Wie man „Antisemiten“ jagt und damit noch viel mehr
wirkliche Israel-Kritiker schafft
Der Journalist Benjamin
Weinthal, der mit seinen Kampagnen seiner Sache
ständig einen Bärendienst erweist
Arn Strohmeyer
Der israelische
Journalist Benjamin Weinthal, der aus Berlin für die
„Jerusalem Post“ berichtet ist in den Kreisen der am
Nahost-Konflikt Interessierten wohl bekannt. Im Netz
wird er schlicht als der „Kampagnen-Journalist“
bezeichnet. Dieser Korrespondent hat ein
merkwürdiges Berufsethos. Er kennt offenbar nur ein
Ziel, Leute, die Israels Politik kritisieren als
„Israel-Hasser“ und „Antisemiten“ zu entlarven und
zur Strecke zu bringen. Was mag für ein Motiv hinter
einer solchen Auffassung von Journalismus stecken?
Vielleich ein – unbewusstes – Gefühl, sich an den
Deutschen für die furchtbaren NS-Verbrechen an den
Juden zu rächen – also ein Hass auf alles Deutsche?
Ganz sicher verfolgt er aber die Absicht, jede
Information und Diskussion über Israels brutale,
gegen Völkerrecht und Menschenrechte verstoßende
Besatzungspolitik zu verhindern.
Dass er dabei zur
tragischen Figur wird, weil er anstatt den
wirklichen Antisemitismus zu bekämpfen, den es ja
durchaus noch gibt, mit seinen infamen Methoden
immer mehr Kritiker der israelischen Politik
schafft, die dann in seiner Sicht natürlich alle
„Antisemiten“ sind, scheint ihm gar nicht bewusst zu
sein. Und da er keine Argumente hat – wie soll man
Israels Politik gegenüber den Palästinensern mit
humanen Argumenten verteidigen? – greift er ständig
zu Unterstellungen. Da ist dann davon die Rede, die
Kritiker wollten Israel „delegitimieren“ oder sein
Existenzrecht leugnen. Das wirft er auch Leuten vor,
die gar nicht daran denken, so zu argumentieren.
Ein Landsmann von
Weinthal, der Historiker und Soziologe Moshe
Zuckermann von der Universität Tel Aviv, für den
Kampagnenjournalisten vermutlich auch ein
„Antisemit“, hat einmal die infamen Methoden dieser
ideologischen Eiferer und Inquisitoren sehr treffend
beschrieben, wobei er sich gar nicht direkt auf
Weinthal bezog: „Der Antisemitismus-Vorwurf ist
inzwischen selbst zum Fetisch geronnen, die
Sachwalter des Antisemitismus-Vorwurfs gerieren sich
(nach alter deutscher Tradition) wie
scharfrichterliche Gesinnungspolizisten, so dass der
real grassierende Antisemitismus sich an der Tendenz
delektieren darf, dass alles, was sich kontingent
anbietet, so sehr dem Antisemitismus-Vorwurf
unterstellt wird, dass der wirklich zu bekämpfende
Antisemitismus sich hinter der Verwässerung des
Begriffs und seiner zunehmenden Entleerung
verstecken kann. Vor lauter Antisemitismus-Jagd ist
inzwischen jeder und jede im deutschen öffentlichen
wie halböffentlichen Raum tendenziell dem drohenden
Vorwurf ausgesetzt, manifest oder latent
antisemitisch zu sein, wobei die keulenartige
Drohgebärde mittlerweile so wirkmächtig geworden
ist, dass viele in eingeschüchtert-vorauseilender
Unterwerfung die perfiden Regeln des
Katz-und-Maus-Spiels verinnerlicht haben und ihnen
nichts dringlicher erscheint, als dem Vorwurf
dessen, was ihnen gar nicht in den Sinn gekommen
war, entkommen zu sollen. Aber das In-Abrede-Stellen
des Vorgeworfenen nützt nichts, wird mithin im
günstigsten Fall belächelt, im gängigeren aber als
umso evidenterer Beweis für den unbewussten
Antisemitismus des sich des Vorwurfs Erwehrenden
gedeutet und auch lauthals verkündet.“ Soweit Moshe
Zuckermann.
Es wäre müßig und
ermüdend, hier alle Kampagnen aufzuzählen, die
Weinthal schon gestartet hat, um Kritik an Israels
Politik zu unterdrücken. Sie sind Legion. Warum er
dabei so erfolgreich ist, die Angegriffenen also
reihenweise einknicken und meistens sofort
nachgeben, kann man nur psychologisch mit der
Seelenlage der Deutschen nach dem Holocaust
erklären, wie es der deutsch-jüdische Philosoph
Ernst Tugendhat (Tübingen) getan hat. Er hat sich
eingehend mit dem Problem der deutschen Schuld
gegenüber den Juden und dessen Auswirkung auf das
deutsch-israelische Verhältnis beschäftigt. Er
stellt fest: Wird Schuld nicht bewusst
aufgearbeitet, dann kann man mit ihr nicht rational
und kontrolliert umgehen. Was aber zur Folge hat,
dass man sich seinem Gegenüber so verhält, dass man
alles tut, was er glaubt, was man zu tun hätte. Man
gibt also die Autonomie des eigenen Urteilens preis,
und das Gegenüber hat so die Chance, die Schuld zu
manipulieren. Tugendhat schreibt: „Es gibt Menschen
und auch Staaten, die auf dem irrationalen
Schuldgefühl eines anderen virtuos wie auf einem
Klavier spielen können. So tun es auch die Israelis
mit den Deutschen.“ Man kann dieser Schuld nur
entgehen, schreibt er weiter, wenn diese Schuld
rational aufgearbeitet wird. Dann besteht nicht mehr
die Notwendigkeit, sich den – u.U. auch irrationalen
– Wünschen des anderen zu unterwerfen. Der Handelnde
behält dann sein autonomes Urteilsvermögen. Die
Frage lautet dann: Wie kann ich dem anderen helfen?
Wo liegen seine Interessen? Weinthal ist ein
grandioser Virtuose, auf den deutschen
Schuldgefühlen Klavier zu spielen.
Dass ein solches
Vorgehen, das ja mit Journalismus wenig, aber viel
mit ideologisch begründeter, inquisitorischer
Menschenverfolgung zu tun hat, viele Menschen in
diesem Land in ihren –natürlich unberechtigten –
Vorurteilen gegen „Juden“ und vielleicht auch
wirkliche antisemitische Ressentiments verstärken
könnte, kommt diesem Mann wohl gar nicht in den
Sinn. Ein Beispiel, das der Verfasser dieser Zeilen
gerade selbst erlebt hat. Weinthal schaffte es –wie
berichtet – mit einer einzigen email an den
Vermieter des Veranstaltungsraumes in Bremen, einen
Vortrag über mein neues Buch „Antisemitismus und
Philosemitismus und der Palästina-Konflikt. Hitlers
langer verhängnisvoller Schatten“ ausfallen zu
lassen.
Im Netz gab es sofort
eine empörte Kampagne gegen Weinthal. Als die lokale
Zeitung (der Weser-Kurier) über den Fall berichtete,
schrieben mir reihenweise wildfremde Menschen oder
riefen mich an und drückten mir ihre Sympathie aus
und zugleich ihren Abscheu über solche Methoden,
aber auch über die mangelnde Zivilcourage des
Raumvermieters. Für mein Buch hat Weinthal so
unfreiwillig gute Werbung gemacht, ich müsste ihm
eigentlich einen Dankesbrief schreiben. Für mich ist
er deshalb eine tragische Figur, der – ganz frei
nach Goethe – in seinem Sinn stets das Gute (für
Israel) will und doch immer das Gegenteil erreicht.
Denn die Freunde Israels werden durch sein Wirken
sicherlich nicht mehr. Wie der frühere israelische
Botschafter in Deutschland Avi Primor einmal gesagt
hat: „Der Antisemitismus nimmt nicht zu, die
Sympathien für Israel nehmen aber ab.“