nicht nur an christlich
Glaubende sondern auch an säkulare Menschen
und alle internationalen und regionalen
Solidaritätsbewegungen, die mit dem
palästinensischen Volk arbeiten. Das ist es,
was dem Dokument seine Kraft gegeben hat und
Möglichkeiten, mit diesen Bewegungen
Allianzen für die Arbeit zu schaffen mit dem
Ziel, die Besetzung zu beenden und zu einem
gerechten Frieden in der Region zu kommen.
Alle Beobachter stimmen überein, dass das
Kairos Dokument „Ein Moment der Wahrheit“
das mutigste palästinensische Dokument ist,
weil es theologische und politische Themen
präsentiert. Es war fast das erste Dokument,
in dem theologische Themen diskutiert
wurden, die nahe am Tabu sind, wie z.B. das
Versprechen in der Heiligen Schrift und der
Missbrauch der Bibel für politische und
andere Zwecke. Daher sieht das Dokument die
Besetzung von palästinensischem Land durch
Israel als eine Sünde gegenüber Gott und das
Volk. Politisch war das Dokument mutig in
seiner Kritik von Israel, indem es dieses
verantwortlich machte für Unterdrückung,
Mord und Zerstörung und in seiner Kritik an
die USA für ihre blinde Unterstützung für
Israel. Das Dokument forderte das Recht auf
Rückkehr für Flüchtlinge und die
bedingungslose Entlassung aller
palästinensischen Gefangenen. Das Dokument
kritisierte die innere Spaltung Palästinas,
aber machte sie der internationalen
Gemeinschaft zum Vorwurf wegen des
Boykottierens der palästinensischen
Demokratie. Das Dokument zögerte nicht,
Selbstkritik zu üben und die Leute zu
kritisieren, die diese Situation geschaffen
haben. Die Spitze des Mutes lag in der
Forderung an die Kirchen der Welt, Israel zu
boykottieren und es zu zwingen, sich an das
Völkerrecht zu halten.
Diese Beispiele sind der klare Beweis dafür,
dass die christliche Gegenwart stark ist und
wirksam und als palästinensische Existenz
gesehen werden muss. Alle oben zitierten
Fakten bieten eine mächtige Motivation an
für ein größeres Engagement in öffentliche
Fragen und eine wirksame Teilnahme am Dienst
für die Interessen unseres palästinensischen
Volkes und seiner Spannkraft.
*) Rifat Kassis ist der
General-Koordinator von Kairos Palestine und
ist einfach eine der am besten bekannten
Stimmen und Gesichter des friedlichen
Widerstands für Gerechtigkeit in Palästina.
Er hat gemeinsam mit anderen die
Kairos-Bewegung am aktivsten vorangebracht
und war eines seiner Aushängeschilder und
Mitschöpfer. Rifat Kassis hat 35 Jahre
Erfahrung in der Führung von Organisationen
und Programmen in leitenden Positionen im
Mittleren Osten, Zentralasien und Europa und
Erfahrung in der Arbeit mit Geber-Agenturen.
Als Berater hat Rifat Projekte entworfen,
hat Bedarfsschätzungen und Studien über
Grundaufbau geleitet, Papiere für Politiken
entworfen, externe Evaluierungen und
Einschätzungen durchgeführt, den Aufbau von
Kapazitäten und Trainingsmöglich-keiten
eingerichtet und geholfen mit der Planung
von Strategien und Organisation von
Dezentralisation und
Umstrukturierung. Rifat besitzt umfassende Erfahrungen mit
Kinderrechten und Kinderschutz und hat die
palästinensische Sektion von „Defence for
Children International“ eingerichtet; er war
rund 7 Jahre lang Präsident dieser globalen
Bewegung und hat einige Beratungszentren auf
diesem Feld geleitet. Seine Erfahrung
überspannt Anwaltschaft für Menschenrechte,
Entwicklung, humanitäre Assistenz,
Jugend-Entwicklung und -Rehabilitation.
Er hat drei Bücher geschrieben und zu
weiteren 12 Büchern und einigen Artikeln
über Menschen-rechte und Themen der
Zivilgesellschaft beigetragen.
Andere
Veröffentlichungen von Rifat Kassis >>>
(Übersetzung: Gerhilde Merz)
Mohammad Khabali
begann umzukehren. Die Aufnahme einer
Überwachungskamera zeigt drei Soldaten, die
ihm auf 80m nähern. Plötzlich hört man zwei
Schüsse. Der geistig behinderte junge Mann
bricht tot zusammen. - Gideo Levy,
Alex Levac - 13.12.2018
Hier ist der Stock. Der trauernde Bruder
entfernt ehrfürchtig das schwarze Plastik,
das um ihn gewickelt ist, als wäre er eine
heilige Reliquie. Es ist ein Besenstiel, mit
Blut befleckt. Es ist der Stock, den er
unter seinem Arm trug, als er versuchte sich
von den Soldaten der israelischen Armee zu
entfernen, die sich ihm auf der
Jaffa-Strasse im Zentrum von Tul Karm
näherten, eine Straße mit Restaurants und
Cafés. Sie schossen aus einer Entfernung von
etwa 80m auf ihn; die Kugel schlug in seinen
Hinterkopf.
Wie kann behauptet werden, dass er aus
dieser Entfernung für jemanden eine Gefahr
darstellte?
Die Strasse war relativ ruhig. Eine kleine
Gruppe junger Palästinenser verbringen die
Nacht in den Cafés – und ihnen gegenüber
etwa 30 Soldaten. Die Überwachungskamera
eines der Restaurants zeigt 2 Uhr 25 nachts.
Auf dem Video dieser Kamera und drei anderen
längs der Strasse, dessen Aufnahme die
israelische Menschenrechtsorganisation
B'Tselem erhielt, sieht man kein
Steinewerfen und keine großen Gruppen
herumlaufen. Was man sieht, sind drei
Soldaten, die vor dem Rest ihrer Einheit
vorwärts gehen. Dann hört man aus einer
Entfernung einen Schuss, dann noch einen;
Zwei Soldaten haben scheinbar gleichzeitig
geschossen. Man sieht eine Person, die einen
Stock trägt und auf der anderen
Strassenseite sich von den sich nähernden
Soldaten entfernt, sie fällt mit dem Gesicht
zu Boden. Eine Sekunde lang versucht sie den
Kopf zu heben – bevor sie stirbt. Ein
anderer junger Mann ist ins Bein getroffen.
Die Soldaten entfernen sich eilig.
Ende der Operation. Das Ende des kurzen
Lebens von Mohammad Khabali, den jeder hier
liebevoll "Za'atar" nannte (nach dem
beliebten Gewürz von wildem Ysop). Geistig
behindert von Geburt an, tat er nie einer
Seele etwas zuleide und half lokalen
Cafébesitzern nachts aufzuräumen gegen einen
kostenlosen Zug an der Narghile;
gelegentlich bettelte er einen Passanten um
ein Almosen an. Es ist fraglich, ob der
Soldat, der auf ihn schoss, wußte, auf wen
er schoss; noch fraglicher ist, ob sie das
gekümmert hätte. Er tötete Za'atar ohne
ersichtlichen Grund und bereitete der
ohnehin bedauernswerten Familie, die nicht
weit von der Stadt in einem der ärmsten
Flüchtlingslager der Westbank, dem von Tul
Karm, lebt, ein weiteres Unglück.
Ein erschreckender Müllhaufen begrüßt die
Besucher an den Eingängen des
Flüchtlingslagers; Arbeiter im UN-Shirt
laden Abfall auf einen Müllwagen. Das Lager
von Tul Karm ist das größere von zwei
Flüchtlingslagern, die an die ösliche Seite
der Stadt grenzen. (Das andere ist Nur
al-Shams.) Grafitti von einem Gefangenen in
der Häftlingsuniform des Israeli Prison
Service ist auf eine Mauer gemalt, ein
junger Mann sitzt in einem Rollstuhl in
einer mit Abfall übersäten schmalen Gasse
vor einem der Häuser. Überall
Vernachlässigung. Abfall wirbelt sogar um
das zerstörte Denkmal für die 157
Lagerbewohner, die zwischen 1987 und 2003,
während der zwei Intifadas, getötet wurden.
Das Denkmal war an einer Stelle errichtet
worden, an der in der zweiten Intifada 10
junge Leute von Scharfschützen der
israelischen Armee getötet wurden, die sich
auf das Dach eines nahe gelegenen hohen
Gebäudes positioniert hatten. Ein neues,
aktuelleres Denkmal ist geplant, erzählt uns
der Direktor des Lagers für
Dienstleistungen, Faisal Salami. In einem
vollgestopften Laden werden alte Dinge
verkauft, Second-Hand-Artikel und alte
Ziergegenstände, er platzt aus allen Nähten.
Es ist als wären alle Schmattes (Lumpen)
Israels hier gelandet.
Wir gehen in eines der Häuser, klettern in
den zweiten Stock: hier wohnt die Familie
Khabali, die jüngste Märtyrerfamilie des
Lagers. Freiliegende Stromkabel an den
Wänden, im Waschbecken ein alter Autospiegel
– der einzige Spiegel in der Wohnung. Rasch
kommt der trauernde Vater, Khossam Khabali,
seine Beine sind nach einer Krankheit in der
Kindheit behindert; er steigt die Treppe mit
großer Mühe hinauf, auf einen Stock
gestützt, beide Beine verkrüppelt. Er ist 54
Jahre alt und versucht auf jede mögliche
Weise für den Lebensunterhalt für seine neun
Kinder zu sorgen, zwei von ihnen – der tote
Sohn und einer seiner Brüder – waren geistig
behindert. Khabali arbeitet als Wächter in
der Gemeindeverwaltung von Tul Karm, er
transportiert Obst und Gemüse auf einem
Eselskarren zum Markt und ist gelegentlich
Bestatter auf dem lokalen Friedhof. Nein,
antwortet er, das Grab seines Sohnes habe er
nicht gegraben.
Auf seinem Gesicht kann man Trauer und Leid
studieren. Mona, seine Frau, eine stattliche
50-jährige Frau, spricht von ihrem toten
Sohn im Flüsterton. Der Schock ist hier noch
spürbar.
Vergangenen Montag, erzählen sie, war
Mohammad zu Hause und gut gelaunt. Er half
seinem Vater den Eselskarren festzubinden.
Zum Abendessen hatte er Makluba, ein
Reisgericht mit Hühnchen, das die Mutter
zubereitet hatte, und gegen 1/2 8 ging er
wie jeden Abend weg, zu den Cafés an der
Jaffa-Strasse. Bevor er ging, fragte er
seine Mutter, ob sie irgendetwas brauche.
Für gewöhnlich kam er gegen ein Uhr nachts
nach Hause, nachdem er die Cafés aufgeräumt
und geputzt hatte. Diesmal kam er nicht
zurück. Gegen 3 Uhr morgens kamen verstörte
junge Männer und weckten Ala, den ältesten
Sohn, auf, der seine Eltern weckte: Mohammad
ist getötet worden. Khossam bat eine seiner
Töchter auf der Facebook-Seite des Lagers
nachzuschauen, ob es ein Irrtum war, und
entdeckte zu seinem Schrecken, dass das
Opfer tatsächlich sein Mohammad war. Wie
benommen lief er zum Thabet-Krankenhaus in
der Stadt, wo er die Leiche seines Sohnes
sah, mit einem Loch in seinem Nacken. Mit 22
Jahren hatte ihn der Tod geholt.
Mohammad besuchte die Schule bis zur 6.
Klasse, verstand aber nichts, sagen seine
Eltern. Schon als er 3 war, bemerkten seine
Eltern, dass er sich nicht wie die anderen
Kinder entwickelte und geistig behindert
war. Es war ihr zweiter Sohn. Ihr nächster
Sohn, Ibrahim, der jetzt 18 ist, leidet am
selben Gebrechen. Zehn Tage, bevor Mohammad
getötet wurde, kehrten er und Khossam von
Amman zurück, wo sie einen Beileidsbesuch
zum Tod von Khossams Bruder gemacht hatten.
Es war Mohammads erste und letzte Reise ins
Ausland.
Laut seiner Tante Latifa, die zum Begräbis
nach Tul Karm gekommen war, war er
begeistert davon, in Amman zu sein.
Videoclips zeigen ihn einen Tag vor der
Rückkehr ins Flüchtlingslager tanzend und
singend im Haus der Verwandtern in der
jordanischen Hauptstadt. Es gibt auch ein
Selfie von Mohammad. Er half seinen Onkeln
Oliven ernten und verlesen – auch das war im
Video und anderen Fotos aufgenommen.
Auf seinem letzten Foto kan man Mohammad mit
einem kleinen Koran in der Hand sehen, und
wie er scheinbar darin liest, obwohl er
weder lesen noch schreiben konnte. Das Foto
war in einem der Cafés an der Jaffa-Strasse
aufgenommen, etwa 1 1/2 Stunden, bevor die
Soldaten ihn töteten. Einige Clips zeigen
ihn, wie er spricht, aber seine Aussprache
ist undeutlich. Allah erbarme sich, seufzt
seine Tante.
Nachdem Vater und Sohn von Amman
zurückgekehrt waren, begannen die Gespräche
über die Hochzeit des Ältesten, Ala.
Mohammad sagte seinen Eltern, er wäre gern
der nächste, der heiratet. Mohammad war nie
von Soldaten aufgehalten worden, geriet nie
mit irgendjemand in Streit, und es scheint,
dass er im Lager und der Stadt sehr gemocht
wurde, teilweise wegen seiner Behinderung.
Die Narghile war seine Erspannung, seine
kleine Flucht.
Nachdem wir die Familie schweren Herzens
verlassen haben, fahren wir zum Ort des
Geschehens. Tul Karms Hauptstrasse der
Unterhaltung beginnt an der Technischen
Kadoree-Universität, am westlichen Rand der
Stadt, und steigt zum Stadtzentrum an:
Geschäfte, Arkaden mit Computerspielen,
Restaurants, Cafés – eines davon nur für
Frauen, mit geschwärzten Fenstern. Manches
ansprechend gestaltet. Da ist das Café
Bianco, das Café Al-Shelal, und gegenüber
ein Wandgemälde mit Mahmud Drawish, dem
palästinensischen Nationaldichter.
In der Nacht von Montag auf Dienstag
vergangener Woche drangen nach den
Schätzungen von Einwohnern etwa 200 Soldaten
in die Stadt ein und verteilten sich auf
verschiedene Plätze. Routine. Eine Gruppe
von etwa 30 Soldaten führten eine Razzia in
zwei Häusern an der Jaffa-Strasse durch und
gingen dann die Haputstrasse weiter. Sie
nahmen niemanden fest. Die Cafés waren fast
alle schon geschlossen, das
A-Sabah-Hummus-Restaurant öffnete gerade, um
Arbeiter zu empfangen, die mitten in der
Nacht zu ihren Jobs in Israel aufbrechen.
Die Soldaten sammelten sich in der Nähe der
Al-Fadilia-Jungensschule, eine alte
Bildungsinstitution am Ende der Strasse. Die
jungen Männer, die aus den Cafés kamen,
tauschten Flüche mit den Soldaten aus,
einige warfen aus der Entfernung Steine in
ihre Richtung. Laut Abd al-Karim Sa'adi,
einem Feldermittler von B'Tselem, der sofort
nach dem Mord sorgfältig Beweismaterial
sammelte, als wäre er von einer forensischen
Polizeiabteilung, (er sammelte) auch die
Aufnahmen aller Überwachungskameras an der
Strasse und die Steine, die auf halbem Weg
zwischen den jungen Leuten und den Soldaten
landeten. Niemand war verletzt worden.
Nach Sa'adis Einschätzung standen nicht mehr
als etwa 15 bis 20 junge Palästinenser in
einiger Entfernung gegenüber den Soldaten.
Einer von ihnen sagte zu Mohammad: "Za'tar,
Du sollst von hier weggehen." Wie das Video
einer Kamera zeigt, drehte Mohammad um und
begann weg von den Soldaten zu gehen. Er
lief nicht, sondern ging langsam. Dann wurde
er in den Kopf geschossen, von hinten.
In einer Erklärung für Haaretz sagte der
Sprecher der Armeeinheit diese Woche:
"Letzte Woche wurde eine Untersuchung der
Militärpolizei eingeleitet. Gegenwärtig kann
gesagt werden, dass es während der
operativen Tätigkeit der israelischen
Soldaten in Tul Karm zu einer gewalttätigen
Randale kam und dutzende Palästinenser
Steine auf die Kämpfer schleuderten. Als
Reaktion setzten die Soldaten Mittel zur
Zerstreuung der Randalierenden und scharfe
Munition ein. Es wurde berichtet, dass (bei
dieser Begebenheit) ein Palästinenser
getötet und ein anderer verletzt wurde. Wenn
die Armee ihre Ermittlungen beendet, wird
das Ergebnis der Untersuchung vom
Militärankläger geprüft. Der Vorfall wird
auch auf Komandeursebene untersucht."
B'Tselem hat folgende Erklärung
herausgegeben: "Videoaufnahmen von vier
Überwachungskameras, die an drei
verschiedenen Gebäuden an der Strasse
installiert waren, zeigen, dass die Gegend
vollkommen ruhig war, und es keine
Zusammenstöße mit Soldaten gab... Die von
B'Tselem gesammelten Videoaufnahmen und
Augenzeugenberichte von Leuten, die in der
Nähe von Khabali waren, zeigen absolut keine
Anzeichen von 'Ruhestörung', Steinewerfen
oder Einsatz von Mitteln zur
Massenkontrolle. Ganz im Gegenteil: man
sieht die Soldaten gemächlich gehen, man
sieht die Palästinenser sich miteinander
unterhalten, und dann die Soldaten aus einer
beträchtlichen Entfernung in den Kopf von
Khabali schiessen. Dem tödlichen Schuss ging
keine Warnung voraus, er war nicht
gerechtfertigt und stellt eine
Rechtsverletzung dar."
Ein paar verblichene Blutspuren sind noch
auf dem Asphalt zu sehen, wo Khabals Leiche
nach den Schüssen weggeschleift wurde. Er
starb an Ort und Stelle, sein Kopf blutete
stark, sagt Sa'adi.
In Café gegenüber wird ein guter
italienischer Espresso serviert, zwei
Farbfotos hängen an der Wand. Eines von
einer großen Drohne mit dem Symbol der
israelischen Luftwaffe an seinem Heck, das
andere von einem der ersten IAF Fouga
Kampfflugzeuge im Himmel über Israel. Der
Besitzer sagt, er habe die Nummern der
Schwadrone entfernt, bevor er sie an die
Wand hängte. Er hat die Fotos auf dem
Flohmarkt in Tul Karm gekauft.
Mohammad Khabali, alias "Za'atar", ist jetzt
nicht weit von hier begraben, in der
Friedhofssektion der Märtyrer.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Palestine
Update Nr. 192 - 27. 11. 2018 -
Meinung - Rajan Solomon -
Neuer
Test in der Gleichung für Gerechtigkeit in
Palästina – Optionen für die EU - Es
mag zu früh sein, um die Rolle der USA in
der Frage nach einer gerechten Besiedlung in
der Kolonisierung von palästinensischen
Territorien durch Israel abrupt
abzuschreiben, aber es bleibt ein
unleugbarer Faktor, dass die Entscheidung
der USA, die Botschaft nach Jerusalem zu
übersiedeln, eine unüberlegte Strategie war,
die ihr Vertrauen und die Fähigkeit, die
Zukunft zu beeinflussen, verloren gehen
ließ. Politische Selbstgefälligkeit wird
eine Umkehr der Entscheidung nicht erlauben.
Trump und sein unterbemittelter
Immobilienhändler (spielt die Rolle eines
Gesandten) Kushner mögen sich heiser
schreien. Es werden wenige bleiben – wenn
überhaupt – die Akt 1, Szene 1 ihres „Deal
of the Century“ übernehmen wollen. Wenig
Wunder also, dass die versprochene
Verabschiedung des Deal von Monat zu Monat
verschoben hat werden müssen. Trumps Kopf,
um sich mit der Wirklichkeit
auseinanderzusetzen, ließen ihn verwirrt
zurück. „Welche ist die wirkliche Welt?“ mag
er sich vielleicht verwundern. Warum ist es
nicht so einfach den „Lehrling“ zu spielen?
Er realisiert im Schneckentempo, dass seine
Befehle ihn nicht weiterführen außer in den
Ländern der Speichellecker, die seinen
weitreichenden Arm benötigen oder
korrespondierende ideologisch-politische
Tendenzen verfolgen.
An Jerusalem hat sich gezeigt, dass das
politische Spiel von Amerika fehlgegangen
ist. Trump hat wahrscheinlich gedacht, dass
seine pompöse Ankündigung die Welt
inspirieren werde, seinen angenommen
visionären Instinkten prompt zu folgen.
In einem Artikel von Yara Hawari „Die EU und
Jerusalem – das Potential für einen
Rückschlag“ ist zu lesen: „Die EU nahm klar
Stellung zu der Übersiedlung der
US-Botschaft und statuierte, dass sie
weiterhin den internationalen Konsens von
Jerusalem aufrecht erhalten werde,
einschließlich der Weigerung, diplomatische
Missionen dort anzusiedeln, bis der
endgültige Status von Jerusalem einer Lösung
zugeführt wird. Einzelne Staaten der EU
haben diesen Standpunkt mitgetragen;
Frankreich z.B. erklärte, dass diese
Übersiedlung dem Völkerrecht widerspräche.
Die tschechische Republik, Ungarn und
Rumänien waren jedoch alle bei der
Eröffnungszeremonie der Botschaft anwesend
und blockierten eine Stellungnahme der EU,
mit der die Übersiedlung der USA verurteilt
werden sollte“.
Handfeste Unterstützung der europäischen
Völker für die Rechte und die Souveränität
der Palästinenser und dass die EU fest an
das Völkerrecht und die Menschenrechte
gebunden ist, bietet die Hoffnung, dass
Europa als Barrikade gegen die Verachtung
der USA für die Regulierung durch das Gesetz
agieren wird. Unterstützung durch die
Menschen für die Rechte und Souveränität der
Palästinenser und das Sprießen von
Graswurzel-Solidaritäts-Netzwerken hält die
Regierungen unter Druck, ihre Aktionen dem
Völkerrecht und den Menschenrechten
anzupassen. Die Chancen sind mehr als gut,
dass Europa anfangen könnte, entscheidenden
Gegendruck für Frieden und Stabilität zu
entwickeln und Israel in die Verantwortung
für seine üblichen Unrechtmäßigkeiten zu
drängen. Im Verlauf dieses Prozesses werden
sie die Einseitigkeit der USA zurückweisen.
Die EU hat bis jetzt vollmündig gesprochen
und nichts als Rhetorik und Tröpfchen von
Hilfe geliefert. Aber es gibt eine neue
Grundrealität, mit der man zurechtkommen
muss. Die Stimmung des Volkes verabschiedet
sich vom status quo und wünscht sich, dass
ihre Länder mehr wagen als nur Worte. Es
geht nicht mehr nur darum, an Kleinigkeiten
zu verbessern, wie z.B. Waren aus den
israelischen Siedlungen richtig zu
etikettieren und ähnliche bescheidene
Aktionen. Die Menschen in den EU-Staaten
verlangen politische Schritte, die
entscheiden und verändern. Die
Zivilgesellschaft muss jetzt durch
BDS-Aktionen die Macht und Solidarität des
Volkes manifestieren. Sie vertrauen
versteinerten Regierungen nicht länger
entsprechend, aufzustehen und Israel zu
verurteilen.
Die EU als Kollektiv ist so stark wie sie
schwach ist. Wie Yara Hawari in ihrem
Artikel, den wir unten wiedergeben,
schließt: „Der EU fehlt es nicht an
Praktiken oder legalen Argumenten, um Israel
für seine Annektierung von Jerusalem zu
belangen, es fehlt ihr jedoch der politische
Wille, konkrete Strafmaßnahmen
durchzuführen. Diese Begrenzungen stammen
nicht nur vom System der Mitglied-schaft der
Staaten und dem Mangel an Einsichten in
fremde Politiken, sondern auch an der
sanften Führung der EU gegenüber einer
globalen Tendenz zunehmend harter
Machtpolitik. Aber dennoch gibt es einige
Möglichkeiten zur Veränderung in diesem
Muster der Inaktivität. Gegen jede Hoffnung
hoffend fragen wir: Wird die globale
Gemeinschaft und der wachsende globale
Widerstand diese Veränderungen zulassen?“
Bitte lesen den untenstehenden Artikel und
verteilen Sie ihn breit. Es ist eine Lesung,
die alternative Paradigmen anbietet. -
Rajan Solomon
Die
EU und Jerusalem – Das Potential
zurückzuschlagen von Yara Hawari*) -
Überblick Die Übersiedlung der US-Botschaft
von Tel Aviv nach Jerusalem im Mai 2018
setzte einen gefährlichen Präzedenzfall, der
sowohl Israel ermutigte, palästinensisches
Land zu annektieren und zu kolonisieren, und
lädt Drittstaaten dazu ein, ihrerseits ihre
Verpflichtungen unter dem Völkerrecht zu
verletzen bzw. zu vernachlässigen. Obwohl
das Vorgehen von vielen Staaten verurteilt
wurde, folgten andere, wie Guatemala und
Paraguay auf dem Fuß und öffneten
Botschaften in Jerusalem. Die Normalisierung
erfolgte relativ schnell, indem
verschiedenen Staaten wie das
UK verkündeten, dass sie an
Treffen in der neuen US-Botschaft teilnehmen
würden.
Diesen letzten politischen Manövern folgen
verschlechternde Lebensbedingungen für
Palästinenser in der Innenstadt. Die
internationale Gemeinschaft konnte lange
nichts ausrichten in Bezug auf die
Sicherstellung von legalen und historischen
Rechten sowohl in
Ost- wie auch in Westjerusalem.
Dazu gehört das Rückkehrrecht für
Flüchtlinge, die Rückgabe von Eigentum und
volle politische Rechte, wie auch –
natürlich – die Freiheit von der Besetzung
der Stadt gemeinsam mit der der Westbank und
des Gazastreifens.
Dieser Fehler, mehr als Rhetorik und
Stellungnahmen der Verurteilung zu setzen
und die Anwendung des Völkerrechts zu
fordern, hat Israel erlaubt, seine Kontrolle
über das palästinensische Volk und sein Land
zu verschärfen. Die kürzlich erfolgte
Normalisierung der israelischen Souveränität
über ganz Jerusalem ist besonders
gefährlich, weil sie wieder Israel die
Botschaft sendet, dass es keine Konsequenzen
zu befürchten hat für die Annexion von
palästinensischem Land, und damit allgemein
für die Verletzung des Völkerrechtes.
Die Europäische Union (EU) nahm eine klare
Stellung zur Übersiedlung der US-Botschaft
ein und
machte klar, dass sie weiterhin
den internationalen Konsens von Jerusalem
aufrecht erhalte, was einschließt, dass sie
sich weigert, diplomatische Missionen in
Jerusalem zuzulassen, bis der endgültige
Status der Stadt geklärt werden würde.
Individuelle EU-Staaten stimmten dieser
Aussage zu:
Frankreich z.B. erklärte, dass
die Übersiedlung dem Völkerrecht
widerspreche. Jedoch die Tschechische
Republik, Ungarn und Rumänien, die alle die
Eröffnungszeremonie der Botschaft
mitfeierten, blockierten eine gemeinsame
Stellungnahme der EU, durch die die
Übersiedlung der USA verurteilt werden
würde.
Trotz dieses Mangels an Einheit in Bezug auf
Rechte der Palästinenser unter den
EU-Mitgliedstaaten wie auch der EU-Tendenz,
zahnlose Stellungnahmen zur Verurteilung der
israelischen Menschenrechtsverletzungen
herauszubringen, gibt es Potential für die
EU, Israel in der Verantwortung zu halten.
Die starke Unterstützung des Volkes der EU
für Palästinas Rechte und Souveränität, wie
auch die Tatsache, dass die EU auf das
Völkerrecht und die Menschenrechte
verpflichtet ist, eröffnet einen der wenigen
Räume, in denen man die palästinensischen
Menschenrechte in die internationale
politische Arena einbringen kann.
Dieser politische Abriss betrachtet den
Status von Jerusalem, Israels Ausfälle in
der Stadt und den Rekord von Untätigkeit der
EU. Er endet mit dem Aufzeigen von Wegen,
wie die EU sich von ihrer Beiläufigkeit
durch eine mitreißende Rhetorik lösen kann
und Israel überredet, die Rechte der
palästinensischen Bewohner Jerusalems zu
respektieren.
Teilung und Verdrängung Die Gründung des
britischen Mandats von Palästina 1923 wie
von der Liga der Nationen vorgegeben,
etablierte eine legale Basis für die
Souveränität Palästinas. Das Mandat sollte
als ein zeitweiliges Arrangement dienen, das
zur Selbstbestimmung der Palästinenser
führen würde. Aber im November 1947
passierte die Resolution 181 die
Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNGA),
und es wurde empfohlen, dass das Land in
einen arabischen und einen jüdischen Staat
geteilt würde. Der Erstgenannte würde auf 44
% des historischen Palästinas eingerichtet
werden trotz der Tatsache, dass die
arabischen Palästinenser mehr als zwei
Drittel der Bevölkerung betrugen und den
größten Teil des Landes besaßen. Die
Resolution schlug auch vor, dass Jerusalem
zu einem „corpus separatum“ unter
internationaler Administration werden
sollte.
Die Jewish Agency akzeptierte den Plan,
wogegen die Führerschaft der Palästinenser,
die die Ungerechtigkeit wahrnahmen, ihn
zurückwiesen. Gewalt brach überall im Lande
aus und führte schließlich zum Sieg der
zionistischen Streitkräfte und der
Einrichtung des Staates Israel im Mai 1948
auf 78 % des historischen Palästina.
1967 besetzte Israel die Golanhöhen, den
Gazastreifen und die Westbank. Es
annektierte Ostjerusalem, indem es diese
Bewegungen als „Wiedervereinigung der Stadt“
darstellte. Die Internationale Gemeinschaft
verurteilte den ungesetzlichen Akt, und die
UNGA veröffentlichte eine einstimmige
Resolution, in der Israel aufgefordert
wurde, alle Maßnahmen zurückzunehmen, die
während der Übernahme durchgeführt worden
waren. Später in diesem Jahr verabschiedete
der UNO-Sicherheitsrat auch einstimmig
Resolution 242, in der nach einem „gerechten
und dauerhaften Frieden“ gerufen wurde – Das
würde von Israel verlangen, sich aus dem
besetzten Gebiet zurückzuziehen. Im Mai 1968
brachte der Rat Resolution 252 heraus, in
der von Israel verlangt wurde, alle seine
Aktivitäten in Jerusalem einzustellen, und
„abzulassen von jeder weiteren Aktion, die
tendiert, den Status der Stadt zu
verändern“.
Die UNO und viele der Mitglieder der
internationalen Gemeinschaft haben die
Annexion von Jerusalem und die Besetzung der
Gebiete nach 1967 ständig wieder verurteilt.
Aber Israel hat weiter seine Kontrolle über
die Stadt an sich und durch seine
Gesetzgebung einzementiert. 1967 hat die
israelische Regierung den Stadtbereich von
Jerusalem und die Anwendung seines
Gesetzessystems auf dieses Gebiet erweitert.
Das Jerusalem-Gesetz von 1980 diente dann
als Deklaration der israelischen
Souveränität über die ganze Stadt und
statuierte, dass das „komplette und
vereinigte Jerusalem die Hauptstadt von
Israel“ sei und bezog die illegale
Vereinigung in Israels Basisgesetz ein, was
tatsächlich als Konstitution des Staates
fungiert. (Facebook Link: =869d863f57&e= )
Israel hat systematisch das wirtschaftliche,
politische, kulturelle und soziale
Leben in Jerusalem zerstört.
Es hat den Tourismussektor erstickt, den
Handel in der Altstadt abgewürgt und
anzubietende Dienstleistungen
marginalisiert, wodurch die palästinensische
Wirtschaft an den Rand des Abgrunds geriet.
Der Bau der Trennmauer, der 2002 begann und
die zurzeit rund
712 km lang ist hat die
Situation durch die Isolierung von
Ostjerusalem vom Rest der Westbank
verschärft mit dem
Ergebnis, dass das gesamte
palästinensische Handelswesen in der Stadt
darniederliegt.
2001 überfiel israelische Polizei die
einzige PLO-Institution in Jerusalem, das
„Orient House“ und schloss diese. In diesem
Gebäude befanden sich nicht nur
Forschungsarchive, Photographien und
wichtige diplomatische Dokumente, es war
auch die einzige politische Repräsentation
in der Stadt und wurde als solche anerkannt
von den internationalen Parteien der
Friedenskonferenz von Madrid 1991.
Andere palästinensische Kulturinstitutionen
wurden jahrelang immer wieder angegriffen –
z.B. das palästinensische Nationaltheater
Al-Hakawati, das bei verschiedenen
Gelegenheiten
zugesperrt wurde.
Die meisten Palästinenser in Ostjerusalem
werden als „ständige Bewohner“ eingestuft,
eine Bezeichnung, die ihnen weniger Rechte
gibt als ihren jüdisch-israelischen
Gegenspielern, die sich der
Staatsbürgerschaft erfreuen. „Ständige
Bewohner“ zu sein berechtigt Palästinenser
zu einigen sozialen Vorzügen, wie
Krankenkassa und die Fähigkeit, bei
Kommunalwahlen zu wählen - gestattet ihnen
jedoch nicht den Zugang zu vollen
Bürgerschaftsrechten, darunter auch dem
Wahlrecht bei nationalen Wahlen.
Palästinenser mit Bewohner-Status werden am
Leben in Jerusalem auch nach der „Center of
Life“-Politik eingeschränkt; damit wird
diktiert, dass ständige Bewohner in der Lage
sein müssen, zu beweisen, dass sie wirklich
in Jerusalem leben – oder sie riskieren
ihren Bewohnerstatus zu verlieren. Seit 1967
hat Israel mehr als 14.000
Jerusalem-Bewohnerschaften von
Palästinensern widerrufen. (Facebook Link:
=2fa69e9248&e= ).
Israel praktiziert eine diskriminierende
Planungspolitik, die routinemäßig
Palästinensern Baubewilligungen verweigert
sowie Landkauf, um dort legal zu bauen.
Angesichts der wachsenden Bewohnerschaft und
des beschränkten Zugangs zu Wohnungen haben
die Palästinenser keine andere Wahl als ohne
von Israel verfügte Baubewilligungen zu
bauen. Israel betrachtet diese Wohnungen als
illegal trotz des Umstandes, dass es keine
Rechtfertigung innerhalb des besetzten
Landes zu einer solchen Maßnahme gibt; aber
seit 1967 haben israelische Behörden
5000 palästinensische Wohnhäuser
zerstört. Heute sind ein
Drittel aller palästinensischen
Wohnhäuser in Ostjerusalem, wo
immerhin mehr als 100.000 Menschen wohnen,
gefährdet, zerstört zu werden.
Ein besonderes Risiko besteht für ländliche
Beduinengemeinden an den Stadträndern von
Jerusalem, die in einem Gebiet liegen, das
Israel mit E1 benennt; davon gehört einiges
in Area C der Westbank. Dieser strategisch
wichtige Landkorridor zwischen Jerusalem und
der illegalen Siedlung Ma’ale Adumim
schneidet die Westbank in eine nördliche und
eine südliche Hälfte. Israel plant, einen
städtischen Siedlungsblock zu bauen, wodurch
Groß-Jerusalem erweitert würde und die Stadt
mit den nahen Siedlungen verbindet.
Khan al-Ahmar, Heim von 173 Personen, ist
eine der vielen Gemeinden, denen Zerstörung
angedroht ist. Die israelischen Behörden
weigerten sich, das Dorf mit der
Basis-Infrastruktur und Diensten wie Wasser
und Elektrizität zu versorgen. 2009
bezahlten Italien, Belgien und die EU eine
Schule, von der die Kinder von Khan Al-Ahmar
und den umliegenden palästinensischen
Beduinengemeinden profitieren. Die
Zerstörung dieser Gemeinde ist imminent,
besonders jetzt, da die von der israelischen
Behörde verfügte
Deadline für die Bewohner, ihre
eigenen Gebäude zu zerstören, verstrichen
ist. Die Hohe Kommissaren der EU, Federica
Mogherini
warnte, „dass die Konsequenzen
der Demolierung dieser Gemeinde und die
Absiedelung ihrer Bewohner, ein-schließlich
der Kinder gegen ihren Willen sehr
ernstgenommen wird“.
Untätigkeit und Mitschuld Stellungnahmen wie
diese oben durch Mogherini sind in der
Praxis der EU, israelische Verletzungen des
Völkerrechts in Jerusalem zu verurteilen,
ständig vorhanden. Die EU beruft sich sowohl
auf das Völkerrecht im Umgang mit Jerusalem
wie auch auf die internationale Zustimmung.
Am Tage der Übersiedlung der US-Botschaft
sagte Mogherini: „Die EU
steht zu ihrer Verpflichtung, die Arbeit mit
beiden Parteien und mit ihren Partnern in
der internationalen Gemeinschaft weiterhin
in Richtung auf die Wiederaufnahme
sinnvoller Verhandlungen mit dem Ziel der
Zweistaaten-Lösung zu tätigen, aufbauend auf
den Vereinbarung vom 4. Juni 1967 und mit
Jerusalem als Hauptstadt beider. Die
Europäische Union hat zu Jerusalem eine
klare und gefestigte Position, die in
zahlreichen Beschlüssen des Rates für
ausländische Angelegenheiten (Foreign
Affairs Council) bestätigt wurde. Die EU
wird weiterhin fortfahren, den
internationalen Konsens über Jerusalem zu
respektieren, wie er inter alia in der
Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates
eingebettet ist – einschließlich der
Standorte der diplomatischen Vertretungen –
bis die endgültige Frage des Status von
Jerusalem gelöst ist.
Aber: Solche Reden haben nicht zu Aktionen
geführt, die Israel in die Verantwortung
geführt hätten. Ähnlich brachte die EU –
nach der Ankündigung 2017 der israelischen
Regierung von tausenden neuen
Siedlungseinheiten in der ganzen Westbank –
eine Stellungnahme heraus, mit der sie
„Klärungen“ verlangte und von Israel
forderte, „diese Entscheidungen zu
überdenken“. Diese schwache Antwort
charakterisiert die Unfähigkeit der
Drittstaaten, zu ihren Verantwortungen zu
stehen und Israels Verletzungen des
Völkerrechts anzuprangern. In der
Zwischenzeit werden Palästinenser weiterhin
aus Jerusalem gezwungen und werden ihnen
ihre Grundrechte abgesprochen.
Die Ablehnung der Verpflichtungen durch die
Drittstaaten ist nur ein Teil der
Geschichte: die EU ist mitschuldig an
Israels Gewaltanwendungen durch Myriaden von
Handelsbeziehungen und Fonds. Seit
1995 hat man verschiedenen
israelischen Initiativen Zugang zu EU-
Forschungsfonds gewährt. Vor nicht allzu
langer Zeit enthielten diese Ressourcen von
Horizont 2020, einem Forschungs- und
Innovationsprogramm, ein Budget von 80
Milliarden €. Israel ist der einzige
nicht-europäische Staat, der voll an
Horizont 2020 teilnimmt, welches zurzeit
mehr als
200 israelische Projekte
finanziert einschließlich der Gesellschaften
Elbit Systems und Israeli Aerospace
Industries, die wegen Mitschuld an
israelischen Kriegsverbrechen angeklagt
sind. Obwohl die Gelder dem Sinne nach nur
für zivile Verwendungen gemeint sind,
erlaubt die „dual-use“-Klausel, Dinge zu
finanzieren, die auch militärische
Funktionen haben können, wie Drohnen und
Roboter. Mit anderen Worten, israelische
Firmen können auch EU-Gelder erhalten für
ein „ziviles“ Projekt und es später für
militärische Zwecke weiterentwickeln. Das
ist hoch problematisch, besonders, weil
Israel bei militärischen Technologien voraus
ist und schuldig ist an Kriegsverbrechen
gegen das palästinensische Volk.
Horizont 2020 unterstützt auch die
Rechtfertigung von Israels Annexion von
Ostjerusalem. Das israelische
Wissenschaftsministerium und die israelische
Behörde für Bewahrung von Geschichte, die
vom Horizont-2020-Vermögen profitieren,
liegen in Ostjerusalem. Trotz ihres Sitzes
betonte die EU 2013, dass dies eine
Zusammenarbeit nicht „beeinträchtige“.
. Ähnlich zieht auch die Hebräische
University in Ostjerusalem, die sich auf
1967 besetztes Land ausgedehnt hat –
namentlich auf das palästinensische Dorf
Issawiyeh –
Nutzen aus EU-Geldern. Wenn
Israel Zugang zu diesen Geldern erlaubt
wird, während es auf illegal annektiertem
Land arbeitet, widerspricht dies nicht nur
dem Völkerrecht, sondern fordert auch die
von der EU geäußerten Prinzipien und ihren
Stand heraus, wenn es nach Jerusalem kommt.
Die EU: Ihre Einschränkungen und
Möglichkeiten Die Botschaft der USA hat
einen Prozess der Ent-Palestinensierung von
Jerusalem beschleunigt und gerechtfertigt,
der vor mehr als sieben Jahrzehnten begonnen
hat. Israel wird fortfahren, die Grundrechte
des palästinensischen Volkes in Jerusalem
und dem Rest des historischen Palästina mit
voller Unterstützung durch die
Administration von Donald Trump und seinen „Rechtsaußen“-Verbündeten
innerhalb von Europa und in Lateinamerika zu
verletzen.
Trotz der oben beschriebenen Untätigkeit und
des globalen politischen Rucks nach rechts
bleibt für die EU Potential, Israel unter
Druck zu setzen und von den Menschenrechten
der Palästinenser zu überzeugen. Das liegt
an der starken Unterstützung des Volkes für
die Rechte der Palästinenser und ihre
Souveränität, die es
Graswurzel-Solidaritätsnetzwerken zu wachsen
erlaubt hat, wie auch dem Faktum, dass die
EU in ihren strategischen Rahmenbedingungen
auf die Wahrung des Völkerrechts und der
Menschenrechte
eingeschworen ist.
Die EU wurde gegründet auf eine geteilte
Bestimmung, Frieden und Stabilität
herzustellen und eine Welt zu bauen, deren
Grundlagen Respekt vor Menschenrechten,
Demokratie und das Einhalten der Gesetze
ist. Die EU wird weiterhin ihr volles
Gewicht auf Anwaltschaft für Freiheit,
Demokratie und Menschenrechte in der ganzen
Welt legen.
Die EU ist in der Lage, Israel im Rahmen der
oben genannten
wirtschaftlicher,
kultureller und
wissenschaftlicher Zusammenarbeit
zur Rechenschaft zu ziehen, indem sie diese
Verbindungen nutzt, um Israel eine klare
Botschaft zu übermitteln, dass sein
Verhalten nicht mehr toleriert wird. Im Jahr
2015 versuchte die EU, eine solche Botschaft
zu vermitteln, aber die Ergebnisse waren
bestenfalls gemischt.
Die EU brachte neue Leitlinien für die
Beschriftung von Produkten aus illegalen
israelischen Siedlungen (einschließlich
solchen in Ostjerusalem) heraus und betonte
die Verpflichtung der EU auf die Grenzen von
1967. Diese Leitlinien sind Teil einer
Bemühung, genannt „Differenzierung“, welche
versucht, Siedlungsprodukten oder auf die
Siedlungen bezogene Aktivitäten aus den
bilateralen Beziehungen zwischen EU und
Israel herauszunehmen.
Viele von denen, die für die Rechte der
Palästinenser im Bereich der EU arbeiten,
halten die Differen-zierung und die
Leitlinien für die Beschriftung für einen
großen Gewinn, sowohl moralisch richtig wie
auch rechtlich in Ordnung. Jedoch ist hier
nicht nur die Durchführung auf der lokalen
Verteilerebene mangelhaft, sondern die
Beschriftung von Siedlungsprodukten obliegt
mehr der Auswahl durch den unabhängigen
Konsumenten als einer Verpflichtung für
Drittstaaten. So greift sie zu kurz als
Erfüllung der EU-Verpflichtungen unter dem
Völkerrecht und für die Erreichung der
Grundrechte für die Palästinenser. Das steht
im Kontrast zu einer irischen Verordnung,
bekannt als „Kontrolle für wirtschaftliche
Aktivitäten (besetzter Gebiete)“-Verordnung,
die vom irischen Senat (Seanad – Oberhaus im
Parlament) im Juli 2018 herausgebracht
wurde. Sie fordert einen totalen Bann für
den Import und den Verkauf von Produkten aus
illegalen Siedlungen. Obwohl sie noch durch
mehrere gesetzliche Instanzen gehen muss,
bevor sie Gesetz wird, ist diese Verordnung
ein Bespiel eines EU-Mitgliedstaates, der
sein nationales Gesetz und seine
Verpflichtungen unter dem Völkerrecht
wahrnimmt. Er hält Israel verantwortlich,
aus der Besetzung von 1967 und dem Diebstahl
von Land und Ressourcen zu profitieren. Wenn
diese Verordnung Gesetz wird, hat dieses
wahrscheinlich wirtschaftliche Rückschläge
für Israel und würde ein Beispiel für andere
EU-Staaten abgeben, die auf individueller
oder kollektiver Ebene aktiv werden wollen.
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU
über das Thema Palästina stellen
Herausforderungen dar. Polen und Ungarn z.B.
haben autoritäre Regierungen, die mit Israel
eng verbunden sind, während andere,
Frankreich, Deutschland und die UK vermieden
haben, Druck auf Israel auszuüben, um ihre
guten diplomatischen Beziehungen nicht zu
stören.
Diese innere EU-Dynamik hat jede sinnvolle
Aktion in Bezug auf Palästina verhindert. In
der Tat, wenige Mitgliedstaaten sind
willens, ihre nationale Politik der
EU-Politik unterzuordnen. Eher läuft die
EU-Politik parallel zu individuellen
staatlichen Politiken, wobei den letzteren
der Vorrang eingeräumt wird. Der Mangel an
Aktion zeigt die Spaltung zwischen Rhetorik
und Realität. Die EU hat keinen Mangel an
Politik oder rechtlichen Argumenten, um
Israel wegen seiner Annexion von Jerusalem
herauszufordern, jedoch fehlt es an
politischem Willen, konkrete Strafmaßnahmen
durchzusetzen.
Diese Begrenzungen kommen nicht nur aus dem
System der Staats-Mitgliedschaft und dem
Mangel an Zusammenarbeit in Bezug auf
Außenpolitik, sondern auch von der sanften
Macht, die die EU ausübt, wo im globalen
Geschehen zunehmend harte Macht ausgeübt
wird. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten
für Veränderungen an diesem Muster der
Untätigkeit.
Wenn man das mitbedenkt, sind die folgenden
Politik-Empfehlungen ein Start für die EU,
seine Verpflichtungen gegenüber dem
palästinensischen Volk – und gegenüber dem
internationalen Rechtsrahmen, den sie sucht,
zu stützen.
Sofortige Schritte für das Handeln der EU Im
Licht der gemeinsamen Stellungnahme als
Block sollte die EU ihre 28 Mitgliedstaaten
ermutigen, unabhängige Stellungnahmen
herauszubringen, in denen die Übersiedlung
der US-Botschaft verurteilt wird und der
schädliche Effekt hervorgehoben wird, den
diese auf die Erreichung der Souveränität
und Grund-Menschenrechte der Palästinenser
haben würde. 1. Der Hohe Repräsendant der
Union für Außenpolitik und Sicherheit sollte
(dauernd) wiederholen, dass
EU-Mitgliedstaaten ihre Verantwortlichkeiten
als Drittstaaten stützen müssen, um nicht an
Kriegsverbrechen Israels oder Verletzungen
des Völkerrechts durch USA mitzuhelfen oder
dazu anstiften. Das enthält auch zu betonen,
dass Mitgliedstaaten an keinen
diplomatischen Treffen oder Funktionen in
der neuen Botschaft der USA teilnehmen
sollten. 2. Die EU muss ihre Leitlinien in
Horizont 2020 neu aufstellen, denen durch
die Klausel der „zweifachen Nutzung“ (=dual
use) Mitschuld an Israels Kriegsverbrechen
anhaftet. Zusätzlich sollte sie darauf
bestehen, dass keine israelische
Körperschaft oder Institution, die in
Ostjerusalem ihre Basis oder eine
Arbeitsstelle hat, Zugang zu diesen Geldern
hat. 3. Die EU und ihre Mitgliedstaaten
müssen die internationale Nicht-Anerkennung
der israelischen Souveränität über Jerusalem
erzwingen und eine starke Haltung einnehmen,
um sicher zu gehen, dass sie nicht beteiligt
sind an Verletzungen des Völkerrechts durch
Israel oder die USA. Dazu gehört eine
Verurteilung europäischer Veranstaltungen,
die in Jerusalem abgehalten werden, wie das
Fahrradrennen Giro d’Italia. Derartige
Veranstaltungen sind ein wichtiger Teil von
Israels Versuchen, zur Normalisierung seiner
Souveränität über die Stadt zu kommen. 4.
Dem Vorhergehen von acht EU-Ländern im
vergangenen Jahr folgend (Facebook Link:
=211c67a952&e= ), die versuchten,
Entschädigung von Israel für die
Konfiszierung von Solar-Panelen aus der
Beduinengemeinde zu erhalten, die von der EU
finanziert worden waren, sollten die EU und
die EU-Mitgliedstaaten unabhängig
voneinander legale Schritte tun und (Muster)Fälle
für finanzielle Entschädigung durch Israel
schaffen, wenn dieses solche Konstruktionen
oder Projekte zerstört, die von der EU
bezahlt waren. Eine kollektive Kampagne mit
der Forderung nach Kompensation könnte als
Abschreckung vor der sofortigen Angst vor
Demolierung schützen. 5. EU-Mitgliedstaaten
müssen also sowohl kollektiv wie auch
voneinander unabhängig die legalen und
historischen Rechte sowohl von Ost- wie auch
von Westjerusalem bestätigen. Sie müssen den
palästinensischen Widerstand und Versuche,
die Souveränität zurück zu verlangen,
unterstützen, ohne sie zu entpolitisieren.
Ein wichtiger Schritt in dieser Richtung
wäre mitzuhelfen bei der Rückkehr der
PLO-Institutionen nach Jerusalem - das
Orient-Haus – und Graswurzel-Organisationen
zu unterstützen.
*) Dieser Abriss entstammt einem Papier, das
für die Heinrich Böll Stiftung unter dem
Titel „Die
EU und Jerusalem: eine palästinensische
Perspektive“ geschrieben wurde.
Seine Autorin Yara Hawari ist die
„Palästinensische Politik-Mitarbeiterin von
Al-Shabaka /Palästinensisches
Politik-Netzwerk. Sie beendete ihren PhD in
Mittelost-Politik an der Universität von
Exeter. (Übers.: Gerhilde Merz)
Sumud und Strategie
– 10 Punkte von Toine van Teeffelen,
AEI - Zurzeit ist es mehr als je zwingend
für Palästinenser, mit ihrem Land und ihrer
Kultur verbunden zu sein. Angesichts der
unentwegten und sich vertiefenden
Kolonisierung durch Israel – Siedlungsbau,
gesetzliche Maßnahmen, Entwicklung der
Infrastruktur, wirtschaftliche Integration
nach Israel. Es ist wesentlich, die
palästinensische Gesellschaft und ihre
Gemeinden gegen eine weitere Zerstückelung,
Desintegration und Kollaps zu verteidigen
und zu entwickeln. Im Hinblick auf ein
Vorhandensein auf dem Land und eine
Entscheidung, nicht aufzugeben, ist das
Sumud- oder Standhaftigkeitskonzept, wie es
weit unter den Palästinensern angewandt
wird, zunehmend bestimmend geworden.
Wie normal im Falle nationaler Symbole ist
Sumud ein Schirm-Konzept mit verschiedenen
Schattierungen der Bedeutung, über die Zeit
hin über unterschiedlichen Betonungen und
wird auch ein wenig verschieden verstanden
je nach Ort und Kontext. Sumud denkt über
beides nach – überall gültige Qualitäten und
die palästinensische Kultur und Geschichte
entweder von „innen“, unter den
Palästinensern von 1948 und 1967, oder von
außen, wie z.B. in den Flüchtlingslagern im
Libanon.
Hier unten ist ein kurzer Überblick über die
hauptsächlichen Qualitäten von Sumud, wie es
sich auf der Basis der Literaturforschung
und durch Interviews ergeben hat.
1.Demographie: Während der 1970er und 1980er
Jahre wurde Sumud oft als die Notwendigkeit
verstanden, sich zu einer demographischen
palästinensischen Gegenwart in Palästina zu
halten. Als Nächstes nach der Aufforderung
im Lande zu bleiben trotz aller Repressalien
hebt man ein wenig widersprüchlicher die
Notwendigkeit hervor, große Familien zu
haben. Eine zahlreiche Gegenwart von
Palästinensern, nicht weiter durch
Emigration und Vertreibung dezimiert, wäre
nötig, um die Sache der Palästinenser am
Leben zu erhalten. Sumud ist hier
Standfestigkeit im wörtlichen Sinn: viele
Füße auf dem Land festzuhalten.
2. Kultur und Leben auf dem Land: Nur wenige
Palästinenser würden heutzutage behaupten,
dass Sumud nur heißt, im und auf dem Land zu
bleiben. Sumud heißt, aus den kulturellen
Wurzeln tief und aktiv zu leben. Es ist
aktive Präsenz, sich für das Gemeinde- und
Familienleben mit großer Kraft einzusetzen,
die palästinensische Kultur hoch zu halten,
beispielweise in Küche, Bekleidung und
bestimmten Bauformen, fröhliche Feiern und
Feste miteinander zu teilen, und die
palästinensische Kultur und Sorgfalt an neue
Generationen weiterzugeben. Sumud kann
heißen, ein lautloses Schlürfen an einer
Schale Tee unter dem Feigenbaum – die
berühmte Hirtenszene, wie sie der
palästinensische Nationaldichter Mahmoud
Darwish im schrillen (unangenehmen) Kontext
seines eigenen Zustandes und dem seines
Volkes unter Heimatlosigkeit und Exil
herbeiruft. Und Sumud in der
palästinen-sischen Kultur beleuchtet den
Wert von tiefer (Nächsten-)Liebe:
gegenseitige Solidarität und Gemeinschaft
und Gastfreundschaft der Familien im
traditionellen Rhythmus des Lebens.
3. Überlebenstaktiken angesichts der
Unterdrückung: Weitermachen und im Land
bleiben benötigt notwendigerweise
Überlebenstaktiken. Typische Beispiele für
taktischen Sumud können gefunden werden wo
Menschen einfallsreich sind im Versuch,
Arbeit zu schaffen trotz Besetzung und
Unter-drückung. Das Blühen von „Checkpoint
Wirtschaften“ ist ein solcher Fall: Händler
und Straßenverkäufer finden Arbeit, wo immer
palästinensische Arbeiter zusammenstehen und
an den Checkpoints warten. Ich erinnere mich
an einen bemerkenswerten Fall vor Jahren,
als eine Frau aus Nablus Spezialsocken
erfand und verkaufte, um den Leuten die
lange Wartezeit vor den Checkpoints zu
erleichtern.
4. Zivilcourage: Der Rechtsanwalt Raja
Shehadeh veröffentlichte 1982 ein Tagebuch
(„Der dritte Weg“), in dem er Sumud
definierte als mehr als eine
Überlebenstaktik, eher als einen Ausdruck
der Menschenwürde, die sowohl stumpfe
Unterwerfung unter die Besatzung zurückwies
wie auch in blinden Hass zu fallen. In
seinem Anliegen ging es um zivilen Mut
angesichts einer ständigen Unterdrückung und
Demütigung.
5. Widerstand: Ist solcher ziviler Mut
Widerstand? Über die Jahre hin wird
diskutiert, ob es bei Sumud hauptsächlich um
schützende Erhaltung der Gesellschaft und
improvisiertes wirtschaftliches Überleben
geht, oder ob man es als eine aktive Form
von Widerstand betrachten kann. Die zweite
Form wird heute mehr gutgeheißen. Ich habe
den Eindruck: Man kann argumentieren, dass,
weil die bloße Existenz der
palästinensischen Gesellschaft zurzeit
fraglich ist, der Akt, dranzubleiben und zu
überleben mit aller erforderlichen Energie,
Entschiedenheit und Bereitwilligkeit zum
Opfer, in sich selbst Widerstand ist. Wie
der Spruch an der Apartheid-Mauer lautet:
„Existenz ist Widerstand“. Sumud als
Widerstand ist ein spezielles Beispiel in
dem unbeugsamen Willen der Familien und
Bauern, ihr Land nicht zu verlassen trotz
des großen Drucks. Sumud ist die Weigerung,
sich zu beugen. Das mag bedeuten, Haus und
Gemeindeleben unter Bedingungen der
Belagerung nicht aufzugeben, wie das in Gaza
der Fall ist. Oder Stadtbewohner und Bauern
in der Westbank, die nicht bereit sind, Haus
und Land unter dem Druck der Siedlungen und
Mauerbauten zu verlassen, sondern die ihr
„normales/abnormales“ Leben weiterleben
trotz der Einschüchterungen und der
angebotenen Schecks, wenn sie gehen.
6. Rechte und Werte: Verweigern sich zu
beugen kann heldenhaft sein – aber Heldentum
hängt auch von dem Grund des Streites ab.
Vor einigen Jahren bemerkte der politische
Führer Mustafa Barghouti, dass Sumud niemals
Standhaftigkeit als Selbstzweck sein kann.
Schließlich können auch israelische Siedler
standhaft sein, indem sie beharren, auf
gestohlenem oder besetztem Land zu bleiben.
Gleichbedeutend mit Sumud ist das
universelle Recht, auf seinem eigenen Land
zu leben, mit allen normalen Bürgerrechten,
die dazu gehören. Sumud ist auch der
Ausdruck der standhaften Verpflichtung zu
legal gewährten palästinensischen Rechten,
einschließlich dem Rückkehrrecht und der
Selbstbestimmung innerhalb einer Vision von
Gleichheit und Nicht-Diskriminierung.
7. Beharrlichkeit über die Zeit: Neben der
räumlichen Dimension wird die Verbundenheit
mit der Heimat – der kleinen und der großen
(das ist, die Wohnung der Familie und das
Heimatland) – die Zeit als Sumud definiert.
Bei Sumud geht es um eine langfristige
Entscheidung, mehr von der Hoffnung genährt
als von Optimismus. Es ist ähnlich der
Spannkraft dem Sinn nach, in der Lage zu
sein, wieder zu kommen. Ein prototypisches
Beispiel von Sumud ist das Opfer und die
Bereitschaft der Gemeinden, ihre Häuser zum
xten Mal nach wiederkehrenden Zerstörungen
durch die israelische Armee neu aufzubauen.
8. Graswurzel-Entwicklung: Sumud wird
manchmal gleichgesetzt mit dem, was genauer
als Zustände des Sumud definiert werden
sollte. Um eine langfristige Perspektive
einer nachhaltigen Gegenwart im Land zu
ermöglichen, von Erhalten und Entwickeln der
Kultur und Pflegen der inneren Stärke und
Bestimmtheit gegen die Übel, wird ein Strauß
von Vorbedingungen gefordert – sozial,
wirtschaftlich, politisch und psychologisch.
Während der 1980er und der ersten Intifada
wurde eine Sumud-Graswurzel-Bewegung
angepeilt durch die Entwicklung von
Selbstgenügsamkeit durch kleine
land-wirtschaftliche Betriebe und
Kooperativen. Andere Bewegungen dieser Zeit
wurden daraufhin gerichtet, den Sumud der
Leute durch die Entwicklung medizinischer,
psychosozialer und anderer
Unterstützungshilfen für marginalisierte
Gemeinden zu stärken. Natürlich haben viele
Formen der internationalen Solidarität oder
des Austausches Sumud moralisch und
praktisch unterstützt. Wenn der
Palästina/Israel-Konflikt mehr einem
Marathon gleicht als einem Kurzstreckenlauf,
besteht die ständige Notwendigkeit, die
Kapazitäten der Bewohner zu stärken, damit
sie sich selbst schützen und das Land
entwickeln können.
9. Kulturelle Kommunikation und Erhaltung.
Kultureller Austausch spielt eine wichtige
Rolle, um das Sumud-Konzept und seine
Inhalte lebendig zu erhalten. Die
Sumud-Kunst hat vor Jahrzehnten angefangen
mit palästinensischer Malerei und Literatur,
aber sie schimmert auch durch in vielen
heutigen Werken der populären Kultur und
Symbolik, darunter dem überall sichtbaren
Bild des Olivenbaums, der tief im Land
wurzelt. Für die bleibende Kraft des Sumud
im realen Leben ist die fortgesetzte
Dokumentation der Sumud-Geschichten des
Volkes zwingend.
10. International: Sumud klingt auf - nicht
nur im palästinensischen, sondern auch in
anderen Kämpfen. In Lateinamerika benutzten
Bauernbewegungen das vergleichbare Konzept
der „unerschütterlichen Beharrlichkeit“. Die
Gelehrte und Aktivistin Naomi Klein
verbindet Sumud mit dem Kampf der indigenen
Völker in Nordamerika zum Schutz ihres
Landes und angesichts des Klimawandels. Im
Anfang des Arabischen Frühlings war Sumud
eines der Schlagworte auf dem Tahir-Platz in
Kairo. Sumud überlappt mit dem Ubuntu der
Südafrikaner in seinem Schwerpunkt auf
Gemeinschaftsleben und gegenseitiger
Solidarität. Eine Option für einen „dritten
Weg“ zwischen Resignation und Hass ist die
wohlbekannte Entscheidung für internationale
Friedensbewegungen. Die Theologin Mary Grey
verbindet Sumud mit den Ansichten der Bibel
und findet Vergleiche mit Pilgerfahrten und
feministischen Themen.
Trotzdem: Sumud ist kein
Allerwelt-Heilmittel für alles, was mit dem
palästinensischen Kampf um seine Rechte
zusammenhängt.
Erstens: Durch seine Breite an sich als
Umbrella-Konzept kommt es in Gefahr, als
mobilisierender und damit ziemlich leerer
Slogan angepasst zu werden.
Zweitens erhebt sich die grundsätzliche
Frage zu Sumud als Strategie. Man kann
argumentieren, dass einige Züge von Sumud
wie die hartnäckige, stahlharte
Entschlossenheit, nicht fortzugehen, sehr
wichtig sind, gleichzeitig aber begrenzt in
ihrem strategischen und taktischen Zugang.
Das Leben in unserer Zeit erfordert eine
strategische Flexibilität und das ständige
Überschreiten von inneren und äußeren
Grenzen aller Art. Einige Aktivisten haben
Sumud zu einem Eigenschaftswort gemacht, um
seine statischen Bedeutungen, wie „aktives“
oder „widerständiges“ Sumud, oder Sumud zu
begreifen nicht als „Standfestigkeit“
sondern als „fest stehen“ – Sumud übersetzt
in ein Verb. Ferner ist es dienlich, im
Gedächtnis zu behalten, dass Sumud nur die
Konturen einer Strategie ausdrückt, und in
der Praxis eine hauptsächlich lokale
Strategie darstellt. Auch sagt Sumud nicht
viel aus über die konkreten Inhalte der
strategischen Lösung im
Palästina/Israel-Konflikt, dem sogenannten
„Endspiel“. Am meisten kann man sagen, dass
für irgendein sinnvolles Endspiel – so ferne
es liegen mag – Sumud ein grundsätzliches
Erfordernis ist.
Auch hat Sumud Sachdienliches über die
palästinensische Strategie auszusagen, und
nicht nur in Bezug auf die lokalen und
breiteren Entwicklungsbemühungen zum
Feststehen im Land und Gemeinschaftsbildung.
Sumud ist dabei, die palästinensische
Geschichte wieder zu gewinnen. Palästinenser
hat man oft in Stereotypen gegossen, wie
„extrem ‚aktiv‘ = als Terroristen, oder als
„extrem ‚passiv‘ = als machtlose Opfer. Aber
unter dem größten Teil der
Selbstbeschreibungen der im Leben stehenden
Palästinenser ist Sumud eine ganz wichtige.
In ihrem Eifer über menschliches Handeln im
Alltag kommen beide Stereotypen vor. Hier
kann Sumud eminent hilfreich sein in der
palästinensischen Erziehung ebenso wie in
der internationalen Wissensvermittlung über
Palästina.
Um die Geschichte wie auch mögliche
befreiende Zukunfts(visionen) zu verstehen,
werden Leitgeschichten dringend gebraucht,
die die Besonderheiten der Kultur
darstellen, aber auch allgemein genug sind,
um die vielen lokalen und persönlichen
Geschichten aufzunehmen, um dem Ganzen einen
menschlichen Akzent zu geben und die
allgemeine Geschichte lebendig zu machen.
Und diese Geschichten müssen in Einklang
gebracht werden mit Geschichten menschlicher
Kämpfe anderswo. Auch hier kann Sumud, wenn
es sorgfältig und auch andere zulassend
angewandt wird, helfen, sich mit jeweils
notwendigen Herausforderungen auf dem Weg zu
Formen der palästinensischen Befreiung zu
treffen.
Toine Van Teeffelen, Bethlehem im November
2018
Zur Person des Autors: Toine Van Teeffelen
ist uns von Pax Christi Österreich seit
vielen Jahren als Freund und leitender
Mitarbeiter des AEI (Arab Educational
Institute, Mitglied von Pax Christi
International) bekannt. Es haben sich auch
immer wieder Möglichkeiten zu einer
Zusammenarbeit ergeben, etwa durch Austausch
von Weihnachtsgrüßen für Schulkinder. Von
seiner beruflichen Ausbildung her ist er
Anthropologe. Für weitere Literatur und
Interviews über Sumud (auch jene, die in
diesem Blog verarbeitet wurden, schreiben
Sie bitte an tvant@p-ol.com
Mehr über das Arab Educational Institute am
Rande von Bethlehem, Westbank erfahren Sie
unter
http://www.aeicenter.org/
Übersetzt: Gerhilde Merz
Studie:
Mindestens 78% der humanitären Hilfe für
Palästinenser landen in israelischen
Kassen. - Israel hat den Westen
überlistet, sagt der israelische Ökonom
Shir Hever mit einem Gewinn aus der
Besatzung, anstatt seine Rechnungen zu
bezahlen. Hever's Studie zeigt, dass die
internationale Gemeinschaft in ihrer
Großzügigkeit die Besetzung so sehr
gefördert hat, dass Israelis - nicht
Palästinenser - zu "den am stärksten von
Hilfe abhängigen Menschen der Welt"
geworden sind. Wenn der Spieß umgedreht
wird und die Besetzung plötzlich nicht
mehr rentabel ist, wird sie vielleicht
ein Ende finden? - Jonathan Cook
Diplomaten
mögen einen Ruf zur Grausamkeit,
Verschleierung und sogar Heuchelei
haben, , aber nur wenige haben sich im
Vergleich zu einem Serienmörder
gefunden, geschweige denn zu einem, der
Menschenfleisch verschlingt. Diese Ehre
erging Laars Faaborg-Andersen, dem
Botschafter der Europäischen Union in
Israel, letzte Woche, als jüdische
Siedler eine Social-Media-Kampagne
starteten, in der sie ihn als Hannibal
Lecter, die schreckliche Figur aus dem
Film Schweigen der Lämmer, ausführten.
Ein Bild des dänischen Diplomaten mit
Lecters Gesichtsmaske im Gefängnis
sollte darauf hindeuten, dass Europa ein
ähnliches Maulkorb braucht.
Die Beschwerden der Siedler beziehen
sich auf die europäische Hilfe, die den
palästinensischen Beduinenfamilien
vorübergehend Unterkunft gewährt hat,
nachdem die israelische Armee ihre
Häuser in den besetzten Gebieten bei
Jerusalem zerstört hatte. Die
Notunterkünfte haben ihnen geholfen, auf
dem von Israel und den Siedlern
begehrten Land zu bleiben. Europäische
Beamte, empört über den Lecter-Vergleich,
haben Tel Aviv daran erinnert, dass
Israel - nicht die EU - bei Einhaltung
des Völkerrechts die Verantwortung für
das Wohlergehen dieser Familien
übernehmen würde.
Während sich Europa vielleicht als Teil
eines aufgeklärten Westens versteht und
Hilfe zur Verteidigung der Rechte der
Palästinenser in Anspruch nimmt, ist die
Realität weniger beruhigend. Die
Beihilfe kann die Situation sogar
erheblich verschlimmern. Shir Hever, ein
israelischer Ökonom, der jahrelang die
düstere Wirtschaft der Besatzung
zusammengesetzt hat, hat kürzlich einen
Bericht veröffentlicht, der eine
schockierende Lektüre liefert. Wie
andere glaubt er, dass die
internationale Hilfe es Israel
ermöglicht hat, die Rechnung für seine
jahrzehntelange Besetzung nicht zu
bezahlen. Aber er geht noch weiter.
Israel erhält wieder 78%. - Seine
erstaunliche Schlussfolgerung - eine,
die die israelischen Siedler überraschen
mag - lautet, dass mindestens 78 Prozent
der humanitären Hilfe für Palästinenser
in den israelischen Kassen landen. Die
damit verbundenen Summen sind enorm. Die
Palästinenser unter der Besatzung
gehören zu den am stärksten von Hilfe
abhängigen Ländern der Welt und erhalten
jährlich mehr als 2 Milliarden Dollar
von der internationalen Gemeinschaft.
Laut Hever könnten Spender bis zu einem
Drittel der Besatzungskosten direkt
subventionieren.
Andere Formen des israelischen
Profitmachens wurden in früheren Studien
identifiziert. Im Jahr 2013 schätzte die
Weltbank sehr konservativ, dass die
Palästinenser jährlich mindestens 3,4
Milliarden Dollar an von Israel
geplünderten Ressourcen verlieren.
Darüber hinaus wird die Weigerung
Israels, Frieden mit den Palästinensern
und damit mit dem Rest der Region zu
schließen, genutzt, um die jährlichen 3
Milliarden Dollar an Militärhilfe
Washingtons zu rechtfertigen.
Israel nutzt die besetzten Gebiete auch
als Laboratorien für Waffenversuche und
Überwachungssysteme an Palästinensern -
und exportiert dann sein Know-how.
Israels Militär- und Cyberindustrie sind
enorm profitabel und generieren jedes
Jahr viele Milliarden Dollar an
Einkommen. Eine letzte Woche
veröffentlichte Umfrage ergab, dass das
kleine Israel das achtmächtigste Land
der Welt ist.
Aber in der Erwägung, dass diese
Einkommensströme ein erkennbarer, wenn
auch beunruhigender Zufall aus der
Besetzung durch Israel sind, ist die
westliche humanitäre Hilfe für die
Palästinenser eindeutig für die Opfer
und nicht für die Sieger bestimmt.
Zwischenhändler - Also, wie kommt es,
dass Israel so viel davon abbekommt?
- Das Problem, sagt Hever, ist die
selbstgewählte Rolle Israels als
Mediator. Um die Palästinenser zu
erreichen, haben die Geber keine andere
Wahl, als durch Israel zu kommen. Dies
bietet reife Möglichkeiten für das, was
er "Aid Subversion" und "Aid Diversion"
nennt.
Das erste Ergebnis ist, dass die
Palästinenser ein in Gefangenschaft
befindlicher Markt sind. Sie haben
Zugang zu wenigen Waren und
Dienstleistungen, die nicht israelisch
sind.
Who Profits?, eine israelische
Organisation, die den wirtschaftlichen
Nutzen für Israel in der Besatzung
überwacht, schätzt, dass die Molkerei
Tnuva ein Monopol im Westjordanland im
Wert von 60 Millionen Dollar pro Jahr
hat. Die Umleitung der Hilfe erfolgt
unterdessen, weil Israel den gesamten
Personen- und Warenverkehr kontrolliert.
Israelische Beschränkungen bedeuten,
dass sie für Transport und Lagerung
Gebühren erheben und
"Sicherheitsgebühren" verlangen kann.
Andere Studien haben zusätzliche Gewinne
aus der "Aidszerstörung" identifiziert.
Wenn Israel fremdfinanzierte
Hilfsprojekte zerstört, verlieren die
Palästinenser - aber Israel profitiert
oft. Der Zementhersteller Nesher zum
Beispiel soll 85 Prozent aller
Bauarbeiten von Israelis und
Palästinensern kontrollieren,
einschließlich der Lieferungen für den
Wiederaufbau in Gaza nach den
wiederholten Verwüstungen durch Israel.
Bedeutende Teile der israelischen
Gesellschaft, abgesehen von denen in der
Sicherheitsindustrie, füllen ihre
Taschen durch die Besatzung.
Paradoxerweise könnte das Etikett "die
hilfsbedürftigsten Menschen der Welt" -
meist an den Palästinensern befestigt -
besser dazu verwendet werden, Israelis
zu beschreiben.
Was kann man tun? - Der
Völkerrechtsexperte Richard Falk stellt
fest, dass Israel ein Vakuum der
Hilfskontrolle ausnutzt: Es gibt keine
Anforderungen an die Geldgeber, um
sicherzustellen, dass ihr Geld die
vorgesehenen Empfänger erreicht. Was die
internationale Gemeinschaft in den
letzten 20 Jahren des Oslo-Prozesses -
versehentlich oder nicht - getan hat,
ist, Israel finanzielle Anreize zur
Stabilisierung und Festigung seiner
Herrschaft über die Palästinenser zu
bieten. Sie kann dies relativ kostenfrei
tun.
Während Europa und Washington versucht
haben, Israel mit einem kleinen
diplomatischen Knüppel zu schlagen, um
seinen Halt in den besetzten Gebieten zu
lösen, haben sie gleichzeitig saftige
Finanzargumente hergeholt, um Israel zu
ermutigen, seinen Griff zu verstärken.
Es gibt einen kleinen Lichtblick. Die
westliche Hilfspolitik muss nicht
selbstsabotierend sein. Hever's Studie
zeigt, dass Israel genauso abhängig von
palästinensischer Hilfe ist wie die
Palästinenser selbst. Die EU hat letzte
Woche festgestellt, dass Israel und
nicht Brüssel sich um die Beduinen
kümmern sollten, die sie obdachlos
gemacht haben. Europa könnte sich seinen
eigenen Rat zu Herzen nehmen und
anfangen, die wahren Kosten der
Besetzung wieder auf Israel zu
verlagern. Das kann früh genug
passieren, was auch immer der Westen
entscheidet, wenn - wie selbst Israel
voraussagt - die Palästinensische
Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas
zusammenbricht. übersetzt
(bearbeitet) mit deepl
Quelle
Palästinenser,
auf Wiedersehen? - Aus Sicht
von Pier Francesco Zarcone * - ROM (IDN)
- Tut mir leid, dies zu sagen, aber die
Zukunft der Palästinenser ist dunkler
und düsterer als je zuvor, weil die
sunnitischen arabischen Länder nicht
mehr an ihnen interessiert sind, und sie
keine mächtigen Freunde in der Welt
haben. Heutzutage ist ihre Einsamkeit
stärker und offensichtlicher, da selbst
die Restschleier der heuchlerischen
Rhetorik der Araber, die über Geld und
politischen und medialen Einfluss
verfügen und sie unterstützen könnten,
verschwunden sind. Lassen Sie uns sehen,
weshalb.
Der sogenannte Arabische Frühling war
ein kompletter Misserfolg, nicht nur
aufgrund der Explosion des politischen
Islamismus (ein Phänomen, bei dem der
Westen nicht außen vor geblieben war),
sondern auch aufgrund der politischen
Wünsche der Länder der Arabischen
Halbinsel, die zu Vorfällen, die
spalten, aufgewiegelt oder diese
unterstützt haben, von Syrien bis hin
zum Irak, Ägypten, Libyen und Tunesien.
Zynische Realpolitik, die mit dem Geist
der Macht ausgeübt wird,
charakterisiert zunehmend das Handeln
dieser Länder, denen es zudem nicht gut
geht. Ägypten hat seine eigenen
wirtschaftlichen und inneren
Sicherheitsprobleme. In Syrien ist der
Konflikt nicht vollständig beendet. Der
Irak muss die Verwüstungen des IS
bewältigen. Jordanien zählt nicht und
außerdem muss der König den
rechtzeitigen Spagatakt bedenken, um auf
einem wackeligen Thron zu bleiben.
Im Nahen Osten haben die irakischen und
syrischen Konflikte - mit entscheidenden
Interventionen von Russland und dem Iran
zugunsten lokaler anti-jihadistischer
Regierungen – geendet, indem sie zum
sunnitischen Desinteresse an Palästina
unbeabsichtigt beigetragen haben, wo
Zionisten jetzt das tun, was sie wollen.
In der Tat richten sich die Bedenken der
Regierungen von Saudi-Arabien, Bahrain
und den Vereinigten Arabischen Emiraten
aufgrund des Ausgangs der Krise in
Syrien gegen den Iran, ein Land, das
sich trotz seiner großen inneren
Probleme objektiv in einer Phase einer
politisch-militärischen Expansion
befindet. Es war fähig, den lang
erwarteten "schiitischen Korridor" zu
realisieren, das ist eine ständige
Gruppe aus befreundeten und benachbarten
Länder, die, dank ihrer religiösen
Konnotation im Islam eine Unterstützung
für ihn darstellen. Es ist ein Korridor,
der von Teheran nach Bagdad und Damaskus
führt und in Beirut endet.
Der Irak hat eine schiitische Mehrheit,
Syrien hat das nicht, aber die Macht
liegt in den Händen der Alawis, die zur
Zeit von Khomeini anerkannte Schiiten
waren. Sie sind dem Iran gegenüber für
die militärische Hilfe zu Dank
verpflichtet, die in Form von Männern
und Mittel gegen indigene Rebellen und
jihadistische Invasoren bereitgestellt
wurde. Der Libanon hat einen großen
Prozentsatz an Schiiten, von denen die
Hisbollah der militärische Arm ist, der
sich im bewaffneten Kampf gegen die
israelischen Invasionen mit Ruhm bedeckt
hat und derzeit Teil der
Regierungskoalition ist.
Es sollte hinzugefügt werden, dass die
jemenitischen Houti, gegen die
Saudi-Arabien in einem erfolglosen
Versuch, diese zu beseitigen, eine
schlecht konzipierte Koalition
aufgestellt hat, Schiiten sind.
Für die Schiiten – die seit mehr als
tausend Jahren von den Sunniten verfolgt
oder anderweitig bekämpft wurden - hat
diese neue politisch-militärische
Situation das Bild der Region verändert
und Fibrillationen in anderen
bestehenden staatlichen Entitäten mit
Auswirkungen auf die Palästinenserfrage
geschaffen.
Vielleicht ist es uns nicht klar, aber
die arabischen Führungen wissen sehr
wohl, dass anti-schiitische Manöver
unter den Palästinensern keine
enthusiastische Unterstützung finden.
Sportfans drücken bei internationalen
Wettbewerben oft ihre Stimmungen aus:
Nun, es war keineswegs Zufall, dass bei
der Fußball-Weltmeisterschaft die
vorherrschende Unterstützung unter
Palästinensern der iranischen Mannschaft
gegen westliche Mannschaften und der
letzteren gegen die saudische Mannschaft
galt.
Andererseits wiegen das Ansehen und die
Hilfe der Hisbollah und der Iraner so
viel, dass die Hamas in Gaza
ausgezeichnete Beziehungen zu beiden
unterhält und auch zu Katar und der
Türkei. Darüber hinaus werden in
palästinensischen sozialen Netzwerken
kritische Positionen gegen die
arabischen Petro-Monarchien geäußert.
Vor allem in Saudi-Arabien war der
Aufstieg des Kronprinzen Mohammed bin
Salman zur Macht der sichtbarste Punkt
der Entstehung einer jungen politischen
Klasse, die Vorstellungen hatte, die
sich von denen der bisherigen
politischen Klasse, die sie beherrscht
hatte, unterschieden.
Offensichtlich wissen wir nicht, ob bin
Salman unbeschädigt aus der Krise
herauskommen wird, die mit dem Mord an
Jamal Khashoggi und der Katastrophe im
Jemen verbunden ist. Daher gilt die
folgende Überlegung für heute, wenn auch
mit einem unbekannten Faktor: Das heißt,
ob es anderen jungen, aggressiv
Ambitionierten mit "Königsblut" gelingen
würde, seinen Platz mit der gleichen
Mentalität einzunehmen. Man sollte
berücksichtigen, dass der Kronprinz von
Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, ein enger
Verbündeter seines saudischen
Amtskollegen ist und dessen Ideen teilt.
Obwohl die Unterstützung der arabischen
Halbinsel für Palästina immer eher
theoretisch als tatsächlich war,
spekulierte die ehemalige saudische
Führung mit großer Wahrscheinlichkeit
darauf, die Entstehung eines
palästinensischen Staates könne lokale
pro-Iraner dazu veranlassen, sich -
eventuell mit etwas finanzieller
Unterstützung – weitgehend zu
moderieren, indem sie sich von der
extremeren Fraktion differenzieren.
Anscheinend ist dies nicht geschehen,
und heute glauben die neuen
Aufstrebenden, wie die beiden Mohammeds,
dass es alles in allem besser wäre, wenn
der palästinensische Staat (der derzeit
doch noch kommen wird) gar nicht oder
schlecht gebildet würde, da die Gefahr
bestünde, dass er zu einer weiteren
pro-iranischen Entität im Nahen Osten
wird.
Dass der derzeitige saudische Monarch -
Salman bin Abdulaziz – nicht so wie sein
Sohn denkt, ist von geringer Bedeutung,
da er die Netzwerke der Macht nicht
länger kontrolliert, und seine
Äußerungen zugunsten des "Rechts der
Palästinenser auf ihren eigenen
unabhängigen Staat und Ostjerusalem als
Hauptstadt" ändern nichts, ... zumindest
im Moment.
Salman bin Abdulaziz wurde im Januar
2015 König, und sofort übernahm sein
Sohn Mohammed die Zügel der Macht, indem
er allen Gegnern im vorherigen Gefolge
die Autorität entzog und Methoden
anwandte, wie Mobbing, um es milde
auszudrücken. Und die bisher
außergewöhnlich umsichtige saudische
Außenpolitik änderte sich abrupt.
Es stimmt, dass weltweit inmitten
allgemeiner Gleichgültigkeit ein
riesiges Netzwerk von Moscheen und
Madrasas mit einem strengen
Wahhabi-Ansatz geschaffen wurde, das
diese fanatische - jedoch bisher meist
irrelevante - Strömung in islamischen
Kreisen verbreitet hatte; es wurden
jedoch niemals disruptive und
gefährliche Initiativen unternommen.
Im März 2017 entfesselte bin Salman den
Krieg gegen den Jemen und verhängte im
Juni desselben Jahres die Blockade gegen
ein Katar, das seinem Willen nicht
gehorchte. Der jemenitische Krieg
stagnierte, während er Tod und
Zerstörung auslöste, und die Blockade
gegen Katar machte das Emirat zunehmend
vom Iran abhängig, damit es überleben
konnte.
Es sollte hinzugefügt werden, dass der
Einfluss von Riad im Libanon (auf die
dortigen Sunniten) - wiederum aufgrund
der Zügellosigkeit des saudischen
Prinzen - erheblich gemindert wurde,
sodass die Regierung mit der Hisbollah
nicht gestürzt wurde. In Syrien ist
Bashar al-Assad letztendlich an der
Macht geblieben.
Diese Daten sind wesentlich in Bezug auf
die Tatsache, dass die gesamte Politik
von bin Salman aus der Angst vor dem
Iran geprägt ist, unerlässlich, was
Saudi-Arabien nicht nur in eine Symbiose
mit der Trump-Regierung führt, sondern
auch bereit ist, sich dem anderen
Erzfeind des Iran anzunähern: Israel.
Die Absprachen zwischen bin Salman und
Israel sind immer offensichtlich, weil
sie offen geschehen, und in letzter Zeit
scheint sogar der Oman bereit zu sein,
Israel anzuerkennen. Selbst wenn durch
ein Wunder der palästinensische Staat
entstehen würde, ist es leicht
vorhersehbar, dass er keinen Dollar an
Hilfe von Saudi-Arabien und den Emiraten
erhalten würde, weil das Gegenteil
letztendlich bedeutete, dem Iran einen
Gefallen zu tun. Viele westliche
Politiker - darunter Trump und sein
Schwiegersohn Jarod Kushner - träumen
davon (oder behaupten, zu träumen), dass
das Gegenteil stattdessen geschehen
wird, aber, so wie die Dinge liegen ist
es nur ein Traum.
Tatsache ist, dass die neuen und jungen
arabischen Führer nur einen strengen
politischen Realismus verfolgen, der zu
einer radikalen Änderung der bereits
bestehenden grundlegenden kulturellen
Perspektive führt. Was die
internationale Politik anbelangt, so
hatte sie sich auf die enge Verbindung
von Staatsinteresse und
arabisch-islamischer Kohärenz bezogen,
so dass der Zionismus der Feind blieb
(wenn auch mit wenig Aktivismus dagegen)
und die Verteidigung der Palästinenser
ein wesentlicher Bestandteil davon war.
Dieses Bild gibt es nicht mehr, und es
kann nicht einmal ausgeschlossen werden,
dass die neue Ausrichtung in einem Teil
der öffentlichen Meinung der Halbinsel
Zustimmung findet.
Abgesehen vom Schicksal von bin Salman
ist es offensichtlich, dass die
Verschlechterung der "iranischen Krise"
zur Stärkung der neuen politischen
Position gegenüber Israel und den
Palästinensern beitragen wird.
Im Mai 2018 erklärte bin Salman mit
seiner üblichen Brutalität, dass die
Palästinenser entweder mit Israel
Frieden schließen (offensichtlich zu
dessen Bedingungen), oder schweigen. Er
minimierte auch ihr Problem, indem er es
zu "keinem Punkt auf der Tagesordnung"
der saudischen Regierung erklärte und
für die Israelis das Recht auf
Landbesitz forderte und schließlich
diplomatische Beziehungen mit Israel
anregte.
Die Zusammenarbeit zwischen bin Salman
und Jared Kushner (leitender Berater und
Schwiegersohn von Donald Trump) hat zu
einer Pseudo-Utopie des Friedens
geführt, bei der sich – außer dem
formellen Verzicht der Palästinenser auf
das "Rückkehrrecht" (Möglichkeiten, dies
zu verwirklichen, sind objektiv Null) –
die Anerkennung von Jerusalem als
einzigen Hauptstadt Israels abzeichnet :
Für den hypothetischen palästinensischen
Staat wäre die Hauptstadt Abu Dis, ein
Dorf in der Nähe von Jerusalem.
Nun sind sogar die arabischen Emirate
und Bahrain bereit, strategische
Beziehungen zu Israel in einer
anti-iranischen Rolle aufzunehmen.
Tatsächlich fand am 12. Mai in
Washington ein privates (aber nicht
allzu privates) Treffen zwischen dem
israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanyahu und den Botschaftern
der Vereinigten Arabischen Emirate und
Bahrains (Yusef al-Otaiba und Abdullah
bin Muhammad bin Rashid al Khalifa) zur
Stärkung der anti-iranischen Achse im
Golf statt.
Diesen Regierungen schließt sich auch
Ägypten an, das bisher in seinen
Beziehungen zu Israel vorsichtiger war,
obwohl seine militärische Zusammenarbeit
im Norden des Sinai gegen islamistische
Rebellen wohl bekannt ist.
Können wir in diesem Fall noch über
Hoffnungen für Palästinenser in
Palästina sprechen, außer der
jämmerlichen Aussicht auf eine Art "Bantustan"?
* Pier Francesco Zarcone, mit einem
Lizentiat im kanonischen Recht, ist
Historiker der Arbeiterbewegung und
Islamwissenschaftler, unter anderem. Er
ist Mitglied der Utopia Rossa (Rote
Utopie), einer internationalen
Vereinigung, die sich für die Einheit
der revolutionären Bewegungen auf der
ganzen Welt in einer neuen
Internationale einsetzt: La Quinta (The
Fifth). Dieser Artikel wurde
ursprünglich auf Italienisch unter dem
Titel Palistinesi, Addio? in Utopia
Rossa . Ursprünglich übersetzt von Phil
Harris. [IDN-InDepthNews - 04. November
2018] / -
Quelle
Übersetzt von I. Gelsdorf
Weshalb sich
der status quo von Gaza kaum ändern wird
- Tareq Baconi - 2.11.2018 - Im
Gazastreifen zeigt Israel trotz der
Beruhigung der Hamas, einem Wechsel zu
gewaltlosen Protesten und den Warnungen
der UNO vor einem Kollaps wenig
Bereitschaft die Blockade aufzuheben.
Diskussionen über einen Waffenstillstand
zwischen Israel und der Hamas scheinen,
nachdem die Auseinandersetzungen im
Gazastreifen in den letzten Wochen
zugenommen haben, Fortschritte zu
machen. Hamas und der Islamische
Dschihad sind übereingekommen, gegen
eine Lockerung der Blockade "neue
Taktiken" einzuschlagen und einer
möglichen Militärisierung bei den
Demonstrationen des Großen
Rückkehrmarsches Einhalt zu gebieten.
Trotzdem bleiben die kommenden Tage und
Wochen wahrscheinlich instabil. Die
derzeitigen Entwicklungen im
Gazastreifen testen die Grenzen der
Dynamik aus, die die Beziehungen
zwischen der Hamas und Israel geprägt
hat, seit Israel vor elf Jahren eine
würgende Blockade über den Gazastreifen
verhängt hat. Diese Dynamik hat generell
die Form eines Gleichgewichts der
Aggression angenommen, wodurch Israel
und die Hamas auf die Stärke angewiesen
sind kurzfristige Gewinne auszuhandeln
und gleichzeitig poiltische und
ideologische Konzessionen zu vermeiden.
Seit 2007 haben sich die Hamas und
andere Gruppierungen auf Raketenbeschuss
und Tunnelattacken verlassen, um gegen
die hermetische Blockade des
Gazastreifens zu protestieren, ín der
sie einen Kriegsakt sehen, der die
Anwendung von Gewalt zur
Selbstverteidigung legitimiert.
Angeblich als Reaktion auf diese Raketen
führt Israel Militärinterventionen und
gezielte außergerichtliche Tötungen
durch und hat das Territorium bisher mit
drei verheerenden Angriffskriegen
heimgesucht.
Die Dynamik, die weitgehend durch das,
was auf dem Kampfplatz geschieht,
bestimmt wird, hat den Weg zu indirekten
Verhandlungen zwischen der Hamas und
Israel geöffnet. Im Verlauf mehrerer
Runden Waffenstillstand und
diesbezüglichen Diskussionen hat Israel
das verfolgt, was es "Ruhe für Ruhe"
nennt, womit es sich auf das Einstellen
militärischer Operationen im
Gazastreifen bezieht, wenn die Hamas
Raketenbeschuss und Tunnelattacken
einstellt. Hamas ihrerseits hat Ruhe von
der Aufhebung der Blockade abhängig
gemacht.
Beide Parteien haben elf Jahre lang
inoffiziell innerhalb dieses Rahmens
operiert, Jahre, in denen die Hamas in
der Überwachung des Widerstands immer
effektiver wurde, um die Haltbarkeit des
Waffenstillstands zu sichern. Israel
indessen hat es versäumt die Blockade
hinreichend zu lockern und verlässt sich
stattdessen auf das, was das
Sicherheitsestablishment ganz offen
"Rasenmähen" nennt.
Kurz nach Israels letzter solcher
Operation in Sommer 2014 tadelte ein vom
staatlichen Rechnungsprüfer verfasster
Bericht die Regierung, weil sie keine
effektive Strategie gegenüber der
Küstenenklave entwickelt hätte.
Ungewollt hob der Bericht für die
Regierung hervor, dass der status quo
rund um den Gazastreifen tatsächlich
ziemlich tragfähig und keine
langfristige Strategie nötig sei.
In anderen Worten, Gazas Widerstand
stellt für Israel keinerlei reale
Bedrohung dar, und dementsprechend gibt
es keinen zwingenden Grund die
gegenwärtige Situation zum Beispiel
durch Aufhebung der Blockade zu ändern.
Mit der Regierung der Hamas hat Israel
ein perfektes Feigenblatt kultiviert,
das seine Politik der Abtrennung des
Gazastreifens vom Rest des
palästinensischen Territoriums
rechtfertigt – eine Politik, die bis in
die frühen Tage der Gründung Israels
zurückverfolgt werden kann. Mit der
Eindämmung der Hamas und der Übernahme
militärischer Taktiken im Umgang
(manage) mit dem Widerstand hat Israel
eine Situation abgesichert, mit der es
seine Herrschaft über die
palästinensischen Gebiete
aufrechterhalten kann, ohne sich mit den
politischen Aufgaben befassen zu müssen,
die einer solchen Kontrolle zugrunde
liegen.
Trotz alldem stellen heute drei
entscheidende Entwicklungen dieses
Gleichgewicht im Kampf und die
Tragbarkeit der Blockade des
Gazastreifens auf den Prüfstand.
Die erste ist die Herausforderung, die
sich aus der Zivilbevölkerung Gazas
heraus bildet. Gegen eine gescheiterte
palästinensische Führung im Hintergrund
hat die Zivilgesellschaft Gazas ihre
eigene Initiative ergriffen und für die
wichtigsten palästinensischen Rechte
einschließlich des Rückkehrrechts zu
mobilisieren. Der große Rückkehrmarsch,
jetzt in der 31. Woche, umfasst
wöchentliche Demonstrationen, die die
Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat
fordern, die jetzt in Israel liegt.
Während die Organisatoren darauf
bestehen, dass ihre Demonstrationen
gewaltfrei sind und seit ihrem Beginn
weitgehend so geblieben sind, hat Israel
mit der Anwendung tödlicher Gewalt
reagiert, in erster Linie in Form von
Angriffen von Scharfschützen.
Der Große Rückkehrmarsch stellt die
Dynamik mit Israel infrage, weil die
Marschierenden, anders als der
Raketenbeschuss, durch friedliche
Methoden die Aufmerksamkeit auf Gaza und
Israels illegale Taktiken lenken. Um
diese Herausforderung abzuschwächen, hat
sich Israel bemüht die Demonstrationen
als einen Überfall (ein Eindringen) auf
seine Grenzen und die Art des Zauns, der
Gaza von Israel trennt, bewußt falsch
darzustellen. Israel hat also auf
unverhältnismäßige Gewalt gebaut, um die
Proteste zu militarisieren und ihre
Auflösung in Gewalt zu fördern. Bislang
haben israelische Scharfschützen etwa
200 Palästinenser getötet und ungefähr
20.000 weitere Menschen verletzt.
Die zweite Herausforderung des status
quo kommt von der Hamas selbst. Im März
des vergangenen Jahres hat die Hamas ein
neues politisches Dokument
herausgegeben, das bekräftigt, dass die
Bewegung die Grenzen mit Israel von 1967
sowie die Schaffung eines
palästinensischen Staates mit Jerusalem
als seiner Hauptstadt akzeptiert. Das
Dokument wurde weitgehend als die letzte
Bemühung von Khaled Meshal gesehen, die
Forderungen der Hamas zu artikulieren
und eine Öffnung für ein Engagement der
internationalen Gemeinschaft zu
schaffen, bevor er seine
Führungsposition aufgibt.
Die in dem politischen Dokument
dargelegten Prinzipien waren nicht neu.
Hamas hat schon lange ihre Bereitschaft
angezeigt, die (Grüne) Linie von 1967 zu
akzeptieren, sogar als sich mehrere
aufeinanderfolgende israelische
Regierungen weigerten, das ebenfalls zu
tun. Yehya Sinwar, Meshals Nachfolger,
hat diese Position unterstützt und die
Bemühungen zur Veröffentlichung der
Ziele der Bewegung verstärkt. In einem
bemerkenswerten Interview formulierte
Sinwar die Einstellung der Hamas direkt
für die israelische Öffentlichkeit und
betonte den Wunsch der Hamas einen Krieg
mit Israel zu vermeiden und wies dabei
auf die dringende Notwendigkeit hin die
Blockade des Gazastreifens aufzuheben,
damit sich die Ruhe durchsetzen könne.
Unter der Führung von Sinwar ist die
Hamas mit ihrer vollen Unterstützung des
Großen Rückkehrmarsches in Erscheinung
getreten, während sie gleichzeitig mit
der Militarisierung und Bewaffnung der
Proteste droht. Dieses Paradox
demonstiert Sinwars Überzeugung, dass
bewaffnete Gewalt, wenn auch
unerwünscht, als Mittel zur Erreichung
kurzfristiger Konzessionen von seiten
Israels nicht zu vermeiden ist.
Hamas' strategischer Umgang mit Gewalt
war am sichtbarsten während der
offiziellen Periode des Großen
Rückkehrmarsches von März bis Mai, als
die Hamas keine Raketen abschoss. Es war
eine bemerkenswerte strategische
Entscheidung den Beschuss anzuhalten,
obwohl Israel dutzende Palästinenser
tötete und tausende verletzte. Hamas hat
ihren Beschuss mit Raketen erst im
August wieder aufgenommen, nachdem
bereits indirekte Verhandlungen mit
Israel unter der Mediation von UNO und
Ägypten begonnen hatten – ein klares
Beispiel dafür, dass das Kampffeld für
eine solide Verhandlungsposition
eingesetzt wird.
Jedoch haben sich die diplomatischen
Ouvertüren der Hamas als vergeblich
erwiesen. Israels Narrativ, dass die
Hamas eine Terrororganisation ist, die
entschlossen ist Israel zu vernichten,
hat es erlaubt eine Politik des
Non-Engagements um jeden Preis
aufrechtzuerhalten und die politischen
Forderungen der Hamas zu umgehen, sogar
solcher, die von der internationalen
Gemeinschaft unterstützt werden. Israels
Bedingungen dafür, dass es sich mit der
Hamas einlässt, ist vollständige
Entwaffnung und Verpflichtung auf
dieselben Prinzipien wie die PLO. In
Abwesenheit solcher Konzessionen, die
Israels Wunsch nach vollständiger
Befriedung der Palästinenser unter
seiner unnachgiebigen Kontrolle
entgegenkommen, bleibt die Blockade das
effektivste Instrument in Verhandlungen
mit der Hamas. Eine weitere militärische
Operation in Gaza, obwohl für die
risikoscheue Regierung von Netanyahu
nicht verlockend, wäre demnach auch ein
nicht zu unakzeptabler Preis für die
Aufrechterhaltung des status quo.
Die dritte und möglicherweise stärkste
Herausforderung für die herrschende
Dynamik ist Gazas kontinuierlicher und
schmerzvoller Zusammenbruch. Die UNO hat
ja bereits erklärt, dass für Gaza 2020
das Jahr sein wird, in dem Gaza
unbewohnbar geworden sein wird. In
letzter Zeit hat ein Bericht der
Weltbank gewarnt, dass Gazas Wirtschaft
sich "im freien Fall" befinde, jeder
zweite Mensch lebe in Armut. Eine
ausgedehnte humanitäre Katastrophe in
Form einer Hungersnot oder eines
Ausbruchs von Cholera würde die
Aufmerksamkeit der Welt schnell auf Gaza
lenken.
Mit der vollen Unterstützung der
Trump-Administration bemüht sich die
israelische Regierung diese
Herausforderung durch Bemühungen um
humanitäre Hilfe für Gaza abzuschwächen,
sogar jetzt, wo die Palästinenser unter
den Mittelkürzungen der USA in anderen
Sektoren leiden. Jedenfalls ist -
nachdem Hilfe dringend nötig ist, um das
Leiden in Gaza zu lindern - Israels
Intervention nur ein zynischer Versuch
die Tragfähigkeit des status quo mit
geringen finanziellen und politischen
Kosten aufrechtzuerhalten. Die einzige
Möglichkeit das Leiden Gazas auf eine
nachhaltige und gerechte Weise zu
beenden, wäre durch eine bedingungslose
Aufhebung der Blockade.
Indirekte Verhandlungen zwischen der
Hamas und Israel entfalten sich vor
diesem Hintergrund. Netanyahu warnte die
Hamas kürzlich, Israel würde Gaza
"machtvolle Schläge" erteilen, wenn die
Märsche nicht aufhören würden, stellte
aber angeblich klar, dass seine
Regierung nicht die Absicht habe die
Hamas zu stürzen. Die vertrauten Auge um
Auge, Zahn um Zahn-Eskalationen
offenbaren ihre Macht auf dem Kampffeld
in den Verhandlungen. Mit einer jetzt
wahrscheinlicheren humanitären Hilfe
nach Gaza hinein hat Israel eine gute
Position, um politische Vorschläge der
Hamas abzulehnen und die Fähigkeit von
Führern wie Sinwar unbeachtet zu lassen,
um eine Regelung durchzusetzen, die den
Verlust von Menschenleben begrenzen und
die wirtschaftliche Not in Gaza lindern
soll.
Die Dynamik des letzten Jahrzehnts
scheint ziemlich robust. Bevor eine der
drei Herausforderungen den Ausschlag
gibt – Volkswiderstand, Beruhigung der
Hamas, humanitärer Zusammenbruch - ,
muss Israel wahrscheinlich den status
quo beibehalten. Für die Demonstranten
in Gaza sind das düstere Aussichten,
nicht nur was die Blockade betrifft,
sondern auch in Hinblick darauf, dass
sie mit scharfem Beschuss ausgesetzt
sind, wenn sie für ihre unveräußerlichen
Rechte als Palästinenser demonstrieren,
und unvermeidbar in eine Eskalation zu
einem weiteren verheerenden Angriff
geraten.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
'Das ist
nur der Anfang':
Palästinensische Flüchtlinge in
Jerusalem befürchten Übernahme (der
Dienstleistungen) der UNRWA durch die
Stadtverwaltung - Yumna Patel -
2.11.2018
Es war ein typischer Dienstag Morgen im
Shufat Flüchtlingslager im besetzten
Ost-Jerusalem. Kinder waren auf dem
Schulweg durch die schmalen Gassen,
während Männer und Frauen auf ihrem Weg
zur Arbeit an zwei militärischen
Checkpoints im Lager in einer Schlange
warteten: einem in Richtung Ramallah,
einem in Richtung Jerusalem.
Die Lagerbewohner waren überrascht, 15
Arbeiter von der Müllabfuhr der
israelischen Jerusalemer Stadtverwaltung
vorzufinden, die in Begleitung von
israelischer Grenzpolizei und Müllwagen
Abfall von der Strasse aufhoben. Unter
ihnen war der Bürgermeister von
Jerusalem, Nir Barkat.
"Wir waren überrascht sie auf den
Strassen Müll beseitigen zu sehen, denn
das ist der Job von Arbeitern der
UNRWA", sagte Shaher Alqam, 51, ein
Lagerbewohner gegenüber Mondoweiss.
Obwohl das Flüchtlingslager Shufat mit
seinen geschätzten 24.000 Bewohnern (residents
im Gegensatz zu citizen) - von denen die
meisten eine Jerusalem-ID besitzen -
innerhalb der Stadtgrenzen von Jerusalem
liegt, ist es von der israelischen
Trennungsmauer vollständig
eingeschlossen und vom Rest der Stadt
abgeschnitten.
Wie andere Flüchtlingslager im besetzten
palästinensischen Territorium wurde
Shufat unter der Kontrolle der UNRWA
aufgebaut und wird noch immer bezüglich
sozialen Diensten, Bildung und
Gesundheitsesen von der UNRWA geleitet.
Israelische städtische Dienstleistungen
wie Müllbeseitigung gibt es nur ganz
vereinzelt.
"Wann immer die Stadtverwaltung selten
genug im Lager auftaucht, dann um
Strafzettel für "illegal" im Lager
geparkte Autos zu verteilen", sagte
Alqam, wobei er sich auf eine
israelische Razzia in Shufat am 16.
Oktober bezog. "Sie kommen nie, um (die
Straßen) vom Müll zu säubern oder
irgendetwas für die hier lebenden
Jerusalemer zu tun", sagt er. "In diesem
Lager halten wir die blaue Fahne der
UNRWA hoch und überleben mit der Hilfe
der UNRWA, nicht der Stadtverwaltung der
israelischen Besatzung(smacht)".
'Erster Schritt zur Beendigung der
Flüchtlingslüge' - Die
Straßenreinigung wird von den Bewohner
weitgehend als Machtspiel von Barkat
gesehen; der rechtsgerichtete
Bürgermeister berichtete öffentlich
darüber als den ersten Schritt in seinen
Plänen zur "Beendigung der
Flüchtlingslüge" und zum Abstellen der
UNRWA-Tätigkeiten – Pläne, die er schon
Anfang Oktober angekündigt hat.
In einem Facebook-post lobte Barkat den
Schritt und sagte, "wir werden
fortfahren mit der Regierung daran zu
arbeiten, die Dienstleistungen in
Bildung, Wohlfahrt und Gesundheitswesen
zu ersetzen", und fügte hinzu: "In
Jerusalem gibt es keine Flüchtlinge, nur
Bewohner (d.h. residents im Gegensatz zu
citizen; Palästinenser haben in
Jerusalem eine Residenzerlaubnis,
während jüdische Israels Bürger/citizen
sind), und sie müssen die gleichen
Dienstleistungen von der Stadt wie
andere Bewohner (residents) bekommen.
"Die USA wollen die UNRWA nicht, Israel
will die UNRWA nicht, die Einwohner
wollen die UNRWA nicht", sagte er.
Was erst nur für eine publikumswirksame
Werbung gehalten wurde, geht laut den
Bewohnern seit 24. Oktober weiter.
"Die städtischen Arbeiter haben
angefangen den UNRWA Arbeitern
Schwierigkeiten zu machen, sie sagen
ihnen, 'du kannst das tun und das', und
sie versuchen ihnen ihre Arbeit zu
erschweren", sagte der 53-j. Khader
al-Dibs, ein Mitglied des Gemeinderats
von Shufat, gegenüber Mondoweiss.
"Nir Barkat benützt seine Macht und
seinen Rassismus gegenüber den
Palästinensern von Jerusalem, um mehr
Einfluss in der israelischen Regierung
und der Likud-Partei zu bekommen, indem
er die UNRWA still legt, was bisher noch
niemand gemacht hat", sagte al-Dibs.
Als Reaktion auf die Geschehnisse in
Shufat sagte der Sprecher von UNRWA,
Sami Mshasha in einer Erklärung, dass
"unsere Tätigkeit in Jerusalem
einschließlich im Flüchtlingslager
Shufat ohne Unterbrechung weitergehen.
Das ist eine humanitäre Notwendigkeit,
und es ist die Erfüllung unseres Mandats
und unserer Verpflichtungen gegenüber
den palästinensischen Flüchtlingen; wir
sind beauftragt ihnen im besetzten
palästinensischen Territorium
einschließlich Ostjerusalem zu dienen".
Die Nachrichtenagentur WAFA der PA
zitierte Mshasha, der sagte, der erste
Auftritt der Stadtverwaltung im Lager am
23. Oktober war nicht mit der UNRWA
koordiniert, sie wurde auch nicht von
der Stadtverwaltung im Voraus von deren
Absichten informiert.
Er fügte hinzu, dass die
UNRWA-Dienstleistungen für
palästinensische Flüchtlinge in
Jerusalem "unvermindert weitergehen".
Keine Sicherheit unter der Beobachtung
(Kontrolle) der Stadtverwaltung -
Trotz der Beteuerungen der UNRWA sehen
die Bewohner von Shufat die tägliche
Anwesenheit der israelischen
Stadtverwaltung als eine wachsende
Bedrohung.
Im Flüchtlingslager Shufat leben 23.000
Palästinenser, von denen 19.000 bei der
UNRWA registriert sind und wichtige
Dienstleistungen bezüglich Gesundheit,
Bildung, sanitären Arbeiten und
Lebensmittelhilfe erhalten. Für
Sicherheits-Angelegenheiten ist die
Stadtverwaltung zuständig.
Als Barkat seine Pläne zur Stilllegung
der UNRWA in Jerusalem bekannt gab,
sagte er, die Stadtverwaltung von
Jerusalem würde alle Verpflichtungen der
UNRWA für palästinensische Flüchtlinge
in Jerusalem einschließlich Shufat
übernehmen – eine Behauptung, die zu
glauben den Bewohnern schwerfällt.
In ein Gebiet von 230 qkm gestopft und
von der militärisch abgesicherten
israelischen Grenzmauer vollständig
umgeben, leiden die Bewohner des Lagers
Shufat unter hohen Arbeitslosenraten –
etwa 20% - , weitverbreitetem
Drogenmißbrauch und Waffengewalt.
Viele Lagerbewohner, auch Alqam, sind
der Meinung, dass die israelische
Polizei und die Beamten der
Stadtverwaltung Drogen und Gewalt im
Lager als ein weiteres Mittel der
Unterdrückung der Bevölkerung
ungehindert zugelassen haben.
"Wir sind vom Militär und der Mauer
eingekreist und sind ständig
Verhaftungsrazzien mitten in der Nacht
ausgesetzt", sagte Alqam gegenüber
Mondoweiss. "Aber die Israelis verhaften
Leute aus dem Lager nur, wenn sie eine
politische Gefahr darstellen."
Für unsere Kinder hier gibt es kein
Gefühl der Sicherheit. Es gibt Drogen
und Gewalt, und die Israelis wissen
davon, aber sie tun nichts, um die
Situation zu verbessern", sagte er und
fügte hinzu, er glaube nicht, dass die
Stadtverwaltung irgend etwas Gutes für
die Situation tun würde, wenn es zu
einer Übernahme käme.
Al-Dibs äußerte gegenüber Mondoweiss
ähnliche Gefühle. "Wir liegen innerhalb
der Jerusalemer Stadtgrenzen, aber
Israel hat um uns herum eine Mauer
errichtet, (es ist) wie ein Gefängnis",
sagte er.
"Wenn Leute krank sind und eine Ambulanz
brauchen, müssen sie warten, um durch
die Checkpoints zu kommen, weil die
israelischen Soldaten, die die Zufahrt
(zum Lager) bewachen, die Ambulanzen
nicht immer ins Lager lassen", sagte er
und fügte hinzu, "viele Häuser sind bis
auf den Grund abgebrannt", weil
Feuerwehrwägen nicht ins Lager gelassen
wurden.
"Wir sehen viele Gegenden in Jerusalem,
in denen Araber leben, und die
Stadtverwaltung gibt ihnen nicht die
gleichen Dienstleistungen wie den
Juden", sagte Alqam und wies auf
vernachlässigter Straßen, hohe Wasser-
und Strompreise, fehlende
Baugenehmigungen und fortgesetzte
Häuserzerstörungen in Ost-Jerusalem hin.
"Wenn die Stadtverwaltung das Lager
übernimmt, wird bei uns das gleiche
passieren", sagte er.
Kein Geld, um die Dienstleistungen der
Stadtverwaltung zu bezahlen -
Eine der größten Sorgen der Bewohner des
Flüchtlingslagers Shufat wie auch von
Alqam, der Vater von neun Kindern ist,
ist die finanzielle Belastung, die den
Familien auferlegt wird, wenn die
Stadtverwaltung die (UNRWA-)Tätigkeiten
im Lager übernimmt.
"Wir leben noch immer in Armut", sagte
er. "Es ist uns finanziell nicht möglich
unsere Kinder in nicht-UNRWA-Schulen zu
schicken oder für teure
Gesundheitsleistungen zu bezahlen, wenn
es dazu kommt, dass die Stadtverwaltung
all diese Dinge stilllegt".
"Ich denke, ich bin glücklich, weil ich
nur noch ein Kind in der UNRWA-Schule im
Lager habe", sagte Alqam. "Aber andere
Familien mit mehr Kindern werden
zwischen teuren arabischen Privatschulen
und den billigeren öffentlichen Schulen
wählen müssen, die das Curriculum der
israelischen Besatzungsmacht
vermitteln."
Dazu, sagte Alqam, würden die Strom- und
Wasserpreise zu den größten Sorgen
gehören. Palästinensische Flüchtlinge,
die im besetzten palästinensischen
Territorium in Lagern leben, zahlen
keine Gebühren für Wasser und Strom.
"Mein Lohn reicht gerade, um Essen für
meine Kinder nach Hause zu bringen, was
meinst du, wird sein, wenn ich anfangen
muss, für Wasser und Strom und
Gemeindesteuern zu zahlen?"
"Ich habe viele Freunde, die außerhalb
vom Lager leben, sie müssen so viele
Steuern und Rechnungen der
Stadtverwaltung bezahlen, aber weil sie
Palästinenser sind und in Ost-Jerusalem
leben, bekommen sie nicht die gleiche
Qualität an Dienstleistungen wie die
Juden", sagte Alqam.
'UNRWA ist der Beweis dafür, dass ich
das Rückkehrrecht habe' - Seit der
Entscheidung der USA zu Beginn des
Jahres, ihren gesamten finanziellen
Beitrag – etwa 300 Millionen Dollar –
für die UNRWA einzustellen, kämpft die
UNRWA darum, wieder fit zu werden, was
viele dazu gebracht hat über einen
bevorstehenden Kollaps der Organisation
zu spekulieren.
Die USA verlangen von der UNRWA, ihre
Tätigkeiten zu reformieren, bevor sie
ihre Unterstützung wieder aufnehmen,
während der israelische Premierminister
Benjamin Netanyahu eine völlige
Zerschlagung der Organisation fordert,
die er beschuldigt das palästinensische
Flüchtlingsthema zu "verewigen".
Die zunehmend feindselige Rhetorik der
USA und Israels hat viele
palästinensische Flüchtlinge dazu
gebracht nicht nur um den Verlust von
überlebenswichtigen Dienstleistungen,
besonders im Gazastreifen, sondern auch
ihrer Identität als Flüchtlinge zu
bangen.
"Bei der Anwesenheit der UNRWA im Lager
geht es nicht nur um Bildung und
Gesundheit, für die sie sorgt", sagt
Alqam gegenüber Mondoweiss.
"Die Existenz der UNRWA dient der
Erinnerung, dient als Beweis dafür, dass
ich als Flüchtling Rechte habe, in meine
Heimat zurückzukehren, und dass diese
Organisation existiert, um uns zu
helfen, bis für uns als Flüchtlinge eine
Lösung gefunden ist."
Al-Dibs sagte gegenüber Mondoweiss, dass
der Gemeinderat im Lager sich mit der
UNRWA und den palästinensischen
politischen Führern koordiniert, "um
alles zu tun, um die UNRWA hier in
Jerusalem am Leben zu halten und die
Stadtverwaltung nicht in unser Lager
hereinzulassen".
"Aber ohne Druck durch die
internationale Gemeinschaft können wir
nicht viel erreichen", fuhr er fort.
"Wenn die internationale Gemeinschaft
schweigt, werden die Israelis noch mehr
machen als nur die UNRWA in Jerusalem zu
schließen", sagt er. "Sie werden vor
nichts Halt machen, bis sie jeden
Palästinenser aus diesem Land
hinausgedrängt haben."
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
In Israel
inhaftierte Frauen: ein Leben zwischen
Stress (Druck), Leiden und plötzlicher
Verlegung - Dareen Tatour
- 1.11.2018
Einen Monat nach meiner Freilassung
aus der Haft, der Hausarrest und
Gefängnis in all ihren Phasen für drei
Jahre folgten, (eine Zeit, in der ich)
das Leid der Freiheitsstrafe und der
Haft erlebte, das anders ist als jedes
Leiden, das ich sonst persönlich erlebt
habe. Aber trotz der Grausamkeit dieser
Erfahrung, die voller Zwischenfälle war,
die sich vor allem auf weibliche
Gefangene bezogen, und während ich diese
Worte schreibe, habe ich 51 weibliche
Gefangene hinter den Gittern
zurückgelassen, von denen jede ihre
Geschichte hat, über die gesprochen
werden muss, müssen wir die schmerzvolle
Realität, die jede von ihnen in den
Gefängniss gebracht haben, ans
Tageslicht bringen.
Ich wurde inhaftiert und wieder aus
dem Gefängnis freigelassen, die Haft ist
heute für mich vorbei. Es ist wahr, mein
Körper ist freigelassen worden und ist
nicht mehr im Gefängnis, aber meine
Gedanken sind noch immer mit all dem
beschäftigt, was ich gemeinsam mit den
weiblichen Gefangenen durchlebt habe,
und ich kann bis zu meinem letzten
Atemzug nicht frei sein, weil sie in der
ganzen Zeit, sogar in der außerhalb des
Gefängnisses, mit mir leben. Ich
erinnere mich an sie in jedem Detail
meines Lebens, spontan und ohne Absicht,
[...], so weit, dass ich in ständiger
Sorge um sie und ihre Situation lebe.
Ich kann mich von meiner Erinnerung an
ihr Leiden nicht befreien, und deshalb
habe ich beschlossen die Nachrichten von
den weiblichen Gefangenen wach zuhalten
und über alles zu schreiben, was mit
ihnen geschieht, um mein Gewissen zu
erleichtern und mein Versprechen zu
halten, dass ich sie nie vergessen und
sie in ihrem Leiden hinter den Gittern
nicht allein lassen würde.
Nach der Nachricht von der vierten
aufeinanderfolgenden Erneuerung der
Administrativhaft für die
Parlamentsabgeordnete Khalida Jarrar für
weitere drei Monate, möchte ich
insbesondere das Leiden als weibliche
Gefangene in den Gefängnissen HaSharon
und Damon ... beleuchten.
Das Gefängnis Damon, das vor der
Gründung Israels als Lagerhaus für Tabak
und Zigarettengenutzt wurde, wurde
offiziell nach 1948 zu einem Gefängnis
in Israel und 2002 von
Menschenrechtsorganisationen als ein Ort
bezeichnet, der nicht einmal für die
Unterbringung von Vieh geeignet wäre.
Trotzdem ist es heute eine Unterkunft
für etwa 500 palästinensische Gefangene
einschließlich 22 weiblichen Gefangenen,
die in einem sehr kleinen Gebäude mit
nur zwei Räumen angehalten werden, wo
sie unter Überlegung, Feuchtigkeit,
extremer Hitze im Sommer und strenger
Kälte im Winter leiden. Im Raum 7 sind
bei einer maximalen Kapazität von 18
Gefängenen 14 weibliche Gefangene
untergebracht; im Raum 8 können auf sehr
kleinem Raum 8 Gefangene sein. Weibliche
Gefangene leiden auch an der mangelnden
Kommunkation mit der Außenwelt, wegen
unbekannten Störungen können sie auch
nicht Radio hören. Weibliche Gefangene
klagen auch über fehlende Besuche von
ihren Anwälten, soweit, dass sie sich
von der Welt völlig isoliert fühlen und
das Gefühl haben, außerhalb der Realität
der Bewegung für Palästinensische
Gefangene und offizieller Stellen zu
sein, die sich auf die Sache der
Gefangenen und der weiblichen Gefangenen
spezialisiert haben.
Am 5. September 2018, während ich noch
meine fünfmonatige Haftstrafe absaß, die
das israelische Magistratsgericht nach
meinem erpressten Geständnis wegen des
Schreibens eines Gedichts über mich
verhängt hatte, informierte mich meine
Anwältin Taghrid Jahshan während einer
ihrer Besuche, dass weibliche Gefangene
im HaSharon-Gefängnis mit Protesten
gegen den Beschluss zur
Administrativhaft begonnen haben, worauf
seit 2011 plötzlich wieder
Überwachungskameras im Hof eingeschaltet
wurden, die man bisher nicht beachtet
hatte. Die weiblichen Gefangenen
weigerten sich daraufhin, den Hof zu
betreten, bis die Kameras entfernt
wurden.
Yasmin Abu Srour, eine 20-j. frühere
weibliche Gefangene in HaSharon, wurde
im Aida-Flüchtlingslager in Bethlehem
geboren, stammt ursprünglich aus dem
Dorf Beit Natif bei Jerusalem, das am
22. Oktober 1948 von zionistischen
Palmach- und Hagana-Kräften besetzt und
während der Operation "Hahar al-Jabal"
ethnisch gesäubert wurde. Sie arbeitet
als freiwillige Sanitäterin in der
medizinische Hilfe. Yasmin wurde in den
letzten drei Jahren drei Mal verhaftet;
das erste Mal 2015 am Checkpoint auf dem
Weg zu ihrem Bruder im Eshel-Gefängnis
in Beer Sheba, der zu 17 Jahren Haft
verurteilt worden war; damals war sie 17
einhalb. Sie war drei Monate im HaSharon
Gefängnis, wurde freigelassen, und am
17. Januar 2018 unter der Beschuldigung
neuerlich verhaftet, sie gefährde die
Sicherheit des Staates Israel und hetze
gegen den Staat; sie wurde zu sieben
Monaten Haft verurteilt und während
dieser Zeit zwischen HaSharon und Damon
verlegt. Drei einhalb Monate nach ihrer
Freilassung am 26.Juli 2018, demselben
Tag, an dem Ahed und Nariman Tamimi
freigelassen wurden, wurde Yasmin zum
dritten Mal verhaftet, als Druckmittel
gegen ihren anderen Bruder, der eine
Woche nach Vater und Mutter ebenfalls
mit der Beschuldigung inhaftiert worden
war, die Sicherheit des Staates zu
gefährden, um ein Geständnis der ihm zur
Last gelegten Dinge zu erpressen. Die
ganze Familie wurde inhaftiert. Yasmin
wurde am 26. Oktober 2018 freigelassen.
Ich kontaktierte sie eine Woche nach
ihrer Verhaftung im HaSahron Gefängnis
[...].
Yasmin wurde am 9. Oktober 2018
verhaftet, und kam in Sektion 2 des
HaSharon-Gefängnisses, das aus sieben
Zellen für weibliche Gefangene und zwei
für kriminelle weibliche Gefangene
besteht und in dem sich 29
palästinensische weibliche Gefangene mit
verschieden langen Haftstrafen befinden;
die längste Haftstrafe von 16 einhalb
Jahren hat Shurouq Dwayyat von Jerusalem
City bekommen, die gerade erst ihr 4.
Jahr im Gefängnis begonnen hat. In dem
Gefängnis sind auch mehrere verletzte
weibliche Gefangene, vor allem Gefangene
wie Israa Jaabis, Marah Bakir und Lama
al-Bakri.
Als ich Yasmin fragte, was ihr in ihrer
Gefängniszeit am meisten aufgefallen
sei, antwortete sie: "Mir ist im
Gefängnis vieles aufgefallen, vor allem,
dass sich im Vergleich zu meinen
vorherigen zwei Inhaftierungen im
Gefängnis alles verändert hatte, in
Bezug auf Einschränkungen, Kameras und
die psychische Verfassung der weiblichen
Gefangenen, da sie 41 Tage lang die
Sonne nicht gesehen hatten." "Die Sonne
nicht zu sehen, hat ihrer Gesundheit und
ihrer psychischen Verfassung geschadet,
eines der offensichtlichsten Zeichen auf
ihren Gesichtern, die ich selbst als
Gefangene gesehen habe, die mit ihnen
gelebt hat, ist eine ausgeprägte gelbe
Farbe und Blässe, deutliche dunkle
Ränder unter den Augen, starker
Haarausfall; einige Gefangene hatten
Ausschläge an ihren Händen infolge der
Feuchtigkeit und dem fehlenden
Sonnenlicht."
Auf meine Frage, auf welche Weise die
weiblichen Gefangenen gegen die
Überwachungskameras im Hof
protestierten, antwortete sie: "Die nach
der Entscheidung ihrer Vertreterin, der
Gefangenen Yasmin Shaaban,
durchgeführten Protestmaßnahmen können
in drei hauptsächlichen Schritten
zusammengefasst werden [...]: nicht in
den Hof gehen, als wirtschaftlichen
Druck ihre Einkäufe in der Kantine
reduzieren und die Klinik boykottieren."
Als ich nch dem Grund für den Boykott
der Klinik und dem Ziel dahinter fragte,
stellte Abu Srour klar: "Die Vertreterin
der Gefangenen erklärte mir, dass die
Entscheidung zu diesem Schritt darauf
basiert, was es zur Zeit an
Restriktionen im Gefängnis gibt, und wie
schlecht die Ärzte kranke Patienten in
der Klinik behandeln und ihre Schmerzen
verharmlosen."
Auf die Restriktionen hin befragt, sagte
Abu Srour: "Im Gefängnis HaSahron gibt
es folgende Einschränkungen: weniger
warmes Wasser für die Duschen [...], es
läuft nur wenige Minuten pro Tag,
Stromkürzungen mehrmals am Tag und
Reduzierung der Menge an Brot und
Gemüse."
Wegen der Zeit, die ich selbst im
Gefängnis verbracht war, weiß ich, wie
brutal es ist, 24 Stunden am Tag
Überwachungskameras im Hof zu haben, vor
allem für Gefangene, die religiös sind
und den Hijab tragen, sie können ihn
unter all den Kameras nicht ablegen und
die Sonne auf ihren Haaren genießen und
Sport betreiben, denn nur dort haben sie
während ihren "Pausen" Sonne und Luft.
Deshalb war es für die weiblichen
Gefangenen im HaSharon-Grfängnis
wichtig, dieses Leiden nicht zu
akzeptieren und die Einschaltung der
Überwachungskameras um jeden Preis
abzulehnen. [...] Der Anwalt informierte
mich über neue Strafvollzugsmaßnahmen im
Damon-Gefängnis, und dass alle in eine
neue Sektion dort verlegt würden, gab
aber den Zeitpunkt für die Verlegung
nicht an, informierte uns nur, dass die
Sektion vorbereitet würde und danach
alle Gefangenen dorthin verlegt würden.
[...] Da es in der Sektion für weibliche
Gefangene im Damon-Gefängnis seit seiner
Wiedereröffnung 2015 immer
Überwachungskameras gab, sah ich das nur
als einen Schritt, Gefangene im HaSharon
an die neue Realität, die sie nach ihrer
Verlegung erwartete, zu gewöhnen (train),
um zu testen, wie stark ihre Ablehnung
sein würde, und wie lange sie wegen
dieser Situation rebellieren würden...
Als ich Yasmin fragte, was die
Gefangenen über die Verlegung wüßten,
antwortete sie: "Ja, es stimmt, was du
sagst, die Verteterin der Gefangenen ist
plötzlich davon informiert worden, man
sagte ihr, die Verlegung würde in
wenigen Tagen, noch in dieser Woche,
erfolgen."
Ich möchte hier darauf hinweisen, dass
die neue Sektion im Damon-Gefängnis, so
wie wir vom Prison Service zu der Zeit
informiert wurden, als ich noch
inhaftiert war, Platz für 104 Gefangene
hat und in 26 Räume aufgeteilt ist, also
ein Raum für vier Gefangene. In den
Höfen dort gibt es Überwachungskameras,
und die Kameras waren nicht
verhandelbar.
Bezüglich der Erneuerung der (Administrativ)Haft
für Khalida Jarrar, ein Mitglied des
Legislativrates des Parlaments, wollte
ich von Yasmin Aktuelles erfahren, aber
sie sagte, sie sei entlassen worden,
bevor sie diese Neuigkeit hörte. Ich
befragte dazu auch Anwälte, aber sie
wußten nicht, ob die Nachricht stimmte;
ich versuchte die Familie von Khalida
Jarrar zu kontaktieren, aber ich erhielt
keine Antwort per Telefon.
Die Frage, auf die wir eine Antwort
in den kommenden Tagen erwarten, ist:
Was wird mit den weiblichen Gefangenen
nach ihrer Verlegung geschehen? Wie
werden sie all diese Veränderungen
bewältigen?
Quelle
Übersetzung/gekürzt: K. Nebauer
Der
Kampf gegen den
Antisemitismus ist permanent mit dem
Kampf gegen die Islamophobie verbunden
- Mara
Ahmed - 29. Oktober 2018 - Eine
Frau legt am Samstag, dem 28. Oktober
2018, Blumen an einer improvisierten
Gedenkstätte an der Synagoge „Baum des
Lebens“ nieder, wo 11 Gläubige während
einer Schießerei an der Synagoge in
Pittsburgh, Pennsylvania , USA, getötet
wurden.
Ich habe darüber nachgedacht, wie ich
das, was ich seit dem mörderischen
Angriff auf die Lebensbaum-Synagoge in
Pittsburg am 27. Oktober fühle, in Worte
fassen kann. Da sind natürlich die
herzzerreißenden Fakten der Toten und
Verletzten, der Waffengewalt und der
weißen Vorherrschaft sowie die besondere
faschistische Tendenz unserer
gegenwärtigen Zeit. Aber ich habe mich
bemüht, diese Fakten und weitere in eine
umfassendere, klärende Wahrheit zu
ordnen.
“Whites, Jews and Us – Toward a Politics
of Revolutionary Love”
Ich komme immer wieder auf Houria
Bouteljas Worte zurück, dass
Philosemitismus die letzte Zuflucht des
weißen Humanismus ist (aus ihrem Buch ).
Jüdische Anpassung ans Weiße erschien
mir immer wie ein neues, staatlich
unterstütztes Projekt – politisch
zweckdienlich und daher prekär.
Ich las eine Zeitung, die den Titel
trug,
“Judaism, Zionism, and the Nazi Genocide
– Jewish Identity Formation in the West
between Assimilation and Rejection”
(Judaismus, Zionismus und der
Nazi-Genozid – Jüdische
Identitätsbildung zwischen Anpassung und
Ablehnung“ von Sai Englert, das mir von
einem befreundeten Rabbi dringend
empfohlen wurde.
Der Artikel erklärt, wie der Zionismus
und das Gedenken an den Holocaust zu den
Grundsätzen der zeitgenössischen
jüdischen Identität wurde und wie der
Staat dazu beigetragen hat, diese
Identitätsbildung zu schmieden:
Die jüdische Geschichte und der
Nazi-Genozid werden in den Mittelpunkt
moderner Konstruktionen westlicher
Identität und Legitimation westlicher
Staaten gerückt. Dennoch ist es eine
entpolitisierte, ahistorische und
sterilisierte Version der Geschichte,
die die Juden in eine besondere
historische Rolle einsperrt.
Wieder einmal gibt es einen Kompromiss:
Um zur Anerkennung vergangenen Unrechts
zu gelangen, müssen jüdische Gemeinden
auf Forderungen struktureller
Gerechtigkeit verzichten und
akzeptieren, dass der Massenmord an
ihren Vorfahren aus der historischen und
politischen Analyse entfernt wird.
Stattdessen wird das Gedenken zu einem
Instrument, wodurch westliche Staaten
Rassissmus, Gewalt und Kollaboration
anerkennen oder verurteilen können,
während sie diese gegenüber anderen
Gemeinden und Ländern fortsetzen.
[…] Die Essentialisierung der Juden im
In- und Ausland durch den Staat schafft
eine neue Form antisemitischer
Ablehnung. Der Jude von heute ist nicht
länger der Kosmopolit, ohne Wurzeln, der
Revolutionär, der Internationalist, er
wird in erster Linie – zumindest
potentiell – als Zionist, als Bürger
Israels und Verteidiger der „westlichen
Werte“ angesichts des Barbarismus
gesehen. Nicht länger als mächtiger
Zerstörer der westlischen Gesellschaft
und bürgerlichen Werte, sondern als
deren erbitterster Beschützer, taucht
die antisemitische Essentialisierung den
Juden in ein scheinbar positives Licht.
Die zugrunde liegende Logik jedoch
bleibt eine der
Top-Down-Strukturierungen jüdischer
Identifikation durch den westlichen
Staat.
Als Moslem, des Paria unserer Zeit, der
weithin von den Rechten, aber auch von
substanziellen Liberalen akzeptiert
wurde, war ich an dieser Analyse aus
derselben Zeitung von Alain Badiou und
Eric Hazan interessiert:
Das Ziel ist, Menschen davon zu
überzeugen, dass es eine
zugrundeliegende Einheit gibt zwischen
der Unterstützung des Kampfes der
Israelis gegen die arabische
„fundamentalistische“ Barbarei und dem
Kampf im Inland gegen die jugendlichen
Barbaren in den Vororten – deren
Bezeichnung als „Barbaren“ wohl auch
bestätigt wird durch die doppelte
Tatsache, dass sie nicht nur Araber oder
Muslime sind, sondern auch die Politik
der israelischen Regierung kritisieren.
Noch mehr beeindruckt war ich von den
Gemeinsamkeiten zwischen der
Islamophobie und dieser neuen staatlich
lizenzierten Form des
Philosemitismus/Antisemitismus:
- die Vorstellung von statischen,
monolithischen Identitäten (der
eindimensionale zionistische Jude und
die unveränderliche orientalistische
Karikatur des Muslims),
-
die Entmilitarisierung des
Holocaust (um die Illusion eines
humanistischen Westen zu schaffen, ohne
dessen zugrundeliegenden rassistischen,
kapitalistischen Strukturen in Frage zu
stellen und dessen Gewalt gegenüber
Schwarzen und Braunen zu vertuschen) und
die Entpolitisierung der muslimischen
Reaktion auf Invasionen und Besetzungen,
so dass alle Akte des Widerstandes oder
des organisierten Verbrechens zu einer
dekontextualisierten, sinnlosen
Terrorismus-Masse zusammengefügt
werden),
-
– schließlich die
essentialisierte Schöpfung des
immerwährenden jüdischen Opfers und des
irrationalen, zwanghaft gewalttätigen
Muslims – beide Schachfiguren der
westlichen Außenpolitik, gefangen in
einem mystischen, ahistorischen Krieg.
Palästina ist anscheinend im Mittelpunkt
dieses Kampfes zwischen dem guten und
dem bösen „Anderen“, wobei der Staat
häufig interveniert, um die Grenzen
zwischen diesen beiden Extremen
abzugrenzen, zum Beispiel bedeutet die
Kriminalisierung politischer Boykotte
gegen Israel das Ziehen einer derartigen
Regulierungslinie
-
Die tragische Schießerei
in Pittsburgh, zumindest teilweise durch
den Hass des weißen, extremistischen
Mörders auf HIAS ( eine
jüdisch-amerikanische gemeinnützige
Organisation, die Flüchtlinge
unterstützt) aufgrund des Durchbrechens
der US-Grenze durch Muslimhorden, bringt
all diese Gegensätze und Ironien an die
Oberfläche. Es zeigt den sofortigen
Zusammenbruch von Spaltungen zwischen
politisch konstruierten Kategorien von
anderen, sobald sich das Weiße in einer
Krise befindet.
-
Es fordert uns auf, tiefer
in die Dichotomie zwischen einem
rechtsgerichteten Trump-freundlichen
Israel zu sehen und, wie sich
notwendigerweise die weiße Vorherrschaft
in den U.S.A. manifestiert. Es zwingt
uns, die Schaffung von Flüchtlingen im
Kontext des amerikanischen Imperialismus
und der ewigen, wilden Kriege zu
lokalisieren, die fortfährt, Länder mit
muslimischer Mehrheit in Schutt und
Asche zu legen.
-
Er erinnert uns an ein
weiteres Durchbrechen von Grenzen durch
verzweifelte Flüchtlinge – die 1,85
Palästinenser, die in einem schmalen
Streifen Land in Gaza gefangen sind, die
sich an dem Großen Marsch der Rückkehr
beteiligt haben, um ein Ende ihrer 11
Jahre andauernden Haft zu fordern. Seit
dem 30. März 2018 haben israelische
Sicherheitskräfte mindestens
217 Palestinian protesters
(palästinensische Demonstranten) und
über 22.000 Menschen verletzt.
-
Letztlich zeigt uns das
eindeutig, dass in keiner Bewegung für
Gerechtigkeit Platz für irgendeine Form
von Rassismus ist. Es kann keine
Hierarchien der Rechte geben, die durch
Präventivschläge gerechtfertigt sind,
keine Entmenschlichung des anderen als
kulturelle oder demographische
Verunreinigung, keine Katalogisierung
von Menschen als kollektiv entbehrlich.
Deshalb spricht Fred Moten über die
“irreduzible Verstrickung von Schwärze
und Indigenität” und über den
“gegenseitig wiederbelebenden (vor)besetzten,
schwarz-palästinensischen Atem“.
-
Der Kampf gegen den
Antisemitismus ist mit dem Kampf gegen
Islamophobie, Siedlerkolonialismus und
imperiale Gewalt und Übergriffe
permanent verbunden. Es ist nicht
möglich, eine Komponente zu trennen und
gegen eine andere zu unterstützen, und
wir entscheiden uns für alles oder
nichts . (übersetzt v. Inga Gelsdorf)
Über Mara Ahmed
- Mara Ahmed ist eine
pakistanisch-amerikanische Aktivistin,
Künstlerin und Filmemacherin und wohnt in
Rochester, NY. Sie wurde in Belgien,
Pakistan und den Vereinigten Staaten
ausgebildet. Ihre dritte Dokumentation, “A
Thin Wall,” (eine dünne Mauer) ein Film
über die Teilung von Indien 1947, wurde 2015
veröffentlicht. Sie arbeitet zur Zeit an
einer Dokumentation über den Rassismus in
Amerika. Auf Twitter at
@maraahmed
Quelle übersetzt von
Inga Gelsdorf
Israël-Lobby
unterdrückt "antisemitisches" Kunstprojekt
in Vlissingen - In Vlissingen wurde
nach einer heftigen Kampagne gegen die
Künstler und den Stadtrat ein Kunstprojekt
mit Drachen abgesagt. Sogar die israelische
Presse berichtete über einen nicht
existierenden Piloten mit einem Hakenkreuz.
Die Affäre bietet Einblick in eine gängige
Praxis: Solidarität mit den Palästinensern
wird gnadenlos bestraft.
Das Vlissingse Podium für zeitgenössische
Kunsträume CAESUUR musste sein Projekt "Kite
with Space CAESURE" abbrechen. Das Projekt
wurde auf breiter Front als antisemitisch
und auf Nazi-Symbolik und Terrorismus
gestützt angegriffen.
Es ist bemerkenswert, dass ein lokales
Vlissings-Kunstprojekt so viel Aufsehen
erregt, dass sogar israelische Zeitungen
darauf aufmerksam machen und dass Social
Media-Befürworter die Organisatoren
unterstützen. Auf der anderen Seite gibt es
ein vertrautes Bild von dem, was mit
Menschen und Organisationen geschieht, die
Solidarität mit den Palästinensern zeigen.
Fast Standard sind sie Opfer von scheinbar
koordinierten Aktionen, um sie zum Schweigen
zu bringen. Aus diesem Grund gehen wir
ausführlich auf die Vlissingen-Affäre ein.
Schweigen vor dem Sturm
Die Vlissing-Organisation spaceCAESURE wurde
von der Verwendung von Drachen der Bewohner
des palästinensischen Gazastreifens für ihr
Kunstprojekt inspiriert und betonte auf
ihrer Website die verschiedenen Facetten:
Im Jahr 2010 verbesserten Tausende von
Kindern in Gaza den Guinness Record Kite
(Drachenflugrekord), den sie 2009 gegründet
hatten. 7.202 Kinder und ebenso viele
Piloten nahmen an der von der UNRWA, der
palästinensischen Flüchtlingsorganisation
der Vereinten Nationen, organisierten
Veranstaltung teil.
Im Jahr 2018 nutzen die Menschen in Gaza das
Drachenfliegen als fröhliche politische
Protestbekundung, die sich gelegentlich mit
einem Versuch des tatsächlichen Widerstands
abwechselt. Letztere wird wiederum von einer
der besten bewaffneten - einschließlich der
Atomwaffen - Länder der Welt als
existenzielle Gefahr betrachtet:
Kite-Terrorismus. Ein Konzept, das von den
Wirtschaftsmedien auf der ganzen Welt
lustvoll propagiert wird.
Aus diesen Erkenntnissen heraus hat sich der
Organisator und Künstler Hans Overvliet für
sein Projekt entschieden: Piloten als Träger
von Kunstwerken, die soziale Themen
anprangern - eine naive Form für kraftvolle
Inhalte. Zwanzig Künstler aus fünf Ländern -
den Niederlanden, Belgien, Deutschland,
Palästina und Pakistan - wurden eingeladen,
sich an einer sozial engagierten Arbeit zu
beteiligen.
Das Projekt war nicht als politische
Erklärung für Palästina gedacht. Die
Künstler wählten jeweils ihre eigene
Perspektive, einschließlich des Feminismus
und des manifesten Rechtsextremismus. Einige
von ihnen wählten ein palästinensisches
Thema. Die Organisation betonte das hohe
Niveau der eingereichten Kunstwerke, gepaart
mit der zugrunde liegenden Motivation.
Der Start des Projekts war für Samstag, den
20. Oktober geplant, doch der Wind war noch
immer in der Luft: Die Piloten waren nur am
Boden zu bewundern. Letzten Donnerstag würde
ein neuer Versuch unternommen werden, sie zu
verlassen.
Schieße durch die Beine
Es ist nicht dazu gekommen. Dem Wind folgte
tatsächlich der sprichwörtliche Sturm. Grund
für die Turbulenzen war ein Tweet des
Kulturbeauftragten Rens Reijnnserse
(50PLUS), der sich den geplanten Abflug der
Piloten am Samstag angesehen hatte:
Drachen am Strand. Schöner Herbsttag in
Vlissingen, kein Wind, deshalb fliegen die
Piloten nicht. Projekt für Palästina ist
gelungen.
Dieser anscheinend sympathische Tweet setzte
ein Karussel gewalttätiger Proteste in Gang.
Sowohl die Organisatoren Alderman Reijnierse
als auch der Vorstand von B & W sind wegen
des Drachenprojekts, das voller
Nazi-Symbolik, Kriegsverherrlichung und
Antisemitismus war, unter heftiges Feuer
geraten. Die Organisatoren konnten in den
sozialen Medien lesen, dass sie "durch ihre
Beine geschossen werden müssen".
"Antisemitisches Kunstprojekt"
Typischerweise der Aufruhr, der in der
lokalen Politik aufkam. Der Bruchteil von "Perspective
on Flushing" (POV) bezeichnet den Tweet des
Ratsherrn als "völlig unangemessen, völlig
verwerflich und völlig inakzeptabel" und
spricht von "enormem Imageschaden durch den
verwerflichen Palästina-Tweet des Vlissinger
Stadtrats".
Der POV verlangt von der Gemeinde, sich vom
Tweet als "anstößige und offene
Unterstützung für ein antisemitisches
Kunstprojekt" zu distanzieren. Folgendes
wird in der Unterstützung angegeben:
Wir finden es nicht wünschenswert, dass die
Stadt Vlissingen unter dem Deckmantel eines
Kunstprojektes öffentlich unsere Strände
verschmutzt und sie mit Drachen mit
Nazi-Symbolen und anderen antisemitischen
Äußerungen verschmiert.
Der POV-Fraktionsführer Pim Kraan setzt das
Kunstprojekt Vlissingen in die Perspektive
der israelischen Blockade des Gazastreifens,
in der zwei Millionen Palästinenser von
Israel in dem größten Freiluftgefängnis der
Welt festgehalten werden:
Es gibt einen Konflikt in diesem Bereich, in
den Sie als Behörde nicht eingreifen müssen.
Aufgrund dieses Tweets scheint es, als würde
Reijnierse die Terrorakte dort billigen. Das
ist ein sehr falsches Signal.
Andere politische Parteien haben sich
ebenfalls dem Thema angeschlossen. Die
SGP-Fraktion forderte den Bürgermeister auf,
Fluggästen den Zugang zum Strand zu
verwehren. Die VVD stellt unter anderem
Fragen zu einem "antisemitischen
Nazi-Symbol" bei einem der Piloten und zu
den Schäden, die in Israel durch
"Feuerbomben" der Piloten verursacht werden.
Israel Lobby
Die Israel-Lobby wandte sich auch an die
lokale Vlissingen-Frage. Die Nieuw
Israëlietisch Weekblad (NIW) schreibt
fälschlicherweise , dass die Organisation
das Projekt auf ihrer Website als "eine
Aktion gegen den jüdischen Staat"
beschreibt. Darüber hinaus berichtet der
NAV, dass Parteichef Henk Krol von 50PLUS im
Repräsentantenhaus auf Twitter seinen
Parteikollegen Reijnserse in Vlissingen
"angerufen hat, um seine Botschaft zu
appellieren".
Das Zentrum für Information und
Dokumentation Israel (CIDI) nennt das
Vlissinger Kunstprojekt "unangemessen", weil
Piloten an einem holländischen Strand die
Organisation von Drachen und Luftballons
erinnern, die im Gazastreifen errichtet
wurden, um Brände in Israel auszulösen. Laut
CIDI gibt es "Dutzende pro Tag":
Die Flugkampagne ist unangemessen angesichts
der Terrorkampagne, die mehrere Gruppen im
Gazastreifen seit sieben Monaten mit Drachen
und Ballons hatten. Dutzende Brandbomben und
Entzündungen werden jeden Tag abgefeuert, um
im Süden Israels Feuer zu machen.
Darüber hinaus kritisiert CIDI zwei der
Kunstwerke. Die Steine der Beleidigung:
Auf einem der Piloten ist eine Rakete zu
sehen, eine häufig verwendete Waffe , die
von Terroristen in Gaza gegen israelische
zivile Ziele eingesetzt wird. Auf einem
anderen Flyer ist ein reicher Adler
abgebildet, der in Deutschland von den Nazis
als Symbol benutzt wurde.
Jonet: "Drachen mit Hakenkreuz"
Die Jonet-Website geht noch einen Schritt
weiter . Laut den Herausgebern gibt es nicht
nur "Drachen mit totalitären und
pro-palästinensischen Symbolen", die sich
unter dem Deckmantel der Kunst und der
Meinungsfreiheit "behaupten dürfen" - laut
Jonet trägt einer der Piloten sogar das Bild
eines Hakenkreuzes:
Auf sechseckigen Drachen sind Symbole für
die Palästinenser und gegen Israel zu sehen,
darunter ein Hakenkreuz und eine Kopie des
Reichstaglers von Nazi-Deutschland. Es gibt
auch einen Drachen mit einer der Raketen,
mit denen die Terrorgruppe Hamas die
Israelis täglich bombardierte.
Jonet berichtet weiter, dass Alderman
Reijninerse "verbal von pro-israelischen
Twitterern angegriffen" wird, und erwähnt
zwei Beispiele. Eine "prominente jüdische
Holländer in Israel" Tweette:
Und jetzt stolz in Vlissingen herumlaufen?
Sie wissen nicht, wie viel Schaden und Angst
die Hamas-Piloten in Zd haben. Um Israel zu
verursachen? Du musst dich schämen und du
bist nicht würdig, Stadtrat von @ vlissingen
zu sein .
Das zweite Beispiel stammt von einem
"parlamentarischen Reporter", der die
teilnehmenden Künstler sogar mit Angriffen
auf "jüdische Kinder" in Verbindung bringt:
Haben sie auch Kindern Pakete mitgebracht,
wie sie es in Gaza tun, in der Hoffnung,
ahnungslose jüdische Kinder mit einer
Feuerbombe zu treffen?
Times of Israel berichtet auch von
"Hakenkreuz"
Wer würde meinen, dass die Vorwürfe hoch
genug gestapelt sind, ist das falsch, denn
inzwischen ist die Protestkampagne bei den
israelischen Medien angekommen. Die
Nachricht ist die Jewish Telegraphic Agency
(JTA), die sich in einem Artikel über
Informationen von CIDI selbst überlässt. Die
Times of Israel übernahm den JTA-Artikel.
Die Redakteure von JTA und der Times of
Israel behaupten auch, am Strand von
Vlissing einen Drachen mit einem Hakenkreuz
gesehen zu haben - in Grün noch die "Farbe
der Hamas":
Einer der Kites, die von der
Künstlergemeinschaft CAESURE geschaffen
wurden, zeigte ein Hakenkreuz in Grün, die
offizielle Farbe der Hamas.
Ziel erreicht
Auf diese Weise wurde das Kunstprojekt in
Vlissingen, einschließlich der (in) direkt
beteiligten Künstler, unter einem Tsunami
mit schweren Anschuldigungen und
Verdächtigungen begraben. Mit Ergebnis. Am
Mittwoch hat die Organisation das
Kunstprojekt abgesagt . Nicht nur wegen
aller Beschuldigungen und Drohungen, sondern
auch wegen der Verblüffung über das völlige
Fehlen eines Interesses an der wahren
Bedeutung des Projekts und der Kunstwerke,
die völlig unberücksichtigt geblieben sind.
Es ist äußerst beschämend, dass - trotz der
ernsthaften Vorwürfe des Stadtrats - keiner
der betroffenen Politiker sich die Mühe
machte, von den Künstlern informiert zu
werden. Worum es bei dem Projekt wirklich
ging, war nie wichtig.
Das B & W College veröffentlichte auch eine
Erklärung . Dies als Reaktion auf "viele
wütende, traurige und überraschte
Reaktionen, auch auf das College". Die
Kommission stellt fest, dass sie "in keinem
Zusammenhang mit dem Projekt steht" und
"bedauert die bestehende Situation". Die
Anschuldigungen an die Adresse des Stadtrats
werden ebenfalls besprochen:
Alderman Reijnserse wurde persönlich
eingeladen. [...] Er twitterte darüber. Er
hat die politischen Auswirkungen dieses
Künstlerprojekts nicht erkannt.
Das College betonte, der Stadtrat habe sich
einen Tag zuvor auf Twitter entschuldigt.
Reijnnerse schrieb:
Ich entschuldige mich aufrichtig. Ich wollte
die Leute nicht beleidigen. Mach dir keine
Sorgen. Ich wollte mich nie in einen
Konflikt einmischen. Ich wollte nur ein
Kunstprojekt unterstützen. Ich habe keine
Verbindung zu Piloten hergestellt, die für
Gewalt stehen. Ich entferne meinen Tweet.
Damit hat die Protestkampagne ihr Ziel
erreicht: Das Projekt wurde abgesagt, die
Organisation und die Künstler wurden
verunglimpft, der Stadtrat ging durch den
Staub und die Gemeinde Vlissingen wird von
nun an zehn Mal an Kunstprojekte denken -
ganz wie die in der eine Beziehung zur
Solidarität mit den Palästinensern haben.
Die Verfolgung von Personen und
Organisationen mit Vorwürfen des
Antisemitismus und der Verwendung von
Nazi-Symbolen ist immer noch sehr effektiv.
Umstrittene Kunst
Aber stimmt etwas auch? Wer Ordnung in den
Wald der Vorwürfe bringt, kann feststellen,
dass es sich um drei Kunstwerke und einen
nicht existenten vierten Piloten handelt.
Eine von einem pakistanischen Künstler
gemalte Vagina wird von der Vlissing-Politik
als "brennendes Objekt" oder "Explosion"
bezeichnet - eine Verbindung, die notwendig
ist, um eine Verbindung mit Gaza
herzustellen.
Übersicht der Drachen. In der Mitte das
umstrittene Symbol des Reichsadlers. Rens
Reijnische / PZC
Ein belgisches Kunstwerk zeigte den
tausendjährigen deutschen Reichsadler , der
auch von den Nazis benutzt wurde, aber auf
dem Copyright-Zeichen stand, anstelle des
Hakenkreuzes, das die Nazis benutzten. Der
Künstler prangerte damit die Entführung
nationaler Symbole durch zeitgenössische
Rechtsextremisten an, wird jedoch
beschuldigt, ein "antisemitisches
Nazi-Symbol" zu verwenden.
Der dritte umstrittene Pilot trug das Bild
einer modernen Rakete - ein Hinweis auf die
Hightech-Waffen, mit denen im Jemen
Zivilisten erschossen wurden. Die Debatte
über westliche Waffenlieferungen, die
Beteiligung von Unternehmen und Investoren
und der Verzicht auf die Politik ist äußerst
aktuell .
Fiktionale Kunst -
Bisher bilden die drei Kunstformen die
Grundlage der massiven Protestkampagne: eine
Vagina, eine Anklage gegen den
rechtsextremen Symbolismus und ein Aufbruch
über die Bombardierung der Zivilbevölkerung.
Und dann gibt es eine vierte Anklage: Jonet,
JTA und die Times of Israel berichten von
einem Drachen mit dem Bild eines
Hakenkreuzes. Ein solcher Pilot hätte
zweifellos in den Niederlanden zu
Aufmerksamkeit und Aufruhr in den Medien
geführt, aber nicht lange gedauert. Der
bewusste Pilot existiert nicht, wurde aber
von den Medien selbst zum Leben erweckt.
Jonet, JTA und die Times of Israel basieren
auf dem Artikel der CIDI, der ein Bild eines
Drachen mit einem Hakenkreuz enthält - auch
wenn es nichts mit dem Kunstprojekt in
Vlissingen zu tun hat. Dieser grelle Versuch
der Schuld durch Assoziation wurde von Jonet,
JTA und der Times of Israel Wirklichkeit und
als solche einem internationalen Publikum
präsentiert, in dem der Vlissingen-Ratsherr
Reijnische (mit Foto und allen in der Times
of Israel) und die Künstler als Kopf von jut.
Fragen an die Vlissing-Politik
Die Frage wirft Vlissingen-Parteien wie VVD
und POV Fragen auf: Warum schließen sie
sogar die israelische Blockade von Gaza in
ihr Urteil über ein lokales Kunstprojekt
ein, und stellen sie auch einen ernsthaft
mangelhaften Kontext dar? In diesem
Zusammenhang ist relevant, ob solche
Maßnahmen jetzt auf alle Vlissing-Projekte
angewendet werden.
Konkret stellt sich die Frage, ob der
Einsatz von Drachen an einem anderen Ort der
Welt - zum Spaß, um Weltrekord zu brechen
oder gar als Opposition gegen Unterdrückung
- ein logisches und legitimes Kriterium für
die Bewertung eines Kunstprojekts in den
Niederlanden ist. Im Fall gegen das Projekt
wird dafür kein stichhaltiges Argument
angeführt.
Es wurde auch nicht versucht zu begründen,
auf welcher Grundlage niederländische
Grundrechte und Grundfreiheiten - wie die
der Äußerung und der Äußerung - aufgegeben
werden sollten und welche Folgen sich daraus
ergeben. Diese fehlende Argumentation muss
vor allem den beteiligten Politikern
angelastet werden.
Darüber hinaus müssen sie klarstellen, wo
die Grenzen liegen. Wenn ein Pilot den
Status "Terrorwaffe" erhält, was bedeutet
das für andere Kite-Projekte? Nicht
unbedeutend für eine Stadt wie Vlissingen
ist auch, was der Status von Schiffen,
Hubschraubern, Drohnen, Panzern und anderen
Waffen wird. Können sie die Stadt noch
betreten? Sind Messen, Ausstellungen und
andere Veranstaltungen in diesem Bereich
(Besuch von Ratsherren) noch möglich?
Israelische Standards
Es fällt auf, dass unter anderem in der
Protestkampagne von Jonet gesagt wird, dass
das Vlissing-Projekt "unter dem Deckmantel
der Kunst und der Meinungsfreiheit"
organisiert wird. Dies deutet darauf hin,
dass es eine List gibt: Die Organisatoren
hätten eigentlich andere Absichten und
nutzten ihre Kunst als Deckung. Für diesen
Verdacht gibt es keinen Beweis.
Auch die Vermutung, die Meinungsfreiheit sei
missbraucht worden, ist in keiner Weise
begründet. Die Leichtigkeit, mit der
demokratische Rechte zugunsten ihrer eigenen
Agenda geopfert oder verdächtig gemacht
werden, erinnert stark an den Stand der
Dinge in Israel. Gegenwärtig liegt ein
Gesetzentwurf von Ministerin Miri Regev von
Culture auf dem Tisch, der die
Subventionierung "subversiver" Kunst
unmöglich macht.
In den letzten Jahren hat das israelische
Parlament eine Vielzahl drakonischer Gesetze
verabschiedet , die die Demokratie dieses
Landes untergraben haben. Es wurde auch
festgestellt, dass Israel und seine Lobby
sich intensiv darum bemühen, die Solidarität
mit dem palästinensischen Volk weltweit zu
unterdrücken. Vor diesem bekannten
Hintergrund ist zu erwarten, dass
niederländische Politiker und Medien, auch
in Vlissingen, wachsam sein werden.
Die Arme der Lobby
Bis jetzt die Behandlung, die holländische
Künstler erhalten, wenn sie mit Ideen oder
Projekten beschäftigt sind, die von der
pro-israelischen Lobby nicht gemocht werden.
So sehr die Einschüchterung, die eine
Gemeinde und ihre Verwalter erhalten, wenn
sie unerwünschte Projekte innerhalb ihrer
Grenzen durch die Lobby zulassen.
Wie auch immer das Vlissingen Thema ist, es
trifft eine Reihe von klassischen Merkmalen.
Zum Beispiel ist die gleichzeitige Aktion
von politischen Parteien (wie VVD und SGP),
pro-israelischen Organisationen und Medien (CIDI,
Jonet) und internationalen Medien (JTA,
Times of Israel) mit hysterischer
öffentlicher Empörung verbunden. Zahlreiche
Kampagnen wurden in ähnlichen Kombinationen
durchgeführt, darunter die Hetzkampagnen
gegen die neue Ministerin Sigrid Kaag und
den ehemaligen Premierminister Dries van Agt
.
Auch das Framing mit Terror, Antisemitismus
und Naziempfindungen, die verleumderischen
Suggestionen und die eklatanten Lügen sind
erprobte Zutaten, um unerwünschte Stimmen
zum Schweigen zu bringen. In einer aktuellen
Fallstudie haben wir dieses Phänomen als
Ergebnis einer Veröffentlichung in der New
Israelite Weekly beschrieben. Diese
Veröffentlichung war auch voller schwerer
Vorwürfe, die auf nichts basierten.
Die "pro-israelischen Twitterer", von denen
Jonet auch sprach (B & W van Vlissingen
spricht von "enormen Reaktionen"), sind ein
klassisches Phänomen. Es gibt zahlreiche
Beispiele für die organisierte Art und
Weise, in der niederländische Menschen oder
Organisationen von einer sogenannten
Kurzhormone überwältigt wurden. Zu den
Zielen gehörten der Vorstand der Freien
Universität (VU), der ein unerwünschtes
Treffen erlaubt hatte, und die Amsterdamer
PvdA-Partei , die sich gegen eine
Stadtverbindung mit Tel Aviv ausgesprochen
hatte:
Mehrere Amsterdamer Gruppen, darunter die
der PvdA, beklagten sich, sie seien
skandalös unter Druck gesetzt worden,
darunter wilde Anschuldigungen wegen
Antisemitismus.
Zweck der Kampagne
Gibt es in der Vlissingener Politik und in
der Lobby wirklich Bedenken hinsichtlich
künstlerischer Äußerungen, die sich mit
zeitgenössischen Missständen befassen? Dann
wäre eine Debatte angebracht, die mit einer
korrekten Darstellung der Einwände beginnt.
Aber trotz aller gewalttätigen Vorwürfe ist
von einer ernsthaften Argumentation oder gar
einem Versuch gar nicht die Rede. Eine
Erklärung gegen die Künstler ist nicht
erfolgt, auch wenn sie angesichts der
Vorwürfe offensichtlich gewesen wäre.
Die Protestkampagne hätte sich auch für eine
andere Strategie entscheiden können, indem
sie das Projekt für das belassen, was es
war: ein lokales Kunstprojekt, das niemandem
außerhalb der Region gehört. Anscheinend war
das keine Option: Der Stadtrat Reijn- nie
und die Künstler waren in den israelischen
Medien über ihre Aktionen angesiedelt. Den
Organisatoren wurde gewünscht, durch die
Beine geschossen zu werden, wie es sich für
viele Palästinenser gehört.
Die Protestkampagne hat daher nur ein Ziel:
die Solidarität mit Palästina und den
Palästinensern zu bestrafen, die die
Grundlage des Kunstprojekts bildeten. Auf
diese Weise fügt sich die Kampagne in eine
lange Reihe von Beispielen ein, die darauf
abzielen, alle Aufmerksamkeit auf die
Palästinenser zu verleumden und wenn möglich
zu verbieten. Nach Jahren der Toleranz ist
es höchste Zeit, dass diese Praktiken zu
einem Ende kommen. Das beginnt mit der
Namensgebung.
Israel
rechtfertigt Landraub
und sagt, es sei erlaubt 'das Völkerrecht zu
ignorieren' wo immer es will
Jonathan Ofir -
18.09.2018
Die israelische Regierung hat kürzlich
behauptet, sie könne "überall in der Welt
Gesetze erlassen", dass sie das Recht habe
"die Souveränität fremder Länder zu
missachten", und dass "es erlaubt sei, die
Richtlinien des Völkerrechts in jeglichem
Bereich, in dem sie es möchte" zu
ignorieren. Dies stand letzten Monat in
einem offiziellen Antwortschreiben an den
Obersten Gerichtshof.
Oberflächlich betrachtet sind das dreiste
Behauptungen. Ist es wirklich so schlimm?
Ich möchte sagen, es ist noch schlimmer.
Hintergrund dieser Erklärungen ist ein neues
Gesetz von letztem Jahr, das den Raub
palästinensischen Landes unverhohlen
legalisiert.
Mehrere palästinensische
Menschenrechtsorganisationen haben das
Gesetz vor Gericht angefochten. Kläger sind
Adalah, das Rechtszentrum für die Rechte der
arabischen Minderheit, Jerusalem Rechtshilfe
und Menschenrechtszentrum (JLAC) und das Al
Mezan-Zentrum für Menschenrechte (Gaza) für
17 lokale palästinensische
Kommunalverwaltungen in der Westbank. Die
israelische Regierung wurde von dem privaten
Harel Arnon vertreten, weil
Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit es
abgelehnt hat, das Gesetz vor Gericht zu
verteidigen, da es ihm bereits beim ersten
Durchgang des Gesetzes nach dem
internationalem Recht als illegal erschien.
Das Gesetz zur Regulierung der Siedlungen
wurde im Februar letzten Jahres
verabschiedet, es sollte rückwirkend
tausende Siedlerhäuser und Strukturen, die
auf privatem palästinensischem Land
errichtet sind, legalisieren, um die
Möglichkeit abzuwenden, dass der Oberste
Gerichtshof eines Tages ihre Entfernung
genehmigt. Vor der Verabschiedung des
Gesetzes betrachtete das israelische Recht
solche Gebäude als illegal, jedoch sind alle
Siedlungen eine flagrante Verletzung des
Völkerrechts, ob sie auf privatem Land
liegen oder nicht.
Nicht nur Haaretz bezeichnete das Gesetz als
"Diebstahls-Gesetz", auch altgediente
Likudniks wie der Gesetzgeber Benny Begin;
der frühere Likudminister Dan Meridor nannte
das Gesetz "böse und gefährlich"; sogar
Premierminister Netanyahu warnte, dass seine
Verabschiedung dazu führen könnte, dass
israelische Regierungsbeamte vor den
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
bringen könnte; auf die von
Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit
erklärte Weigerung, das Gesetz vor Gericht
zu verteidigen, hin versicherte
Justizministerin Ayelet Shaked, der Staat
könnte einfach einen privaten Anwalt stellen
(was er auch tat). Umstritten war nicht nur
der Raub selbst, sondern dass die Anwendung
des Gesetzes direkt von der Knesset (anstatt
von der Militärbesatzungsbehörde)
beschlossen wurde und es als Präzedenzfall
gelten würde, der zur de facto-Annexion
führen würde. Wie Dan Meridor in seinem
Meinungsbeitrag in Haaretz gleich nach der
Abstimmung für das Gesetz schrieb:
"Die Knesset hat noch nie Gesetze
erlassen, die über den Grundbesitz von
Arabern in Judäa und Samaria bestimmen. Die
Knesset wurde von Israelis gewählt und sie
erlässt Gesetze für sie. Die Araber von
Judäa und Samaria haben die Knesset nicht
gewählt, sie ist nicht befugt Gesetze für
sie zu erlassen. Das sind grundlegende
Prinzipien der Demokratie und des
israelischen Rechts. Es ist eine Regel, dass
gewählte Funktionäre Gesetze für ihre Wähler
und für Menschen in ihrem Hoheitsgebiet
erlassen, nicht für andere. Keine Regierung
in Israel hat ihre Souveränität auf die
Westbank angewandt – nicht die früheren
Premierminister des Likud Menachem Begin
oder Yitzhak Shamir. Sie haben das
Offensichtliche verstanden: Wenn man ein
Gesetz für die Westbank erlassen will, muss
man seine Souveränität ausweiten und den
Bewohnern von Judäa und Samaria das Recht
gewähren, Staatsbürger zu werden und in
Wahlen zur Knesset abzustimmen. Und es ist
klar, was das bedeutet."
Ich sollte hier eine kritische Bemerkung zu
Meridors zentraler These anfügen – sie
stimmt in Wirklichkeit nicht bezüglich der
Westbank, von der Ost-Jerusalem nach
internationalem Recht ein Teil ist, und
Israel hat seine Souveränität einseitig (de
facto seit 1967 und im quasi
verfassungsmäßigen Grundgesetz von 1980
unter Missachtung des internationalen Rechts
und der Resolutionen des
UN-Sicherheitsrates) auf sie (die Westbank)
ausgedehnt. Die Tatsache, dass Meridor
Ost-Jerusalem einfach als Teil Israels
betrachtet und jetzt Israel warnt, weil es
im Hinblick auf den Rest der Westbank im
Grunde dasselbe macht (eine de facto
Annexion), zeigt nur, dass dies ein Fall
ist, in dem ein Blinder einen Blinden führt.
Aber kehren wir zurück zum
"Diebstahls-Gesetz" vom vergangenen Jahr:
Israel war so sehr gezwungen seine eigene
Verbrechen zu legalisieren, dass sogar die
Rechte nicht opponierte. Die drohende
Gefahr, die Meridor erwähnte, eine de
facto-Annexion gesetzlich zu verfügen und
das Recht auf Staatsbürgerschaft auf die
Palästinenser auszudehnen, wurde von der
Gier nach dem Land übertroffen. Israels
berühmte Gleichung, "ein Maximum an Juden,
ein Maximum an Territorium, ein Minimum an
Palästinensern", bedeutete diesmal, dass
Israel es riskieren würde staatliche
Rechtsvorschriften in einem Gebiet zu
erlassen, in dem Juden generell keine
Mehrheit sind, in der Hoffnung dies würde
dazu beitragen, dass sie es werden.
Dementsprechend wurde das Gesetz mit 60 zu
52 Stimmen verabschiedet, und wurde der
Landraub durch das israelische Parlament
legalisiert. Es wurde geschätzt, dass das
Gesetz rückwirkend etwa 4.000 Siedlerhäuser
legalisieren würde.
In dem jüngsten Gerichtsverfahren verwiesen
die Kläger, die das Gesetz anfochten, auf
die offensichtliche Rechtswidrigkeit hin:
"Adalah und klagende Partner argumentierten,
die Knesset sei nicht befugt Gesetze für ein
vom israelischen Staat besetztes Territorium
zu verabschieden und durchzusetzen. Die
Knesset kann daher keine Gesetze
verabschieden, die die Westbank annektieren,
oder die die Rechte der palästinensischen
Einwohner der Westbank verletzen."
Der israelische Staat hat in seinem
kürzlichen Antwortschreiben (hebräisch) an
den Gerichtshof (eingereicht am 7.August) zu
seiner Verteidigung behauptet, dass
(1) ‚Die Knesset hat keine Beschränkung,
die sie daran hindert, an einem beliebigen
Ort in der Welt extra-territorial Gesetze zu
erlassen, einschließlich im Gebiet [‚Judäa
und Samaria‘]‘.
Mit dieser Erklärung weist die israelische
Regierung die Aussage der Kläger zurück,
dass sie dort keine Gesetze erlassen kann,
und geht dazu über zu suggerieren, dass sie
in keiner Weise den Richtlinien des
Völkerrechts unterstellt ist:
(4) ‚... Obwohl sie Gesetze erlassen
kann, die jeglichen Ort der Welt betreffen,
obwohl sie befugt ist, die Souveränität
fremder Länder durch Gesetzgebung zu
verletzen, die auf Begebenheiten in ihrem
Gebiet angewendet würde […], obwohl die
Knesset befugt ist jegliches Territorium zu
annektieren […], obwohl die Knesset
Richtlinien des Völkerrechts in jeglichem
Gebiet, das ihr gefällt, ignorieren darf
[…], versuchen die Kläger trotz all dem eine
„Regel“ zu definieren, nach der es der
Knesset konkret in Judäa und Samaria
verboten ist, irgendein Gesetz zu erlassen,
und dass sie genau dort und sonst nirgendwo
in der Welt den Richtlinien des Völkerrechts
unterstellt ist.‘
Die Anwälte von Adalah, Suhad Bishara und
Myssana Morany, waren fassungslos:
- „Die extremistische Antwort der
israelischen Regierung hat in der ganzen
Welt keine Parallelen. Sie verletzt in
grober Weise das Völkerrecht und die Charta
der Vereinten Nationen, die die
Mitgliedsstaaten verpflichtet, Drohungen
oder den Einsatz von Gewalt gegen die
territoriale Integrität anderer Staaten –
einschließlich besetzter Gebiete – zu
unterlassen. Die extremistische Position der
israelischen Regierung ist tatsächlich eine
Erklärung ihrer Absicht mit der Annexion der
Westbank fortzufahren.“
Adalah hat dazu einige Zitate aus dem oben
Zitierten gepostet und zur Verfügung
gestellt. Man möchte meinen, dass solche
Verlautbarungen der israelischen Regierung
wirklich im Mainstream-Nachrichtenzyklus
ankommen, aber es scheint, dass sie bisher
relativ unbemerkt geblieben sind.
Mehrere meiner Kontakte haben auf diese
wenig berichtete Nachricht mit einer
gewissen Ungläubigkeit reagiert – kann es
wirklich sein, dass Israel ganz offen
erklärt, dass es über dem Völkerrecht steht?
Es ist, wie oben erwähnt, nicht wirklich ein
Geheimnis, dass Israel in dreister
Missachtung des Völkerrechts agiert. Seinen
höchsten juristischen Instanzen ist das
vollkommen bewusst. Aber wir müssen auch
sehen, dass (Israel) das schon seit sehr
langer Zeit macht, und zwar seit seiner
Gründung. Wie ich zur Zeit der
Verabschiedung des Regulierungsgesetzes
erwähnte, war die Legalisierung des Raubs
von palästinensischem Land israelische
Politik seit dem Tag 1. Anwalt Harel Arnon
benutzte diese Bemerkung im Vorlauf seiner
Verteidigung des jüngsten Gesetzes und
merkte an (in Pkt. 4):
„Das ehrenwerte Gericht hat niemals der
Knesset eine juristische Kritik an einer
wichtigen Gesetzgebung übermittelt, auch
nicht in Fällen, in denen es wegen der
Methode der Kläger den Richtlinien des
Völkerrechts widersprach, die viel
eindeutiger waren (die Inkraftsetzung
israelischer Gesetze auf den Golan Höhen und
in Ost-Jerusalem)“…
Das ist ein sehr berechtigtes Argument.
Israels einseitige Annektierungen der
Golan-Höhen und von Ost-Jerusalem sind
direkte Verletzungen des Völkerrechts und
wurden sehr klar in den Resolutionen des
UN-Sicherheitsrates verurteilt. Wenn der
israelische Gerichtshof sie damals gebilligt
hat, weshalb sollte es sie jetzt nicht
billigen?
Anwalt Arnon verwendete ein Zitat des
Obersten Gerichtshofs aus einem früheren
Fall (Pkt. 12), wo das Gericht der
Auffassung war, dass „die bloße Durchsetzung
einer beliebigen israelischen Norm über
einen nicht genannten Ort außerhalb des
Landes diesen nicht genannten Ort nicht
notwendigerweise zu einem Teil Israels
macht“. Dies bezog sich auf die Westbank, wo
Israel tatsächlich israelische Gesetze für
die Siedler erlässt, sogar an Orten, wo es
kein annektiertes Territorium hat.
Das gehört zu der Grundlage, auf der Arnon
behauptet, „Israel kann überall in der Welt
Gesetze erlassen“. Die Quintessenz davon
ist: „Wenn wir es früher gemacht haben,
warum nicht auch jetzt?“
Dieser Punkt sollte sehr ernst genommen
werden. Der Oberste Gerichtshof Israels ist
oft als Instrument der israelischen
Besatzung wahrgenommen worden. Und das sogar
in ganz eindeutigen Fällen wie dem Gutachten
des Internationalen Gerichtshofs von 2004
über Israels „Sicherheitsbarriere“, in dem
der IGH die Mauer für absolut illegal hält
(weil sie zum größten Teil auf
palästinensischem, nicht auf israelischem
Territorium errichtet ist), schaffte es der
Oberste Gerichtshof das abzuwehren und zu
behaupten, das Völkerrecht finde nicht auf
diese Weise Anwendung auf Israel. Der
Oberste Gerichtshof hat es immer wieder
geschafft solche schwerwiegenden
Angelegenheiten zu umgehen und abzuwehren
und Israels kontinuierliche schleichende
Annexion zu ermöglichen. So geht es aktuell
und fortwährend. Israel bereitet die
Zerstörung des palästinensischen
Westbankdorfs Khan al-Ahmar vor, mit der
Zustimmung und Genehmigung des Obersten
Gerichtshofs. B‘Tselem:
„Am 24. Mai 2018 urteilten drei Richter
des Oberste Gerichtshofs - Noam Sohlberg,
Anat Baron und Yael Wilner - , dass der
Staat die Häuser der Gemeinde Khan al-Ahmar
zerstören, die Einwohner von ihren Häusern
transferieren und woanders ansiedeln darf.
Dieses Urteil entfernt das letzte Hindernis
auf dem Weg Israels, hebt die letzte Hürde
auf, die bisher dazu diente den Transfer der
Gemeinde aufzuschieben: ein Kriegsverbrechen
nach internationalem Recht.“
„Der Oberste Gerichtshof im Dienst der
Besatzung: In ihrer Entscheidung stellten
die Richter Amit, Meltzer und Baron eine
Fantasiewelt dar mit einem egalitären
Planungssystem, das die Bedürfnisse der
Palästinenser berücksichtigt, als hätte es
nie eine Besatzung gegeben. Die Realität ist
dieser Fantasie diametral entgegengesetzt:
Palästinenser können nicht legal bauen und
sind von Mechanismen, die darüber
entscheiden, wie ihr Leben aussehen soll,
ausgeschlossen. Die Planungssysteme gelten
ausschießlich dem Nutzen der Siedler. Diese
Entscheidung zeigt wieder einmal, dass die,
die unter der Besatzung leben, in den
Gerichten des Besatzers keine Gerechtigkeit
suchen können. Wenn die Zerstörung von Khan
al-Ahmar vonstatten geht, wird der Oberste
Gerichtshof zu denen gehören, die für dieses
Kriegsverbrechen verantwortlich sind“ (von
mir hervorgehoben).
Anwalt Arnon bringt in seinem
Antwortschreiben den Fall von Adolf Eichmann
zur Sprache:
„Das Gericht hat diese Doktrin in dem
bekannten Fall von Eichmann (1962)
hinsichtlich einer rückwirkenden
Strafgesetzgebung angewendet: ‚[Wo ein
Konflikt zwischen inländischem Recht und
einer Rechtsnorm des Völkerrechts besteht],
ist das Gericht verpflichtet den Gesetzen
der inländischen Legislative den Vorrang
einzuräumen und sie anzuwenden.“
Es ist raffiniert, in Israel den
Holocaust vorzubringen. Dafür gibt es
oft eine besonders schwache Stelle; die kann
so stark werden, dass sich die
‚pedantischen‘ Beschränkungen des
Gewohnheitsrechts auflösen. Eichmann wurde
in der Tat 1960 vom Mossad in Argentinien
gekidnappt. Er wurde in Israel zum Tode
verurteilt und 1962 gehängt. Das ist
extra-territoriale Spionageaktivität und
Inszenierung extra-territorialer
Jurisdiktion. Da es den Holocaust
einbezieht, würden das nur wenige anfechten.
Das liegt auf der gleichen Linie mit Golda
Meirs Behauptung, dass „Juden nach dem
Holcaust alles tun dürfen“.
Und so sagt der israelische private Anwalt
Harel Arnon im Grunde: Wenn wir es mit
Eichmann machen, warum können wir es dann
nicht auch mit der Westbank machen?
Arnon unterstellt nicht direkt, dass die
Palästinenser Nazis sind, obwohl solche
Vergleiche gelegentlich in Äußerungen
führender Experten auftauchen, wie bei Yoaz
Hendel, dem früheren Direktor für
Kommunikation und öffentliche Diplomatie für
Premierminister Netanyahu.
All das mag das relative Schweigen der
Medien erklären […]. Die Welt weiß, dass
Israel mit solcher Kriminalität davonkommen
darf, und der Westen weiß, dass vieles davon
mit dem Schuldbewusstsein wegen des
Holocaust zu tun hat. Das macht ihn schwach
und verringert seine Bereitschaft Israel für
dessen Vergehen zur Rechenschaft zu ziehen.
[…] Aber wir müssen sehen, was geschieht –
Israel ganz offen legalisiert Raub ganz. Die
unverfrorenen öffentlichen Erklärungen, dass
das Völkerrecht nicht auf Israel angewendet
wird, hätte schockieren müssen – aber leider
taten sie das nicht. Weil wir wissen, dass
das schon so lange Politik ist. Und seit die
Reaktion schwach war, hat Israel gelernt,
dass es damit durchkommt, und dass es sogar
noch anstößiger werden kann, ohne dafür
einen Preis zu zahlen.
Man fragt sich wirklich, wer wird den
jüdischen Staat stoppen? Schließlich hat das
Völkerrecht nicht die automatischen
Durchsetzungsmechanismen wie das inländische
Recht, und die internationalen Organe, die
Israel für (die Verletzungen des) das
Völkerrecht zur Verantwortung ziehen sollen,
sind bisher weitgehend gescheitert,
zumindest soweit Palästinenser betroffen
sind. In einer Zeit, in der die
amerikanische Supermacht bei Verletzungen
des internationalen Rechts stramm an der
Seite Israels steht, wie beim Umzug der
Botschaft nach Jerusalem und der Billigung
der einseitigen Annexion Ost-Jerusalems
durch Israel, kann man schwerlich einsehen,
weshalb Israel glauben sollte, dass das
Völkerrecht für alle gilt. In diesem Licht
ist die Sprache des Briefes zu verstehen. Er
ist so dreist, weil nicht einmal ein Gefühl
für die Notwendigkeit besteht, auch nur den
Anschein von irgendeinem Respekt für das
Völkerrecht zu zeigen. […]
[…] Dieser Brief sollte ein Alarmsignal
sein. Aber dann müssen wir uns auch sammeln
und uns daran erinnern, dass es jetzt am
Graswurzel-Druck liegt, die Situation zu
ändern und die Palästinenser vor den
ungehinderten Angriffen des israelischen
Militär und der kolonialistischen
Gesetzgebung der ‚ewigen Opfer‘ zu schützen.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Anzeige von dieser
Woche - Letztlich werden sogar die
größten Gegner Uri Avnerys in seine
Fußstapfen treten. Einfach – es gibt keine
andere realisierbare Option. -
25.08.2018 - Gush Shalom, Tel Aviv
Meine fünfzig
Jahre mit Uri Avnery
Adam Keller
Wie soll man mit ein paar Worten 50 Jahre
politischer Partnerschaft zusammenfassen,
die auch eine intensive Freundschaft war,
mit der Person, die, wie ich glaube, den
größten Einfluss auf mich hatte? Der
Startpunkt: Sommer 1969. Als 14-Jähriger aus
Tel Aviv, im Sommer zwischen Grund- und
weiterführender Schule, sah ich eine Annonce
in der HaOlam HaZeh-Zeitung, die Volontäre
für die Wahlzentrale der “HaOlam Hazeh –
Koah Hadash” (“New Force”)-Partei suchte.
Ich ging hin. In einem kleinen Kellerbüro in
der Glickson Street fand ich drei Teenager,
die Propagandaflyer in Umschläge steckten.
Bis zu diesem Tag erinnert mich der Geruch
von frischem Druck an diesen Augenblick.
Zwei Stunden später hörten wir ein Geräusch
außerhalb. Uri Avnery, Mitglied der Knesset,
der Mann, dessen Artikel uns in erster Linie
in dieses Büro brachte, trat ein. Er kam von
einer Wahlkampfveranstaltung in Rishon
LeZion zurück. Er wechselte ein paar Worte
mit den Volontären, dankte uns für unsere
Hilfe und ging mit seinen Helfern in einen
Tagungsraum. Zu diesem Zeitpunkt waren es
nicht Uri Avnerys Einstellung zu dem
palästinensischen Thema, die mich motiviert
hatte, Volontär für die Kampagne zu werden.
Ich hatte mir noch keine endgültige eigene
Meinung in der Angelegenheit gebildet. Erst
zwei Jahre zuvor, im Juni 1967, hatte ich
mit vielen anderen zusammen die Tatsache
gefeiert, dass Israel um „neue Gebiete“
erweitert worden war. Ich hätte mir da
nicht vorstellen können, dass ich die meiste
Zeit meines Lebens dem Versuch widmen würde,
Israel aus diesen Gebieten wieder
herauszubekommen. Uri Avnerys Partei zog
mich vor allem an, weil es eine junge,
frische politische Partei war, die die alten
verrotteten Establishment-Parteien
bekämpfte, und weil sie gegen religiösen
Zwang war und die Trennung von Staat und
Religion, öffentliche Verkehrsmittel am
Schabbat und die standesamtliche Hochzeit
befürwortete. Einige Wochen danach begann
ich als Volontär. Ich hinterließ einen
Zettel auf Uris Schreibtisch mit ein paar
Fragen:
Können wir wirklich mit den Arabern Frieden
machen?
Sollten wir alle von Israel besetzten
Gebiete zurückgeben oder nur einige?
Und was wird mit den Siedlern geschehen?
(Die Siedlerbevölkerung war zu der Zeit nur
ein kleiner Teil von dem, was sie heute
ist).
Eine Woche später erhielt ich einen Brief
per E-Mail, drei Seiten mit detaillierten
Antworten auf jede meiner 10 Fragen. Ich
habe diesen Brief immer noch und zweifele
nicht daran, dass Uri ihn persönlich
geschrieben hat – sein Schreibstil kommt bei
jedem Wort zum Vorschein. Er nahm sich Zeit
und Energie inmitten einer laufenden
politischen Kampagne, um auf die Fragen
eines Vierzehnjährigen zu antworten. Ich
meine, es erwies sich als eine lohnende
Investition.
Der Endpunkt: Freitag, 3. August 2018. Als
jahrelanger politischer Partner von Uri
Avnery, erhalte ich, im Alter von 63 Jahren,
seine wöchentliche Kolumne, wie jeden
Freitag. In diesem Artikel schrieb er über
das Jüdische-Nationalstaat-Gesetz und
Israels nationale Identität und ob es
jüdisch oder israelisch sei (natürlich
befürwortete er strikt eine israelische
Identität). So wie viele Male zuvor, schrieb
ich ihm ein Mail, indem ich den Inhalt des
Artikels kommentierte und einige
grundlegende Einwände erhob. Er schlug vor,
diese bei unserer nächsten Begegnung zu
diskutieren. Ich fragte ihn nach seiner
Meinung zu dem Protest gegen das
Nationalstaat-Gesetz, der am folgenden Tag
von der Gemeinschaft der Drusen anberaumt
war. Er sagte, er sei überzeugt, dass die
Demonstration nicht auf der exklusiven
Stellung der Drusen in der israelischen
Gesellschaft fokussieren würde oder auf das
einzigartige Bündel von Rechten, die sie
erhalten, wenn sie beim Militär dienen,
sondern dass es den fundamentalen Grundsatz
der Gleichheit für alle Bürger beträfe. Das
Letzte, was ich jemals von ihm hören werde,
war eine online-Nachricht auf meinem
Computer: „Ich werde morgen zum
Drusenprotest gehen.“ Ich vermute, er las,
was ich ihm geschrieben hatte, ging an dem
Abend ins Bett und wachte am nächsten Tag
mit der Absicht auf, an dem Protest
teilzunehmen. Am Abend, als ich inmitten
der großen Masse stand, die sich auf dem
Rabin Square versammelt hatte, vermutete
ich, er stünde irgendwo dazwischen. Ich rief
ihn zweimal auf dem Handy an, erhielt keine
Antwort und schob es auf schlechten Empfang
(was bei Massendemonstrationen oft vorkommt,
wenn viele Menschen ihre Handys zu gleicher
Zeit benutzen). Im Nachhinein weiß ich, dass
er zu dem Zeitpunkt bereits in der
Notaufnahme des Ichilov Hospitals lag und
nie wieder sein Bewusstsein erlangen würde.
Die Aktivisten, die planten, ihn zu der
Demonstration mitzunehmen, fanden ihn auf
dem Boden seines Apartments liegend.
Was füllte die 50 Jahre zwischen dem
Anfangs- und Endpunkt? Die HaOlam Hazeh –
Koah Hadash Partei, die in Frieden und
Gleichheit für Israel fusionierten, als
Shelli in Hebräisch; der Rat für den
Israelisch-Palästinensischen Frieden, der
mit der PLO Treffen abhält und eine Fraktion
von Shelli wurde, die Progressive Liste für
Frieden, der wir uns anschlossen, nachdem
Shelli auseinanderbrach; und dann Gush
Shalom. So viele Treffen, Märsche, Proteste
und Gespräche. So viele Erinnerungen. Wir
standen Seite an Seite, hielten Poster bei
einem Protest gegen die Schließung von
Raymonda Tawils Nachrichtenagentur in
Ostjerusalem (in den Händen).
Das Foto, das Avnerys Frau, Rachel, von
dieser Demonstration machte, hängt immer
noch an der Wand des Raumes, in dem ich
diese Worte schreibe. Ein Gespräch mit
Avnery an diesem Tag, dass HaOlam Hazeh,
deren Verleger er 40 Jahre lang war,
offiziell geschlossen wurde. Ich sagte: “Ich
weiß, dies ist für dich ein schwerer Tag”.
Er antwortete: “Die Zeitung war ein Mittel,
um einem Zweck zu dienen. Wir werden andere
Mittel finden.”
Es ist Anfang 1983. Uri Avnery, Matti Peled
and Yaakov Arnon, bei uns bekannt als die
„Drei Musketiere“, kommen von einem Treffen
mit Yasser Arafat in Tunesien zurück. Sobald
er auf dem Flughafen gelandet war, händigte
er mir die Fotos des Treffens aus und ich
stürme von einer Nachrichtenredaktion zur
nächsten quer durch Tel Aviv, um sie
persönlich zu verteilen. Ich nehme dann ein
Sammeltaxi nach Jerusalem, wo Ziad Abu
Aayyad, Herausgeber von Palestinian Al-Fajr
(“The Dawn”), einer palästinensischen
Zeitung, mich erwartete. Etwas später im
Jahre 1983 verkündete das Radio die
Ermordung von Issam Sartawi, einem
PLO-Mitglied. Er traf sich oft mit Avnery
und war ein enger persönlicher Freund von
ihm, mein Anruf brachte ihm die traurige
Nachricht. Die frustrierenden endlosen
Telefongespräche in den darauffolgenden
Tagen zeigten uns, dass es nicht möglich
war, einen Saal in Tel Aviv zu mieten, um
des PLO-Mannes zu gedenken, auch nicht eines
Mannes, der sich für den Frieden mit Israel
eingesetzt hatte und deshalb ermordet wurde.
Dezember 1992. Premierminister Rabin, der
noch nicht die Oslo-Abkommen unterzeichnet
hatte und noch kein Friedensheld geworden
war, vertreibt mehr als 400 palästinensische
Aktivisten in den Libanon, und wir stellen
ein Protestzelt vor dem Büro des
Premierminister auf. Ein kalter
Jerusalem-Winter, und es schneit, aber in
dem Zelt, das von den Beduinen des Negevs
gespendet worden war, war es warm und
gemütlich. Uri, Rachel, meine Frau Beate
und ich treffen andere Aktivisten bei einem
langen Gespräch mit Scheich Raed Salah, dem
Oberhaupt des nördlichen Zweigs der
islamischen Bewegung in Israel bezüglich
Judaismus und des Islams und wie Religion
und Politik zusammengehen und
zusammenstoßen. 1997, mitten in einem
Protest vor Har Homa – Netanyahus
Flaggschiff-Siedlung – brach Uris Magenwunde
auf, die er seit dem Krieg im Jahre 1948 mit
sich trug. Eine palästinensische Ambulanz
bringt ihn ins Al-Makassed Hospital in
Ostjerusalem; wir alle haben große Angst um
ihn. Rachel sagt mir: „Obwohl ich nicht an
Gott glaube, bete ich.” Aber Uri erholt sich
und lebt weitere 21 Jahre voller intensiver
politischer Aktivität.
Mai 2003, Muqata’a (Präsidentensitz) in
Ramallah. An diesem Nachmittag gab es ein
Selbstmordattentat in Rishon LeZion, und
Premierminister Ariel Sharon deutet an, dass
er einen Elitetrupp (nach Ramallah) senden
könnte, um Yasser Arafat in dieser Nacht „zu
erledigen“.
Wir sind 15 israelische Aktivisten, die nach
Ramallah gehen, um als menschliche
Schutzschilde zu dienen. Wir rufen die
Medien an und sagen ihnen, was der
Ministerpräsident vor hat, und dass
israelische Bürger vor Arafats Tür sitzen.
Arafat zeigt Uri seine Waffe und sagt: „Wenn
die kommen, habe ich eine Kugel für mich
selbst.“ Wir verbringen eine ganze Nacht vor
Arafat Tür und haben Gespräche mit jungen
palästinensischen Wächtern in einem Gemisch
aus Arabisch, Hebräisch und Englisch und
achten auf jedes Geräusch. Dann kommt die
Morgendämmerung und uns wird klar, dass wir
die Nacht sicher überstanden haben und die
Soldaten nicht kommen werden. Ein anderes
langes, entspanntes Gespräch hatten wir, als
wir auf dem Rückweg von einem „Progressive
List“-Treffen in Nazareth anhielten, um
etwas zu essen: „Die Kreuzfahrer waren schon
vor uns hier, sie kamen aus Europa und
errichteten ein Königreich, das 200 Jahre
andauerte. Nicht alle waren religiöse
Fanatiker. Unter ihnen waren Leute, die
Arabisch sprachen und muslimische Freunde
hatten. Aber sie waren nicht in der Lage,
mit ihren Nachbarn Frieden zu schließen oder
sich dieser Region anzupassen. Sie hatten
vorübergehende Abkommen und Feuerpausen,
waren aber nicht in der Lage wirklichen
Frieden zu schließen. Akko war ihr „Tel
Aviv“ und als es fiel, wurden die letzten
Kreuzfahrer buchstäblich ins Meer geworfen.
Diejenigen, die nicht aus der Geschichte
lernen, müssen sie wiederholen.“ „Falls ich
jemals die Chance hätte, als Minister zu
dienen, würde ich mir wünschen, Minister für
Bildung und Erziehung zu werden. Das ist der
wichtigste Geschäftsbereich im Kabinett. Das
Verteidigungs-Ministerium mag in der Lage
sein, Soldaten zum Sterben in den Krieg zu
schicken, doch das Ministerium für Bildung
und Erziehung kann das Bewusstsein der
Kinder prägen. Die Politik des heutigen
Bildungsministers wird noch in 50 Jahren
eindeutige Ergebnisse zeigen, wenn Kinder
von heute Großeltern werden und mit ihren
eigenen Enkelkindern sprechen. Wenn ich
Minister werden würde, wäre das 1. Ding, das
ich aus dem Curriculum herausnehmen würde,
das Buch Joshua. Das Buch tritt für
Völkermord ein, schlicht und einfach. Es
ist also eine historische Fiktion – die
Ereignisse, die es beschreibt, haben sich
nie ereignet. Rachel war 40 Jahre Lehrerin
und jedes Jahr gelang es ihr, zu vermeiden,
diesen Unsinn zu lehren. Rachel begleitete
Uri überall hin. Sie war ein aktive
Partnerin bei allem, was er tat. Sie sah
seine Artikel durch und kümmerte sich um
sämtliche Logistik der Organisation von
Protesten. Wir wussten alle, dass sie
Hepatitis B in sich trug – eine Zeitbombe,
die jederzeit losgehen konnte. Und als dies
schließlich geschah, verbrachte Uri sechs
Monate – Tag und Nacht - mit ihr im
Krankenhaus. Er verschwand fast ganz aus dem
politischen Leben. Eine Tages stieß ich mit
ihm im Flur des Ichilov-Krankenhauses
zusammen, als er sie im Rollstuhl von einer
Untersuchung zur anderen brachte. In ihren
letzten Wochen erzählte jemand Uri von
einer experimentellen Behandlung, die
Rachels Leben vielleicht retten könnte.
Obwohl er wusste, dass die Chancen gering
waren, gab Uri große Summen für den Kauf der
Medikamente in Amerika aus und ließ sie zum
Ben Gurion Flughafen fliegen und von dort
direkt ins Krankenhaus. Als sie
eingeschlafen war, bat Uri darum, drei Tage
nicht kontaktiert zu werden – er zog sich
völlig von der Welt zurück. Als diese drei
Tage vorüber waren, ging er zurück zu seiner
Routine von Protesten und politischen
Kommentaren oder es schien so.
Wie soll man diesen Artikel beenden? Ich
werde ins Jahr 1969 zurückgehen zu einem
Artikel von Uri, den ich in der 8. Klasse
während eines sehr langweiligen Unterrichts
unter dem Tisch las. Ich erinnere mich noch
sehr gut, fast Wort für Wort. Es war ein
Artikel über die Zukunft – er versuchte sich
vorzustellen, wie das Land 1990 aussehen
würde. Die Seite war in zwei parallele
Kolumnen geteilt, die zwei parallele
Zukunftsversionen darstellten . In einer der
Zukunftsversionen wird der
Unabhängigkeitstag 1990 von einer gewaltigen
Erscheinung militärischer Macht mit neuen
Panzern in Jerusalem gezeigt.
Minister-Präsident Moshe Dayan gratuliert
den IDF-Soldaten, die im Libanontal und im
Land von Goshen nahe dem Nil bereitstehen
und erklärt: „Wir sollten niemals die
Stadt Be’erot ( früher Beirut) aufgeben.
Dies ist das Land unserer Vorfahren!“ In der
zweiten Zukunftsspalte werden am
Unabhängigkeitstag 1990 festliche Empfänge
in Israels Botschaften überall in der
arabischen Welt gehalten. Aber das
bewegendste Photo wurde in Jerusalem
aufgenommen: eine warme Umarmung zwischen
dem israelischen Präsidenten Mosche Dayan
und dem palästinensischen Präsidenten Yasser
Arafat.
www.gush-shalom.org
Gush shalom on Facebook. (Dt. Ellen Rohlfs/Inga
Gelsdorf) Eine Version
davon erscheint in +972.
Die
europäische Kolonie in
Palästina - 30. Mai 2018 - Tim
Anderson - Israel wurde als eine eher
konventionelle europäische Kolonie
gegründet, um den Forderungen der
europäischen zionistischen Bewegung
entgegenzukommen, und um einen westlichen
Stützpunkt in der arabischen Welt zu halten.
Aufgebaut auf einer erfundenen rassistischen
Ideologie, die auf einer Linie zu der der
Nazis ist, die die europäischen Juden
verfolgten, hat es Israel beinahe geschafft,
die Welt davon zu überzeugen, dass es eine
legitime Nation ist. Aber der
palästinensische Widerstand bereitet dem ein
Ende.
Man muss gar nicht so viel Zeit mit der
Diskussion des rassistischen Charakters des
jüdischen Staates Israel verschwenden. Es
kann nicht bezweifelt werden, dass es auf
einem 'rassischen' Privileg errichtet ist
und eine grundlegende Apartheid mit
permanenter ethnischer Säuberung entwickelt
hat. Die Gruppe Adalah (2017) in Israel hat
z.B. mehr als 65 Gesetze dokumentiert, die
Israel zu einem rassistischen Staat machen.
Der jüngste maßgebliche Bericht der
Vereinten Nationen (2017) – von den
US-Anwälten Richard Falk und Virginia Tilley
– macht klar, dass Israel tatsächlich ein
'Apartheidsstaat' ist und somit ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Falk
und Tilley sind zu dem Ergebnis gekommen,
dass 'die Situation in Israel-Palästina eine
nicht eingelöste Verpflichtung der
organisierten internationalen Gemeinschaft
zur Lösung eines Konflikt darstellt, den sie
teilweise durch ihre Aktionen verursacht
hat'.
Alle 13 Premierminister Israels seit 1948
kamen aus europäischen Familien. Niemand kam
aus einer Familie, die länger als eine
Generation in Israel gelebt hat. Aber sie
alle nehmen für sich ein "Rückkehrrecht" in
ein mythisches Stammesland in Anspruch.
Zionismus war und ist ein vorwiegend
säkulares, koloniales Projekt; aber er bezog
sich auf einen religiösen Mythos und
erschien nach Jahrhunderten Diskriminierung
der europäischen Juden. Die religiösen
Mythen kamen von biblischen Texten und der
Erweckungsbewegung des Zweiten Tempels,
einer Strömung im gegenwärtigen Judentum.
Diese Geschichte behauptet, dass das
jüdische Volk erst dann seine soziale und
spirituelle Rehabilitation haben kann, wenn
ihr in der römischen Ära zerstörter Tempel
in Jerusalem wieder aufgebaut ist (Isaacs
2015).
Die Logik der missionarischen Kraft hinter
der Schaffung eines jüdischen Staates in
Palästina war eine zweifache. Die erste war
eine zionistische Mission der Kolonisierung
(oder Wiederinbesitznahme) eines Landes, das
aufgrund der biblischen Geschichte als Land
der Vorfahren oder 'gelobtes Land'
betrachtet wurde. Die zweite suchte eine
Zufluchtsstätte vor Jahrhunderten der
Diskriminierung der europäischen Juden, die
ihren furchtbaren Höhepunkt im
Nazi-Holocaust (1933-1945) hatte. Der
Nazi-Holocaust, ein versuchter Genozid an
europäischen Juden, ist umfassend
dokumentiert worden trotz der
Kriegssituation und der Zerstörung von
Dokumenten und sterblichen Überreste (Gutman
und Beerenbaum 1998). Es besteht kein
Zweifel an diesem großen Verbrechen; auch
gibt es keinerlei Zweifel daran, dass
europäische Juden in den 1940er Jahre einen
sicheren Zufluchtsort vor der Verfolgung in
Europa suchten. Aber keiner (dieser Gründe)
hat die Enteignung und ethnische Säuberung
der arabischen Bevölkerung von Palästina
gerechtfertigt.
Entgegen des verbreiteten Mythos haben die
Vereinten Nationen den Staat Israel nicht
geschaffen. Ende der 1940er Jahre übergaben
die Briten ihr Völkerbund-Mandat den neu
geschaffenen Vereinten Nationen, die ein
'Komitee für die 'zukünftige Regierung
Palästinas' gründeten. Der Rapport der
Mehrheit empfahl die Gründung eines
arabischen Staates, eines jüdischen Staates
und eine 'Sonderegelung' bezüglich des
internationalen Status von Jerusalem (UNGA
1947). Obwohl 1946 die Bevölkerung
Palästinas zu 65% arabisch und zu 33%
jüdisch war, ohne 'klare territoriale
Trennung von Juden und Arabern durch große
zusammenhängende Gebiete', empfahl das
Komitee ein Gebiet für den jüdischen Staat,
das 55,5% der Gesamtfläche Palästinas
betrug. Die Resolution 181 wurde am 29.
November 1947 mit 33 Stimmen dafür, 13
dagegen und 10 Enthaltungen (Hammond 2010;
UNGA 1947) verabschiedet. Sowohl die Briten
als auch die UNO überließen die
zionistischen Gruppen ihrem Prozess der
gewaltsamen ethnischen Säuberung.
Am 14. Mai 1948 proklamierte David
Ben-Gurion, der Leiter der Jewish Agency,
die Gründung eines Staates Israel. Die
Proklamation wurde von den USA unverzüglich
anerkannt, dann von der Sowjetunion und nach
und nach von vielen anderen. Fast ein Jahr
später wurde Israel von den Vereinten
Nationen als Mitglied zugelassen. Allerdings
anerkannten 25 Staaten (arabische,
muslimische und afrikanische) Israel nie,
während sieben Staaten (Iran, Tschad, Kuba,
Marokko, Tunesien, Oman und Qatar) ihre
frühere Anerkennung später widerriefen (JVL
2018). Sowohl vor als auch einhergehend mit
der Proklamation gab es eine schreckliche
Welle zionistischer Gewalt, die von den
arabischen Palästinensern als "Die
Katastrophe" (al-Nakba) bezeichnet wird, die
Palästinenser aus hunderten Dörfern
hinwegfegte.
Der israelische Historiker Ilan Pappé hat
die ethnische Säuberung und im Besonderen
deren Planung umfassend dokumentiert. Diese
mündete schließlich im März 1948 in einen
"vierten und letzten" Plan, 'zur ethnischen
Säuberung des Landes als Ganzem'. David
Ben-Gurion, der Leiter dieser Operation,
meinte, dass 80 bis 90% des britischen
Mandatsterritoriums benötigt würden, und
1947 sagte er, dass "nur ein Staat mit
mindestens 80% Juden ein lebensfähiger und
gefestigter (jüdischer) Staat sein würde
(Pappé 2016: xii-xiii, 26, 48).
Nach einem gescheiterten Versuch für eine
Verfassung griffen die Zionisten zu einer
Reihe "basic laws" (Grundgesetze), in denen
die Grundprinzipien für den rassistischen
Staat buchstabiert wurden: Flucht und
Rückkehr aus dem Exil (Flucht vor dem
Nazi-Genozid und der weiteren europäischen
Verfolgung sowie Rückkehr in ein angeblich
angestammtes Land). In seiner
Unabhängigkeitserklärung wird Israel als
'Staat jüdischer Einwanderung' bezeichnet.
Das zionistische Rückkehrgesetz, von David
Ben-Gurion 'im Schatten des Holocaust'
entworfen, besagte, dass jedem, den die
Nazis einen Juden nannten und in die
Todeslager schickten, ein Zufluchtsort
angeboten werden musste (Clayman 1995;
Knesset 2014). Allerdings kamen viele von
der zionistischen Führungsschicht aus
osteuropäischen Familien. Ben-Gurion
versuchte gar nicht zu definieren, wer Jude
sei. Viele der nachfolgenden Europäer,
Russen und Amerikaner, die von diesem
privilegierenden Gesetz Gebrauch machten,
waren natürlich nicht 'in die Todeslager
geschickt' worden.
Stärkere religiöse und wesentlich
rassistische Untertöne wurden später der
Idee hinzugefügt, dass dies ein Gesetz für
'das Sammeln aus den Exilen' war (Knesset
2014). Sie basierten auf der Vorstellung,
dass die Vorfahren des jüdischen Volkes mit
der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr
70n.Chr. von der Levante vertrieben wurden.
Im Versuch diese gemeinsame Abstammung zu
beweisen, wurden historische und
genealogische Beweise vorgebracht.
Zugleich wurde die zionistische rassische
'Wissenschaft' den Erfordernissen des
politischen Projekts angepasst.
Konventionelle Historiker heutzutage
behaupten, dass alle Juden eine gemeinsame
genetische Konstitution haben, die von der
Levante kommt. Diese 'Rheinland-Theorie'
versucht die europäischen (oder
aschkenasischen) Juden mit den
levantinischen Juden zu verbinden, indem sie
sagt, dass die, die nach der Zerstörung des
Zweiten Tempels durch die Römer aus
Palästina vertrieben wurden, ins Exil an die
Ufer des Rheins in Deutschland gingen. Die
Schlussfolgering ist, dass europäische Juden
als 'Rückkehrer' in ihre angestammte Heimat
gelten können (Ostrer 2010; Entine 2013;
Rubin 2013).
Professor Shlomo Sand konnte jedoch wenig
Beweise für das 'Exil' oder den rassische
Konnex finden. Er behauptete weiter, dass
europäische Juden am wahrscheinlichsten
Nachkommen derer waren, die
Massenkonversionen in der Nordost-Türkei,
Europa und Nordafrika (Cohen 2009; Sand
2010) unterzogen wurden.
Viele Juden lebten in allen Winkeln des
Römischen Reiches, die große Mehrheit
außerhalb von Judäa; und das Judentum als
Religion wurden 'in den Jemen, nach
Äthiopien, Indien und China' exportiert. Der
'Rheinland-Theorie' wurde von der 'Chasaren-Theorie'
(von Massenkonversionen im Kaukasus) bzw.
anderen Beweisen für weitergehende Ursprünge
der europäischen Juden widersprochen. Zur
Zeit der Zerstörung des Zweiten Tempels im
Jahre 70 n.Chr. lebten mehr als 90% der
Juden außerhalb von Judäa, hauptsächlich in
Südeuropa (Ghose 2013). DNA-Analysen zeigen,
dass alle hauptsächlichen Ursprünge der
aschkenasischen mtDNA eher im
prähistorischen Europa als im Nahen Osten
oder im Kaukasus liegen... somit kam die
große Mehrheit der Aschkenasen in
mütterlicher Abstammung nicht aus der
Levante, wie allgemein angenommen, und
wurden auch nicht wie manchmal behauptet im
Kaukasus rekrutiert, sondern in Europa
assimiliert (Costa et al 2013).
Der Beweis für eine größere Vielfalt
jüdischer Ursprünge außerhalb der Levante
ist demnach ziemlich überzeugend. Vielleicht
sind die Bemühungen eine loyale
'Rassenwissenschaft' zu konstruieren, um das
zionistische Projekt und seine 'Rückkehr'-System
abzustützen, noch bemerkenswerter. Diese
Bemühung privilegiert Juden und schließt
sogar ohne irgendeinen wissenschaftlichen
Vorwand palästinensische Araber aus. Letzter
werden oft einfach als unzivilisierte
Menschen ohne Kultur und Gesetze abgetan. Es
ist eine schreckliche Ironie, dass das
jüdische Volk, das so viel unter
rassistischen Theorien und genozidaler
Praxis in Europa gelitten hat, seine eigenen
rassistischen Mythen schaffen sollte, um das
zionistische koloniale Projekt zu
rechtfertigen.
'Rassenwissenschaft' wurde eine Obsession
der Zionisten, wie es bei den Verfolgern der
Juden in Nazi-Deutschland war. Ein
besonderes Volk mit besonderen Rechten und
einer historischen Mission war immer ein
erfundenes Instrument. 'Rassenwissenschaft'
wurde zu einem rassistischen Zweck, um
Menschen außerhalb dieser besonderen Klasse
abzulehnen. Deshalb sehen wir auffallende
Ähnlichkeiten zwischen dem unbedingten
Rassismus des Nazi-Ideologen Julius
Streicher und dem zionistischen Historiker
Benzion Netanyahu. Sie postulierten in
ähnlicher Weise überlegene und minderwertige
Völker und dämonisierten ihre 'rassischen'
Feinde. Das legte den gemeinsamen Grund für
ethnische Säuberung und genozidale Praxis
(siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Rassistische Ideologien, die
Basis für ethnische Säuberung
Julius Streicher
(1885-1946). Nazi-Ideologe,
hingerichtet wegen Verbreitung von
Hass gegen Juden |
Benzion Netanyahu
(1910-2012), zionistischer
Historiker,Vater des israelischen
Premierministers Benjamin Netanyahu |
Als Kind "kam mir der
erste Verdacht in meinem Leben, dass
das Wesen der Juden ein
besonderes war... Wo waren die
Geldverleiher? Das waren die, die
von Christus selbst aus dem Tempel
getrieben wurden... sie haben nie
gearbeitet, lebten von Betrug...
der Gott der Juden ist ... der Gott
des Hasses. (Streicher 1938, 1945) |
"Er respektiert kein
Gesetz... in der Wüste kann er
machen, wie es ihm gefällt. Das
Wesen des Arabers ist die
Neigung zu Konflikten. Er ist von
seinem Wesen her ein Feind... Es
spielt keine Rolle, welcher Art der
Widerstand ist... welchen Preis er
zahlen wird. Seine Existenz ist eine
des permanenten Krieges." (Derfner
2012) |
Zionisten versuchen Juden für ihre Sache zu
rekrutieren, dann beschuldigen sie andere
des Rassismus, wenn diese sich gegen Israel
stellen. In dieser Weltsicht bedeutet jede
Forderung nach einem Ende des 'kolonialen
Apartheidstaates' 'ethnische Säuberung'
jüdischer Menschen (Nathan 2017b). In
ähnlicher Weise wird die Zurückweisung der
Behauptung, dass der Apartheidstaat ein
'Existenzrecht' hätte, fälschlich als
genozidale Bedrohung des jüdischen Volkes
dargestellt. Aber der tatsächliche Genozid
in Palästina wird gerade von dem kolonialen
Israel (praktiziert). Die im Lauf der Zeit
angepasste ethnische Säuberung Palästinas
wurde aber seit Ende der 1940er Jahre
verfolgt. Der oft zitierte 'Yinon-Plan' von
1982 war eine Neuauflage alter zionistischer
Ambitionen zur Schaffung eines 'Groß-Israel'
(Eretz Yisrael), eines jüdischen Staates,
der sich 'vom Bach Ägyptens bis an den
Euphrat' erstreckt (Herzl 1960: 711).
Gleich nach dem Krieg von 1967 begann Israel
illegale Siedlungen zu errichten und
palästinensische Häuser in den annektierten
Gebieten von Ost-Jerusalem zu zerstören.
Trotzdem ist die UNO nicht von ihrer
Position abgegangen, dass sich die
palästinensischen Einwohner von
Ost-Jerusalem seit 1967 unter militärischer
Besatzung befinden und daher von der 4.
Genfer Konvention geschützt sind (AIC 2011;
5-6).
Die Resolution 242 (1967) des
UN-Sicherheitsrates verlangte den 'Rückzug
der israelischen Streitkräfte aus Gebieten,
die im letzten Krieg besetzt wurden' und
betonte 'die Unzulässigkeit von Landerwerb
durch Krieg'. In Missachtung dieser
Resolution begannen die aufeinander
folgenden israelischen Regierungen die
besetzten palästinensischen Gebiete zu
kolonisieren (besiedeln). Eine Palette von
Instrumenten wurde benutzt, um Land zu
konfiszieren. Eine große Zahl von
Zubringerstraßen, Militärbasen und
Pufferzonen erweiterte das von den
zionistischen, 'Siedlungen' genannten
Kolonien absorbierte Territorium. Nach
bestens informierten Schätzungen des
besetzten palästinensischen Landes sind
jetzt in flagranter Verletzung des
Völkerrechts (nach israelischem Recht
Kategorie C für ausschließliche jüdische
Nutzung) mehr als 60% der Westbank
einschließlich mehr als 200 sowohl
'genehmigter' als auch 'nicht genehmigter'
Kolonien (Siedlungen) mit etwa 600.000
israelischen Bürgern, von denen mehr als
200.000 in den Teilen der Westbank rund um
Jerusalem leben, in jüngerer Zeit durch
eine riesige 'Trennungsbarriere' (DG EXPO
2016; BTSELEM 2016), ein regelrechtes Symbol
für den Apartheidstaat, annektiert worden.
Es ist nur der palästinensische Widerstand,
gestärkt durch die internationale
Nichtanerkennung, der die ethnische
Säuberung verlangsamt hat. Passiver
Widerstand, oft als sumud bezeichnet,
ist Beharrlichkeit (Standfestigkeit) oder
elastischer Widerstand. Bewaffneter
Widerstand im Kontext gewaltsamer
Kolonisierung wird auch vom Völkerrecht
akzeptiert. Die Generalversammlung der
Vereinten Nationen hat bei verschiedenen
Gelegenheiten das Recht kolonisierter Völker
bestätigt, 'mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln, insbesondere dem
bewaffneten Kampf' Widerstand zu leisten (UNGA
1978); auch in Bezug auf Palästina.
Israelis erheben oft die falsche Behauptung:
'Palästina gibt es nicht'. Dennoch bleiben
die Menschen, und die sich ändernde
Demographie erzählt eine wichtige
Geschichte. Trotz jüdischer Einwanderung und
schrecklicher Lebensbedingungen in den
besetzten Gebieten ist die palästinensische
Bevölkerung jetzt fast so groß wie die
jüdisch-israelische. Ein Bericht von
Jerusalem 2011 zeigte, dass die
palästinensische Bevölkerung der Stadt von
25,5% 1967 auf 38% 2009 angewachsen ist (AIC
2011; 10, 12). Der Trend in Israel-Palästina
ist sogar noch auffallender. Beamte des
Israelischen Statistischen Zentralbüros und
die vom Militär betriebene
Ziviladministration (COGAT) sagen, dass die
arabische Bevölkerung von Gaza, der Westbank
sowie die arabischen Bürger Israels und die
Einwohner des annektierten Ost-Jerusalem
sich auf 6,5 Millionen summiert, was in etwa
der Zahl der 'Juden, die zwischen dem Jordan
und dem Mittelmeer leben' entspricht (Heller
2018). Die Realisierbarkeit einer
'Zwei-Staaten-Lösung' ist durch die
zionistische Kolonisierung (Besiedelung) der
Westbank sabotiert worden. Die eigentliche
Frage ist: Wie lange kann die
Apartheidkolonie weiter Bestand haben?
Bibliografie: (siehe Originaltext)
Der Autor, Dr. Tim Anderson ist leitender
Dozent in politischer Ökonomie an der
Universität Sidney. Er forscht und schreibt
zu Entwicklung, Menschenrechten und
Selbstbestimmung im asiatisch-pazifischen
Raum, in Lateinameria und im Nahen Osten. Er
hat dutzende Artikel und Kapitel in
wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern
sowie Essays in online-Journalen
veröffentlicht. Zu seiner Arbeit gehören
Bereiche der Landwirtschaft,
Nahrungssicherheit, Gesundheitssysteme,
regionale Integration und internationale
Zusammenarbeit.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Palestine
Update Nr. 165
– 18.August 2018 -
Die Sabotage
der Ausdrucksfreiheit - Meinung -
Ranjan Solomon
Nichts stärkt die Autorität so sehr wie das
Schweigen - (Leonardo da Vinci)
Palestine Updates hat seit kurzem
ausgewählte Artikel mit seinen Lesern
geteilt. Dieser besondere, nachstehend
wiedergegebene klingt einfach, aber greift
in die Tiefe: „Durch unsere Ängste hindurch
sprechen: widerstehen wir der
palästinensischen schweigenden
Selbstgenügsamkeit“. Bitte lesen!
Israel stockt seine Bewaffnungsmethoden zur
Unterdrückung der Palästinenser beharrlich
auf. Journalisten und Karikaturisten werden
für die „Nicht-Sünde“, ihre Meinung ohne
Furcht zu sagen, ermordet. Andere werden
eingesperrt, weil sie auf den für Dichtung
vorgesehenen Medienseiten Kritisches über
die Kolonisierung von palästinensischen
Menschen schreiben.
Israel, das sich ausgibt als Modell für eine
ideale Demokratie in der Region, weist
seltsamerweise den Zugang zur Freiheit
zurück. Die Schauer einer solchen rohen
Bestrafung wurden vom palästinensischen
Staatswesen geschluckt und die Kultur des
Schweigens krallt sich an einst offene
Schriftsteller, Dichter und Künstler. Und
während Israel gegenüber palästinensischen
Proteststimmen harte Maßnahmen anlegt, tut
es das Gegenteil mit seinen eigenen. Zurzeit
werden Künstler ermutigt, Hass zu schüren
und bringen sogar Aufrufe heraus, Kinder zu
töten, damit sie nicht zu Aktivisten werden,
wenn sie erwachsen sind.
„Absurdität“ ist der Name des
Okkupationsregimes. Wenn Hassreden und
Hass-Schriftsteller und deren Kunstwerke
ihre Konsumenten mit Hass füttern, steigt
ihre Popularität. Israelis, die Abscheu
verbreiten und hochstilisieren, werden
belohnt und als Helden gefeiert, tapfer und
genug nationalistisch, um Lob und Preise
einzukassieren. Im Gegensatz dazu können
Palästinenser und deren Freunde in Übersee,
die an der BDS-Kampagne teilnehmen oder
zuhause nach dem Besuch in Palästina eine „keffiyeh“
(das schwarz-weiße Tuch) tragen,
endlos belästigt und angehalten werden,
bevor sie an Bord ihres Fliegers kommen.
In der Tat, Israel verwendet die Taktik,
Stillschweigen von seinen Kritikern zu
erzwingen, und das könnte einige
abgeschreckt haben. Aber es wird nicht in
der Lage sein, jene von der Gerechtigkeit
fernzuhalten, für die die Sehnsucht nach
Gerechtigkeit parallel läuft mit der
Rastlosigkeit und Ungeduld nach dem Tag, an
dem sie erreicht wird. Diese heftige
Sehnsucht nach Gerechtigkeit fordert, die
Kultur des Schweigens abzulegen, und dass an
ihrer Stelle Menschen waghalsig die Spaltung
durch die Sabotage der Ausdrucksfreiheit
zurückweisen.
Ranjan Solomon
„Durch unsere Ängste hindurchsprechen“: Der
schweigenden Zustimmung der Palästinenser
widersprechen
Israelische Streitkräfte attackieren
Palästinenser während eines Protestmarsches
gegen den Bau von israelischen Siedlungen,
Nablus, Juli 2018
Bei einigen Gelegenheiten hat mich meine
Mutter angsterfüllt aufgeweckt, um mir zu
sagen, wer zuletzt für eine
Facebook-Stellungnahme arretiert worden ist,
und um mich zu warnen, ja nicht meine
Ansicht auf meiner Homepage zu äußern. Und
wenn ich mich vor meinen Reisen nach Übersee
bei ihr verabschiede, antwortet sie mit
einer Warnung: „Lass dich nicht auf Politik
ein, und sag‘ ja nichts über Israel!“ Ich
antworte ihr immer mit einem angestrengten
Humor, „Bei meinem Reden geht es um die
geistige Gesundheit der Palästinenser.
Israel hat mit geistiger Gesundheit nichts
drauf – Bei denen geht es um geistige
Krankheit“. Aber meine Mutter kann sich
nicht entspannen oder lachen bei meinen
Versuchen zur Beruhigung. So geh‘ ich
schnell weg, bevor ich mich anstecken lasse
durch ihre begründeten Ängste.
Meine Mutter ist nicht die einzige, die der
Besatzung einen freien Dienst der
Selbstzensur leistet. Es gibt diese
allgemeinen Sprüche, die in Palästina zum
Schweigen auffordern: „Die Wände haben
Ohren“ und „Geh ganz ruhig an der Mauer
entlang und bitte Gott, dich zu beschützen“.
Aber noch schlimmer ist die Geistlichkeit,
wenn sie behaupten, dass „Schweigsamkeit ein
Zeichen für Zustimmung“ sei, wenn sie eine
schweigsame Braut in einer
Hochzeitszeremonie vor sich haben. Man
braucht kein Psychiater zu sein um zu sehen,
dass Schweigsamkeit viel öfter ein Zeichen
von Einschüchterung und Angst ist.
Die palästinensische Realität hat einige
Palästinenser für immer zum Schweigen
gebracht, wie den Schriftsteller Ghassan
Kanafani und den Karikaturisten Naji Al-Ali,
die wegen ihrer Meinung getötet wurden.
Mehrere andere wurden eingesperrt, weil sie
ihre Gedanken frei geäußert haben. Die
Dichterin
Dareen Tatour wurde wegen ihres Gedichtes
„Widersteht, mein Volk, widersteht ihnen“
schuldig erklärt, weil ihr Gedicht von
den Israelis als eine „Anstiftung zur
Gewalt“ bezeichnet wurde.
Jedoch wurden während der ganzen Zeit die
Einträge des israelischen Rappers „The
Shadow“ nicht als „Anstiftung zur Gewalt“
betrachtet, obwohl einer seiner Einträge ihn
zeigt, wie er ein Bild von Hoden hochhält,
in Begleitung der Worte „Räche dich, Bibi
(das ist der Spitzname von Israels
Premierminister), ich glaube, du hast diese
vergessen!“ In einem anderen Eintrag ruft
der Rapper das medizinische Team der
israelischen Armee auf, die Organe der von
ihr getöteten Palästinenser
herauszuschneiden, um sie dem israelischen
nationalen Transplantations-Zentrum zu
spenden. Israel ist ebenso tolerant
gegenüber der „freien Sprache“ der Autoren
von „The King’s Torah“, die erklären, dass
der Befehl „Du sollst nicht töten“ sich nur
auf Juden bezieht, die einen Juden töten.
Die „The King’s Torah“ behauptet dann, dass
Nicht-Juden „von Natur aus kein Mitleid
verdienen“, und Angriffe auf diese
gerechtfertigt sind, weil sie „ihre bösen
Neigungen strafen“. Ähnlich können die Babys
und Kinder der Feinde Israels ohne Skrupel
getötet werden, denn es ist klar, dass sie
„aufwachsen, um Juden zu schädigen“.
Israelis kommen davon mit solchen
Äußerungen, gewinnen damit sogar Popularität
und Status durch diese Behauptungen. Wir
erinnern in diesem Zusammenhang, wie Alelet
Shaked als Mitglied der
Knesset Frauen in Gaza als „Schlangen“
bezeichnete und dafür eintrat, sie während
des Angriffs von 2014 zu töten. Heute ist
sie die Justizministerin Israels!
Kürzlich wurde
Lama Khater, ein palästinensischer
Journalist, der Israel kritisierte, in
Israel eingesperrt – zusammen mit 22 anderen
Journalisten, die ihrerseits eingesperrt
sind. Und häufig werden Leute in Palästina
aus ihren Jobs entlassen oder verlieren
andere Möglichkeiten, weil sie es wagen,
politische Ansichten zu äußern, die sich
annehmbaren Meinungen entsprechend anpassen.
Außerhalb von Palästina werden Studenten,
deren Aktivismus sich mit Palästina befasst,
in ihren Studien bedroht und in deren
Gelegenheiten für Anstellungen. Sogar
internationale Pensionisten, die Freunde von
Palästina sind, sind besorgt in Bezug auf
das Recht, nach Palästina zu reisen und
erhalten Drohungen, wie z.B, die Drohung der
„Jüdischen Brigade“, französische
Aktivisten in der „Association France
Palestine Solidarité“ zu skalpieren.
Paradoxerweise erleiden die einen Schaden,
weil sie sich äußern, und die anderen, weil
sie sich entscheiden zu schweigen. Unter
meinen psychiatrischen Patienten in
Palästina habe ich eine Frau gesehen, die an
Aphonia (Stimmverlust) leidet, weil der
Geheimdienst, der für Israel arbeitet, sie
wegen ihrer sozial verbotenen Telefonate mit
ihrem Liebhaber erpresst hat. Einem jungen
palästinensischen Aktivisten mit einer
geheimen homosexuellen Beziehung wurde
angedroht, dass er „aus dem Verband
ausgeschlossen würde“ und absichtlich mit
Hämorrhoiden und im Sexualverkehr
übertragenen Krankheiten angesteckt würde,
wenn er sich weigert, mit den Israelis zu
kollaborieren. Da waren auch jene, die in
Gaza verletzt und dort liegen gelassen
wurden, weil sie sich weigerten, über
Aktivisten zu informieren – im Austausch zur
Erlaubnis, Zugang zu medizinischen Diensten
außerhalb von Gaza zu erhalten.
Durch Schweigen zu arbeiten ist eine
tägliche Routine in meiner Arbeit. Ich sehe
viele kurzatmige Leute mit Brustschmerzen –
Symptome, die dadurch verursacht werden,
dass sie sich von der Gesellschaft ersäuft
fühlen. Da gibt es viele Leute mit sexuellem
Versagen, das entstanden ist, weil sie sich
nicht offen zu ihrer Beziehung halten
können. Sie sind Opfer der Folter und
schweigen über ihre Erfahrungen, weil sie
glauben, dass ihre Berichte hoffnungs-los
ist oder, weil sie weitere Racheaktionen
fürchten. Da gibt es Personen mit
Depression, die nichts über ihre
Selbstmordgedanken sagen, weil sie
Zurückweisung erwarten oder sich fürchten,
in ein Spital eingesperrt zu werden. Ich
kenne die Kosten des Schweigens, die auf der
Pathologie zu finden sind: Aggressionen
müssen verarbeitet werden oder sie werden zu
Funktionsstörungen führen.
Außerhalb meiner Klinik bin ich wegen meines
öffentlichen Redens immer mit
Sicherheitsfragen konfrontiert: „Hast du
keine Angst, ins Gefängnis zu kommen,
fürchtest du dich nicht vor anderen
Beschädigungen deiner Person, weil du deine
Meinung sagst und schreibst?“ Andere mit
weniger freundlichen Intentionen mögen
sagen: „Aber ist es nicht die Tatsache
allein, dass du hier bist und in der Lage
bist zu sprechen, der Beweis dafür, dass
Israel eine wirkliche Demokratie ist?“
Ich spreche – nicht nur, um mich als eine
unteilbare Person sowohl innerhalb wie auch
außerhalb meiner beruflichen Rolle
darzustellen – weil ich nicht anders kann.
Ich kann nicht vorgeben, ich wisse nicht;
ich kann meine Gefühle über die politische
Realität nicht ableugnen; ich kann mein
Gesicht nicht in die andere Richtung wenden.
Ich spreche, um gegen Gewalt zu protestieren
und um zu versuchen, mich in einen echten
kritischen Dialog mit den anderen zu
engagieren. Das ist das Beste, was ich tun
kann angesichts einer unterdrückerischen
Realität. Meine Gedanken auszudrücken ist
der Herzschlag meiner Humanität. Das ist das
stärkste Grundrecht, ohne das keine anderen
Menschenrechte ins Leben gerufen werden
können.
In meiner Arbeit habe ich hypochondrische
Patienten gesehen, die tun, als ob sie krank
wären aus Angst, krank zu sein. In meinem
Alltag treffe ich Leute, die leben wie die
Armen aus Angst vor Armut. Ich habe Leute
gesehen, die nicht in der Lage sind, mit
ihrer Verwandtschaft zu kommunizieren aus
ihrer Angst, nicht angenommen zu werden. Ich
möchte meine Gelegenheiten nicht
verschwenden, wie es diese Leute getan
haben, und in meiner Gedankenwelt leben aus
Angst, in ein konkretes Gefängnis geworfen
zu werden. Ich leugne nicht, dass ich diese
Angst habe, aber ich versuche, durch sie
hindurch und trotz ihr zu sprechen.
Als Israel Gaza 2014 angegriffen hat,
initiierte ich eine Petition, in der ich
Amtsträger aufrief, sich mit den
Palästinensern zu solidarisieren. Dann
entdeckte ich, dass der Angriff auf Gaza in
meinem Herzen einige Kollateralschäden
zurückließ – einmal habe ich gesehen, dass
einige nahe Kollegen nicht willens waren,
die Petition zu unterschreiben, und mich
tatsächlich unter Druck setzten, sie zurück
zu ziehen. Während ich die Faktoren
respektiere und nachvollziehen kann, wie
diese Entscheidung viele Leute rund um mich
verengt, möchte ich Einhalt gebieten, wenn
Leute durch ihre Selbstzensur und ihren
Druck auf andere, Ruhe zu geben, als
unbewusste und nicht bezahlte Agenten für
die israelischen Behörden arbeiten.
Von meiner Natur her bin ich keine impulsive
und riskierende Person. Wenn ich spreche,
berechne ich die notwendigen Risken und
balanciere das Risiko gegenüber den
Vorteilen aus, breitere Rahmenbedingungen
für eine Freiheit des Ausdrucks zu
erreichen. Manchmal konsultiere ich
israelische Rechtsanwälte, um sicher zu
gehen, dass meine Aktionen kein Bruch der
ungerechten Gesetze sind, die über der
Okkupation liegen. Während der
ersten Intifada war es illegal, eine
palästinensische Flagge in der Hand zu
halten, heute ist es illegal, sich
BDS anzuschließen. Obwohl beide Aktionen
gerecht und moralisch sind, habe ich nie
eine palästinensische Flagge in der Hand
gehalten und ich habe mich nie BDS
angeschlossen. Mein Ziel ist, alternative
Ausdrucksformen zu schaffen – die die
ungerechten Gesetze nicht verletzen und die
daher vielleicht wirksamere Strategien für
mich sind.
Ich habe immer die Reichweite von mir
geäußerter Meinungen mit den Dimensionen
meiner beruflichen Identität und meiner
finanziellen Autonomie ausgewogen. Außerdem
bin ich sorgfältig, damit ich mit dem von
mir genommenen Risiko nicht andere
hereinziehe. Ich fahre fort, mein
persönliches Einkommen nicht von
israelischen Institutionen zu nehmen und
bleibe öffentlicher Angestellter im
palästinensischen System. Klar, Angestellter
zu sein, besonders öffentlicher
Angestellter, steht oft im Widerspruch mit
freiem Ausdruck und kann im Laufe der Zeit
das eigene Gewissen und die Fähigkeit zur
Gedankenfreiheit beeinträchtigen. Aber bis
ich nicht mehr als öffentlicher Angestellter
beschäftigt bin, werde ich versuchen, durch
freie Konsultationen verschiedene
Einkommensquellen zu erhalten, und mit mehr
als einer Institution gleichzeitig zu
arbeiten; auf diese Weise hoffe ich zu
vermeiden, ganz abhängig zu sein von einem
einzigen Arbeitgeber, der mir meine Art zu
sprechen diktieren könnte. Um mich
zusätzlich zu schützen, lege ich meinen
Schriften und Reden gut recherchierte Fakten
zugrunde. Ich teile meine auf diesen Fakten
beruhenden Meinungsäußerungen nicht nur mit
palästinensischen Erfahrungen sondern auch
mit internationalen Menschenrechten und
universellen Werten, von denen angenommen
werden kann, dass sie gleichermaßen für
Israelis und Palästinenser Gültigkeit haben.
Ich schreibe in Fremdsprachen, um mehr
Zeugnisse für meine Erfahrung zu sammeln.
Ich bin überzeugt, dass viele Leute sich in
Solidarität zu meinen Gunsten aussprechen
würden, wenn mir Böses widerfahren sollte.
Ich bin mir bewusst, dass ich durch die
Aktivitäten von mutigeren Palästinenser als
ich einer bin, geschützt wurde, die die
Israelis mit gewichtigeren Kämpfen
beschäftigt haben, als ich sie unternehmen
kann. Ich zähle auf die Prämisse, dass der
israelische Geheimdienst überein- gekommen
ist, mich zu „stoppen“ sei kontraproduktiv,
weil es mehr Beachtung gerade der Stimme
geben würde, die sie zum Schweigen zu
bringen hoffen.
Und vielleicht bin ich auch nur naiv;
vielleicht ist meine Risiko-Einschätzung
nichts als meine blasierte Leugnung
politischer Bedrohung. Sollte das der Fall
sein, dann sei dieser Artikel mein
politisches Manifest – eine Weigerung, meine
Redefreiheit aus der Hand zu geben und in
die kollektive Höflichkeit des Schweigens zu
verfallen. (Übers.: Gerhilde Merz)
Quelle
Abraham Melzer
- Sehr geehrter Herr Voigt,
Ihr
Artikel in der FR ist leider genauso
ausgefallen, wie ich es erwartet habe. Sie
gehören auch zu denen, die nicht blind, aber
verblendet sind. Es ist grundsätzlich nicht
verboten, eine eigene Meinung zu haben, aber
als neutraler Journalist und
Berichterstatter sollten sie nicht so
einseitig berichten. Vor allem sollten Sie
sich aber an Wahrheit und Wahrhaftigkeit in
der Berichterstattung halten und keine Lügen
verbreiten. Sie schreiben, dass ich „eine
ganz eigene Sicht auf Antisemitismus und den
Nahost-Konflikt“ habe. Ich will Sie nicht
langweilen mit den Namen von tausenden und
abertausenden von Kritikern der israelischen
Politik und der Zustände hier in
Deutschland, die dieselbe Sicht haben wie
ich. Ich will nur wenige Juden auflisten,
die genau die gleiche Sicht auf den
Antisemitismus und den Nahost-Konflikt
haben: Prof. Rolf Verleger, Prof. Ilan
Pappe, Prof. Moshe Zuckermann, Uri Avneri,
Amira Hass, Gideon Levy, Daniel Barenboim,
Judith Bernstein, Nirit Sommerfeld, Prof.
Noam Chomsky, Norman Finkelstein und viele
andere.
Gerade heute erschien auch in der FAZ ein
kleiner Beitrag im Feuilleton, unter dem
Titel „Keine Israel-Kritik“, der meine
Thesen bestätigt. Es handelt sich um einen
Skandal bei den Donaueschinger Musiktagen,
wo der künstlerische Leiter, Björn
Gottstein, ein Stück des Komponisten Wieland
Hoban, das sich kritisch mit den Ereignissen
im Gaza-Streifen befasst, abgelehnt hat und
darüber hinaus noch meinte, dass er „keine
Kritik an Israel toleriere“.
Ähnlich war es auch, als Ilan Pappe im Juni
dieses Jahres in der Uni Tübingen einen
Vortrag halten sollte und das israelische
Konsulat in München versuchte, ihn zu
verhindern, was vom Rektor der Uni energisch
zurückgewiesen wurde. Das Schwäbische
Tageblatt hat darüber unter der Überschrift:
„Konsulin schrieb an Rektor“ berichtet. Da
wurde auch die Antwort des Rektors zitiert:
„Eingriffe in akademische Debatten oder gar
die Untersagung von Veranstaltungen sind mit
Blick auf die Freiheit der Wissenschaft und
einer offenen Gesellschaft und offene
Debattenkultur nicht zu akzeptieren.“ Warum
nimmt sich die Frankfurter Rundschau nicht
solcher Skandale an?
Es stimmt, es waren weniger Besucher da, als
wir erwartet und erhofft hatten, aber müssen
Sie gleich die tatsächliche Zahl halbieren.
Und hätten Sie Avi Primor oder ihren
Kollegen Joseph Joffe auch so hämisch
kommentiert, die ja das gesagt haben, was
ich mir nur zu zitieren erlaubte. Joffe
behauptet in der ZEIT, dass wir in
Deutschland den Antisemitismus
„ausgetrieben“ hätten. So weit gehe ich
nicht. Avi Primor meinte, wie auch ich, dass
der Antisemitismus nicht zugenommen, sondern
die Sympathie für Israel abgenommen habe.
Obwohl ich von diesen Statistiken über
„antisemitische Vorkommen“ nicht viel halte,
muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass sie
eher auf eine Abnahme von antisemitischen
Vorurteilen hindeuten als auf eine
Zunahme. Ich darf Ihnen hier einige wenige
Beispiele nennen: Der Behauptung „Juden
haben zu viel Macht!“ haben 2002 32 Prozent
zugestimmt; im Jahre 2009 aber nur noch 21
Prozent; der Behauptung „Juden haben in
Deutschland zu viel Einfluss“, haben 2002 21
Prozent zugestimmt, im Jahre 2010 nur noch
16,5 Prozent. Sogenannte antisemitische
Straftaten gab es 2001 nach Angaben der
Polizei 1691 im Jahre 2010 waren es nur noch
1268. Der Bielefelder Antisemitismus-Index
fiel von 1,8 im Jahre 2002 auf 1,65 im Jahre
2009.
Trotz dieser aufschlussreichen Statistik*
behauptet der Zentralrat der Juden und fast
die gesamte Presse, angeführt von der
BILD-Zeitung, beharrlich, dass der
Antisemitismus zunimmt.
Sie sind anderer Meinung? Das dürfen Sie,
aber in einer seriösen Berichterstattung
sollten sie sich mit Ihrer Meinung
zurückhalten. Ich habe mit glaubwürdigen
Beispielen nachgewiesen, dass manches, was
berufene Zionisten als Antisemitismus
bezichtigen, nicht mehr ist als Ausdruck
einer gewissen Antisemitismus-Hysterie. Sind
Sie in der Lage, das zu widerlegen?
Über diese meine These von der
„Antisemitismus-Hysterie“ äußern Sie sich
abfällig, weil Sie sie offensichtlich nicht
akzeptieren. Ich empfehle Ihnen einen
Beitrag von Norman G. Finkelstein über die
„Corbyn-Mania“ in England, wo auch er von
der „fabrizierten Hysterie“ schreibt. Es ist
dieselbe Hysterie, die auch in Deutschland
von unverantwortlichen Journalisten,
Politikern und Gewerkschaftern „fabriziert“
wird.
Sie zitieren den Geschäftsführer der
Saalbau, Frank Junker, der mir keine Räume
vermieten will, weil ich angeblich ein
„Sympathisant“ der BDS sei. Ich habe ihn
darauf hingewiesen, dass er bei Gericht
solche diskriminierenden, undemokratischen
und gegen unser GG gerichteten Vorhaben
nicht durchsetzen kann, und auch Ihr
Chefradakteur hat ihn in der Rundschau
gewarnt.
Wieso, bitte, soll man mit der BDS-Bewegung
nicht sympathisieren dürfen? Ist sie etwa
eine Terrororganisation? Als die
Palästinenser Israel mit Terror bekämpften,
haben Sie und fast alle journalistischen
Kollegen zusammen mit Politikern,
Kirchenoberen und Menschen aus der
Bevölkerung das zurecht abgelehnt. Jetzt
versuchen es die Palästinenser mit
ausdrücklich friedlichen Mitteln, und es
passt wieder nicht. Was die Palästinenser
auch machen: Es sind halt Palästinenser, und
man kann ihnen nicht trauen. Riecht ziemlich
rassistisch, nicht wahr?
Und selbst Sympathisanten von
Terrororganisationen kann man nicht so ohne
weiteres, per Ordre de Mufti, die
Bürgerrechte entziehen. Wir alle haben mit
Nelson Mandela sympathisiert, der von der
südafrikanischen Apartheid-Regierung – und
von den USA sogar noch bis 2008 ! – als
Terrorist bezeichnet wurde. Und so werden
auch viele palästinensische
Freiheitskämpfer, die heute von der
israelischen Apartheid-Regierung als
Terroristen bezeichnet werden, früher oder
später als Helden gelten. Schließlich waren
selbst die ehemaligen israelischen
Ministerpräsidenten Begin und Shamir von den
Briten gesuchte Terroristen.
Was den Beschluss der Stadt Frankfurt
betriff, BDS keine Räume zur Verfügung zu
stellen, so ist dies nur der Beschluss einer
Stadtverwaltung und hat zunächst einmal
keine rechtlichen Konsequenzen.
Sie haben das alles unkommentiert gebracht,
und zwischen den Zeilen ließ sich unschwer
erkennen, mit wem Sie sympathisieren. Sie
sind offensichtlich auch der Meinung, dass
BDS eine antisemitische Bewegung ist, obwohl
hunderttausende Juden mitmachen. Allerdings
kann es uns vollkommen gleichgültig sein,
was Sie, Becker, Junker oder Broder denken.
Ich weiß am besten, dass ich kein Antisemit
bin, auch wenn eine gewisse jüdische
Gemeindevorsitzende behauptet, ich sei ein
„berüchtigter Antisemit“. Warum haben Sie
und Ihre ganze Zunft sich nicht erregt, als
diese Präsidentin der Jüdischen Gemeinde in
München, die inzwischen zu glauben scheint,
dass sie Inhaberin der Jüdischen Gemeinde
sei, die Gerichtskosten, die sie mir
zurückerstatten musste, vom Konto der
Gemeinde überwies, obwohl ich sie privat und
nicht die Gemeinde verklagt hatte?
Sie zitieren meine Definition des
Antisemitismus: „Antisemitismus ist Hass
auf Juden, nur weil sie Juden sind“ und
kommentieren das mit den Worten: „Eine
extrem minimalistische Definition.“ Was
wollen Sie ihr denn noch hinzufügen? Die
Antisemitismusforschung forscht, weil die
damit befassten Forscher davon leben. Mir
als Juden, der ich Zeit meines Lebens mit
dem Begriff Antisemitismus konfrontiert bin,
reicht diese „minimalistische“ Definition.
Ich brauche keine dicken Bücher, die mir
erklären sollen, was Antisemitismus ist. Ich
weiß es aus eigener Erfahrung besser als Sie
und mancher Antisemitismusforscher.
Die Behauptung von Herrn Junker, dass die
Kosten der Security die Veranstalter tragen
müssen, ist so antidemokratisch und
rechtswidrig wie die Behauptung der Mafia,
Geschäftsleute müssten die Kosten für ihren
Schutz (vor der Mafia) selber tragen. Der
einzige, der uns bedroht hat, war doch Herr
Junker selbst. Es handelte sich dabei
eindeutig um Schutzgelderpressung. Nicht
mehr und nicht weniger. Wir wären
einverstanden gewesen, die Kosten zu tragen,
wenn wir den „Schutz“ gefordert hätten. Die
Kosten sind uns aber in letzter Minute
aufgezwungen worden, vermutlich in der
Hoffnung, wir würden sie nicht rechtzeitig
aufbringen und man dann einen Grund gehabt
hätte die Veranstaltung zu verbieten. Ich
musste die 309,40 € am Tag der Veranstaltung
bis 15:00 Uhr in bar zur Kasse der Saalbau
bringen. Als ich mich um 4 Minuten
verspätete, drohte man damit, alles
abzusagen. Wir haben zwei Wachleute für je 4
Stunden bezahlt. Wir waren aber nur 3
Stunden im Saal. Ich bin gespannt, ob die
Stadt uns die Stunde zurückerstatten wird.
Die Mafia zahlt Schutzgeld nie zurück.
Es herrscht hierzulande eine ziemliche
Verwirrung darüber, was Antisemitismus ist.
Alte Menschen, die noch die 20er und 30er
Jahre in Deutschland erlebt haben, könnten
Ihnen erzählen, was Antisemitismus ist.
Einer von ihnen war auch bei der
Veranstaltung und hat es getan. Der
Antisemitismus wird erst dann gefährlich,
wenn er vom Staat und seinen Organisationen
wie Polizei, Kirche und Parteien gefördert
und organisatorisch betreut wird. Wollen
auch Sie behaupten, dass wir in Deutschland
schon wieder „kurz vor einem neuen Holocaust
stehen“.
Sie können doch das, was man heute
Antisemitismus oder „Israelbezogenen
Antisemitismus“ nennt, nicht mit dem
vergleichen, der bis zur Mitte des 20ten
Jahrhundert in Deutschland und Europa
gewütet hat.
Es geht also nicht um mich, ob ich mit der
BDS sympathisiere oder nicht, sondern ums
Prinzip, nämlich, dass ein Verbot
antidemokratisch ist und nicht akzeptiert
werden darf, auch von Ihnen und der FR
nicht. - MfG Abraham Melzer
Ein Staat: eine
Sicht aus Gaza - 17.08.2018 -
Ahmed Abu Artema - Hier sind die, die der
Meinung sind, dass Israels kürzlich
verabschiedetes Nation-State-Law als
Scheitern der Ein Staat-Lösung betrachtet
werden kann, da es die ausschließlich
jüdische Natur des herrschenden Staates in
Palästina festschreibt und damit die
Entrechtung der nicht-jüdischen Bevölkerung.
Das neue Gesetz könnte auch so gesehen
werden, dass es die Angst der
Besatzungsmacht verrät, dass die
de-facto-Durchsetzung Eines Staates hier in
sich die Saat der Demontage des kolonialen
Projekts von innen her enthält. So gesehen
sind alle die Entscheidungen, Gesetze und
Aktionen der Besatzungsmacht, um auf dem
spezifisch jüdischen Charakter des Staates
zu bestehen, nur verzweifelte Versuche gegen
die Geschichte anzugehen und eine Ordnung zu
legitimieren, sie sowohl unfair als auch
unhaltbar ist.
Es gibt viele Gründe, weshalb die Idee des
Einen Staates vielleicht nie realisiert
wird: das ungeheure Machtgefälle, der
zunehmende Rassismus in der israelischen
Gesellschaft, und dass die palästinensische
Gesellschaft selbst vielleicht noch nicht
reif ist für eine solche inklusive Idee.
Diese Herausforderungen sollten uns aber
nicht dazu führen, die inhärente Kraft der
Idee selbst zu unterschätzen. Die Geschichte
zeigt, dass eine prophetische Vision mit
wenigen Anhängern beginnen kann und doch von
der inhärenten Kraft seiner Botschaft
vorangebracht wird.
Es gibt viele Argumente für den Einen Staat.
Erstens ist es die realistischste Option, da
sie beide Seiten der Gleichsetzung der
Menschen berücksichtigt: einerseits das
fundamentale Recht aller Palästinenser in
ihre Häuser zurückzukehren, frei von
Besatzung, Unterdrückung und
Staatsbürgerschaft zweiter Klasse, und
andererseits die Realität der Existenz von
Millionen Juden, die in Palästina leben.
Sorgen um das Schicksal der israelischen
Juden in einem befreiten Palästina war bis
jetzt ein wichtiger Grund für die
Schwachheit der internationalen
Unterstützung für unsere Sache. Dieses
Dilemma wird bei einer Ein Staat-Lösung
überwunden, die ganz klar fordert, "sie
nicht ins Meer zu werfen" (eine Idee, die so
unfair wie unrealistisch ist), sondern die
Anerkennung der vollen Rechte und
Gleichberechtigung für alle.
Es ist wahr, es gibt Menschen, die kamen
nach Palästina mit der Absicht die
Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben
und ihren Platz einzunehmen, aber Schuld
kann nur Individuen zugeschrieben werden,
nicht ganzen Nationen; und Kinder können
nicht für die Verbrechen ihrer Eltern
verantwortlich gemacht werden. Es gibt
Generationen von Israelis, die nur dieses
Land als ihre Heimat kennen, sie sind nicht
verantwortlich für die Tatsache, dass sie
hier geboren sind.
Wenn es mein vorrangiges Anliegen als
Palästinenser es ist nach Hause
zurückzukehren, ist es meine geringste
Sorge, wer außer uns noch bleibt oder geht.
Das Wichtigste für mich ist meine Rechte
wieder zu erlangen und zu sehen, dass die
Ära der Vertreibung und Unterdrückung
beendet wurde.
Die Idee Eines Staates entspricht dem Geist
unserer Zeit. Das globale Bewußtsein hat
sich von der Idee des Nationalismus weg zu
der der Staatsbürgerschaft entwickelt.
Millionen Araber sind heute Staatsbürger in
Europa und Amerika und haben dieselben
Rechte wie alle anderen Staatsbürger dieser
Länder. Weshalb können Juden in Palästina
nicht ebenso leben – auf der Basis von
Staatsangehörigkeit und nicht von Besatzung.
Es gibt viele Palästinenser, die in den
Westen emigriert sind und deren Interessen
mit ihrer neuen Heimat verbunden sind. Sie –
und noch weniger ihre Kinder und Enkelkinder
– wollen nicht unbedingt in ein befreites
Palästina zurückkehren, weil ihre neuen (Heimat-)Länder
integraler Teil ihres Lebens geworden sind.
Es ist für neue Generationen israelischer
Juden, die mit Palästina ähnlich verbunden
sind, auch möglich in diesem Land zu leben
ohne in der inakzeptablen Position des
Besatzers zu verharren.
Es gibt Menschen, die die Idee der
Koexistenz mit israelischen Juden in einem
miteinander geteilten Land ablehnen aus der
unbewußten Angst heraus, dass das gemeinsame
Leben in derselben Gesellschaft mit Menschen
anderer Ethnien und Religionen bedeutet,
gleich wie alle zu werden. Aber
Palästinenser im Westen leben bereits
gemeinsam mit vielen anderen Gruppen,
einschließlich Juden und sogar Zionisten, in
einem Staat und einem Rechtswesen. In einem
einzigen multi-ethnischen palästinensischen
Staat wird jede Gruppe weiterhin in der Lage
sein ihre gemeinsamen Bindungen an Religion
und Kultur beizubehalten ohne in ummauerten
Ghettos zu leben wie heute die Menschen in
Gaza, der Westbank und in Jerusalem.
Wir Palästinenser können in einem einzigen
Staat unsere vollen Rechte haben. Wir müssen
für sie noch mit den Mitteln des friedlichen
zivilen Kampfes kämpfen, wie es das
palästinensische Knessetmitglied Haneen
Zoabi und der Aktivist Raed Salah heute
machen, aber es wird viel weniger
kostspielig und blutig sein wie der Kampf,
dem wir uns heute in der Westbank, in Gaza
und in der Diaspora stellen müssen.
Die Wahrheit ist, dass wir bereits in einem
einzigen Staat leben, der von Netanyahu in
Kooperation mit der Palästinensischen
Autonomiebehörde (wie der frühere PLO-Chef
Saeb Erekat zugegeben hat) regiert wird, und
wir müssen die israelische Regierung
inständig bitten ihre Checkpoints zu öffnen,
um Patienten für Behandlungen hinaus- und
medizinischen Bedarf für unsere
Krankenhäuser hereinzulassen. Der
Gazastreifen ist ein Gefängnis innerhalb
dieses einen Staates, und ihre Menschen
kämpfen darum ihre Gefängnismauern
niederzureißen. Die Palästinenser von 1948
(die "arabischen Israeli") und von der
Westbank leben auch in ethnischen Enklaven
innerhalb dieses einzigen Staates als
Staatsbürger zweiter Klasse und
nicht-Staatsbürger im Land ihrer Geburt.
Somit macht die Ein Staat-These nicht die
Etablierung einer neuen Realität nötig, aber
einen Kampf auf der Grundlage der
existierenden Realität: einen Kampf, um die
Mauern niederzureißen, die ethnische
Diskriminierung zu beenden, und an ihrer
Stelle einen Staat aufzubauen, der
Gleichberechtigung, Würde und Freiheit für
alle Menschen gewährleistet. Das ist
realistischer als ein Ende Israels
anzustreben oder sogar die Schaffung eines
separaten palästinensischen Staates – und
auch gerechter.
Eine Ein Staat-Lösung zu verwirklichen wird
nicht einfach sein, die Besatzungsmacht wird
hart dagegen kämpfen, aber seit wann ist die
Weigerung einer herrschenden Elite ein Grund
gewesen den Kampf für Fairness und
grundlegende Gleichheit der Menschen
aufzugeben? Die Macht der Idee des Einen
Staates ist nicht ihre Zugänglichkeit für
den Besatzer, sondern seine inhärente Natur
als eine Lösung, die am wenigsten Kosten
verursacht und die moralisch überlegen ist.
Das sollte es uns wert sein, eine Weile
unseren Kampf im Licht dieser Vision neu zu
überdenken.
Unser Problem ist (eines) mit dem
israelischen Rassismus und der Besatzung,
nicht mit den jüdischen Menschen in
Palästina. Unser Ziel ist es das Projekt der
Besatzung zu Fall zu bringen und jedem, der
in Palästina geboren ist, auf der Grundlage
gleicher Menschenrechte als Bürger eines
einzigen Staates zu erlauben hier zu
bleiben.
Die Einfachheit und Gerechtigkeit dieser
Vision sollte uns dazu verpflichten unseren
Kampf für ihre Verwirklichung neu zu
formulieren.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Buchbesprechung
- Eyal Sivan/Armelle Laborie -
Legitimer
Protest - Plädoyer für einen
kulturellen und akademischen Boykott Israels
- Hermann Dierkes
Inzwischen gibt
es eine ganze Reihe von Buechern und
Artikeln zu der palästinensischen
zivilgesellschaftlichen Kampagne BDS auch im
deutschen Sprachraum. Das aktuelle Buch von
Eyal Sivan und Armelle Laborie, „Legitimer
Protest“, zunächst 2016 in Frankreich
erschienen, widmet sich einem wichtigen
Zweig von BDS, der Kampagne PACBI
(Akademischer und kultureller Boykott
Israels), die noch weniger bekannt ist.
PACBI war 2004 der Starter fuer die ein Jahr
später aus der palästinensichen
Zivilgesellschaft hervorgegangenen und
breiter angelegten Kampagne BDS (Boykott,
Desinvestitionen und Sanktionen). BDS hat
inzwischen, quasi als Sammelbegriff fuer
beide Kampagnen, einen grossen
internationalen Bekanntheitsgrad gewonnen –
nicht zuletzt durch die Gegner der hinter
diesen Kuerzeln stehenden Ideen und
Aktionen. Das Buch ueber PACBI liegt nun
auch auf deutsch vor.
Zahlreiche
Akademiker unterstuetzen inzwischen den
Boykott israelischer Universitäten und
Institutionen, obwohl sie damit oftmals
Stellung und Karriere riskieren. Es geht
darum, die Beziehungen zu diesen
abzubrechen, wenn und solange diese die
Besatzung von Palästinensergebiet, Landraub
und Unterdrueckung schönreden, verschweigen
oder praktisch durch militärische
F&E-Aufträge unterstuetzen. Ähnlich ist das
Herangehen von PACBI an die Kulturszene.
Alle Aktivitäten/Auftritte, die von
staatlichen Geldern gefördert werden, bei
denen Kulturschaffende sich vertraglich
gegenueber offiziellen Instanzen binden
muessen, als „Botschafter Israels“
aufzutreten oder die – soweit es sich um
internationale Kuenstler handelt - zur sog.
„Normalisierung (von Besatzung,
Unterdrueckung und Apartheid) beitragen
sollen, sollen boykottiert werden.
Weltbekannte Kuenstler sagen inzwischen
Auftritte in Israel ab, wie zuletzt Gilberto
Gil und Skakira, nachdem sie angesichts des
letzten Gaza-Massakers von der
PACBI-Kampagne und zahlreichen Menschen dazu
aufgefordert worden war. Hunderte
Filmschaffende (so auf dem Filmfestival in
Cannes) prangern die Unterdrueckung der
Palästinenser und die undemokratische,
ausgrenzende Kulturpolitik in Israel selbst
an. Anfang Juni griff Roger Waters (Ex-Pink-Floyd)
auf seinen ausgebuchten Konzerten in Berlin
die in der Bundesrepublik laufenden Versuche
an, die BDS-Kampagne gegen Israel im Namen
des „Kampfes gegen Antisemitismus“ zu
verunglimpfen und zu bekämpfen. Waters – dem
2017 die Uebertragung einer
Konzertaufzeichnung von deutschen Sendern
wegen seines angeblichen Antisemitismus
verweigert worden war, nahm sich den
unlängst von der Bundesregierung ernannten
Antisemitismus-Beauftragten Klein vor. Der
Kampf gegen Antisemitismus, so Waters, sei
wichtig und unterstuetzenswert. Er duerfe
sich aber nicht gegen die berechtigten
Forderungen der Palästinenser und die
Erklärung der Menschenrechte von 1948
richten. Roger Waters unterstuetzt seit
Jahren engagiert und couragiert die
Solidaritätsbewegung mit Palästina,
namentlich die BDS-Bewegung, die sich
ausdruecklich an den Kampf gegen
Apartheid-Suedafrika anlehnt. Soeben hat die
argentinische Fussball-National-Mannschaft
ein Freundschaftspiel mit Israel abgesagt,
nachdem die Palästinenser und Menschen aus
aller Welt dies gefordert hatten aus Protest
gegen die brutale Verletzung, die
israelische Scharfschuetzen einem
hoffnungsvollen Nachwuchs-Fussballer aus
Gaza im Rahmen des Massakers gegen
unbewaffnet Protestierende zugefuegt hatten.
BDS/PACBI
wirken - BDS/PACBI bereiten der
rechtslastigen israelischen Regierung
erhebliches Kopfzerbrechen. Nachdem BDS
zunächst heruntergespielt wurde, ja sogar
von Netanjahu selbst fuer tot erklärt worden
war, sieht sich das Kabinett inzwischen
veranlasst, Dutzende Millionen Euro in die
Entwicklung von Gegenstrategien zu stecken,
massiv die Botschaften einzuspannen, ein
bezahltes und freiwilliges
Bekämpfungsnetzwerk aus angeblichen
„Freunden Israels“ (die sog. Hasbara) bis
hin zu evangelikalen, faschistoiden und
offen antisemitischen Kreisen zu stricken,
das Regierungen, Parlamente, Institutionen
und Medien weltweit auf die Regierungslinie
Israels bringen soll.
Fuehlbar sind
inzwischen wirtschaftliche Auswirkungen und
empfindliche „Prestige-Verluste“. Mit den
letzten Beschluessen der Merkel-Regierung
und der so gut wie einstimmigen
Positionierung des Bundestags gegen BDS muss
leider festgestellt werden, dass die
Propaganda-Offensive der israelischen
Regierung und ihrer Lobby auf offizieller
Ebene Erfolge erzielt hat, obwohl es die
Mehrheit der Bevölkerung anders sieht. Je
offener die repressive Kolonial- und
Apartheidpolitik-Politik Israels zutage
tritt und auch in der breiten Öffentlichkeit
so wahrgenommen wird, umso unverschämter
hält die deutsche Mainstream-Politik die
Hand darueber, beschwört Freundschaft und
„gemeinsame Werte“. Dutzende
Veranstaltungen, die sich kritisch mit der
israelischen Politik auseinandersetzen
wollten, wurde inzwischen massiv behindert,
Ratsbeschluesse wie in Muenchen und
Frankfurt grenzen Kritiker im Namen des
„Kampfes gegen Antisemitismus“ aus – unter
ihnen reihenweise juedische bzw.
israelische! Was nur beweist, dass es sich
um eine politische Auseinandersetzung
handelt und nicht um
„Rassismus/Antisemitismus“.
Es geht
längst um mehr - Damit ist aber auch
klar, dass die Bedeutung von BDS längst
ueber die Frage Israel/Palästina
hinausgewachsen ist, wie die Autoren zu
recht feststellen. Es geht nicht mehr allein
darum, sich mit den geschundenen
Palästinensern zu solidarisieren, sondern in
der Tat um die Verteidigung von Demokratie
und Völkerrecht. Nicht nur gegen den
israelischen Kolonialismus, sondern auch
gegen die Trump, Macron, May, Merkel, Nahles,
Scholz, Soeder und Co., die nicht nur
umfangreiche Waffengeschäfte und Handel von
„Sicherheitstechnologie“ zwischen Israel und
ihren jeweiligen Ländern absegnen, sondern
auch die an den Palästinensern erprobten
Repressionsmethoden schleichend bis
galoppierend uebernehmen (die Runderneuerung
von Landespolizeigesetzen lässt gruessen!).
Sie verraten – wieder einmal - die eigenen
„Verfassungswerte“ – aus Verantwortung vor
der Geschichte versteht sich ...
Umso wichtiger
ist es, dass ueber die Ziele, Mittel und
Methoden von PACBI und BDS immer wieder
wahrheitsgemäss aufgeklärt wird (im Anhang
zum Buch sind die Aufrufe fuer PACBI und BDS
sowie die Leitlinien zu ihrer Umsetzung von
PACBI dokumentiert). Umso wichtiger ist es,
einer breiteren Öffentlichkeit die Ziele,
Mittel und Methoden des israelischen Macht-
und Propaganda-Apparats aufzudecken.
Eine
politische Kriminalgeschichte - Das Buch
von Sivan/Laborie leistet dazu einen
hervorrragenden Beitrag. E. Sivan ist
israelischer Regisseur und lebt in
Frankreich. A. Laborie ist eine französische
Filmproduzentin. Kenntnisreich, detalliert,
gut strukturiert und engagiert fuer die
Sache der Palästinenser und der
demokratischen Rechte und „ohne Angst vor
Königsthron“ (BDS-Unterstuetzung kann in
Israel inzwischen zivilrechtlich verfolgt
werden, soll auch strafrechtlich relevant
werden und gilt als „Verrat“. In Frankreich
wurden in den letzten Jahren mehrmals
BDS-Unterstuetzer verurteilt) sprechen die
beiden Autoren Klartext. Streckenweise liest
sich das Buch nicht nur wie ein Krimi –
es ist eine politische Kriminalgeschichte!
Gestuetzt auf eine Fuelle von Fakten,
Beweisen und Zitaten analysieren die Autoren
die Gegenstrategien des israelischen Macht-
und Propaganda-Apparats.
So zitieren
Sivan/Laborie aus dem (kulturpolitischen)
Arbeitsprogramm der israelischen Regierung
für das Jahr 2011. Danach gehören zu den
Hauptzielen des Außenministeriums: „Die
Delegitimierung bremsen; israelfreundliche
Aktivisten im Internet mobilisieren; den
Schwerpunkt auf den Auftrag israelischer
KünstlerInnen im Ausland, insbesondere an
Design-Ausstellungen und Messen in Europa,
legen und Schauspiele mit israelischer
Kultur produzieren, die sich an ausländische
Universitäten richten, um dem liberalen
Publikum die kulturelle Vielfalt und
geistige Offenheit Israels zu zeigen“.
Besser, so
die Autoren, ließe sich die Bedeutung der
Kultur in der israelischen
Auslandspropaganda nicht beschreiben. Das
alles hat allerdings mit legitimer Werbung
fuer Staat und Gesellschaft nichts zu tun,
es handelt sich um planvolle Aktivitäten zur
Rechtfertigung, Vertuschung und Verewigung
von kolonialer Herrschaft.
Gegenstrategien und Massnahmen -
Gestuetzt auf akademische Ausarbeitungen,
loyale Wissenschaftler, Geheimdienste und
Marketing-Strategen zielen diese Massnahmen
bewusst darauf ab, die koloniale und
repressive Realität in Israel und den
geraubten Gebieten „weisszuwaschen“, der
internationalen Öffentlichkeit Sand in die
Augen zu streuen und schwerwiegende
Eingriffen in die demokratischen Strukturen
anderer Länder zu organisieren. Die
Besatzung und Annexion werden
gerechtfertigt, die inneren – sozialen und
kulturellen - Widersprueche des Landes
werden verkleistert, Israel wird ein
sympathisches „Nation Branding“ (z.B. mit
der liberalen LGBT-Szene in Tel Aviv)
verpasst; kulturelle Aktivitäten und
entsprechende internationale Auftritte
werden gezielt im Interesse des Staates
eingesetzt, ausgewählte Autoren, Kultur- und
Filmschaffende (in aller Regel privilegierte
juedische und keine arabischen Israelis),
die sich mal ein kritisches Wort gegenueber
der Besatzung erlauben, aber die
grundlegenden zionistischen Staatsdogmen
niemals infrage stellen, werden
international plaziert, um damit die
„lebendige Demokratie Israels“ zu beweisen;
die Berufung auf grundlegende demokratische
und Freiheitsrechte wird systematisch
untergraben, ihre Unterstuetzer verleumdet,
um ihre berufliche Existenz gebracht;
kritische Politiker (prominentestes
Beispiel: Labour-Vorsitzender Jeremy Corbyn)
sollen aus dem Weg geräumt werden.
All dies tue
man, um die „Zerstörung Israels“ zu
verhindern. Dagegen zitieren die Autoren den
Mitbegruender von PACBI und BDS, Omar
Barghouti: „Wenn Freiheit, Gerechtigkeit
und gleiche Rechte fuer alle die Zerstörung
Israels bedeuten, was sagt das ueber Israel
aus?“
Sivan/Laborie
behandeln auch eine Reihe von Einwänden
gegen PACBI/BDS und widerlegen diese. So
richtet sich PACBI/BDS eindeutig nicht gegen
Individuen, gegen ihre Herkunft, ihre
Religion oder ihre politischen
Einstellungen. Die Zusammenarbeit mit
Gegnern der offiziellen israelischen Politik
ist im Gegenteil ausdruecklich erwuenscht.
Kolonialismus hat auf Dauer keine Chance -
Eins duerfte nach der Lektuere dieses
verdienstvollen Buchs klar werden: Die
brutale Wirklichkeit eines Apartheid- und
Besatzerstaats kann auf Dauer auch nicht mit
wechselnden Strategien des Verleugnens, der
Manipulation, Sympathie-Werbung und immer
neuen Verschönerungsbegriffen vertuscht
werden. Die dahinter stehende Angst, dass –
wie bei Suedafrika - Entwicklungen eintreten
können, die irgendwann einmal ganz schnell
die „Firewall gegen die Delegitimierung“
Israels zum Einsturz bringen, ist mit Händen
zu greifen. Natuerlich geht es nicht um
Israel an sich oder den juedischen Teil der
israelischen – Bevölkerung. Es geht um die
Aufgabe des zionistischen Staatsdogmas und
seiner – dem Völkerrecht hohnsprechenden -
kolonialen und Apartheid-Praxis. Es geht
darum, fuer beide Völker – Israelis und
Palästinenser – einen Weg in eine friedliche
und gerechte Zukunft zu bahnen. Jedes neue
Massaker an den um ihre Existenz und Zukunft
kämpfenden Palästinensern, jede Verhaftung
und Verteilung von Jugendlichen wie der
tapferen Ahed Tamimi, jeder weitere Abbau
von demokratischen Rechten in Israel selbst
stellt die letzte Kolonialmacht der Erde
bloss, wie den Märchenkaiser mit seinen
angeblich „neuen“ Kleidern. Dem Buch ist
weite Verbreitung und politische Wirksamkeit
zu wuenschen. Die Besprechung
ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift
Internationale (4/2018) erschienen.
Wir müssen gemeinsam auf die Angriffe
der israelischen Regierung und der Canary
Mission auf die Anwälte für Palästina
reagieren - Robert Herbst -
06.08.2018
Der Forward hat an
aufeinanderfolgenden Tagen zwei wichtige
Artikel über die verdeckte Strategie des
israelischen Ministeriums für Strategische
Angelegenheiten und seiner verbündeten,
rechtsstehenden NGOs in Israel und in den
Vereinigten Staaten , am promintesten die
Canary Mission, veröffentlicht, die junge
Amerikaner auf dem Campus, die es wagen sich
für die Rechte der Palästinenser
einzusetzen, zum Schweigen zu bringen, zu
marginalisieren und schließlich die
Aussichten auf einen Job und Einkommen zu
vernichten.
Die Angriffe auf studentische Aktivisten,
die in den Artikeln genau beschrieben
werden, sind übel, koordiniert und haben oft
den beabsichtigten Erfolg: sie bringen
Studenten dazu ihre Meinung nicht zu sagen,
an Meetings nicht teilzunehmen, nicht
prominent an öffentlichen Diskussionen und
nicht-gewalttätigen an Demonstrationen
teilzunehmen und BDS nicht öffentlich zu
unterstützen oder für BDS-Resolutionen zu
stimmen, die Israels diskriminierende
rassistische Politik (Methoden) der
Benachteiligung und Unterdrückung der
Palästinenser publik machen, kritiserien und
zu verhindern hoffen. Die Angst, für ihren
Einsatz "bestraft und auf der Webseite der
anonymen Canary Mission als "rassistisch"
(!) dargestellt zu werden, auf eine
"schwarze Liste" zu kommen, und der
beruflichen Chancen nach dem College beraubt
zu werden, hat anscheinend in vielen Fällen
den erwünschten abschreckenden Erfolg, was
das Ziel der israelischen Strategie ist.
Diese verdeckten Operationen kommen
natürlich zu einer Zeit, in der das
Eintreten für die Rechte der Palästinenser
Form anzunehmen beginnt und in den letzten
Monaten verstärkt durch das skandalöse
israelische Schießen auf unbewaffnete
palästinensische Demonstranten am Gaza-Zaun
sowie die Verabschiedung des Jewish
Nation State Basic Law, das die
israelische Apartheid in Israels
verfassungsrechtlichem Gebäude verankert.
Wie der unbeugsame Richard Falk kürzlich
bemerkte, bieten diese Vorkommnisse und eine
"sich rasch verbreiternde globale
Solidaritätsbewegung", beispielhaft die sich
ständig vergrößernde BDS-Kampagne,
"verheißungsvolle Möglichkeiten für die
palästinensische nationale Bewegung, ihre
eigene Agende vorwärts zu bringen".
Da der der jüdischen Unterdrückung der
Palästinenser zugrundeliegende Rassismus
immer offenkundiger wird, ist die kognitive
Dissonanz zwischen ihm und den bleibenden
religiösen und moralischen jüdischen Werten
für manche amerikanische Juden schwerer
auszuhalten, vor allem für unsere jungen
Leute in den College-Campus. Nachdem die
gemeinschaftliche Unterstützung der
amerikanischen Juden eine so wesentliche
Rolle bei der Ermöglichung der Unterdrückung
gespielt hat, ist es voll verständlich, dass
die Unterstützer und die israelische
Regierung ihre verdeckten strategischen
Angriffe darauf fokussiert haben. Ihre
Bereitschaft ihre "Waffen" an jungen
amerikanisch-jüdischen Verteidigern der
Rechte der Palästinenser zu trainieren,
macht einen häßlichen Sinn, da ihre Kritik
am jüdischen Rassismus eine existenzielle
Herausforderung der Fähigkeit der jüdischen
Israelis darstellt ihre Herrschaft und
Kontrolle über das Leben der Palästinenser
beizubehalten. Die BDS-Bewegung, die sich
zur Unterstützung der südafrikanischen
schwarzen nationalen Solidarität
entwickelte, stellte eine ähnliche,
letztlich erfolgreiche Herausforderung der
Apartheid der Afrikander dar.
Deswegen sehen wir jetzt zum ersten Mal in
der Geschichte Israels, dass der jüdische
Staat Juden die Einreise untersagt, wenn sie
zu eifrig für die Rechte der Palästinenser
eintreten, obwohl Israel ein sicherer Hafen
sein sollte, in den jeder Jude aus der
ganzen Welt kommen kann. Auch weil ein
beträchtlicher Teil der amerikanisch
jüdischen Community bereit ist, sich über
die eigene Jugend aufzuregen. Und weil der
Einsatz für israelische und amerikanische
Juden und Palästinenser so hoch ist, dass
wir, und besonders unsere jungen Leute auf
dem Campus, gut daran tun würden, uns zu
erinnern, dass nach den unsterblichen Worten
von Mr. Dooley "Politik kein Sitzsack ist".
Dieser Kampf ist nichts für ängstliche
Naturen. Und die, die sich gedrängt fühlen
am Campus oder anderwo teilzunehmen, müssen
sch stark werden.
Ich frage mich allerdings, ob wir nicht mehr
tun können – die von uns bei Jewish Voice
for Peace und in anderen Bereichen der
Solidaritätsbewegung –. um unsere jungen
College-Aktivisten – Juden, Christen und
Muslime – vor den Aussagen von Canary
Mission und ähnlichen schützen zu helfen.
Ich bin gerade zu Against Canary Mission
gegangen (againstcanarymission.org), um dort
mein Profil als Solidarität(saktivist) zu
unterbreiten, mit all denen, die wegen ihrem
pro-palästinensischen Einsatz
Verleumdungskampagnen ausgesetzt waren. Es
gibt jetzt mehr als 2.000 Profile von
Aktivisten bei Canary Mission. Es wäre toll
10.000 oder mehr Profile auf Against Canary
Mission zu haben.
Noch wichtiger sind Bemühungen, die wir
machen sollten, um die negativen
Auswirkungen auf unsere jungen Leute
abzumildern. Wir sollten Einfluß auf unsere
Colleges und Universitäten ausüben, damit
für jeden auf Webseiten wie der Canary
Mission verleumdeten Studenten oder Schüler
Jobberatung angeboten wird. [...]
[...] Wer von uns berufliche Praxis oder
eigene Unternehmen hat, könnte freiwillig
helfen. Wir müssen alle kreativ denken, um
Mittel zu finden, denen zu [...] helfen, die
mutig genug sind, trotz dieser Attacken ihre
Meinung zu sagen, zu protestieren und für
Gerechtigkeit für Palästina zu
organisieren. [...}
Die Rechtsanwälte unter uns sollten über
weitere kreative Möglichkeiten nachdenken,
um gegen diese Einschüchterung dieser jungen
Aktivisten (advocates) zu kämpfen.
Quelle
Übersetzung/Kürzung: K. Nebauer
Israels Politik
in Gaza ist genozidal -
Haidar Eid - 3.08.2018 - Die
Konvention über Völkermord von 1948 stellt
eindeutig klar, dass ein Beispiel für
Völkermord "die vorsätzliche Auferlegung von
Lebensbedingungen mit dem Ziel der
physischen Zerstörung eines ganzen Volkes
oder eines seinerTeile", ist. Dabei spielt
es keine Rolle, ob dies schnell geschieht
oder in Zeitlupentempo. Und genau das hat
Israel seit der Verhängung der Blockade und
den folgenden Massakern mit Gaza gemacht
hat, mit mehr als 4000 Toten in drei
aufeinanderfolgenden genozidalen Kriegen.
Palästinenser in Gaza leben unter einer
andauernden, illegalen, lähmenden
israelischen Belagerung, die alle
Lebensbereiche zerstört hat, und die den
früheren UN-Sonderberichterstatter für
Menschenrechte Richard Falk dazu veranlaßt
hat, sie als "Vorspiel zu einem Genozid" zu
beschreiben. 2009 befand die UN-Fact Finding
Mission zum Gazakonflikt, dass Israel
schuldig ist, "Kriegsverbrechen und mögliche
Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
begangen zu haben, wie das auch größere
internationale Menschenrechts-Organisationen
wie Amnesty International und Human Rights
Watch fanden.
Der Goldstone-Report kommt zum Beispiel zu
dem Ergebnis, dass Israels Krieg gegen Gaza
"geplant war, um eine zivile Bevölkerung zu
bestrafen, zu demütigen und zu
terrorisieren, seine lokale wirtschaftliche
Kapazität zu arbeiten und sich selbst zu
versorgen, zu schwächen und ihr ein ständig
wachsendes Gefühl der Abhängigkeit und
Vulnerabilität aufzuzwingen".
Das gleiche Szenario wurde 2012 wiederholt,
und ein noch schlimmeres 2014, nur weil
Israel erlebt, dass es weiterhin mit voller
Straflosigkeit Kriegsverbrechen verüben
kann. Und letzte Woche hat Israel
beschlossen, die Blockade durch die
Schließung des einzigen Grenzübergangs für
Handel zu verschärfen und sogar seine
Angriffe auf friedliche Demonstranten zu
steigern, die die Umsetzung der
UN-Resolutionen und ein Ende der tödlichen,
hermetischen Belagerung forderten. Bei ihrem
Besuch in Gaza beschreibt Professor Sara
Roy, eine Expertin für Gaza, den
Gazastreifen als "zerrissen, zerschrammt,
das Leben seiner Menschen zerstört. Gaza
geht unter der Last der ständigen Zerstörung
zugrunde, es ist nicht in der Lage normal zu
funktionieren"... Professor Roy kommt zu dem
Schluss, dass "der Niedergang und die
Behinderung der Wirtschaft und der
Gesellschaft von Gaza beabsichtigt war, das
Ergebnis der Staatspolitik (Israels) –
bewußt geplant, durchgeführt und
aufgezwungen... Und so wie Gazas
Zusammenbruch absichtlich organisiert worden
ist, so verhindern auch die Behinderungen
seine Erholung." Zusätzlich zu den täglichen
Angriffen und Luftschlägen Israels leiden
die Gazaner auch noch durch die Kontaminaton
von Wasser, Luft und Boden, seit das
Abwassersystem wegen der Stromkürzungen
infolge Treibstoffmangels für die größeren
Generatoren nicht mehr arbeiten kann.
Krankheiten infolge von Verletzungen durch
international verbotene Butterfly-Munition
und andere illegale israelische Waffen
können ebenso wie die infolge der
Kontamination des Wassers wegen der Blockade
nicht behandelt werden. Zusätzlich zum
Verbot von Baumaterial verhindert Israel den
Import von Glühbirnen, Kerzen,
Streichhölzern, Büchern, Kühlschränken,
Schuhen, Kleidung, Matratzen, Leintüchern,
Bettdecken, Tee, Kaffee, Würsten, Mehl,
Kühen, Pasta, Zigaretten, Brennstoff,
Bleistiften, Kugelschreibern, Papier etc. In
Gaza fragen sich die Menschen, ob die
derzeitige israelische Regierng, die
faschistischste in der Geschichte des
Landes, nicht auch noch über ein Verbot von
Sauerstoff diskutieren könnte! Dazu kommen
die Strafmaßnahmen durch die PA und die
drastischen von der UNRWA übernommenen
Einschnitte, ganz zu schweigen von der
ständigen Schließung des Grenzübergangs von
Rafah, dem einzigen Tor (exit) in die Welt
draußen, was zu einer der höchsten
Arbeitslosenraten und Armut auf der Erde
führt.
Die Gazaner sind jetzt in der Tat zu der
Schlußfolgerung gekommen, dass Israel
beabsichtigt den Gazastreifen zu zerstören,
weil staatliche Organe und Führer lieber
reden und absolut nichts tun. Die
unverfrorene Weigerung Israels mit der
Entscheidung der internationalen
Gemeinschaft den Gazastreifen wieder
aufzubauen zu kooperieren, wofür in Sharm
El-Sheikh mehrere Milliarden Dollar zugesagt
wurden, sollte nicht hingenommen werden.
Israels Angriffe haben viele öffentliche
Gebäude ganz oder teilweise zerstört und
nach Berichten des UN-Büros für die
Koordination humanitärer Angelegenheiten
tausende Häuser von Familien, Schulen,
Universitäten und Betriebe schwer beschädigt
oder völlig zerstört. Vielen Palästinensern,
die die letzten Winter und Sommer in Zelten
und Caravans verbracht haben, wurde auch das
Material zum Wiederaufbau von Wohnhäusern
und Schulen versprochen – trotzdem ist bis
heute nichts passiert, um ihr Elend zu
erleichtern.
Die Praxis der kriminellen absichtlichen
Tötung von Zivilisten aus dem Hinterhalt,
deutlich gemacht an den außergerichtlichen
Tötungen nicht-gewalttätiger Demonstranten
am östlichen Zaun des Gazastreifens ist kein
Einzelfall. Sie ist ein wesentlicher
Bestandteil einer andauernden,
flächendeckenden Politik, die
palästinensische Zivilisten des
Gazastreifens angreift, und ihnen
systematisch ihr Recht auf Freizügigkeit,
Arbeit, medizinische Betreuung, Studium,
Lebensgrundlagen und zunehmend das Leben
selbst verweigert. Und es ist auch ein
Ausdruck der Natur des Staates Israel, einer
Siedler-Kolonie. Israels führender,
anti-zionistischer Historiker Ilan Pappé
beleuchtet die treibende Ideologie hinter
dieser genozidalen Politik:
Zionismus ist in seiner Essenz eine
siedlerkoloniale Bewegung, die deren
Interesse es war, von Palästina so viel Land
mit so wenig Palästinensern wie möglich
zu haben. Wie es der letzte Wissemschaftler
des Siedler- Kolonialismus, Patrick Wolfe,
gesagt hat: die Konfrontation der Siedler
mit der einheimischen Bevölkerung löste die
"Logik der Eliminierung der
Einheimischen" aus. In manchen Gegenden, wie
Nord-Amerika, war die Ausrottung der
Einheimischen im wahrsten Sinn des Wortes
ein Genozid an Einheimischen; in Palästina
war es eine andere Art der Eliminierung, sie
wurde durch Segregation, ethnische
Säuberung und die Bildung von Enklaven
erreicht.
Trotz des einseitigen angeblichen Rückzugs
Israels aus dem Gazastreifen 2005, hält es
noch immer eine dauernde militärische
Präsenz in den Territorial-Gewässern Gazas
aufrecht und kontrolliert jede Bewegung von
Menschen und Gütern in den Gazastreifen zu
Land und zu Wasser sowie jede Bewegung
innerhalb des Streifens und schießt auf
jeden, der die vom israelischen Militär
festgelegte "no-go-Zone" betritt. Israel
kontrolliert auch weiterhin das
Bevölkerungsregister. Trotzdem behauptet
Israel, es sei nicht mehr Besatzungsmacht
des Gazastreifens, und benützt diese
Ausrede, um, auch wegen der Ergebnisse der
demokratischen Wahlen von 2006, die Politik
der Belagerung und der tödlichen Angriffe
auf Zivilisten des Gazastreifens zu
intensivieren.
Und jetzt hat Israel beschlossen ganz
unverhohlen ein Apartheid-Staat durch
Legalisierung rassischer Diskriminierung zu
werden. Ich habe mich sehr bemüht
herauszufinden, ob es in der Welt ähnliche
Verfassungen oder Gesetze wie das "neue"
Nation State Basic Law" gibt, das eine
gesetzliche Basis für jüdische Vorherrschaft
und Rassismus gegenüber den einheimischen
Palästinensern schafft, einschließlich
derer, die im größten open-air-Gefängnis der
Welt leben: nur im Südafrika der Apartheid
und in Amerika in den Zeiten der Sklaverei
und Segregation.
Was ist zu tun? In einem in
Middle East Eye veröffentlichten Artikel
fragt Gideon Levy: "Israel, wo bleibt deine
Empörung über das Apartheid-Gesetz?" Ehrlich
gesagt, wir erwarten nicht, dass eine
siedler-koloniale Gesellschaft etwas gegen
ihren eigenen Rassismus tut. Die Welt
draußen muss intervenieren. Daher unser
Appell für #BDS. Und wir in Palästina
brauchen dringend ernsthafte Diskussionen
über ein Programm für einen radikalen
politischen Wandel, was mit dem deaströsen
Scheitern des existierenden Programms,
rechts und links, (nötig geworden ist, Ü.),
einem Programm, das sich selbst von der
rassistischen Zwei-Staaten-Lösung trennt –
eines, das ein umfassendes Programm
unterstützt, das die Rechte aller Segmente
der palästinensischen Bevölkerung
garantiert.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Ein
verfaultes System, nicht bloß verfaulte
Äpfel - Libby Lenkinsky - 1.08.2018 -
Siedlergewalt gegen Menschenrechtsaktivisten
ist nicht das Werk von ein paar "verfaulten
Äpfeln", sondern eine von der Regierung
unterstützte Strategie, die gefährliche
Konsequenzen haben könnte. Wir müssen
darüber ganz ernst sprechen.
Während der letzten Wochen haben die Siedler
der Westbankstadt Hebron ihre Schikanen
gegen die Aktivisten von Breaking the
Silence, die gleichermaßen für Israelis und
Internationale Stadtführungen machen,
verstärkt. Vor zwei Wochen bewarfen Siedler
die Reiseführerin Frima Bubis mit Farbe, als
sie eine Gruppe von Birthright-Teilnehmern
(die sich dazu von Birthright getrennt
hatten), und am Montag hat ein
rechtsstehender Aktivist den Gründer von
Breaking the Silence während einer Führung
körperlich angegriffen.
Für manche Beobachter und sicherlich für die
israelische Regierung ist es bequem, diese
Aktionen und Individuen als Verirrung und
Extremisten zu betrachten – nur ein paar
verfaulte Äpfel. Ich wünschte, es wäre so.
Tatsächlich hat die Reaktion auf diese
Vorkommnisse bewiesen, dass es keine
Verirrungen sind; dass sie wirklich von den
israelischen Behörden ermöglicht werden.
Obwohl die Person, die Yehuda Shaul
angegriffen hat, festgenommen, verhört und
wieder freigelassen wurde, hat Israel es
konsequent abgelehnt, das Dauerproblem der
Siedlergewalt ernst zu nehmen und die zur
Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen,
um es auf eine korrekte Weise anzugehen.
Man stelle sich für einen Augenblick vor,
wie es ausschauen würde, wenn die
israelische Regierung die Siedlergewalt
ernst nehmen würde. Wir würden vermutlich
sehen, dass Schritte zur Strafverfolgung
eingeleitet und die auf Video aufgenommenen
gewalttätigen Siedler festgenommen werden,
die Shaul, Bubis und den Vorsitzenden von
Breaking the Silence, Aver Gvaryahu,
verhöhnt und angegriffen haben. Wir würden
verstärkte, vom Staat beigestellte
Sicherheit(smaßnahmen) für die Leitung von
Breaking the Silence sehen, um deren
Sicherheit zu gewährleisten. Wir würden ein
ordnungsgemäßes Strafverfahren sehen,
Untersuchungen, Anklagen, Urteile. Jeder und
jedes Mitglied der Knesset, der an die
Rechtsstaatlichkeit glaubt, würde seine
Stimme erheben und klar machen, dass ein
solches Verhalten inakzeptabel ist. Wir
würden auf jedem größeren Medienkanal eine
Berichterstattung über die gewalttätigen
Vorkommnisse sowie eine Verurteilung von
seiten der Führer der Siedler und der
religiösen Führer sehen.
Nichts davon geschieht. Warum? Weil der
Angriff auf Yehuda nicht das Werk eines
verfaulten Apfels ist, sondern das Ergebnis
(Auswirkung) eines verfaulten Systems, das
in Ordnung gebracht werden muss. Manche
werden sagen, dass das kein großes Problem
sei, dass wir größere haben – aber sie irren
sich. Hier drei Gründe dafür:
1) Die wirkliche Story ist die Besatzung.
Yehuda möchte keine Aufmerksamkeit wegen dem
Angriff.
Folgendes postete er nach dem Angriff auf
Facebook:
Danke jedem von Euch für Eure Unterstützung
und Besorgtheit im Lauf der letzten Tage. Es
geht mir gut. Gestern wurden zwei
Palästinenser in Hebron mit Pfefferspay
attackiert – wenden wir unsere
Aufmerksamkeit denen zu, die sie mehr
brauchen.
Es ist nicht ungewöhnlich für Leute, die die
Besatzung kennen und sehen, wer den größten
Teil der Siedlergewalt tatsächlich erleidet:
die Palästinenser. Wir müssen immer daran
denken, dass wir, so hart die Situation für
israelische Menschenrechtsativisten auch
wird, nicht unter Besatzung leben und in
vielerlei Hinsicht Teil der privilegierten
Klasse sind.
Doch der Angriff auf Yehuda in Hebron soll
nicht unbeachtet bleiben. Vor drei Jahren
schrieb ich, dass diese Art der Gewalt ein
Kanarienvogel im Kohlebergwerk ist, der eine
sich verschlechternde Politik signalisiert,
und dass man zu Angst und Einschüchterung
greift.
2) Hetze ist im großen und ganzen Teil der
Strategie der Rechten. Der Angriff auf
Yehuda ist das Ergebnis der 10-jährigen
Strategie des Premierministers Netanyahu.
2007 sagte Netanyahu, Israel sei in
Gefahr die Legitimität für seine
Selbstverteidigung zu verlieren. Ende 2007
sagte Ron Dermer, Berater von Netanyahu und
jetzt Israels Botschafter in den Vereinigten
Staaten, es wären "die Feinde im Innern",
die Israelis, die "die schmutzige Wäsche
hinaushängen", damit die Welt die Politik
Israels sieht; sie hätten Schuld an der "Delegitimierung".
Und wer hängt die schmutzige Wäsche nach
draußen? Palästinensische Bürger Israels und
Menschenrechtsorganisationen. Folglich, so
der Gedankengang, müssen wir losgehen.
In der meisten Zeit des letzten Jahrzehnts
hat die Regierung Netanyahu und ihr Netzwerk
der GNGOs (von der Regierung finanzierte und
geförderte NGOs) mit Gesetzgebung,
Verleumdungskampagnen und jetzt Gewalt auf
diese "Feinde im Innern" gezielt.
Die rechtsextreme Gruppe Im Tirtzu hat die
frühere Präsidentin des New Israel Fund,
Naomi Chasan, mit hasserfüllten Plakaten
angegriffen. Jahre später richteten sie ihre
Aufmerksamkeit auf Breaking the Silence.
Erst letzten Monat verabschiedete die
Knesset, unter mehreren gefährlichen
Gesetzesentwürfen, ein Gesetz, das dem
Bildungsminister die Befugnis erteilt,
Breaking the Silence das Betreten von
Schulen zu verbieten.
Die Rhetorik, die für die Verabschiedung
dieses Gesetzes nötig war, ist nichts
anderes als Hetze, weshalb sind wir dann
überrascht, wenn Siedler auf ein Signal hin
einen Führer von Breaking the Silence
angreifen? Das Blut, das die Faust eines
Siedlers verursacht hat, ist nicht nur an
seinen Händen.
Es wird über die ganze politische Landkarte
hinweg geteilt. Nachdem die Rechte Breaking
the Silence ein Jahrzehnt lang dämonisiert
hat, entschloss sich die Opposition bei
dieser Strategie mitzumachen anstatt sich
gegen die wachsende Hetze und Gewalt zu
stellen. Jeder, der zu diesen Dingen nicht
laut den Mund aufmacht, hilft den
Rechtsextremen ihre Ziele zu erreichen. Es
ist so einfach. Es ist so kompliziert. Es
ist ein großes Problem.
3) Unser Verlangen nach Empörung wird nach
und nach angeschoben und getestet. Wenn sich
radikale Siedler an ihrer Regierung
orientieren, so ist auch das Gegenteil wahr.
Die israelische Regierung und ihre GNGOs
testen radikale Ideen, um das Verlangen der
Öffentlichkeit abzuschätzen, worauf dann
Gesetzgebung und Politik folgen, die die
Öffentlichkeit und das nationale Narrativ
langsam mehr und mehr nach Rechts treiben.
Letzte Woche ist Premierminister Netanyahu
mitten im Sturm der anti-demokratischen
Aktivität wieder einmal auf Facebook
gegangen, um den New Israel Fund
anzugreifen, weil er gegen das Jüdischen
National Staats-Gesetz kämpfte. Sein Post
war ein relativ kleines Ereignis, aber es
war ein Testballon: er schätzt damit die
Bereitschaft der Öffentlichkeit ab uns aus
der Gesellschaft hinauszudrängen.
Die eskalierende Siedlergewalt in Hebron ist
eine Strategie, die sehr reale mögliche
Konsequenzen hat, die wir äußerst ernst
nehmen sollten.
1983 wurde der israelische Erzieher und
Aktivist Emil Grunzweig auf einer von einer
Kundgebung von Peace Now von einem radikalen
Rechten, Yonah Avrushmi, getötet. Nach
mehreren Jahren Hetze gegen
Friedensaktivisten durch Rabbiner und andere
rechte Führer hielt Avrushmi es für nötig
die Sache in seine Hand zu nehmen und
während einer Kundgebung in Jerusalem eine
Granate auf Grunzweig zu werfen.
1995 war der Ton und der Tenor der Hetze von
Rechts gegen Premierminister Yitzhak Rabin
und die Linke mit brennenden Bildern und
Darstellungen des Premierministers in einem
Sarg so erhitzt, dass der radikale Rechte
Yigal Amir es für nötig hielt, die
Angelegenheit in die eigene Hand zu nehmen.
Er ermordete Rabin, als dieser bei einer
Friedensdemonstration in Tel Aviv von der
Bühne stieg, eine Tat, die in der Folge eine
neue politische Ära eröffnete und jene, die
hinter der tödlichen Hetze standen, an die
Schalthebel der Macht katapultierte.
Wir haben diese Präzedenzfälle in unserer
Geschichte. Wir wissen, dass dies passieren
kann und wird. Wie viele Signale brauchen
wir noch, um die Hetze und die Testballons
ernst zu nehmen?
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Das Recht der
Unterdrückten auf Widerstand und Rebellion
gegen ihre Unterdrücker - Avigail
Abarbanel - 14. 7. 2018 - Willkommen an
einem Samstagmorgen im Norden Schottlands.
Gestern Abend haben wir uns die Mini-Serie
„Rebellion“ angeschaut. Es geht dabei um die
Geschichte des irischen Osteraufstands von
1916. 2016 sind mein Partner und ich nach
Dublin gereist, um an den Feierlichkeiten
zum einhundertsten Jahrestag des Aufstands
teilzunehmen. Es war unglaublich bewegend,
und ich habe so viel gelernt, nicht nur
durch Museen und die Feierlichkeiten,
sondern durch Gespräche mit den Menschen und
Besuche der Orte, an denen die Ereignisse
stattfanden.
Es war ein ziemlich chaotischer Aufstand,
nicht sehr gut organisiert, mit zu wenigen
und weitgehend untrainierten und
unterbewaffneten normalen Menschen – die
notgedrungen zu Soldaten wurden. Der
Aufstand wurde grausam und ziemlich mühelos
durch die militärische Macht und
Organisation der kolonialen britischen
Streitkräfte niedergeschlagen, die – trunken
vor Macht – befeuert wurden durch ein
typisches und pathologisches Gefühl der
Berechtigung. Nach heftigem Bombardement des
Stadtzentrums mit all seinen baulichen
Wahrzeichen vom Liffey-Fluss aus, waren
weite Teile Dublins in Schutt und Asche
gelegt. Wer weiß, wie viele Menschen
tatsächlich umkamen und wie viele durch das,
was sie erlebt hatten, für den Rest ihres
Lebens gezeichnet waren.
Ohne diese Rebellion hätten sich die Dinge
allerdings nicht so entwickelt, wie sie es
getan haben. Die meisten Iren unterstützten
den Aufstand zunächst nicht, aber als sie
die unverhältnismäßige und unbarmherzige
Antwort des ‚Imperiums‘, das sie
beherrschte, erlebten, wuchs die Opposition
gegen die britische Herrschaft in Irland
dramatisch an. Nach einigen weiteren
schmerzhaften Drehungen und Wendungen, zu
denen ein entsetzlicher Bürgerkrieg gehörte,
erreichte Irland 1948 die volle
Unabhängigkeit von Großbritannien (Unserem
Schottland steht dies noch bevor).
Mir wurde die Geschichte Irlands erst in den
letzten vier Jahren so recht bewusst, seit
ich meinem irischen Partner begegnet bin.
Als ich mich fragte, warum ich nichts über
Irland wusste, wurde mir klar, dass wir
nichts über Irland oder Kolonialismus
gelernt hatten, als ich in Israel aufwuchs.
In der Schule habe ich durchaus zugehört und
aufgepasst. Ich war ein neugieriger und
motivierter Einser-Schüler während meiner
gesamten primären und sekundären
Schulerziehung. Wenn sie uns irgendetwas
entsprechendes gelehrt hätten, würde ich
mich daran erinnern.
Auf der Grundschule und im Gymnasium lernten
wie zwei Arten von Geschichte. Eine war die
Geschichte des Zionismus, die in besonderen
Klassen als ein besonderes Fach gelehrt
wurde. Die andere war die „allgemeine
Geschichte“. Beide Fächer waren höchst
mangelhaft. Wir lernten die staatlich
genehmigte Version des Zionismus als einer
wohlwollenden, gerechten, heldenhaften
Pionierbewegung, die gegründet wurde, um uns
Juden vor der Verfolgung zu schützen durch
die Errichtung eines modernen,
sozialistischen und gerechten jüdischen
Staates auf „unserem“ angestammten Land, dem
Land, in das wir „nach zwei Jahrtausenden
des Exils zurückgekehrt waren“. Alles Unsinn
natürlich, aber man ließ es stimmig
erscheinen, mehr oder weniger…..
In „allgemeiner Geschichte“ lernten wir
nichts über Kolonialismus, über Nord- und
Südamerika, Indien, Australien, den
Vietnam-Krieg. Nur in zionistischer
Geschichte lernten wir über Großbritannien
als dem „Imperium“, das uns Juden in
Palästina unterdrückte. Wir erfuhren von
unseren „tapferen“ Untergrundbewegungen, die
die Briten erfolgreich bekämpften und aus
Palästina vertrieben. Nichts lernten wir
über den britischen Kolonialismus und den
Siedlerkolonialismus, und was Kolonialismus
allgemein den Völkern antut, nichts über die
Ungerechtigkeiten, die Großbritannien und
andere Kolonialstaaten ihren Kolonien
überall auf der Welt zufügten.
Ich habe immer geglaubt, dass die Qualität
unserer (sehr zentralisierten) Erziehung gut
sei. Aber war sie tatsächlich so gut, wenn
sie so viele Lehrstellen enthielt, noch dazu
so große….? Ich konnte nicht wissen, dass
wir erzogen wurden, genau das zu wissen, was
die Mächte, die uns regierten, uns wissen
machen wollten. Nicht mehr und nicht
weniger. Die Aufgabe der Erziehung war es,
uns vorzubereiten, gute, kleine,
ferngesteuerte Drohnen zu werden, die nicht
fragen oder ungehorsam sind, die zu einer
weiteren Generation erzogen wurden, die sich
der Aufrechterhaltung und der Fortsetzung
des zionistischen, siedlerkolonialistischen
Projekts in Palästina widmet. Größtenteils
verlief dies auch erfolgreich. Meine
Generation macht in Israel, sogar außerhalb
Israels, genau das, was man von ihr erwartet
hat. In diesem Erziehungssystem bin ich
einer der Fehlschläge, von denen es nicht so
viele gibt.
Warum haben wir nichts über den
Kolonialismus gelernt? Warum haben wir
nichts davon erfahren, was der Kolonialismus
indigenen Völkern antut, warum nichts vom
Freiheitskampf so vieler unterdrückter
indigener Völker? Wir lernten vom Kampf der
jüdischen Kolonisten in Palästina gegen das
britische [Völkerbunds-]Mandat, als wäre er
ein gerechter und redlicher Kampf von
Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker
gewesen. Es war alles so verdreht. Als wir
über unseren eigenen Kampf gegen das
britische Mandat lernten, taten wir dies aus
einer ganz und gar engen
jüdisch-israelischen Perspektive. Warum
lernten wir nichts vom Kampf gegen die
Sklaverei, oder vom langen Kampf der Frauen
für unser Recht, als gleiche menschliche
Wesen angesehen zu werden?
Ich vermute, dass dies wohlüberlegt war.
Wenn wir gelernt hätten, was der
Kolonialismus den Menschen antut, wäre es
nur eine Frage der Zeit gewesen, bis
zumindest einige von uns begonnen hätten,
Zusammenhänge herzustellen. Wenn wir den
Kolonialismus und das, was er den
Kolonisierten antut, verstanden hätten,
hätte die Gefahr bestanden, dass wir das,
was den Palästinensern widerfuhr, in diesen
Kontext gestellt hätten. Und es wäre der
richtige Kontext gewesen, abgesehen davon,
dass Israel nie wollte, dass wir den
Zionismus als eine siedlerkolonialistische
Bewegung wie alle anderen zuvor ansahen, und
dass er das indigene Volk für unsere Ziele
und Zwecke so zugrunde richtet wie jede
andere siedlerkolonialistische Bewegung vor
ihm. Israel wollte nie, dass wir erkennen,
dass die Palästinenser das versuchen, was
alle kolonisierten Völker immer schon
versucht haben: Widerstand zu leisten.
Generationen von jüdisch-israelischen
Kindern wurde nie gestattet aufzuwachsen und
die Wahrheit zu erkennen. Ich hätte niemals
so bereitwillig meine zwei Jahre
Militärdienst absolviert, wenn ich die
Wahrheit gewusst hätte.
Wenn man von der Kolonialherrschaft
Großbritanniens in Irland liest, die Bilder
von Jahrhunderten des Kolonialismus und
Siedlerkolonialismus sieht, wenn man die
Geschichten liest und die Hinterlassenschaft
versteht, ist es leicht, die Ähnlichkeiten
zu sehen zwischen dem, was die Briten in
Irland taten und dem, was die zionistische
Bewegung bzw. jüdische Israelis in Palästina
machen. Die gleiche Taktik, die gleiche
Kontrolle, die gleiche Politik der
Entmenschlichung und Verdrängung, die den
Versuch umfasst, eine Kultur, ihre
Geschichten, Sprache, alles, was sie
einzigartig macht, auszulöschen. Ohne
Entmenschlichung ist es schwierig, Menschen
Leid zuzufügen. Wenn man fähig ist zu
erkennen, dass der andere einem gleicht, ist
es nicht mehr so leicht, ihm Leid und
Schaden zuzufügen. Wenn es dir gelingt, die
Unterdrückten in den Augen der anderen zu
entmenschlichen, kannst du auch davon
ausgehen, dass sie nicht sehr viel
Unterstützung bekommen.
Ich war ein missbrauchtes Kind, das in einer
höchst kontrollierten Umgebung aufwuchs, wo
ich unter dem Vergrößerungsglas meines
Unterdrückers lebte. Vom Säuglingsalter an
war ich Opfer von Gewalt in all ihren
Erscheinungsformen. Als ich begann, mich
gelegentlich dagegen zu wehren, misshandelte
mich mein Unterdrücker. Für einen
Erwachsenen ist es nicht schwer, ein Kind zu
misshandeln. Ich hatte keine Rechte und
keine Macht. Sie hatte alles. Ich konnte
nicht entkommen, weil ich abhängig war.
Selbst als ich alt genug war, bedurfte es
einer beträchtlichen psychischen
Anstrengung, um letztendlich aus dem
Gefängnis der gegenseitigen Abhängigkeit
auszubrechen, in die hinein meine
Unterdrückerin mich erzogen hatte.
Wenn du unterdrückt wirst, erlaubt man dir
nicht, du selbst zu sein. Um Macht und
Kontrolle geht es bei der Unterdrückung. Sie
hat keinen anderen Grund als das Bedürfnis
des einen, den anderen für seine eigenen
Zwecke zu missbrauchen. Wenn du unterdrückt
wirst, bist du keine Person. Du bist ein
Mittel zum Zweck. Als solches hast du zwei
Möglichkeiten: dich zu unterwerfen und das
zu sein, was dein Unterdrücker auch immer
möchte, dich aufzugeben und langsam zerstört
zu werden, oder aber zu rebellieren und
unter Einsatz all deiner Mittel den hohen
Preis zu zahlen, um zu widerstehen und mit
dem Gegenschlag fertig zu werden, der immer
kommt. Anstatt zu wachsen, dich zu
entwickeln und deine Ressourcen einem
erfüllten Leben zu widmen, wirst du
zwangsläufig ein Soldat, ein Kämpfer. Das
Wesen der Unterdrückung besteht darin, keine
guten Chancen zu haben. Psychopathen stellen
dies sicher. Entweder opferst du alles, was
dich ausmacht, oder du wirst zu einem Leben
im Kampf gezwungen. So oder so kannst du
zerstört werden.
Als Kämpfer musst du mit der Abstempelung
durch andere leben. Du bist ein „Terrorist“
oder ein „undankbares“ und „böses“
Kind…..Menschen, die unterdrückt werden,
erfahren wenig Sympathie. Ich bekam keine.
Wenn ich heute ein Kind wäre, hätte ich die
Chance, meiner Familie entzogen zu werden.
Damals gab es keinen Schutz für Kinder. Die
Eltern waren Götter, und die Gesellschaft
griff in die „häusliche Sphäre“ nicht ein.
Kinder (und Frauen) zu schlagen, war die
Norm, und sexueller Missbrauch von Mädchen
in der Familie, besonders durch den Vater,
wurde von der psychiatrischen Zunft nicht
nur nicht als schädlich angesehen, sondern
sogar als hilfreich für die Entwicklung von
Mädchen…! (Dies änderte sich erst in den
1980er Jahren dank einer wunderbaren Frau,
der Psychiaterin Judith L Herman). Ich hatte
niemanden, an den ich mich wenden konnte.
Selbst wenn ich es gewagt hätte, den Mund
aufzumachen, niemand hätte mir geglaubt.
Alle hätten sich auf die Seite meiner Eltern
geschlagen. Aber ich konnte ohnehin nichts
sagen, denn es war Teil des Kontrollsystems
um mich herum, dass ich niemandem etwas
erzählen durfte von dem, was sich in der
Familie abspielte und dem Leben, das ich
dort hatte. Ich musste immer eine fröhliche
Fassade präsentieren und glücklich aussehen,
so dass meine Familie anderen gegenüber
einen guten Eindruck machte. Ich denke,
selbst wenn Leute von dem Terror gewusst
hätten, dem ich jeden einzelnen Tag meiner
Kindheit und meiner Jugend ausgesetzt war,
niemand hätte mir geholfen.
Als unzureichend entwickelte Säugetiere
rotten sich die Menschen eher gegen Opfer
zusammen als ihnen zu helfen. Wir opfern
Individuen immer noch der Meute, die wir
instinktiv schützen, weil wir sie für unser
Überleben zu brauchen glauben. Wenn ein
Individuum oder mehrere geopfert werden
müssen – sei‘s drum.
Selbst jetzt, im Jahr 2018, kämpfen wir
immer noch für den Schutz von Kindern und
anderen unterdrückten Menschen in unserer
Gesellschaft, und es gib viele, deren Leben
hier und anderswo in der Welt fürchterlich
ist. Es gibt Kinder – mindestens ein Viertel
der Mädchen, und wir wissen nicht, wie viele
Jungen –, deren alltägliches Leben nichts
weniger als die Hölle sexuellen Missbrauchs
und der Gewalt ist. Wir sind immer noch weit
entfernt davon zu erkennen, wenn ein Kind
leidet, und falls wir es bemerken, ist das,
was wir – wenn überhaupt - dagegen tun,
bedauerlich unangemessen.
Unterdrücker sind Psychopathen. Was sonst
für eine Person würde sich daran erfreuen,
andere zu kontrollieren, ihre Macht zu
missbrauchen? Nur Psychopathen in all ihrer
Vielfalt genießen dies. Normale Menschen
mögen sich zuweilen schlecht benehmen. Aber
sie haben nicht das Bedürfnis, andere zu
kontrollieren, und sie würden gewiss kein
Vergnügen daran empfinden, über mehr Macht
als andere zu verfügen. Ich werde niemals
das Grinsen im Gesicht meiner Unterdrückerin
vergessen, wenn es ihr gelungen war, mich
wieder einmal zu demütigen mit dem Ergebnis
blauer Flecken am Körper oder dass Blut von
meinem Gesicht herabtropfte. Sie wollte
meinen Willen brechen, und es bereitete ihr
Vergnügen, wenn immer sie glaubte, sie hätte
es geschafft. So verhalten sich
Unterdrücker. In meinem Fall hatte meine
Unterdrückerin keinen Erfolg. Hier bin ich,
schreibe dies auf, und es geht mir gut. Aber
nicht jeder hat so ein Glück.
Ich habe mich schon immer gefragt, warum
mich die Geschichte Irlands so stark
berührt. Ich glaube, ich verstehe es jetzt.
Ich erkenne in ihr meine persönliche
Erfahrung. Ich weiß, wie es ist, machtlos zu
sein, gefangen im Griff psychopathischer
Kontrolle. Ich weiß, wie es ist, alles zu
versuchen, „gut“ zu sein, dem Unterdrücker
zu gefallen, die Regeln zu befolgen, die man
dir vorschreibt, weil dir versprochen wird,
dass alles gut wird, wenn du das tust. Aber
du wirst bald erkennen, dass es nichts gibt,
was du je tun kannst, um dein Leben
erträglicher zu machen. Während sich die
Falle langsam um dich schließt, erkennst du,
dass es nichts gibt, was du tun kannst, um
irgendetwas unter Kontrolle zu bekommen,
denn über die ganze Macht und die ganze
Kontrolle verfügt allein dein Unterdrücker.
Du verfügst über gar keine. In einem
psychopathischem System ist das Wichtigste,
was man dir raubt, das Anrecht auf deine
persönliche Macht. Allein den Unterdrückern
steht Macht zu. Aus diesem Grund wurde die
irische Rebellion so entsetzlich
zerschlagen. Aus diesem Grund antwortet
Israel derart unverhältnismäßig auf jedes
noch so friedliche und harmlose Anzeichen
des palästinensischen Widerstands. Israel
will die Palästinenser wissen lassen, dass
sie über keinerlei Macht verfügen, und will
sie jeder Hoffnung berauben, dass sich das
je ändert.
Wenn du gegen Ünterdrücker kämpfst, wirst du
als „böse“ geschmäht und noch mehr bestraft.
Wenn du dich an andere um Hilfe wendest,
wirst du beschimpft, entmenschlicht und
isoliert. Dies geschah dem irischen Volk und
jedem, der je ein psychopathisches System
bekämpfte. Und dies geschieht gerade jetzt
dem palästinensischen Volk. Ja, ich
behaupte, dass Kolonialismus und
Siedler-Kolonialismus im Kern
psychopathische Systeme sind.
Unterdrückte haben das Recht, für ihre
Freiheit zu kämpfen. Es ist unsere Pflicht,
ihnen dabei zu helfen. Ob es sich um
Einzelpersonen oder Gruppen handelt, die in
einem psychopathischen System gefangen sind,
wir haben die Pflicht, bei der Zerstörung
der Machtstruktur behilflich zu sein, die
sie gefangen hält, sie als Mittel zum Zweck
missbraucht und sie daran hindert, ein
erfülltes Leben zu führen und ihr
einzigartiges Potential zu entwickeln.
Ich widersetzte mich unter hohen Kosten,
aber wenn ich mich nicht widersetzt hätte,
wäre ich jetzt tot oder zumindest psychisch
zerstört. Ich habe den Lebenswillen
mindestens zweimal in meiner Jugend verloren
und versucht, Selbstmord zu begehen. Ich
hatte das Glück, nicht zu sterben und mich
zu erholen. Der erste Schritt bestand darin,
mich dem physischen und ökonomischen Griff
meiner Unterdrücker zu entwinden. Aber mir
stand noch eine lange Reise von damals bis
heute bevor. Ich fühle mich jetzt in
Ordnung, aber meine Unterdrücker kamen
ungeschoren davon und haben nie zahlen
müssen (abgesehen davon, dass sie mit sich
selbst und ihrem hässlichen Spiegelbild
leben müssen).
Als ich gestern Abend „Rebellion“ anschaute,
fragte ich mich, wo ich wohl gewesen wäre
und was ich getan hätte, wenn ich damals in
Irland gelebt hätte. Ich weiß, dass dies
davon abhängt, wer ich gewesen und aus was
für einer Familie und sozialen Klasse ich
gekommen wäre. Ich bin eine Frau, und das
heißt, dass ich mich am unteren Ende der
sozialen Hackordnung befunden hätte. Ich
stelle mir gerne vor, dass ich mich dem
Kampf zur Befreiung nicht nur Irlands,
sondern auch der Frauen und der Armen von
der Tyrannei der Unterdrückung angeschlossen
hätte, und dass ich bereit gewesen wäre,
dafür zu sterben.
Ich lebe, und ich habe jetzt eine Stimme.
Ich würde gern meinen Teil beitragen zu
einer Welt, die es niemandem gestattet, sein
Leben als ein zerstörtes zu verschwenden,
oder ihn dazu zwingt, ein Widerstandskämpfer
zu werden. - Ein schönes
Wochenende allen.
Avigail Abarbanel ist geboren und
aufgewachsen in Israel. Sie ging 1991 nach
Australien und lebt heute im Norden
Schottlands. Sie arbeitet als
Psychotherapeutin und ist Aktivistin für die
palästinensische Sache. Sie ist
Herausgeberin von „Beyond Tribal Loyalties:
Personal Stories of Jewish Peace Activists“
(Cambridge Scholars Publishing, 2012).
Weitere Posts von
Avigail Abarbanel..
Quelle
Übersetzung: Jürgen Jung
Überlebensinstinkt oder jüdische
Paranoia ? -
Avigail Abarbanel - 18. Januar 2009 -
Gegen Ende 2002 veröffentlichten Yonatan
Shapira, ein früherer „Black
Hawk“-Hubschrauberpilot, und einige seiner
Kollegen einen „Brief der Piloten“, in dem
sie feststellten:
„Wir, ehemalige und aktive Piloten, die dem
Staat Israel alljährlich während langer
Wochen dienten und (teilweise) immer noch
dienen, lehnen es ab, illegale und
unmoralische Befehle zu Angriffen, die der
Staat Israel in den besetzten Gebieten
durchführt, zu befolgen.
Wir, die wir in Liebe zum Staat Israel
erzogen wurden, um unseren Beitrag zum
zionistischen Projekt zu leisten, weigern
uns, an Angriffen unserer Luftwaffe auf
dicht besiedelte Wohngebiete teilzunehmen.
Wir, für die die IDF ( Israeli Defence
Forces) und die Luftwaffe ein Teil unserer
selbst sind, weigern uns, weiterhin
unschuldige Zivilisten anzugreifen.
Solche Aktionen sind ungesetzlich und
unmoralisch. Sie sind die unmittelbare Folge
der fortwährenden Besatzung, die die
israelische Gesellschaft als ganze
korrumpiert.
Die anhaltende Besatzung versetzt der
Sicherheit des israelischen Staates und
seiner moralischen Stärke einen tödlichen
Schlag.“
Dieser Brief erschien nach einer Serie von
Angriffen auf die dicht besiedelte Enklave
von Gaza. Der letzte Anstoß für Shapira und
seine Kollegen war der Auftrag, „eine
Ein-Tonnen-Bombe ( gleich 100
Selbstmordbomben ! ) auf ein Haus im
Al-Deredg-Viertel, einer der dichtest
bevölkerten Gegenden Gazas, ja der ganzen
Welt, abzuwerfen.“ Shapira beschrieb, wie er
und andere Piloten während und nach diesen
Operationen nachts nicht schlafen konnten,
und dies trotz des Hinweises von Dan Halutz,
des damaligen Oberbefehlshabers der
Luftwaffe, „..daß alles im Zusammenhang mit
diesem Auftrag nach meinem moralischen
Kompaß gerechtfertigt ist...“ und trotz
seiner beruhigenden Worte: „Schlaft gut
heute Nacht...ihr habt den Auftrag perfekt
ausgeführt.“
Am 11. Januar 2009 nahm Shapira an einer
Sendung des israelischen Rundfunks teil, in
der man ihn dem Piloten Ye’ohar Gal, einem
Oberstleutnant der israelischen Luftwaffe,
gegenüber stellte. Dieser hatte Folgendes zu
sagen:
„Ich meine, wir sollten entschiedener
vorgehen. Dresden, Dresden. Eine Stadt
zerstören. Schließlich wurde uns doch
beigebracht, daß die Kriegsführung sich
verändert hat. Es geht nicht mehr um
dröhnende Panzer, wir stoßen nicht mehr auf
reguläre Truppen. Raketen zielen auf
Wohngebiete. Das hat nicht erst heute oder
gestern begonnen. Das ist die Lage seit über
einem Jahrzehnt.
Die arabischen Staaten haben erkannt, daß es
sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich ist,
uns auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Also
haben sie ihre Kampfstrategie geändert. Der
Kampf findet nun zwischen der alten Frau in
Jabaliya und der alten Frau in Sderot oder
Ashdod statt. Das ganze Volk, von der alten
Frau bis zum Kind, ist jetzt die Armee. Eine
Armee, die kämpft.
Ich bezeichne die Palästinenser als Volk –
obwohl ich sie eigentlich nicht als solches
sehe. Ein Volk bekämpft das andere Volk.
Zivilisten kämpfen gegen Zivilisten. Ich
sage dir, daß wir als Söhne von
Holocaustüberlebenden wisssen müssen, daß
diese Erfahrung die Essenz unseres Leben ist
: keiner wirft mehr einen Stein auf uns. Ich
spreche nicht von Raketen. Keiner wird meh
rauf uns einen Stein werfen, bloß weil wir
Juden sind.
Und Yonatan (Shapira) ist einer von denen,
die ihren Überlebensinstinkt verloren haben.
So einfach ist das. Er begreift nicht, daß
hier zwischen Leuten wie ihm und Leuten wie
mir ein Kampf der Kulturen ausgetragen wird.
Er kämpft für den Frieden. Ich will, genau
wie er, auch Frieden....Ich will, daß die
Araber aus Gaza nach Ägypten fliehen. Das
will ich. Ich will die Stadt zerstören.
Nicht unbedingt ihre Bewohner.
Um es glasklar zu machen: Niemand wird uns
beschießen. Es wird keine Kugel von Gilo
nach Jerusalem, keine Rakete von Gaza nach
Sderot fliegen. Ich werde nicht hinnehmen,
daß der Feind auch nur eine einzige Kugel
auf uns abschießt. Sobald der Feind das
Feuer auf mich eröffnet, gebietet mir mein
Überlebensinstinkt, ihn zu vernichten, ihn
zu besiegen. Wenn wir Hamas nicht besiegen –
unsere Abschreckungsfähigkeit gegenüber den
arabischen Staaten, die ja auch darauf aus
sind, uns auf die eine oder andere Weise zu
vernichten - wehe uns, wenn wir diese Kluft
zwischen uns und ihnen nicht bewahren.“ [1]
Ich habe oft über das jüdische Trauma und
seine Auswirkungen auf die israelische
Weltsicht im Allgemeinen und das Verhalten
gegenüber den Palästinensern im Besonderen
geschrieben.
Ich habe den Eindruck, daß die Menschen an
meiner psychologischen Sicht auf den
(Palästina-) Konflikt nicht sonderlich
interessiert sind. Die Mainstream-Medien
scheinen rein politische oder ökonomische
Analysen vorzuziehen, und das lese ich auch
in den meisten Zeitungen und sehe es bei
Fernsehsendern wie der BBC oder der
australischen ABC oder SBS. Aber Gals
Gefühle, die weitgehend ein Echo der
israelischen Medien und der Öffentlichkeit
sind – ich höre israelischen Rundfunk, lese
israelische Zeitungen und Blogs und
korrespondiere mit Israelis -, beweisen
einmal mehr, daß es hier nicht einfach um
Politik geht, sondern um Psychologie,
genauer gesagt: um die Psychologie des
jüdischen Traumas. Dieses Trauma geht dem
Holocaust voraus und führt direkt zurück zu
den frühen jüdischen Erzählungen über die
jüdische Identität, direkt zurück zu den
Geschichten des Alten Testaments.
Gal meint, daß Yonatan seinen
„Überlebensinstinkt“ verloren hat, aber das,
was er Überlebensinstinkt nennt, bezeichne
ich als trauma-bedingte jüdische Paranoia.
Shapira und ich haben, zusammen mit einer
wachsenden Zahl jüdischer Friedensaktivisten
innerhalb und außerhalb Israels, unsere
jüdische Paranoia hinter uns gelassen. Gott
sei Dank ist uns das gelungen, denn das
bedeutet, daß wir vom jüdischen Trauma
geheilt sind. Das Ergebnis ist, daß wir
gesündere, friedlichere Menschen sind, die
die Welt nicht mehr ausschließlich als
feindlich sehen. Wir denken grundsätzlich
nicht mehr in Kategorien wie: „ Es ist gut
für die Juden oder nicht“. Wir glauben
nicht, daß der Zweck unseres Daseins darin
besteht, (die Existenz) des jüdischen Volk
zu bewahren (preserve), und wir können als
Gleiche zusammen mit Nicht-Juden für den
Frieden arbeiten. Wir verbringen auch nicht
jeden wachen Moment - so wie man es uns
beigebracht hat - in Angst vor
Antisemitismus. Wir wissen, daß er, so wie
andere Formen des Rassismus auch, existiert,
aber wir erlauben ihm nicht, darüber zu
bestimmen, wer wir sind, was wir tun, oder
was wir über uns und andere denken und
fühlen. Frei zu sein vom jüdischen Trauma,
bedeutet, frei zu sein von der Angst vor
Antisemitismus.
Zionistische Juden meinen, ich sei verrückt
geworden, weil ich den Antisemitismus nicht
fürchte und mich weigere, mich auf ihn zu
konzentrieren, aber ich meine, ich bin
gesund geworden. Ich habe mal eine E-mail
von einem Israeli bekommen, der mir schrieb:
„Sie sind naiv und dumm, aber dessen
ungeachtet, wenn „sie“ schließlich kommen,
um Sie zu holen, werden Sie angerannt
kommen, und wir werden Sie mit offenen Armen
aufnehmen,“ worauf ich antwortete: „Danke,
aber meine Zeit in Israel ist vorbei, ich
werde mein Glück lieber woanders suchen.“
Ihn überzeugen zu wollen, dass niemand
kommen wird, um mich abzuholen, war sinnlos.
Es handelt sich hier nicht etwa um die
abwegigen Ansichten eines einzelnen. In
ihnen spiegeln sich die Gefühle der Mehrheit
der israelischen Juden und der meisten
zionistischen Juden wider. Selbst gebildete
Menschen empfinden so. Weil wir Opfer des
Antisemitismus wurden, können wir uns nie
entspannen und müssen stets wachsam sein für
den Fall, dass ein neuer Feind der Juden
auftaucht, um uns zu vernichten.
Mit einem Trauma zu leben, ist schrecklich
und führt geradewegs zu den Ansichten und
Gefühlen, die Gal zum Ausdruck brachte und
zu den Verbrechen, die Israel gegenwärtig
(in Gaza) begeht. Ein Trauma, das ja das
Ergebnis von Verletzungen in der
Vergangenheit ist, kann zu dem Glauben
führen, dass alle dich hassen und dich
vernichten wollen – jetzt, immer und nicht
nur in der Vergangenheit. Manche Menschen
reagieren auf das Trauma, indem sie
aggressiv werden und anderen Schrecken
einjagen, um sicher zu stellen, dass es
ihnen nie wieder passiert. So wie Gal, der
sagt: „Keiner wird mehr einen Stein auf uns
werfen, bloß weil wir Juden sind.“
Dies ist eine menschliche Reaktion auf das
Opfersein, und als Psychotherapeutin
verstehe ich das. Jeder kann das Bedürfnis,
nicht wieder verletzt zu werden, verstehen,
aber die Frage ist, zu welchem Preis für
einen selbst und für andere? Mit der festen
Entschlossenheit, nicht wieder verletzt zu
werden, geht oft die Wahrnehmung einher,
dass man selbst „im Recht“ ist und „besser“
als die anderen. Darüber hinaus wird das
frühere Opfer das Überleben als den
höchsten, alles andere überragenden Wert
ansehen. Es macht mich traurig, feststellen
zu müssen, dass die Identität des jüdischen
Volkes völlig auf das Überleben gegründet
ist. Mindestens drei wichtige jüdische
Feiertage beruhen auf der Geschichte eines
blutigen Sieges über einen Feind, der die
Juden zu vernichten suchte: Passah, Purim
und Hanukah. Ich habe vor Jahren aufgehört,
diese Feste zu feiern, weil ich ihre
ursprüngliche Bedeutung als ungut aggressiv
empfinde.
Wenn sich das Leben nur ums Überleben dreht,
bleibt nicht viel Energie für irgend etwas
anderes. Soweit wir das menschliche Gehirn
verstehen, wissen wir, dass ein Leben im
Glauben, man sei ständig existentiell
bedroht, zum Tunnelblick führen kann, zu
kurzfristigem Denken, zu einem Mangel an
Mitgefühl, zu Dauerstress. Dies führt
letztlich zu einer isolationistischen
Mentalität und der Unfähigkeit, den anderen
als Menschen wahr zu nehmen. Genau das ist
Israel im Jahr 2009.
Man beachte, dass Gal sagt: „..bloß weil wir
Juden sind.“ Und dies ist ein weiteres
Problem, das mit dem Trauma einhergeht. Es
führt zur Blindheit. Israelis akzeptieren
nicht, dass ihr Problem mit den
Palästinensern durch die Besatzung
hervorgerufen wurde. Sie glauben
tatsächlich, dass die Palästinenser wütend
auf sie sind und sie angreifen, weil sie
Juden sind. Die meisten Israelis wissen
nicht einmal, dass Israel 1948 eine
ethnische Säuberung durchgeführt hat. Die
meisten Israelis sind im tiefsten Innern
überzeugt, dass Israel in dieser Geschichte
der „Gute“ ist, der nichts Böses getan hat,
der kleine schwache David, der sich einem
gigantischen antisemitischen Goliath
gegenüber sieht. Für viele Israelis sind die
Palästinenser nicht vergleichbar mit den
Nazis, sie sind die Nazis, die mächtigen,
unmenschlichen, gesichtslosen,
zielstrebigen, psychopathischen Mörder, die
entschlossen sind, die Juden, weil sie Juden
sind, zu vernichten. Wenn Israelis
Palästinenser töten, töten sie immer wieder
aufs Neue Pharaoh und seine Armee (Passah),
Hamman und seine zehn Söhne (Purim) und die
griechische Besatzungsarmee (Hanukah).
Die Palästinenser sind die Adressaten einer
zweitausend- jährigen unaufgelösten Wut, die
mehr mit der Vergangenheit als mit der
Gegenwart zu tun hat. In der Therapie nennen
wir das „fehlgeleitete Wut“ (misplaced anger).
Aber ich schätze, es ist angenehmer für
Israelis, die palästinensischen Wut auf den
Antisemitismus abzuschieben, als
Verantwortung für die eigene Geschichte zu
übernehmen.
Die Fragen, die eine solche Betrachtung des
Konflikts durch die Linse des jüdischen
Traumas aufwirft, sind sehr schwerwiegend.
Wie sollen wir damit umgehen? Können wir den
Israelis begreiflich machen, dass ihre Sicht
des Leben und des Konflikts äußerst verzerrt
ist? Werden sie zuhören, wenn wir es
versuchen, und haben die Palästinenser
ausreichend Zeit, darauf zu warten, daß sie
es (endlich) tun? Ich bin in Israel geboren
und aufgewachsen in einer jüdischen Familie
und weiß daher aus eigener Erfahrung, dass
diese Weltsicht sehr mächtig ist und tief in
die eigene Identität eingepflanzt ist. Sie
aufzugeben, bedeutet, alles in Frage zu
stellen, wovon man überzeugt war, und das
ist schmerzlich. Für mich war es sehr
schmerzlich. Aber den Preis dafür, es nicht
zu tun, sehen wir gerade in Gaza, und die
Palästinenser zahlen ihn schon sehr lange,
für gewöhnlich unbemerkt von den
aufmerksamen Augen der Welt.
Es hilft nichts, dass Israel in den USA
einen mächtigen Freund hat, ein Land, dessen
kollektive Geisteshaltung derjenigen Israels
sehr ähnelt. Solange die USA Israels
Blindheit ermöglichen, indem sie jede gegen
Israel gerichtete Entscheidung im
UN-Sicherheitsrat durch ihr Veto verhindern,
indem sie Israel finanziell und militärisch
unterstützen, wird es keinen Grund für die
israelische Führung geben, ihre Wahrnehmung
der Realität in Frage zu stellen. Israel
braucht wirkliche Freunde, die es mit
„hartnäckiger Liebe“ (tough love) vor sich
selbst schützen können, die ihm helfen
können zu sehen, was zu sehen es selbst
nicht fähig ist. Nachsicht gegenüber Israels
Trauma und Blindheit kostet das Leben und
das Wohlergehen der Palästinenser und ist
unentschuldbar.
Gal denkt, Shapira habe keinen
Überlebensinstinkt, aber da irrt er. Shapira
und andere tun, was sie machen, weil sie
wissen, dass Israels Überleben durch sein
eigenes Handeln, seine eigene Psyche
gefährdet ist, nicht durch die Palästinenser
oder sonst jemanden. Sie fürchten nicht,
dass Israel angegriffen wird, oder dass die
Israelis „ins Meer getrieben werden“. Sie
sind besorgt wegen der sozialen, emotionalen
und geistigen Kosten für eine Gesellschaft,
die eine der schlimmsten ethnischen
Säuberungen der modernen Geschichte zu
verantworten hat.
Israel fällt von innen her auseinander,
verliert seine Humanität, seine Würde und
seine Identität - und sie wissen es.
Gideon Levy hat kürzlich in Ha’aretz
gefragt:
„Wenn die Israelis sich der Gerechtigkeit
ihrer Sache so sicher sind, warum zeigen sie
sich dann so aggressiv intolerant gegenüber
jedem, der versucht, einen anderen
Standpunkt einzunehmen?“
[1] Transkribiert von Eyal Niv, Übersetzung
von Tal Haran.
(Übersetzung aus dem Englischen: Jürgen
Jung)
Avigail Abarbanel (http://www.avigailabarbanel.me.uk/)
ist geboren und aufgewachsen in Israel. Die
zweijährige Wehrpflicht machte sie zur
Pazifistin. Im Alter von 27 ging sie nach
Australien und ist seit 2001 Aktivistin für
die Rechte der Palästinenser. Sie führt eine
private Praxis als Psychotherapeutin in
Canberra.
Salam-Shalom, Arbeitskreis Palästina/Israel.
Quelle
Scharfe
Vorwürfe der EU gegen
israelischen Minister: Sie fördern
Desinformation und vermischen BDS und Terror
- 17.07.2018
Federica Mogherini von der EU hat dem
israelischen Minister für öffentliche
Sicherheit, Gilad Erdan, einen scharf
formulierten Brief geschrieben und ihm
vorgeworfen, 'haltlose und inakzeptable'
Behauptungen, die Organisation unterstütze
Terror, zu machen.
Die Außenministerin der EU, Federica
Mogherini, hat dem Minister für Strategische
Angelegenheiten, Gilad Erdan, einen
persönlichen, scharf formulierten Brief
geschickt, in dem sie ihn auffordert,
Beweise für die 'vagen und unbegründeten'
Behauptungen vorzulegen, dass die EU gegen
Israel gerichtete Terror und
Boykottaktivitäten über non-profit-
Organisationen finanziert.
In ihrem Brief, den Haaretz erhielt,
antwortet Mogherini auf einen im Mai vom
Ministerium für Strategische Angelegenheiten
herausgegebenen Bericht mit dem Titel "Die
Milllionen, die von EU-Institutionen an NGOs
mit Verbindungen zu Terror und Boykott gegen
Israel vergeben wurden".
In dem Brief, den Erdan zusammen mit dem
Bericht an Mogherini geschickt hatte,
schrieb er: "Eine vom Ministerium
durchgeführte gründliche Recherchearbeit
hat aufgedeckt, dass die EU 2016 vierzehn
europäische und palästinensische NGOs, die
offen und eindeutig BDS fördern, finanziell
unterstützt hat." Er legte (der EU) auch zur
Last, dass "einige der BDS unterstützenden
NGOs, die von der EU direkt oder indirekt
finanzielle Unterstützungen erhalten, mit
terroristischen Organisationen verbundent
sind,die von der EU als terroristisch
bezeichnet werden.
Erdan fügte hinzu, dass eine derartige
finanzielle Unterstützung die Beziehungen
zwischen der EU und Israel untergrabe und
"ebenso die Chancen für Frieden
untergrabe". In der Folge war der Bericht
an die Zeitung Israel Hayom durchgesickert,
die unter der Schlagzeile "Millionen Euros
Hass" darüber berichtete. An dem Tag, an dem
der Bericht herauskam, twitterte Erdan: "Die
EU fährt fort, BDS-Organisationen mit zehn
Millionen Shekel pro Jahr zu finanzieren,
von denen einige mit Terrororganisationen
verlinkt sind."
In ihrem Brief, der am 5. Juli an Erdan
gesandt wurde, schreibt Mogherini:
"Behauptungen, dass die EU Hetze und Terror
unterstützen, sind haltlos und inakzeptabel.
Auch der Titel des Berichts selbst ist
unangebracht und irrführend; er vermischt
Terrorismus mit der Boykott-Thematik und
schafft in der öffentlichen Wahrnehmung
bezüglich zweier verschiedener Phänomene
eine inakzeptable Verwirrung."
Sie fügte hinzu, dass die EU energisch
"gegen jede Unterstellung einer Verwicklung
der EU in die Unterstützung von Terror oder
Terrorismus protestiert", und dass "vage und
unbegründete Beschuldigungen nur zu
Desinformationskampagnen beitragen".
Mogherini macht auch geltend, dass der
fragliche Bericht Fehler enthält. "Zum
Beispiel erhalten von den in dem Bericht
aufgelisteten 13 Organisationen sechs keine
EU-Gelder für Aktivitäten in Palästina und
keine von ihnen erhält EU-Gelder für
BDS-Aktivitäten", schrieb sie. Sie sagt
auch: "Außerdem erhalten mehrere der in dem
Bericht genannten Organisationen, wie in
israelischen Medien in den letzten Wochen
ausführlich berichtet wurde, auch Gelder von
internationalen Gebern einschließlich den
Vereinigten Staaten".
Hinsichtlich der angeblichen Unterstützung
der BDS-Bewegung schreibt Mogherini an Erdan:
"Die Europäische Union hat ihre Position zu
der sogenannten 'BDS'-Bewegung ('Boykott,
Investitionsentzug und Sanktionen') nicht
geändert. Da ihre Politik ausdrücklich
zwischen dem Territorium des Staates Israel
und den seit 1967 besetzten Gebieten
unterscheidet, weist die EU alle Versuche
Israel zu isolieren zurück und unterstützt
Aufrufe zum Boykott nicht. Die EU gibt keine
Gelder für Aktionen, die mit
Boykott-Aktivitäten in Beziehung stehen.
Jedoch bedeutet die Tatsache, dass eine
Organisation oder Einzelperson mit der
BDS-Bewegung in Verbindung steht, nicht,
dass sie mit Anstiftung zu rechtswidrigen
Handlungen zu tun hat, noch dass sie sich
dadurch für die Vergabe von EU-Geldern als
ungeeignet erweist.
"Die EU steht fest zum Schutz der freien
Meinungsäußerung und der
Versammlungsfreiheit in Übereinstimmung mit
der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union und dem Fallrecht des
Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte. Meinungsfreiheit ist auch
bei Informationen und Ideen anzuwenden, 'die
den Staat oder irgendeinen Sektor der
Bevölkerung verärgern, schockieren oder
beunruhigen'. Jede Aktion, die dazu führt,
den Raum, in welchem Organisationen der
Zivilgesellschaft operieren, durch
übermäßige Einschränkung der
Versammlungsfreiheit zu einzugrenzen, sollte
vermieden werden."
Bezüglich der Behauptungen einer
Unterstützung des Terrorismus schreibt
Mogherini" "Die EU hat sehr strenge Regeln
zur gründlichen Durchleuchtung und Prüfung
der Empfänger von EU-Geldern. Wir nehmen
jede Behauptung einer mißbräuchlichen
Verwendung von EU-Geldern sehr ernst und
sind verpflichtet alle mit substantiellen
Beweisen vorgebrachten (Behauptungen) zu
untersuchen. Wir sind überzeugt, dass
EU-Gelder nicht für die Unterstützung des
Boykotts von Israel oder BDS-Aktivitäten und
ganz bestimmt nicht für die finanzielle
Unterstützung von Terrorismus verwendet
worden sind."
Am Schluß des Briefes lädt Mogherini Erdan
nach Brüssel ein, um dort Beweise für diese
Behauptungen vorzulegen. "Sie und Ihre
Beamten sind jederzeit eingeladen nach
Brüssel zu kommen und die Beweise
vorzulegen, die Sie haben, um die
Behauptungen zu begründen", schreibt sie.
"In der Zwischenzeit laden wir Ihre
Regierung ein mit uns einen produktiven
Dialog zu Fragen der Zivilgesellschaft zu
führen, wie es im EU-Israel Action Plan
vorgesehen ist, und dies mehr im Geist einer
offenen und transparenten Kooperation als
durch gehaltloses, ohne vorheriges Gespräch
und Zusammenarbeit veröffentlichtes
Material.
In dem vom Ministerium für Strategische
Angelegenheiten verfassten Bericht wurde
behauptet, dass die EU 2016 mehr als 5
Millionen Euro (fast $ 5,9 Mio) an
Organisationen überwiesen habe, die "Delegitimierung
und Boykotte gegen Israel unterstützen".
Obwohl der Bericht als "gründlich"
bezeichnet worden ist, basieren die meisten
seiner Behauptungen auf einer kleinen Anzahl
von Fällen aus offenen Quellen.
Haaretz untersuchte einige der im Bericht
gemachten Behauptungen und fand, dass die
Interpretation einiger der Vorfälle
abweichend von der Information geschildert
werden, auf der sie basieren. Zum Beispiel
wird der Boykott von Siedlungen allein
gelegentlich als Unterstützung von BDS
bezeichnet, obwohl die betreffenden
Organisationen die Anwendung der Prinzipien
der Bewegung auf Israel selbst nicht
notwendigerweise unterstützen, sondern sogar
speziell ablehnen. Diese Interpretation
passt zu der Art, wie die israelische
Regierung in den letzten Jahren versucht hat
die Unterscheidung zwischen den beiden
Angelegenheiten zu verwischen.
Für die EU aber ist die Unterscheidung
wichtig. Während die EU Aktivitäten, die
einen Boykott des Staates Israel (ohne
Einbeziehung der Siedlungen) fördern, nicht
direkt finanziell unterstützt, sieht sie die
idelogische Unterstützung der Bewegung als
legitime Freiheit der politischen
Meinungsäußerung. Die EU kann die Verwendung
ihrer Gelder überwachen,
seit dies generell im Vorfeld spezifischer
Aktivitäten angeordnet ist und es eine
laufende Supervision gibt.
In anderen Fällen bezeichnet der Bericht des
Ministeriums bestimmte Beispiele, in denen
Mitarbeiter (Agenten) der Hamas oder der
Volksfront an anderen Aktivitäten
teilgenommen haben, die von NGOs unterstützt
wurden, die EU-Gelder erhielten, als
"Unterstützung von Terror". Auf dieser Basis
beschuldigt Israel die EU indirekt Terror
finanziell zu unterstützen. Beim Lesen des
Berichts zeigt sich, dass viele Behauptungen
an solche erinnern, die von
rechtsgerichteten Organisationen gemacht
wurden, vor allem von NGO Monitor.
Erdan reagierte auf diesen Bericht mit der
Feststellung: "Es ist traurig, dass die
Außenministerin der Europäischen Union
wieder einmal beschlossen hat ihren Kopf in
den Sand zu stecken und den klaren Beweis
dafür zu ignorieren, dass die
BDS-Organisationen, die von ihr Geldmittel
erhalten, direkt oder indirekt mit
terroristischen Organisationen wie der Hamas
und der Volksfront in Verbindung stehen oder
mit ihnen zusammenarbeiten. Mogherini gibt
zu, dass die meisten der finanziell
unterstützten Organisationen, die im Bericht
des Ministeriums erwähnt werden, tatsächlich
den Boykott Israels unterstützen, und
zugleich macht sie die lächerliche Ausrede,
dass das Boykott-Organisationen gegebene
Geld für andere Zwecke verwendet wurde und
nicht für ihre Aktivitäten, die auf den
Boykott Israels abzielen.
"Bedauerlicherweise repräsentieren Ausreden
wie diese die Politik der Europäischen Union
auch bei anderen Themen wie ihrer Haltung zu
Iran und dem palästinensischen Terror", fuhr
er fort. "Auch in diesen Dingen hat die EU
beschlossen es wie der Vogel Strauß zu
machen und sich so zu verhalten, als sei sie
blind gegenüber Hass, Hetze und Boykotten."
Die EU kommentierte diesen Bericht mit den
Worten: "Für gewöhnlich kommentieren wir
geleakte Korrespondenz mit unseren
Partnerländern nicht, aber wegen der
Behauptungen, die in dem jüngsten vom
Regierungs-Ministerium für Strategische
Angelegenheiten veröffentlichten Bericht
enthalten sind, haben unsere Zentralen den
Bericht sorgfältig geprüft und sind zu dem
Schluss gekommen, dass die in dem Bericht
präsentierten Behauptungen unbegründet
sind."
"Die EU hat strikte Regeln die Empfänger von
EU-Geldern gründlich zu durchleuchten und zu
prüfen. Wir sind daher überzeugt, dass EU
-Gelder nicht für die Finanzierung von
Terrorismus verwendet wurden."
Unser Kampf gegen Terorismus war nie
entschlossener, und wir hatten immer eine
klare Haltung zu terroristischen
Organisationen. Wir sind auch überzeugt,
dass unsere Gelder nicht für die
Unterstützung von Boykott von Israel und im
Besonderen nicht von BDS-Aktivitäten
verwendet worden sind", heißt es in dem
Kommentar.
"Die EU weist jeden Versuch Israel zu
isolieren zurück und unterstützt keine
Aufrufe zum Boykott. Gleichzeitig steht die
EU fest zum Schutz der freien
Meinungsäußerung und der
Versammlungsfreiheit in Übereinstimmung mit
der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union.
So wie immer untersucht die EU alle
ernsthaften Behauptungen, die in Bezug auf
solche Aktivitäten und finanzielle
Unterstützung gemacht werden. Wenn es
irgendeinen Beweis gibt, der solche
Behauptungen belegt, werden die israelischen
Obrigkeiten immer willkommen sein, um uns
dies als Teil eines offenen und
transparenten Dialogs zu präsentieren."
Quelle:
https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-eu-s-mogherini-to-israeli-minister-you-feed-disinformation-1.6280308
Übersetzung: K. Nebauer
Israel
versucht, Zeugen seiner
Verbrechen mundtot zu machen -
Tamara Nassar - 4. Juli 2018 - Israel
versucht, die Leute zum Schweigen zu
bringen, die Zeugen seiner Brutalitäten
sind. Die Knesset, Israels Parlament denkt
an eine Gesetzes Vorlage, die das Filmen
oder Berichten von Taten israelischer
Soldaten veröffentlicht, kriminalisiert.
Das Gesetz verlangt fünf Jahre
Gefängnisstrafe für diejenigen, die filmen,
„ um die Moral von Israels Soldaten oder
seiner Bewohner zu verletzen“ und eine
Gefängnisstrafe von 10 Jahren für
diejenigen, die filmen, um die Sicherheit
des Staates zu beeinträchtigen.
Die Gruppe
Reporter ohne Grenzen fragten nach der
Grundlage, nach der israelische Moral und
nationale Sicherheit bestimmt werden würde.
„In einem Land,
in dem viele aus der politischen Klasse
schon die Medien und
Nichtregierungsorganisationen des
Anti-Patriotismus oder des Verrates
angeklagt haben, besteht da nicht die
Gefahr, dass solch eine Bestimmung die
Verbreitung von Video-Filmmeter einfach
verhindert, weil diese nicht sehr
schmeichelhaft sind?“ stellten Reporter ohne
Grenzen fest.
Wir bitten die
Parlamentarier dringend, diese
Gesetzesvorlage, die zur Folge haben würde,
dass Journalisten die von der israelischen
Armee und für Propagandazwecke Videos
erhalten, nicht zu verabschieden, um
Gefängnisstrafen zu vermeiden.
Der israelische
Armee-Sanitäter Elor Azarya wurde von einem
Video aufgenommen, wie er 2006 einen
behinderten Palästinenser, Abd al-Fattah
Yusri al-Sharif, in Hebron erschoss.
Azarya wurde im
Mai dieses Jahres nach 9 Monaten
Gefängnisstrafe – wegen direkter Exekution -
aus dem Gefängnis entlassen.
Am Dienstag
kehrte Azarya an den Ort des Schießens
zurück und wurde von den Israelis, die in
der nahen Siedlung leben, wie ein Held
empfangen.
Azarya wurde
mit Hurrageschrei empfangen: „Elor Azarya,
du sollst wissen, dass dich viele Leute in
Hebron lieben“, nach der israelischen
Zeitung Haaretz.
Die
Knesset-Gesetzesvorlage, die von der sehr
rechten Partei Yisrael Beitenu (Israel unser
Heim) vorgebracht wurde, spricht von den
Menschenrechtsgruppen B’tselem, Machsom
Watch und Breaking the Silence. Sie erwähnt
auch Gruppen, die die palästinensische
BDS-Bewegung unterstützen.
Die
Geburtsrecht-Gruppe bricht ihr Schweigen
Eine Gruppe von
fünf amerikanischen Juden, die auf einer
Birthright-Israel-Reise vor Kurzem ihr
Programm verließen und sich der Gruppe
Breaking the Silence bei einer Tour
anschlossen, um Zeuge von Israels Verbrechen
gegenüber den Palästinensern in Hebron zu
sein.
Das
Geburtsrecht Israel ist das Programm, das
denen freie Reisen nach Israel gibt, von
denen man annimmt, dass sie das
zionistische Engagement fördern und
eventuell einwandern. Es wendet sich vor
allem an junge amerikanische Juden.
Einer der
Deserteure berichtet den Vorfall in Facebook
und stellt fest: „ Birthright würde uns
nicht die Besatzung zeigen – also haben wir
uns selbst aufgemacht.“
In der Sendung
sieht man, wie eine Frau mit dem Rest der
Gruppe des Birthright-Trips redet.
Ein Reiseleiter
unterbricht die Frau, bevor sie von der
Gruppe erzählt, die sich vom Programm
getrennt hat. Der Reiseleiter hat dann noch
ein Streitgespräch mit ihr.
Da gibt es eine
Gruppe unter uns, die Fragen stellt und
versucht, sich zu engagieren. Es war uns
nicht möglich, dies zu tun“, sagt die Frau.
Die Folge davon
war, dass fünf von uns sich trennten. Als
wir aus dem Bus stiegen, schlossen wir uns
einem Trip von Breaking the Silence an, um
über die Besatzung aus der Perspektive von
Palästinensers und IDF-Soldaten zu erfahren.
„Was wir auf
diesem Trip aus erster Hand erfuhren, ist
dass Birthright eine politische Agenda
benutzt, um Zehntausende junger Juden falsch
zu informieren“, stellt die Gruppe der Fünf
auf Twitter fest..
Birthright ist
zynischer Weise der Überzeugung, dass es nur
diesen Weg gibt, damit wir in Berührung mit
unsrer jüdischen Identität kommen, dass man
die Besatzung vor uns verbirgt. Aber wir
fühlen uns auf Grund unserer jüdischen
Werte, nach der Wahrheit zu suchen, indem
wir Palästinenser treffen und uns der
Realität hier stellen.
Menschenrechts-Verteidiger werden
abgeschoben.
Eine Aktivistin
der Anti-Kriegsgruppe Codepink wurde am
Sonntag von Israel abgeschoben, obwohl sie
ein Visum hatte.
Ariel Gold
hatte in New York ein israelisches
Studentenvisum erhalten, um an der
Hebräischen Universität in Jerusalem zu
studieren. Bei ihrer Ankunft am
Internationalen Ben-Gurion-Flughafen in Tel
Aviv wurde Gold abgeschoben.
Gold überlegt
nun, mit dem offensichtlich
diskriminierenden „ Gesetz der Rückkehr“
(nach Haaretz) nach Palästina zu kommen. Das
israelische Gesetz gewährt jenen
automatisch das Recht der Immigration, die
es als Juden - egal von wo in der Welt –
anerkennt, selbst dann, wenn sie keine
Verbindung zum Land haben.
Gleichzeitig
werden Palästinenser daran gehindert,
zurückzukehren, weil sie nicht jüdisch sind.
„Es ist kaum zu
glauben, dass es mir nicht erlaubt sein
könnte, an den Ort zu kommen, der für mich
so bedeutsam ist,“ sagte sie zu Haaretz.
Gilad Erdan,
Israels Minister für strategische
Angelegenheiten, versuchte Golds Abschiebung
zu verteidigen, die er in Kommentaren auf
Twitter machte.
Gold antwortete
und sagte, dass Erdan „Angst vor Dissens hat
und dass Israel „die jüdischen Werte
verletzt“.
In einer
Erklärung sagte Gold, dass Israel behauptet,
ein demokratisches Land zu sein und ein Ort,
wo Diaspora-Juden nicht nur willkommen sind,
sondern auch ermutigt werden, ihn auch zu
besuchen.
„Doch immer
mehr wird die unterdrückerische Politik des
Staates, die immer gegenüber den
Palästinensern angewandt wurde, nun gegen
jeden angewandt, sogar gegenüber Juden, die
gegenüber der Besatzung und der Apartheid
kritisch sind.
Gold sagte
auch, eines von Israels Zielen sei es, ihr
und andern den Zugang zu verweigern, um
unsere Beziehungen zu Palästinensern vor Ort
und mit ihrer friedlichen Bewegung um
Freiheit und gleiche Rechte zu blockieren.
Eine Folge davon ist, dass sich Israel
zunehmend selbst Isoliert wie ein
Pariah-Staat.
Ende Juni
forderte Omar Shakir im Gericht, Israels
Entscheidung über seine Arbeitserlaubnis und
die seiner Deportation zurückzunehmen.
Israels
Ministerium für strategische Angelegenheiten
hat behauptet, die Entscheidung gründet sich
auf Shakirs Unterstützung der BDS-Bewegung.
Aber Shakir sagte, „das wirkliche Ziel sei,
ihn mundtot zu machen.“
„Israel, das
von pro-Regierungs-NGOs flankiert ist,
behauptet heute vor Gericht, dass meine
Tweets ein Schlaglicht auf Human Rights
Watch Aufruf auf Gesellschaften werfen, die
die Rechte verletzen, die meine Deportation
rechtfertigen,“ sagte er am Tag der
Anhörung. Ich habe in Ägypten und Syrien
gelebt, aber dies ist das erste Mal, dass
mein Eintrag in dir Sozial Media das Thema
einer juristischen Anhörung ist. Wir warten
auf die Entscheidung.
Während des
Prozesses sagte Shakirs Anwaltskollege
Michael Sfar, dass Israel nicht hinter „dem
kleinen Satan“ - und bezieht sich auf
Shakir - „sondern hinter dem großen
Satan, Human Rights Watch, her ist,“ nach
der Jerusalem Post.
Quelle
(dt. Ellen Rohlfs)
Dank Gazaprotesten hat
Israel eine neue Ernte
"Kampferprobter" Waffen zum
Verkauf -
2.07.2018 - Meron
Rapoport - Granaten
tragende Drohnen, die
Selbstmord begehen,
"intelligente Zäune" und
andere neue Instrumente zur
Unterdrückung von
Demonstrationen. Ein neuer
Report deckt auf, wie Israel
die Proteste in Gaza
benützt, um seine
Rüstungsindustrie zu
präsentieren.
In einem Interview Anfang
April sagte Sa'ar Korush,
der bis vor kurzem
Geschäftsführer des
Unternehmens war, das die
Mauer um einen Teil des
Gazastreifens baut, zu
Bloomberg, dass "Gaza der
Vorführraum für
'intelligente Zäune' ist, da
die Kunden schätzen, wenn
die Produkte im Kampf
getestet sind". Für Israels
Rüstungsindustrie gibt der
Große Rückkehrmarsch, der
zwei Wochen vor dem
Interview begann,
anscheinend eine Gelegenheit
neue Instrumente zur
Niederschlagung von
Demonstrationen zu
entwickeln, und diese neuen
Produkte ins Ausland zu
verkaufen.
Korushs Bemerkungen kann man
in einem neuen Report
finden, der von Hamushim
herausgebracht wurde, einem
gemeinsamen Projekt der
Coalition of Women für Peace
und des American Friends
Service Committee, das daran
arbeitet den wahren
menschlichen Preis der
israelischen
Rüstungsindustrie und
Waffenhandels offen zu legen
und dagegen zu mobilisieren.
Der Report mit dem Titel "A
Lab and a Showroom: The
Israeli Military Industries
and the Opression of the
Great Return March in Gaza"
schildert detailliert die
neuen Waffen Israels, die an
den Demonstranten getestet
wurden sowie die Versuche
davon zu profitieren.
Die neueste, gegen die
Demonstranten am Zaun
zwischen Israel und Gaza
eingesetzte Waffe war das
"Meer von Tränen", eine
Drohne, die
Tränengaskanister tragen und
fallen lassen kann. Die
Drohne war ursprünglich von
Da Jiang Innovations (DJI)
entworfen und auf Ersuchen
des Kommandeurs der
Grenzpolizei, Kobi Shabtai,
für Aeronautics adaptiert
worden, einem israelischen
Unternehmen, das auf
Erkennungsdrohnen
spezialisiert ist. Laut Miki
Rosenfeld, dem Sprecher der
israelischen Polizei wurden
die Drohnen bereits in den
Wochen vor den
Demonstrationen und dann
nach deren Beginn noch
häufiger eingesetzt.
"Abgesehen von der Tatsache,
dass sie jede Gefahr für
unsere Truppen
neutralisiert, erlaubt sie
uns Plätze zu erreichen, die
wir noch erreichen mußten",
sagt Shabtai dem
Nachrichtenkanal 2.
Hamushims Report stellte
allerdings fest, dass,
obwohl die Armee behauptet,
dass die Drohnen größere
Genauigkeit erlauben, die
Armee mindestens in einem
Fall Tränengaskanister auf
ein Zelt voller Frauen und
Kinder in Gaza fallen ließ.
Ein anderes Video zeigt
eine Szene, in der
Gaskanister auf Journalisten
abgeworfen wurden, die die
Proteste aufnahmen.
Nach der ersten
Demonstration Ende März,
wahrscheinlich wegen des
"Erfolgs" der Drohnen bei
der Unterdrückung der
Demonstrationen hat die
Verwaltung für die
Entwicklung von Waffen und
technologischer
Infrastruktur, im
Hebräischen bekannt als
Ma'fat, hunderte Drohnen
angeschafft. "Wir haben
rasch gehandelt und gleich
viele Drohnen aus dem
Ausland gekauft", sagte eine
Quelle von Ma'fat ohne
Namensnennung gegenüber Ynet.
"Wir lernten während der
Kämpfe, wie ihre Reaktion zu
verbessern ist. Unsere erste
Aufgabe war, Drohnen als
Plattform für
"nicht-tödliche" Waffen
einzusetzen. Wir führten
rund um die Uhr Feldtests
durch und entwickelten eine
Kampf-Doktrin. Die Drohnen
sind bahnbrechende
Werkzeuge, leicht zu
handhaben, und haben ein
enormes operatives
Potential."
Nach dem Report von Hamushim
wurden die Drohnen zuerst
von der Jerusalemer
Stadtverwaltung zur
Überwachung von
Demonstrationen eingesetzt,
um palästinensische
Demonstranten zu verfolgen,
die nach dem Mord an
Muhammad Abu Khdeit 2014
versuchten die Lichterketten
(light trail) zu
beschädigen. Im Mai diesen
Jahres machte der
Verteidigungsminister eine
Ausschreibung zur
Entwicklung von Drohnen, die
die von DJI hergestellten
ersetzen sollten.
Von Aeronautics entwickelte
Drohnen werden bereits
eingesetzt, um
Demonstrationen aufzulösen.
In Gaza wurden Drohnen von
Aeronautics eingesetzt, um
"Stinkwasser", ein faulig
riechende Flüssigkeit, auf
Demonstranten zu sprühen. Am
16. Mai, nachdem die IDF
mehr als 60 Demonstranten
getötet hatte,
veröffentlichte das
Verteidigungsminsiterium auf
Twitter ein Video, das ihre
letzte Entwicklung zeigt:
die "Shocko Drohne" – eine
Drohne, die Beutel mit
Stinkwasser fallen läßt. Die
israelische Finanzzeitung
Calcalist bestätigte, dass
diese Drohne von Aeronautics
hergestellt wurde, und einen
Tag vor dem update auf
Twitter unterzeichnete das
Unternehmen einen Vertrag
mit dem kroatischen
Landwirtschaftsministerium
mit einem Wert von 4,87 Mio
Euros.
Drohnen von Aeronautics
wurden auch eingesetzt, um
sogen. "Feuer-(Papier)Drachen"
abzuschießen. Laut dem
Report gab es Berichte über
Drohnen, die Warnschüsse auf
Gruppen von Palästinensern
abgaben, die den Start von
"brennenden Ballons" nach
Israel vorbereiteten. Die
israelische Regierung
bestreitet, dass sie Drohnen
einsetzt, um Menschen zu
schaden (verletzen).
Im Juni zeigten die
israelischen Aerospace
Industries (IAI) eine neue
mit Granaten bestückte
Drohne, die auf feindlichen
Zielen eines ausländischen
Kunden "Selbstmord begehen"
kann. Die Drohne kann 10 km
fliegen, eine halbe Stunde
in der Luft sein und ist so
leicht, dass ein Soldat
gleichzeitig drei davon
tragen kann. In derselben
Woche wurde berichtet, dass
IAI einen Vertrag mit der
deutschen Bundeswehr zur
Lieferung von Drohnen im
Wert von $600 Mio
unterzeichnet hat.
Der Report warnt, dass "der
Einsatz von Drohnen zu
Angriffen eine gefährliche
Strategie ist, die in
Zukunft gegen Demonstranten
und zivile Passanten ohne
jede Rechenschaftspflicht
eingesetzt werden kann".
Diese Drohnen, sagt der
Report, sind in der Lage
"die Realität in den
besetzten Gebieten
umzugestalten. Heute
verkauft Israel diese
Drohnen bereits an fünf
verschiedene Armeen, die sie
in Afghanistan einsetzen.
Der Einsatz in Gaza und der
Westbank ist allerdings eine
neue Entwicklung." Der Report endet mit der
Schilderung einer Szene, die
am 15. Mai, einen Tag nach
den blutigen Protesten am
Zaun, stattfand. Das
israelische Magazin Israeli
Defense hatte eine Konferenz
mit dem Titel "Schießen,
Manövrieren und
Nachrichtendienst in einer
komplexen Umgebung" am Tel
Aviver Convention Center mit
etwa 1.000 israelischen
Geheimdienstoffizieren,
Mitglieder der israelischen
Militärindustrien und aus
lndischen Vertretern
organisiert. Unter den
Hauptrednern war Yoav
Galant, der früher das
Südkommando der IDF während
der Operation Gegossenes
Blei 2008/09 leitete, der
frühere IDF-Generalstabschef
Moshe Ya'alon sowie
Generalmajor Kobi Barak, der
Kommandeur der GOC
Armee-Hauptquartiere.
Auf der Konferenz, die von
Elbit Systems, Aeronautics
und anderen gesponsert war,
genossen die Teilnehmer eine
ausgefallene Cocktailparty
und wurden über die letzten
Entwicklungen in Gaza
informiert. Laut dem Report
"offenbart die aufwendige
Expo, dass in Zeiten des
Konflikts, wenn
Palästinenser trauern
(wehklagen), die israelische
Militärindustrie mit ihrem
business as usual fortfährt,
ihre Produkte aggressiv
vermarktet, neue Verträge
unterzeichnet und sich unter
Regierungsbeamte mischt".
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
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