medico international, Palestinian
Medical Relief Society, Physicians for Human Rights - Israel
Zur
Situation in und um Gaza
Israel und Hamas bombardieren weiterhin zivile Ziele.
Die israelischen
Bombardements auf Gaza wurden heute Nacht fortgeführt. Diese
zielten auf Regierungsgebäude und Wohnhäuser. In den Tagen zuvor
wurden auch auf Moscheen und Bildungseinrichtungen gezielt
beschossen. So beschossen israelische Kampfflugzeuge eine
Moschee und trafen dabei auch das nebenan liegende Gebäude.
Dabei wurden die fünf Schwestern Jawaher (4 Jahre alt), Dunia
(8), Samar (12), Ikram (14) und Tahreer (17) Ba’lousha getötet,
drei ihrer Geschwister und beide Eltern verletzt. Seit dem
Beginn der israelischen Bombardements auf Gaza wurden 362
Menschen umgebracht, 15% hiervon Kinder und Frauen. 1.700
Verletzte wurden in den Krankenhäusern des Gazastreifens
behandelt.
Auch die Hamas
bombardierte weiter: Auf israelischer Seite fielen im Lauf des
Mittwochmorgens 40 weitere Raketen, die eine immer größere
Reichweite haben und zwei Menschen leicht verletzten.
Das
Gesundheitssystem im Gazastreifen kollabiert
Die Krankenhäuser in
Gaza erhalten lediglich 6-8 Stunden Strom am Tag, was zu
Stromausfällen geführt hat und eine große Gefahr für
Schwerverletzte darstellt.
Die Hauptnotaufnahme
in Gaza hat uns informiert, dass es leicht Verletzte nicht mehr
aufnehmen kann und diese an andere Krankenhäuser verweisen.
Momentan haben sie 9 Patienten, darunter 6 Kinder und zwei
Frauen, die Atemgeräte und andere von Strom abhängigen Geräte
zum Überleben benötigen. Die Generatoren der Krankenhäuser
wurden aufgrund der israelischen Blockade lange Zeit nicht mehr
repariert und könnten jederzeit ausfallen.
Obwohl Israel
mittlerweile mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen
durchlässt, ist das Gesundheitssystem in Gaza kaum fähig, auf
eine Notlage dieser Größenordnung zu reagieren. Das
Gesundheitssystem im Gazastreifen befindet sich nämlich kurz vor
dem Zusammenbruch aufgrund der mittlerweile 1½-jährigen
israelischen Blockade und der vorhergehenden, langjährigen
Teilsperrung des Gebiets. Medizinische Geräte fehlen oder sind
ausgefallen, weil sie nicht gewartet werden konnten oder weil
Ersatzteile fehlen, das Gesundheitspersonal konnte sich nicht
weiterbilden und ist mit komplizierten Notoperationen
überfordert, und nach wie vor fehlen viele Medikamente und
andere medizinischen Hilfsgüter.
Zeitnah auf die
Krise reagieren
Mit Beginn der
Bombardements gingen die Mitarbeiter des medico-Partners
Palestinian Medical Relief Society (PMRS) in Nothilfemodus:
Sie arbeiten rund um die Uhr in drei Schichten. Die Mitarbeiter
– gestärkt durch das große Freiwilligennetz der PMRS -
evakuieren Verletzte in die Krankenhäuser und leisten erste
Hilfe. Sozialarbeiter betreuen die Angehörigen der vielen Toten
und Verletzten, eine Blutspendenaktion läuft gerade an. Dank
eines laufenden elfmonatigen Projekts, das medico
mithilfe des Auswärtigen Amts finanziert, haben die PMRS einen
Vorrat an Notfall-Medikamenten und Medikamenten für chronisch
Kranke. Die beiden durch das Projekt finanzierten mobilen
Kliniken samt zwölfköpfigen Teams können neben ihrer regulären
Arbeit auch überall Soforthilfe leisten. Die mobilen Klinken und
die anderen Einrichtungen der PMRS sind momentan überlastet: Da
die Krankenhäuser für die Verwundeten geräumt werden mussten,
chronisch Kranke, Herzpatienten oder Schwangere deshalb abweisen
müssen, kommen diese Patienten in großen Zahlen zu den
Einrichtungen der PMRS. Die mobilen Kliniken erleben innerhalb
des Jahres 2008 ihre zweite Krise: Erst im Februar 2008
zerstörte ein israelisches Flugzeug eine mobile Klinik (mehr zu
diesem Projekt unter http://www.medico.de/themen/krieg/nahost/dokumente/medizinische-soforthilfe-fuer-gaza/3057/)
Derweil versuchen die
israelischen medico-Partner Ärzte für Menschenrechte – Israel
(PHR-IL) das israelische Gesundheitsministerium dazu zu bewegen,
Schwerverletzte aus Gaza herauszulassen. Der Staat Israel
behandelt die Situation nämlich, als wäre sie alltäglich. Sie
erlauben ausschließlich Patiententransporte nach Erhalt
folgender Unterlagen: 1. eine offizielle Anfrage durch die
palästinensische Autonomiebehörde, die den Gazastreifen nicht
einmal kontrolliert und 2. die finanzielle Unterstützung durch
die palästinensische Autonomiebehörde für Behandlungskosten.
Dies stellt verschiedentliche Herausforderungen dar, da die
Autonomiebehörde entschieden hat, keine Anfragen für den
Krankentransport an die israelische Administration zu stellen
und auch nicht gewillt ist, finanzielle Verantwortung für
Behandlungskosten zu übernehmen, da sie Israel direkt für diese
Verletzungen verantwortlich machen. In der Vergangenheit, etwa
während der ersten Intifada, übernahm Israel die finanzielle
Verantwortung für durch israelische Angriffe verwundete
palästinensische Zivilisten - dies in Folge von israelischen
Gerichtsurteilen.
Zur
Finanzierung dieser und weiterer Hilfsmaßnahmen ruft Medico zu
Spenden auf. Spendenkonto:medico international,
Frankfurter Sparkasse,
Kontonummer 1800,
BLZ 500 502 01,
Stichwort: „Israel/Palästina“
Forderungen
Kurzfristige
Maßnahmen
Medico
International und seine Partner Ärzte für Menschenrechte
– Israel und Palestinian Medical Relief Society
fordern die sofortige Öffnung des Erez-Übergangs für Verletzte.
Israel sollte sofort die Verantwortung übernehmen für die durch
seine Bombardements verletzten Menschen. Die finanziellen
Forderungen sollte Israel zu einem späteren Zeitpunkt – wenn
überhaupt – stellen. Israel herrscht über den Gazastreifen nach
wie vor und ist nach internationalem Recht als Besatzungsmacht
verantwortlich für Leben und Wohl der Gazaer Bevölkerung. Weiter
soll die Blockade sofort aufgehoben werden, um eine angemessene
Versorgung der Gazaer Bevölkerung zu ermöglichen. Einseitige
Schuldzuweisungen, wie sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel
ausgesprochen wurden, tragen sicherlich nicht zu einer
friedlichen Lösung bei. Vielmehr muss ein Waffenstillstand mit
allen Parteien verhandelt werden und darauf hingewirkt werden,
dass die unverhältnismäßigen israelischen Bombardements, die
ganze Familien auslöschen, sofort zu beenden sind.
Aussicht
Die aufkommende
Krise war für jedermann vorauszusehen: Medico international,
seine israelischen und palästinensischen Partner, sowie andere
internationale Hilfs- und UN-Organisationen haben immer wieder
darauf hingewiesen, dass die israelische Blockade des
Gazastreifens die gesamte zivile Infrastruktur zusammenbrechen
lässt. Diese Aufrufe wurden stets ignoriert. Gerade das
Nahost-Quartett - bestehend aus der EU, den USA, der UNO und
Russland - muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es durch
seine Unfähigkeit oder Unwillen, Israel zur Aufgabe der Blockade
zu bewegen, mitverantwortlich ist für die gegenwärtige Krise
(Siehe dazu etwa den Report „The Middle-East-Quartet – A
Progress Report“ und den medico-Bericht hierzu unter:
http://www.medico.de/presse/pressemitteilungen/hilfsorganisationen-warnen-nahost-quartett-scheitert/3058/).
Medico
International und seine Partner Ärzte für Menschenrechte
– Israel und Palestinian Medical Relief Society
betonen: Ein Ende der humanitären Krise kann nur erfolgen, wenn
die israelische Blockade von Gaza für Patienten, für Waren und
für Zivilisten aufgehoben wird. Dies darf nicht eine zeitlich
begrenzte Aktion des guten Willens sein, sondern muss dauerhaft
garantiert werden. Alles andere stellt eine
menschenrechtswidrige und gefährliche Kollektivbestrafung von
anderthalb Millionen Menschen dar, von denen die Mehrheit
Minderjährige sind.
Die Lage vor Ort
ist unübersichtlich – auch durch die verschärfte israelische
Informationsblockade, die unter anderem Journalisten oder etwa
den UN-Sonderberichterstatter Richard Falk an der Einreise
verhindert haben. Der Informationsfluss ist folglich zäh. Medico
unternimmt sein Bestes, Informationen mehrfach zu überprüfen vor
etwaiger Veröffentlichung.