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Oktober 2004 - "Tage der Buße" - Tage der
Vergeltung, des Blutes.
Die .... Angriffe sind
wesentlich verheerender als ‘Operation Regenbogen’ im Mai. Damals starben
in Rafah 40 Menschen, und es kam zu einem internationalen Aufschrei. Heute
herrscht vor allem in Amerika Stille. Diese Stille scheint zu akzeptieren, daß Gaza in ein ‘killing field’ verwandelt wird. Scharon hat den Zeitpunkt
wirklich gut gewählt, die Kinder in Gaza zu dezimieren. Amerika ist mit
seinem Präsidentschaftswahlkampf und seiner Irak-Invasion beschäftigt.
Wie viele müssen noch sterben, ehe die Welt ihre Stimme erhebt?
Quelle
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Israels blutige "Tage der Buße" in Gaza
Hinter dem so genannten Schutzwall errichtet
Israel im nördlichen Gazastreifen eine bis zu neun Kilometer tiefe
"Sicherheitszone" "gegen Raketenangriffe".
Dieser Streifen der Verwüstung erinnert an eine 1982 im Südlibanon
eingerichtete Sicherheitszone gegen den Beschuss mit Kassam- und
Katjuscha-Raketen.
Die anhaltende Offensive der israelischen Armee im Gazastreifen wird
unterdessen weltweit als "völlig unangemessen hart" kritisiert. Auch
US-Außenminister Powell empfahl im UN-Sicherheitsrat der israelischen
Regierung "angemessenere Mittel" gegen palästinensische Extremisten. Seit
Beginn des jüngsten israelischen Einsatzes im Gazastreifen vor einer Woche
kamen fast 80 Palästinenser ums Leben. Der Einsatz "Operation Tage der
Buße" ist damit der blutigste seit Beginn der zweiten Intifada vor vier
Jahren. Verteidigungsminister Shaul Mofaz kündigte an, die militärischen
"Aktivitäten zu Lande und aus der Luft" weiter zu verstärken. Auslöser war
der Tod zweier israelischer Kinder in Sderot durch Kassam-Raketen. Das sei
unverzeihlich, sagt Minister Mofaz.
Quelle |
Tage der Buße
von Mohammad Omer
Rafah Today / ZNet 19.10.2004
Der Gestank hier ist einfach
bestialisch. Gehst du irgendeine Straße entlang - falls du dich traust -,
bist du gezwungen, den Blutlachen auszuweichen, manchmal mußt du auch
mittendurch. Überall hängen Fetzen von Menschenfleisch - oft kaum noch als
menschliche Überreste erkennbar -, auf den Dächern, auf der Straße, oder
das Fleisch klebt an kaputten Fensterscheiben. Der Geruch von faulendem
Blut mischt sich mit dem beißenden Gestank schwarzverkohlten
Menschenfleischs - verbrannt durch eine Rakete, die aus einem in Amerika
fabrizierten Apache-Hubschrauber der israelischen Armee abgefeuert wurde.
Der Himmel ist verqualmt mit schwarzem Rauch. Zum Teil stammt der Qualm
von den Raketenexplosionen; manchmal scheint es aber, als sei die
Hauptursache der Verqualmung die ständigen Müllfeuer, die die Leute mit
Reifen und anderem Müll nähren. Der Rauch verwirrt nämlich die unbemannten
Drohnenüberwachungsflugzeuge, die auf Hitze reagieren. Ein auf relativ
freiem Gelände gelegtes Feuer lenkt so Geschoßfeuer und Bomben auf
harmlosere Ziele ab. Der Rauch - vermischt mit Gips- und Zementstaub - ist
Fluch und Segen zugleich. Der Gestank verbrannten Fleisches und
verwesenden Bluts verdrängt bis zu einem bestimmten Grad den der
ungeklärten Abwässer aus geborstenen Kanalrohren und den Geruch von
zehntausenden Menschen, die sich seit mehr als einer Woche nicht mehr
waschen konnten. Trinkwasser ist hier zum raren, wertvollen Gut geworden.
Duschen oder baden - ein Luxus, den sich niemand mehr leisten kann. Der
Rauch reizt die Augen, daran ist nichts zu ändern, aber er schützt die
Augen auch ein klein wenig vor jenen noch schrecklicheren Bildern:
Körperteile, die als solche erkennbar sind - ein Stück Bein oder ein Stück
Torso. Finger liegen verstreut - noch deutlich als Finger erkennbar, mit
ganz persönlichen Merkmalen. Eigentlich sollte niemand etwas Derartiges
sehen müssen. Gruppen von Freiwilligen sammeln die Körperteile auf und
bringen sie in eins der beiden Krankenhäuser Jabalyas. Die Ambulanzen
kommen nicht nach, die Flut der Verletzten und frisch Verstorbenen zu
bewältigen.
Überall
sieht man Beerdigungszüge und “Trauerhäuser” (so nennt man die Zelte, die
trauernde Familien errichten, um Freunde und Angehörige zu empfangen).
Aber in Wirklichkeit ist hier jedes Haus ein Trauerhaus - ob noch relativ
intakt oder komplett bzw. teilweise zerstört durch Panzer und Bulldozer
der israelischen Armee (IDF). Vor den Geräuschen gibt es keinen Schutz -
nicht vor dem Weinen und Wehklagen der Väter und Mütter, der Kinder und
Ehemänner bzw. Ehefrauen der Getöteten. Nichts schützt vor den Schreien
der Verletzten, dem Heulton der Ambulanzen, dem Gewehrfeuer der
Heckenschützen, dem dumpfen Knall einer Panzergranate, den ständigen
Explosionen durch einschlagende Apache-Granaten. Die Zeit ist aus den
Fugen geraten. Eine Stunde ist hier wie ein Tag; ein Tag ist wie eine
Woche oder ein Monat.
Wir reden
hier vom Flüchtlingslager Jabalya, im nördlichen Gazastreifen. In Jabalya
- einem der dichtbevölkertsten Orte der Welt - werden seit über einer
Woche 106 000 Männer, Frauen und Kinder, überwiegend unbewaffnete
Zivilisten, schonungslos attackiert. Die offizielle Version der Israelis:
Das Gemetzel sei die “Antwort” auf eine selbstgebastelte Kassam-Rakete,
die palästinensische Militante letzte Woche auf die israelische Stadt
Sderot abfeuerten. Die Rakete tötete zwei Kinder. In Wirklichkeit drangen
die ersten israelischen Panzer schon Stunden vor dem Raketenanschlag auf
Sderot in Jabalya ein. Seit Wochen beobachten wir mit Besorgnis, wie sich
im Norden Gazas die israelischen Streitkräfte sammeln: 2000 frische
Soldaten mit mehr als hundert zusätzlichen Panzern und Bulldozern.
Erst seit
ich hier sitze und meine Notizen, die ich in den letzten Tagen sammelte,
durcharbeite, wird mir klar, was für einen grausamen Namen die IDF für
ihre Offensive wählte: ‘Tage der Buße’. Sie schlachten nicht nur
unbewaffnete Zivilisten ab, sie vergehen sich sogar an der Sprache. Nach
meinem Verständnis bedeutet “Buße” soviel wie das Bereuen einer schlechten
Tat - aus freien Stücken. Soll das Massaker die Opfer etwa zu Büßern
machen? Soll es in ihnen Trauer wecken für 4 oder 5 getötete israelische
Soldaten und 2 tote israelische Kinder - während man den Tod von mehr als
60 palästinensischen Zivilisten als eine Art Gerechtigkeit hinnehmen soll?
Für uns, die wir in der Jabalya-Falle sitzen, hört sich das eher wie ‘Tage
der Rache’ an. Zweifellos ein Akt der Kollektivbestrafung - laut Genfer
Konvention verboten.
Aber
vielleicht sollten wir uns gar nicht wundern. Israels Premierminister
Ariel Scharon hat angekündigt, den Angriff “solange wie nötig”
fortzusetzen - bis von selbstgemachten Raketen des palästinensischen
Widerstands “keine Gefahr mehr” ausgehe. Vor mehr als 20 Jahren war
Scharon Architekt der Massaker von Sabra und Schatila. Heute verfährt er
fast identisch - allerdings mit weit besseren Waffen. Natürlich gibt es
militante Gruppen. Letzte Woche schlugen sie hin und wieder zu. Aber die
Israelis sind ihnen zahlenmäßig und natürlich waffenmäßig haushoch
überlegen. Die Hamas verteilt in Gaza-Stadt Flugblätter, in denen sie
schwört, ihre Raketenangriffe (mit selbstgebastelten Waffen) auf illegale
jüdische Siedlungen in Gaza bzw. auf jede erreichbare Stadt in Israel
solange nicht zu beenden, wie die Israelis ihre Einmärsche nicht
beendeten. Der internationale Protest ist angesichts der amerikanischen
Unterstützung für Israel verstummt bzw. erlahmt. Einzig die dünne, einsame
Stimme des US-Außenministeriums drängt Israel, seine “Reaktionen”
“verhältnismäßig” zu gestalten. Dem ging natürlich wieder das
obligatorische Mantra voraus: “Israel besitzt das Recht auf
Selbstverteidigung”. Zu Beginn dieser Woche wurde eine UN-Resolution
eingebracht, die Klartext redete und den Angriff verurteilte. Das Veto der
USA schlug sie nieder.
In puncto
genaue Opferzahlen ist es gar nicht so einfach, auf dem neuesten Stand zu
bleiben. Die aktuellen Zahlen lauten: 80 getötete Palästinenser (davon 20
Militante, die die Hamas für sich reklamiert) und über 200 Verletzte.
Bevor dieser Artikel in Druck geht, werden die Zahlen sicher weiter
steigen. In Jabalya existiert kein Zufluchtsort, und in den Kliniken
herrscht Chaos. Die Bestände gehen zur Neige, das Personal arbeitet
ausnahmslos rund um die Uhr - schon seit Tagen. Ich sah Abu Nedal - Vater
des 14jährigen Nedal Al Madhown - der um Fassung rang und die erschöpften
Ärzte und Ambulanzfahrer fragte: “Wurde mein Sohn getötet? Wurde er
getötet?” (Der Junge war schon bei seiner Ankunft im Krankenhaus tot). Bei
der Mehrzahl der Toten und Verletzten handelt es sich um Kinder und
Jugendliche, die offensichtlich nicht gekämpft hatten.
Ich führte
ein Interview mit Dr. Mahmoud Al Asali, Direktor des Kamal Adwan
Hospitals. Man müsse wohl zwangsläufig davon ausgehen, daß die israelische
Armee es absichtlich auf Zivilisten abgesehen hat, so der Doktor. Die
meisten der durch Gewehrschüsse Verletzten wiesen Oberkörperwunden auf,
was auf einen Tötungsbefehl für israelische Scharfschützen schließen
lasse. Die palästinensischen Ärzte entfernten etliche sogenannte
‘Flechettes’ aus verletzten und toten Körpern; das läßt darauf schließen,
daß die IDF illegale Splitterbomben verwendet, Bomben, die bei der
Explosion rasierklingenscharfe Splitter streuen. Wie mir Dr. Al Asali
sagt, ist der Einsatz illegaler Splitterwaffen für die hohe Zahl Toter und
Schwerverletzter bzw. für den hohen Schweregrad der Verletzungen
verantwortlich. Die IDF verweigert eine Stellungnahme.
Die
Krankenhaus-Teams und Ambulanzen-Crews sind so gestreßt, daß sie
Freiwillige mit der grauenhaften Aufgabe betrauen müssen, die menschlichen
Überreste einzusammeln, zu sortieren und zuzuordnen. Den trauernden
Familien soll möglichst viel Substanz übergeben werden. Einer dieser
Sanitäter ist Ahmed Abu Saali, 26, vom Kamal Aswan Hospital: “Enorme
Schwierigkeiten bereitet uns die Tatsache, daß diese gewaltigen Bomben
Teile der einzelnen Opfers über einen großen Radius verstreuen können. So
kann es leicht passieren, daß einige Teile einer Person im Al Awda
Hospital landen, also im Osten des Lagers, während wir hier im Westen
andere Teile derselben Person haben”. Manchmal sind Kleiderfetzen bei der
Zuordnung hilfreich. Immer wieder schießt die israelische Armee auf
Sanitäter-Teams oder Journalisten. Bislang wurden 2 Ambulanzfahrer sowie
ein Kameramann der Ramatan New Agency verletzt. Ambulanz-Crews und
Presseleute tragen natürlich spezielle Kleidung, die sie kenntlich macht.
Israel hat
alle Grenzen zu Gaza dichtgemacht. Auch innerhalb des Gazastreifens wurde
die Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt. Es existieren drei Haupt-
“Zonen” - die durch abgeriegelte militärische Checkpoints voneinander
getrennt sind. Während der letzten Tage wurden zahlreiche neue Checkpoints
eingerichtet und Straßen mit Zementblocks und Sandbarrieren abgeriegelt.
Die Menschen können nicht mehr von Stadt zu Stadt - nicht einmal
Ambulanzen, die Patienten in die Klinik bringen wollen. Darüber hinaus
wurde der Hauptübergang zwischen Israel und Gaza geschlossen - selbst für
NGOs, humanitäre Hilfsorganisationen und ausländische Journalisten. So
intensiv die Militäroffensive auch ist und war, den Menschen droht noch
weitere Gefahr. Viele Familien haben seit Tagen weder Wasser noch Nahrung.
In Tal Al Zattar, Ost-Jabalya, habe ich eine ältere Frau namens Umm Ramzi
interviewt. Sie sprach mit mir durch das klaffende Loch in ihrer Hauswand,
das eine israelische Panzergranate riß. Sie sagte: “Wir haben das Rote
Kreuz angefleht, unser Leben und das unserer Kinder zu retten, aber
niemand reagierte”. Der Großteil der NGO-Mitarbeiter und
Hilfsorganisationen nimmt natürlich - logischerweise - an, daß durch die
Linien des israelischen Militärs rund um Jabalya kein Durchkommen ist.
Gleichzeitig ist ihnen aber absolut klar, daß die Zivilisten Hilfe
brauchen. Es gelang mir, mich mit dem Sprecher des Internationalen
Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) in Verbindung zu setzen. Sein Name ist
Simon Schorno. Er sagte mir am Telefon: “Im Moment befinde ich mich auf
dem Weg nach Gaza. Wir haben mit der IDF geredet und um Erlaubnis gefragt,
Nahrungsmittel und Wasser zu bringen. Es ist uns jedoch nicht gelungen,
ein Okay für umfassende Lebensmittelverteilungen zu erhalten”. Auf die
Frage, warum das Rote Kreuz während der letzten Tage, als soviele Familien
in Not waren, nicht da war, antwortete Mr. Schorno: “Ich fühle mich
furchtbar. Wir tun wirklich unser Bestes, um Nahrung und Wasser
reinzubringen, aber auch die beschädigten Straßen sind ein Grund, warum
wir die Menschen nicht so schnell erreichen”. Eine Reihe Einwohner -
Augenzeugen - haben bestätigt, daß die israelische Armee mehrere hohe
Gebäude zu Heckenschützenposten umfunktioniert hat. Und sie würden auf
alles schießen, was sich bewegt. Eines der aktuellsten Opfer ist Islam
Dweidar, 14. Das Mädchen wollte während einer scheinbaren Feuerpause für
die Mutter Brot einkaufen. Ein israelischer Heckenschütze schoß ihr in den
Kopf.
Im Süden
des Gazastreifens verstärkt die israelische Armee ihre Panzer und
Bulldozer - überall in Khan Younis und Rafah. Jede Nacht kommt es zu
Granatbeschuß, mit vielen Toten und Verletzten. Heute morgen sprach im am
Telefon mit Dr. Ali Mussa. Er ist Direktor des Abu Yousif Al Najjar
Hospitals in Rafah. Er erzählte mir von der 13jährigen Eman al Hums, die
von israelischen Scharfschützen getötet wurde: “Das Kind kam im
Krankenhaus an und war übersät mit insgesamt 20 Schußwunden in
verschiedenen Körperteilen, 5 davon im Kopf”. Palästinensische Augenzeugen
berichten, das Mädchen wurde getötet, als es mit zwei anderen Schulmädchen
auf dem Weg zur Schule war. In ersten Medienberichten behauptete die IDF
noch, das Mädchen habe versucht, eine Bombe zu legen. Später sah man sich
gezwungen einzugestehen, daß dies eine falsche Beschuldigung war.
Die
heutigen Angriffe sind wesentlich verheerender als ‘Operation Regenbogen’
im Mai. Damals starben in Rafah 40 Menschen, und es kam zu einem
internationalen Aufschrei. Heute herrscht vor allem in Amerika Stille.
Diese Stille scheint zu akzeptieren, daß Gaza in ein ‘killing field’
verwandelt wird. Scharon hat den Zeitpunkt wirklich gut gewählt, die
Kinder in Gaza zu dezimieren. Amerika ist mit seinem
Präsidentschaftswahlkampf und seiner Irak-Invasion beschäftigt. Wieviele
müssen noch sterben, ehe die Welt ihre Stimme erhebt?
Quelle
Quelle Originaltext |
Kinder zu
töten, ist keine große Sache mehr
von Gideon Levy Haaretz 17.10.2004
Mehr als 30
palästinensische Kinder wurden in den ersten zwei Wochen der
„Operation Tage der Sühne“ im Gazastreifen getötet. Es ist
kein Wunder, dass viele Leute solch ein massenhaftes Töten von
Kindern mit „Terror“ bezeichnen. Während in der Gesamtzählung
aller Intifada-Opfer das Verhältnis drei getötete
Palästinenser zu einem getöteten Israeli ist, kommt es bei den
Kindern zu einem Verhältnis von 5:1. Nach B’tselem der
israelischen Menschenrechtsorganisation wurden sogar vor der
augenblicklich laufenden Operation 557 Minderjährige (unter
18) getötet im Vergleich zu 110 israelischen Minderjährigen.
Palästinensische Menschenrechtsgruppen sprechen sogar von
einer höheren Zahl: 598 palästinensische Kinder (unter 17)
wurden nach der Palästinensischen
Menschenrechtsüberwachungsgruppe (PHRMG) und 828 (unter 18)
nach dem Roten Kreuz getötet. Man beachte auch das Alter: Nach
B’tselem, deren Daten bis etwa vor einem Monat erfasst worden
waren, waren 42 Kinder unter 10 Jahre alt; 20 waren sieben, 8
waren zwei Jahre, als sie starben. Die jüngsten Opfer waren 13
Neugeborene, die während der Geburt an den Checkpoints
starben.
Mit solch erschreckenden Statistiken wie diesen, sollte die
Frage, wer ein Terrorist ist, schon für jeden Israeli längst
eine sehr belastende Frage sein. Aber dies steht nicht auf der
öffentlichen Tagesordnung. Kindermörder sind immer noch nur
die Palästinenser, die Soldaten verteidigen uns und sich – zur
Hölle mit den Statistiken.
Die reine Tatsache, die ganz klar festgestellt werden muss,
ist die, dass das Blut von Hunderten palästinensischer Kinder
an unseren Händen klebt. Keine verworrene Erklärung vom Büro
eines IDF-Sprechers oder von Militärkorrespondenten über die
Gefahren, denen Soldaten durch Kinder ausgesetzt sind, keine
zweifelhafte Entschuldigung durch Leute der PR im
Außenministerium darüber, wie Palästinenser ihre Kinder
benützen, wird diese Tatsache ändern. Eine Armee, die so viele
Kinder tötet, ist eine Armee ohne Hemmungen, eine Armee, die
ihren Moralkodex verloren hat.
Als das Knessetmitglied Ahmed Tibi (Hadash) in einer besonders
emotionalen Rede in der Knesset sagte, dass es unmöglich sei,
länger zu behaupten, alle diese Kinder werden versehentlich
getötet. Eine Armee macht bei der Identifizierung nicht 500
Irrtümer pro Tag. Nein, das ist kein Irrtum sondern die
verheerende Folge einer Politik, die hauptsächlich von einer
erschreckend leichten Finger-am-Abzug-Mentalität bestimmt wird
und von der Dehumanisierung der Palästinenser. Auf alles zu
schießen, was sich bewegt - einschließlich auf Kinder – ist
zur Norm geworden. Sogar die augenblickliche Mini-Wut, die
über die „Bestätigung des Tötens“ des 13jährigen Mädchens,
Iman Alhamas, ausbrach, dreht sich nicht um die wahre Frage.
Der Skandal sollte allein durch den Akt des Tötens selbst
verursacht worden sein, nicht durch das, was ihm folgte. Iman
war nicht die einzige. Mohammed Aaraj aß ein Sandwich vor
seinem Haus, dem letzten vor dem Friedhof des
Balata-Flüchtlingslagers bei Nablus, als ihn ein Soldat aus
nächster Nähe erschoss. Christine Saada saß im Auto ihrer
Eltern, die von einem Verwandtenbesuch auf dem Weg nach Hause
waren, als die Soldaten den Wagen von allen Seiten mit Kugeln
beschossen. Sie war 12 als sie starb. Die Gebrüder Jamil und
Ahmed Abu Aziz fuhren mitten am Tag auf ihren Fahrrädern, um
sich Süßigkeiten zu kaufen, als sie direkt von einer Salve
getroffen wurden, die von einer israelischen Mannschaft eines
Panzers abgeschossen wurde. Jamil war zur Zeit seines Todes
13, Ahmed sechs.
Muatez Amudi und Subah Subah wurden von einem Soldaten
getötet, der auf dem Dorfplatz von Burkin stand, der auf jeden
feuerte, der in der Nähe von Steinewerfern war. Radir Mohammed
aus dem Khan Yunis Flüchtlingslager saß in ihrem
Klassenzimmer, als sie zu Tode kam. Sie war 12, als sie starb.
Alle diese hatten nichts Böses getan und wurden von Soldaten
getötet, die in unserem Namen handeln.
Wenigstens in einigen Fällen musste den Soldaten klar gewesen
sein, dass sie auf Kinder zielten, aber das hielt sie von
ihrem Tun nicht ab. Palästinensische Kinder haben keinen
Schutzraum: tödliche Gefahr lauert in ihren Wohnungen, in
ihren Schulen und auf der Straße. Nicht eines der Hunderte von
Kindern, die getötet worden sind, verdienten den Tod. Die
Verantwortung für ihr Töten sollte nicht anonym bleiben. Doch
die Botschaft, die den Soldaten übermittelt wird, lautet so:
Es ist keine Tragödie, Kinder zu töten – und keiner von euch
macht sich deshalb schuldig.
Der Tod ist für die Kinder natürlich die größte Gefahr, aber
sie ist nicht die einzige. Entsprechend von Angaben des
Palästinensischen Ministerium für Erziehung sind 3409
Schulkinder während der Intifada verletzt worden, eine Reihe
von ihnen werden nun lebenslang behindert sein. Die Kindheit
von Zehntausenden palästinensischer Kinder geht von einem
Trauma zum Nächsten, von einem Schrecken zum nächsten
Schrecken. Ihre Häuser werden zerstört, ihre Eltern vor ihren
Augen gedemütigt, Soldaten fallen brutal mitten in der Nacht
in ihre Wohnungen ein, Panzer eröffnen das Feuer auf ihre
Klassenzimmer. Und es gibt keinen psychologischen Dienst. Hat
man jemals gehört, dass ein palästinensisches Kind ein „Opfer
von Angstneurose“ wurde?
Die allgemeine Gleichgültigkeit, die diese „Schau“ von
unglaublichem Leiden begleitet, macht alle Israelis zu
Komplizen eines Verbrechens. Selbst Eltern, die wissen, was
Angstzustände für das Leben eines Kindes bedeuten, wenden sich
weg und wollen nichts von den Ängsten hören, die sich bei den
Eltern auf der anderen Seite des Zaunes ansammeln. Wer hätte
glauben wollen, dass israelische Soldaten Hunderte von Kindern
töten würden – und dass die Mehrheit der Israelis dazu
schweigt? Selbst die palästinensischen Kinder sind ein Teil
der Dehumanisierungskampagne geworden: Hunderte von ihnen zu
töten, ist keine große Sache mehr. |
USA warnen Israel vor
Eskalation |
"Tage der
Buße" hinterlässt 675 obdachlose Palästinenser
Der jüngste Großeinsatz der israelischen Armee im nördlichen
Gazastreifen hat 675 obdachlose Palästinenser und Schäden in Höhe
von etwa drei Millionen Dollar (2,4 Millionen Euro) hinterlassen.
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Studie der Vereinten Nationen:
Menschenrechtsverletzungen in Westbank und Gazastreifen |
UN prangern Menschenrechtsverletzungen Israels
an |
Tödliche »Tage der
Buße« Israels Premier Scharon kündigt Ausweitung der Militäroffensive
im Gazastreifen an. Mehr als 120 Palästinenser getötet. Rotes Kreuz
warnt vor Versorgungsproblemen |
Kein Stein steht mehr auf dem
anderen
Im Lager Dschabalia im
Gaza-Streifen haben viele bei der israelischen Offensive wieder
einmal alles verloren |
Arabische
Organisationen richten Hilfsfonds für Gazastreifen ein |
Erstarken
der EU gefährdet laut Bericht Souveränität Israels |
Verwüstung im Flüchtlinglager Dschabalia |
Nahost-Krise: Annan fordert vergeblich Ende der Gewalt |
Sorge
wegen israelischer Gaza-Offensive |
Annan
fordert Stopp des israelischen Einsatzes |
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Auge um
Auge? Blutbad im Gazastreifen |
Scharon
verlangt vom Militär hartes Vorgehen |
USA warnen
Israel vor zu großer Härte im Gazastreifen |
Israelischer Armee-Hubschrauber feuert Raketen
auf Haus in Gaza
Israelische Soldaten
haben am Abend aus einem Hubschrauber mindestens zwei Raketen auf
das Haus einer palästinensischen Familie in Gaza-Stadt abgefeuert. |
UNWRA-
Truppen missbrauchen Schulen in Dschabalija als Unterstände |
Israelische Armee feuert Raketen auf Gaza-Stadt |
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Die Rakete des UN-Sanitäters |
Wen läßt Israel »büßen«? |
Kein Stein steht mehr auf dem anderen
Im Lager Dschabalia im Gaza-Streifen haben viele bei der
israelischen Offensive wieder einmal alles verloren |
Mehr als 140 Tote bei israelischer Offensive |
Wer bereute? Wer hat gebüßt?
Eine Bilanz
"Mission has been effectively
accomplished", sagte Hauptmann Jacob Dallal, Sprecher der
israelischen Armee. (Washington Post, 16. Oktober). "Mission
erfolgreich ausgeführt"- vielleicht war es ein Zufall, daß die
gleichen Worte seinerzeit auf einem US-Flugzeugträger auf ein
Transparent geschrieben waren, vor dem US-Präsident Bush das - wie
er dachte - Ende des Irak-Krieges verkündete. Doch vielleicht ist
die Sprache gewisser Politiker und Militärs einfach so.
Der "Mission", die am 29.
September begann, hatte man den Namen "Operation Days of Penitence"
verpaßt, was in Deutschland von den meisten Medien mit "Tage der
Reue" übersetzt wurde. Doch wer sollte was bereuen? Penitence heißt
auch "Buße", und das ist logischer: Die Palästinenser sollten
"büßen" - konkret für den Abschuß einer Qassam-Rakete auf die
israelische Stadt Sderot, die zwei Kinder tötete.
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Israels Ministerpräsident setzt
Gaza-Einsatz fort
Gegen den Willen der Militärführung hat der israelische
Ministerpräsident Ariel Scharon laut Medienberichten eine
Fortsetzung der Offensive im nördlichen Gazastreifen angeordnet. ... |
Die 55 Jahre alten Frau Halimah
Abu Nadi sitzt auf den Überresten ihres Hauses im Bereich des Blockes K,
im Flüchtlinglager Jabalya. Abu Nadia und die übrigen 27 Mitglieder
ihrer Familie sind durch die Zerstörungen der israelischen Armee dachlos
geworden. |
Auf "Tage der Buße"
folgt der "Tag des Zorns" |
Die »Tage der Buße« in
Gaza gehen weiter |
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Die Gesellschaft für Österreichisch-Arabische
Beziehungen appelliert vor
Katzav-Besuch an Fischer und Schüssel
Edlinger: "Gezielte Tötung von Kindern durch israelische
Armee ist unmenschliches Verbrechen" |
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