Gaza von Giften heimgesucht
Seit
einem Jahr leben wir zu 14 in diesem Zelt. Es ist der zweite Winter, den
wir in der Kälte verbringen und wissen nicht, wie wir unser Haus wieder
aufbauen können. Zement ist in Gaza unauffindbar, außerdem sind die
Schwarzmarktpreise für uns unerschwinglich. Umm Khaled Ghaleb schaut gen
Himmel, während sie über die Lebensbedingungen der Obdachlosen in Gaza
berichtet, über ihre eigene und andere Familien in Beit Lahiya, einem
Wohngebiet im Gaza-Streifen, wo die Bombenoffensive „cast lead“, die am
27.12.2008 von Israel gestartet wurde und 22 Tage andauerte, am
schlimmsten gewesen ist.
Die
alte Frau ahnt allerdings nicht, dass ihre Gesundheit und die ihrer
Verwandten nicht nur von Kälte und Infektionskrankheiten gefährdet ist.
In den Trümmern der zerstörten Häuser lauert eine größere Gefahr für die
Palästinenser von Gaza. Die israelischen Bombardierungen von 2006 und
2009 haben den Boden mit giftigen Stoffen stark kontaminiert –
Wolfram, Merkur, Kadmium, Molybdän und Kobalt
-, die bei der Bevölkerung zu Tumoren,
Fruchtbarkeitsproblemen und Missbildungen oder genetischen Schäden bei
Neugeborenen führen könnten.
Darauf aufmerksam hat der New Weapons Research Group (NWRC) gemacht,
eine unabhängige Kommission von Wissenschaftlern, mit Sitz in Italien,
die sich mit der Studie von unkonventionellen Waffen und deren Wirkung
beschäftigt. In enger Zusammenarbeit mit Spezialisten und Ärzten in Gaza
hat der NWRC 4 Krater unter die Lupe genommen: 2 aus den
Bombardierungen vom Juli 2006 und 2 vom Januar 2009. Analysiert wurden
außerdem Reste vom Pulver aus dem Inneren einer Bombe, die im Januar
2009 in der Nähe vom Krankenhaus Al Wafa explodiert ist. Die daraus
resultierenden Messwerte des Bodens wurden mit denen aus dem Jahr 2005
verglichen. Die Analyse hat die starke Kontaminierung bewiesen.
„Schnelle Abhilfe ist nötig“ sagt Paola Manduca, Pressesprecherin und
Dozentin für Genetik an der Universität von Genua, um die Wirkung auf
Mensch und Tier zu begrenzen.
Umm
Khaled Ghaben hat von diesen im Boden verborgenen „Metallen“ noch nicht
was gehört. Wir wissen nicht, sagt sie, was wir machen sollen, wir sind
zu arm, um eine Wohnung mieten zu können. Wir haben kein Alternative.
Noch ein Jahr nach der Offensive „cast lead“, die ca. 1.400
Palästinenser das Leben gekostet hat, leben noch immer Tausende in
Zelten oder in zerstörten Häusern. Viele der Obdachlosen sind bei
Verwanden oder Bekannten untergekommen, aber viele haben dieses Glück
nicht und müssen noch in der Kälte ausharren.
Israel hat die Zuteilung von Brennstoffen,
Gas und Diesel, eingeschränkt, indem es die Zuteilungswege verändert
hat. Gaza benötigt dringend 268.000 qm Glas für Fenster und 67.000 qm
Glas für die Herstellung von Solarzellen, sagt seit längerer Zeit Mike
Bailey von der Organisation Oxfam, und macht darauf aufmerksam, dass
viele Schulen, selbst Schulen der UNO, nach den Bombardierungen keine
Fenster mehr haben. Israel lässt kein Baumaterial ins Land. Die für
Gaza international gesammelten 4 Milliarden Dollar können Gaza nicht
erreichen, weil Israel und die USA ein Veto verhängt haben wegen der
angeblichen Kooperation mit der Hamas.
Im Viertel Izbet Rabbo, das von
Bombardierungen am stärksten betroffen wurde, lebt Firas mit seinen 5
kleinen Kindern. Kälte ist nicht das schlimmste, sagt er, vielmehr macht
ihm die mangelnde Arbeit und das geringe Einkommen zu schaffen. Er ist
Bauer und vor der israelischen Offensive hat er das Land einer reichen
Familie bestellt. Nun kann er diese Ländereien nicht erreichen, da sie
in der Nähe der Grenze liegen und die israelischen Soldaten sofort das
Feuer eröffnen. Die Israelis behaupten den Landstreifen von ca. 300-400
m, als Pufferzone zu benötigen. Verschwiegen wird, das gerade dieser
Landstreifen sehr fruchtbar ist.
Ahmad wünscht sich nichts mehr, als dass
sein Sohn Muath in Italien im Poliklinikum Umberto I in Rom behandelt
wird. Muath ist 16 Monate alt und leidet an einem Tumor in der Leber.
Die italienische Organisation „Angels“ möchte die Behandlung
ermöglichen, aber die Israelis lassen ihn nicht ausreisen.
Artikel aus dem Manifesto, dt. Luise und
Paolo
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