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Klassischer Fall von Geschichtsfälschung
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Jenseits aller Wirklichkeit
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Zwischen „Lügen- “ und „Lückenpresse“
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Israel-Berichterstattung - doppelte Standards
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Wann ist Kritik an Israels antisemitisch
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Claude Lanzmann -  Palästina-Konflikt
Die Israel-Lobby und die HAWK
Ein Humanist?
„Die Hamas ist an allem schuld“
Ein Krieger und Verächter des Völkerrechts
Proteste und Demonstrationen nicht Antisemitisch
Der Streit um Israels „Existenzrecht“
„Journalismus“ á la Benjamin Weinthal
„Methodisch betriebener Wahnsinn“
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Gipfel der Absurdität
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Rezension - Die Hölle von Gaza - Spiewak
Rote Karte für Israel!
Der Antisemitismus-Vorwurf als Rufmord
Ist Israel ein verrückter Staat?
„Oslo war ein Kapitulationsabkommen“
Rezension - Ilan Pappe -  „Die Idee Israel"
Wenn eine Jüdin den Zionismus kritisiert...
Leseprobe 3 - Antisemitismus – Philosemitismus
Leseprobe 2 - Antisemitismus – Philosemitismus
Leseprobe 1 - Antisemitismus – Philosemitismus
Inhalt - Antisemitismus – Philosemitismus
Buch - Antisemitismus – Philosemitismus
Kontrolle über Israels Atomwaffen?
Rezension - Sven Severin: Shalom ist nicht Frieden.
Werte der USA und Europas Doppelmoral
Antwort auf Uri Avnerys Artikel Die wirkliche Nakba
Rezension - Israel – Im permanenten Kriegszustand
Zwischen Doppelmoral und Lebenslügen
Die Herren über Leben und Tod
Dauerbrenner Antisemitismus
Weglassen, vertuschen und manipulieren
Napoleoni - Die Rückkehr des Kalifats.
Presseboykott gegen  Nakba-Ausstellung Bremen?
Der Streit um die historische Wahrheit
Am besten das Völkerrecht abschaffen.
Anschläge Paris - Stunde der Heuchler
Die Legenden von den vertriebenen Juden
Linkspartei und die Verletzer der Völkerrechte
Für Israel Frieden unmöglich.
Zionismus vor seinem historischen Ende?
Antisemitismus-Gefahr als politische Waffe
Eine genau kalkulierte Kampagne
„Ein Massaker schlimmsten Ausmaßes!“
Dieter Graumann und die westlichen Werte
Willkommener Anlass
Die EU als zahnloser Papiertiger
Antisemiten überall
Uri Avnery relativiert die Nakba
H. Baumgarten - Kampf um Palästina
Ein bedeutender Schritt zur Versöhnung
Bremer Evangelische Kirche -  Frieden Nah Ost
„Warum provoziert Ihr Israel immer so?“
Interview mit  Reuven Moskowitz
Israels große Propagandainszenierung
Unkritische Unterstützung Israels.
Tumulte in der Knesset
Rezension - Israel kontrovers
Ariel Sharons brutale Gewaltpolitik
Neuerscheinung Ilan Pappes Buch?
Ilan Pappe - „Eethnische Säuberung Palästinas
Schweigen der Christen im Nahen Osten
Feldmans Film „The Lab“
Mythos - Vertreibung der Juden
Rezension - Viktoria Waltz -  „Monopoly“
Shlomo Sand - Ich steige aus.
Palästinenser Testpersonen für Rüstungsindustrie
Israel steht unter Verdacht
Rezension - Buch Ekkehart Drost
3. Israelkongress in Berlin
Die Angst vor der Wahrheit
Was kommt nach dem Zionismus?
Führt Obama Israels Krieg?
Haben nur Palästinenser „Blut an den Händen“?
Ein Bantustan-Staat für die Palästinenser?
Zionismus + arabischer Antisemitismus
Ethnische Säuberungen
Juden unerwünscht?
Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen!“
Nachruf auf Stéphane Hessel
Streit um Augsteins „Antisemitismus“ geht weiter
Zerstört Israel sich selbst?
Broders taktischer Rückzieher
Solidarität mit Jakob Augstein!
Sollen Patriot-Raketen Israel schützen?
Von der Macht der Denunzianten
Rezension Rudolph Bauer - Wer rettet Israel
Netanjau in Berlin zum völlig falschen Zeitpunkt
Mit der UNO auf Kriegsfuß
Generalangriff auf die Mythen des Zionismus
Gaza - Schweigen die Waffen?
"Sicht der Armee  kein ethisches Problem“
Erwiderung auf Charlotte Knobloch
Atmosphäre der Angst
Keine Chance für die Vernunft?
These vom Mord an Arafat
„Hier wird Israel pauschal diffamiert“
D. Barenboim:„Nur ein Psychiater kann  helfen!“
In Nibelungentreue an Israels Seite?
Merkels abenteuerlicher Kriegskurs
Der Dichter, Israel und die Denkverbote
Genug der Heuchelei! - Günther Grass
Auf Mythen keinen Frieden aufbauen
Brief an Ralph Giordano
Ilan Pappe -  Wissenschaft als Herrschaftsdienst
Nazi-Analogien in Israel
Interview mit Abdallah Frangi
Abdallah Frangi - Der Gesandte
Israeltag 2011 - Bremer Schulen
Ein Akt historischer Gerechtigkeit
Israel-Propaganda an deutschen Schulen ?
„Boykott ist eine absolute Notwendigkeit“
Rezension - Finkelstein „Israels Invasion in Gaza“
Die Partei „Die Linke“ + das Existenzrechts Israels
„Wir wollen die ganze Region befreien“
Ergänzung - Brief Bürgermeister Jens Böhrnsen
Offener Brief - Bürgermeister Jens Böhrnsen
Helmut Schmidt + R. von Weizsäcker Antisemiten?
Sind Boykottaktionen antisemitisch?
Boykott gegen Früchte aus Israel
Stéphane Hessel - Empört Euch!
Todenhöfer - Warum tötest Du, Zaid?
Arabische Aufstände düpieren den Westen + Israel
Verzweifeln an Israel
In der Falle der Stammesideologie
Wer glaubt an Friedensbotschaften
Kotau vor Merkels Nahost-Politik
Wie man Antisemiten produziert
Im Gleichschritt mit Israel?
Was ist Antisemitismus
Gibt es  "neuen" Antisemitismus? - Klug Brian
Was sind "jüdische Gene"? - Thilo Sarrazin
Zionistischer Angriff auf Wikipedia
Moshe Zimmermann: Angst vor Frieden
Verwirrung der Begriffe?
Offener Brief  Weser-Kurier-Artikel - 16. 06. 2010
Iris Hefets gewann Prozess gegen Lala Süsskind
Mordaktion nach Piratenmanier
Israel will keinen Frieden
Solidarität mit Iris Hefets!
Sieg der Spermien und Gebärmütter
Hajo Meyer - Radikale Kritik am Zionismus
Interview mit Norman G. Finkelstein
Gespräch mit Yehuda Shaul
Interview mit Yahav Zohar
Broder - Aufklärung + Untergang
„Israel streut der Welt Sand in die Augen“
„Hitler besiegen“
Interview mit Moshe Zuckermann
Bethlehem 2008
Volk ohne Hoffnung
Brief Präsidium J. G. Bremen
Interview Felicia Langer

 


 

Die Tragödie des Zionismus: von der Emanzipationsbewegung der Juden zum siedlerkolonialistischen Apartheidstaat

Vor 125 Jahren beschlossen die Zionisten in Basel die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina

Arn Strohmeyer - 26.08.2022

Der Begründer des Zionismus, der Journalist Theodor Herzl (1860 – 1904), hat schon 1896 konstatiert: „Die Juden, die ihren Staat wollen, werden ihn haben.“ Ein Jahr später trafen sich im August 1897 die führenden Zionisten zu ihrem ersten Kongress in Basel. Sie beschlossen: „Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina.“ In diesem Satz versteckte sich schon die ganze Problematik des zionistischen Unternehmens, das die Anhänger dieser Ideologie nun in Angriff nahmen.

Denn erstens wollten sie nicht nur eine „Heimstätte“ schaffen, sondern einen jüdischen Staat errichten, so hatte Herzl es vorher auch schon in seinem Buch Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage formuliert. Man hielt sich in Basel aus taktischen Gründen sprachlich zurück, um vor allem die arabische Welt nicht zu erschrecken und in Aufruhr zu versetzen. Und zweitens sollte dieser Staat in einem Land gegründet werden, der von palästinensischen Arabern bewohnt war. Der Konflikt, der bis heute andauert, war also im dem Baseler Beschluss schon enthalten.

Die Zionisten gingen bei der Realisierung ihres Zieles äußerst geschickt vor. Sie holten immer mehr jüdische Immigranten nach Palästina und schufen dort Schritt für Schritt „vollendete Tatsachen“ („faits accomplis“), die nicht rückgängig gemacht werden konnten. Das heißt: Sie kauften Land und errichteten vorstaatliche Institutionen: Wehrsiedlungen (Kibuzzim), Verwaltungsorgane, Milizen (die sehr bald zu einer Armee wurden) sowie ein eigenes, speziell jüdisches Wirtschaftssystem, das Araber vollständig ausschloss. Geographisch strebten die Zionisten ein Groß-Israel (Erez Israel) an, das weit über das eigentliche Palästina hinausging und auch Teile Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Irak und des Libanon einschloss. Herzl stellte sich einen jüdischen Staat vom Nil bis zum Euphrat vor.

Die indigene Bevölkerung – die Palästinenser – spielte in dem zionistischen Projekt, das auf ihrem Boden stattfand, überhaupt keine Rolle. In der Sicht der Zionisten gab es diese Menschen überhaupt nicht. Die zionistische Politikerin Golda Meir, die später auch israelische Regierungschefin wurde, hat die Leugnung ihres Daseins in geradezu klassischer Weise so formuliert: „So etwas wie Palästinenser hat es nie gegeben. Es war nicht so, als wäre in Palästina ein Volk vorhanden gewesen, das sich als ein solches betrachtet hätte, und wir sind gekommen, hätten sie hinausgeworfen und ihnen ihr Land weggenommen. Sie existierten nicht.“

Aber in Wirklichkeit existierten diese Menschen sehr wohl. Unzählige Reiseberichte aus dem „Heiligen Land“ aus den vergangenen Jahrhunderten haben ihr Leben geschildert und angemerkt, dass sich die Palästinenser trotz der repressiven türkischen Herrschaft eines gewissen Wohlstandes erfreuten. Die Zionisten mussten die Palästinenser aber offensichtlich negieren, denn wie hätten sie sonst ihre Absicht realisieren und rechtfertigen können, mitten in diesem Volk ihren Staat gründen zu wollen, ohne die geringste Rücksicht auf diese Menschen zu nehmen? Wobei der Begriff Negieren noch sehr milde beschreibt, wie man wirklich mit diesen Menschen umging. So schilderte der aus Russland stammende jüdische Schriftsteller Ahad Ha’am, der am Ende des 19. Jahrhundert Palästina besuchte, seine Eindrücke empört so: Die Zionisten behandeln die Araber dort „despotisch“, sie begegnen ihnen mit Feindschaft und Grausamkeit, berauben sie ihrer Rechte, schlagen sie schmählich ohne Grund, brüsten sich dessen sogar, und niemand wirft sich dazwischen und gebietet ihrem gefährlichen und abscheulichen Treiben Einhalt.“

Theodor Herzl hatte schon in seinen Tagebüchern beschrieben, wie die Zionisten gegen die einheimischen Palästinenser vorgehen sollten: „Die Zionisten müssen sich zunächst in zureichender Weise den Grundbesitz der arabischen Bevölkerung verschaffen. Die Einheimischen – insbesondere die Armen – sollen unbemerkt über die Grenzen in Nachbarländer deportiert werden, nachdem sie vorgängig die gröbste Kolonisierungsarbeit im Judenstaat geleistet haben. Den Arabern darf im Judenstaat keine Arbeit gegeben werden; auch ist es der eingeborenen Bevölkerung untersagt, von Juden erworbenes Land zu kaufen.“

„Die Palästinenser wie Sümpfe und Malaria bekämpfen“

Der israelische Psychoanalytiker Benjamin Beit-Hallahmi, der ein Buch über die Sünden des Zionismus geschrieben hat, schildert darin, wie die Zionisten die arabische Bevölkerung Palästinas in der frühen Zeit der Besiedlung Palästinas behandelt haben: „Sie waren nicht Teil einer Gleichung. Sie waren für die Zionisten eigentlich gar nicht vorhanden, waren ‚unsichtbar‘ und kamen in den Visionen und Planungen der Zionisten gar nicht vor. Die einheimische Bevölkerung musste ausgesondert und ausgeschieden (eliminated) werden. Der Krieg gegen die Eingeborenen (natives) war schlicht und einfach ein Teil der Umwandlung der Natur des Landes, und sie waren ein anderes Element der Natur, man musste sie [die Eingeborenen] erobern und sie bekämpfen wie die Sümpfe, die Hitze und die Malaria.“

Ben-Hallahmi fügt hinzu: Die dort lebenden Araber waren für die Zionisten nicht einmal eine Herausforderung, sondern lediglich ein Ärgernis, ein Missstand, den man beseitigen müsse. Wenn sie Widerstand gegen ihre Vertreibung von ihrem Land und die brutale Behandlung leisteten, hätten die Zionisten das schlicht als „kriminelle Gewalt“ angesehen. Dieser Widerstand sei immer „illegal“ gewesen. Palästinensische Widerstandskämpfer wurden als „Gangster, Räuber und Banditen“ bezeichnet – später und bis heute als „Terroristen!“ Oder sie wurden als „Invasoren und Aggressoren“ angeprangert. Mit Blick auf die Verfolgungen in der jüdischen Geschichte hätte man in palästinensischen Widerständlern auch „heidnische Antisemiten“ gesehen, die Pogrome gegen friedliche Juden begehen würden, sogar der Vergleich mit der spanischen Inquisition sei benutzt worden.

Damit war die Grundkonstellation beschrieben, die das Verhältnis der Zionisten zu den Palästinensern bis heute bestimmt: Verachtung, Diskriminierung und Unterdrückung. Der Staat Israel wurde gewaltsam auf Kosten der Palästinenser errichtet, also unter völliger Missachtung der natürlichen Rechte dieses Volkes, wobei die imperialistischen Westmächte – vor allem Großbritannien und die USA – dabei Hilfestellung leisteten. Israel ist bis heute der typische siedlerkolonialistische Staat. Die Arabistin Petra Wild hat diese Staatsform so definiert: „„Der reine Siedlerkolonialismus, für den Israel ein Beispiel ist, strebt danach, die einheimische Bevölkerung durch eine eingewanderte Siedlerbevölkerung vollständig zu ersetzen. Die Grenzen werden stets weiter nach vorne verschoben und die einheimische Bevölkerung auf stets kleiner werdenden Flächen zusammengedrängt, um ihr Land und ihre Ressourcen für die Siedlerbevölkerung freizumachen. Charakteristisch für siedlerkolonialistische Gebilde sind neben territorialer Expansion ein ausgeprägter Rassismus in der Siedlerbevölkerung und die Behauptung, das Land sei menschenleer gewesen, als die Siedler kamen.“ Bei den Zionisten lautete die Parole: „Das Volk ohne Land kommt in das Land ohne Volk.“

Der Machtanspruch der Zionisten auf ein arabisches Land und die gewaltsame Schaffung eines jüdischen Staates im Herzen der arabischen Welt mit allen sich daraus ergebenden kolonialistischen Konsequenzen machen bis heute das Wesen des Nahost-Konfliktes aus. Israel konnte sein brutales völkerrechtswidriges und die Menschenrechte verletzendes Vorgehen immer nur mit Mythen rechtfertigen – angefangen mit der „Rückkehr“ der Juden nach 2000 Jahren in ihr „eigenes“ Land und der Rechtfertigung, das Land unter Berufung auf göttliches Geheiß in Besitz nehmen zu können (Jeremia 30,3). Würden andere Völker ähnliche Rechte auf früher angeblich besessenes Land anführen, würde die Welt zum chaotischen Schlachtfeld anachronistischer Ansprüche.

Die „Rückkehr“ der Juden nach Palästina kann historisch, anthropologisch und juristisch nicht begründet werden (der Soziologe Walter Hollstein). Auch wenn der Staat Israel heute eine Realität ist, die Begründungen für seine Legalität kommen alle aus dem Mythos, also aus einer ahistorischen Betrachtungsweise. Jede Kritik an dieser mythischen, also ahistorischen Sicht auf die eigene Geschichte wird sofort mit dem Antisemitismus-Vorwurf abgewehrt.

Die Zionisten gingen bei der Realisierung ihrer Pläne, in Palästina einen jüdischen Staat zu errichten, äußerst geschickt und clever vor, sie profitierten dabei aber zweifellos auch von der sozio-ökonomischen Rückständigkeit der Palästinenser und der Unterstützung der großen imperialistischen Mächte. Es kann hier nicht im Einzelnen auf alle Stationen der zionistischen Geschichte eingegangen werden – die britische Mandatszeit von 1922 bis 1948, den palästinensischen Aufstand 1936 – 1939, den jüdischen Terror der Irgun und anderer Untergrundorganisationen gegen die Briten und Palästinenser, die Teilungsresolution der UNO 1947, die Nakba mit der Vertreibung von 800 000 Palästinensern durch zionistische Truppen, die Staatsgründung Israels im Mai 1948, den israelisch-arabischen Krieg von 1948 mit seinen Eroberungen, Israels expansive Kriege 1967 und 1973 und die brutale Okkupationsherrschaft über die Palästinenser und den permanenten Landraub bis heute, um nur die wichtigsten Ereignisse zu nennen. Nicht vergessen werden dürfen zwei Aufstände der Palästinenser (Intifadas) gegen die zionistische Unterdrückung: 1987 und 2000/2001.

Die heutige Realität des Zionismus ist äußerst ambivalent und zwiespältig. Auf der einen Seite ist dieser Staat eine politische, wirtschaftliche und militärische regionale High-Tech-Supermacht, exklusiv für Juden ist sie auch eine liberale Demokratie nach westlichem Vorbild, nimmt man aber den gesamten zionistischen Herrschaftsbereich, also einschließlich der besetzten Gebiete, dann muss man von einer Ethnokratie sprechen, weil hier ein privilegiertes Herrenvolk über ein unterworfenes und rechtloses Volk herrscht. Israel weist heute alle Züge eines Apartheidstaates auf.

Die israelische Journalistin Amira Hass hat jetzt in der Tageszeitung Haaretz (21.August 2022) die andere dunkle Seite Israels geschildert. Danach verübt der zionistische brutale Besatzungsstaat an den Palästinensern einen „Nicht-Holocaust“, das heißt, er „missbraucht, demütigt, zerquetscht und foltert, bombardiert und tötet, inhaftiert und vertreibt, stiehlt Wasser und Land.“ Die Journalistin ist empört darüber, dass die westlichen Staaten sehr schnell Sanktionen gegen missliebige Staaten verhängen, nicht aber gegen Israel, „das den Gazastreifen mit seinen Waffen vernichtet hat und weiterhin vernichtet und mit Science-Fiction-ähnlichen Mitteln jeden Palästinenser ab dem Alter von einer Stunde bis nach seinem Tod ausspioniert.“

Das ist die Realität des modernen Israel, die zugleich die Tragödie des Zionismus ist. War die Idee des Zionismus in seiner ursprünglichen Zielsetzung, als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus den Juden eine sichere Heimat zu verschaffen, noch humanistisch orientiert, so kann seine politische Praxis, seine umgesetzte Wirklichkeit nur als äußerst inhuman bezeichnet werden.

Der deutsche Soziologe Walter Hollstein hat schon Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geschrieben: „Man kann nicht übersehen, dass sich der humanistische Gehalt des Zionismus, der die Befreiung der Juden wollte, in der verwirklichten Praxis nur auf unmenschliche Weise erfüllen konnte. Der Zionismus, der aus begangenem Unrecht an den Juden entstanden war, ließ alsdann Juden Unrecht begehen, um sich überhaupt realisieren zu können. (…) Die Zionisten mussten, um in Palästina leben zu können, den Palästinensern das Lebensrecht nehmen.“ Mit anderen Worten: Aus Opfern sind Täter geworden.

Kann der Zionismus überleben? Drei israelische Stimmen

Die Frage, ob der Zionismus als Staatsidee Israels noch eine Zukunft hat, muss angesichts der inhumanen Politik des israelischen Staates gegenüber den Palästinensern gestellt werden. Als Antwort auf diese Frage sollen hier die Positionen von drei renommierten israelischen Wissenschaftlern aufgeführt werden: der Historikerin Tamar Amar Dahl, des Historikers Ilan Pappe und des Sozialwissenschaftlers und Philosophen Moshe Zuckermann.

Die hier gestellte Frage ist eng mit der anderen Frage verknüpft, ob Israel bzw. der Zionismus friedensfähig und friedenswillig sind. Alle drei Autoren verneinen diese Frage. Um Frieden zwischen Kontrahenten herstellen zu können, muss ein Mindestkonsens über das Wesen des zur Debatte stehenden Konflikts bestehen: seine Ausgangspunkte und seine Ursachen. Eine verfälschte oder manipulierte Sicht der Geschichte schließt jeden Lösungsansatz aus. Die zionistische Betrachtungsweise der eigenen Geschichte ist aber mystifizierend und geschichtsfremd, weil sie von den konkreten Geschehnissen abstrahiert.

Tamar Amar Dahl macht diesen Tatbestand in erster Linie für Israels Friedensunfähigkeit verantwortlich. Denn der Zionismus hat den Konflikt mit den Palästinensern vollständig entpolitisiert, das heißt, er wird jenseits von dessen konkreter politischer und historischer Entstehung begriffen und an einer gegen Juden als solche gerichteten Feindseligkeit, also dem „ewigen“ Antisemitismus, festgemacht. Die Zionisten leugnen also, dass der Streit mit den Palästinensern um Territorium und Ressourcen geht, sondern führen den Konflikt auf die Verfolgungsgeschichte der Juden zurück, weshalb die Palästinenser in ihren Augen die „neuen Nazis“ sind. Die jüdische Seite leugnet also die kolonialen Ursprünge und Verlaufsformen der Gewalt in Palästina und deutet den Konflikt als Fortsetzung der Geschichte außerhalb Palästinas, vor allem der Vernichtungspolitik der Nazis.

Ein solches Verständnis des Konfliktes, das den politischen Gegner zum „ewigen Feind“ erklärt, lässt keine Versöhnung und keinen Frieden zu. Die Friedensfrage ist für den Zionismus eng mit dem Problem der Sicherheit verbunden, Sicherheit und Frieden können aber nur durch militärische Stärke hergestellt werden, also durch die militärische Kontrolle der „anderen Seite“, was die absolute militärische Überlegenheit voraussetzt. Das bedeutet aber: Die totale militärische Kontrolle über Eretz Israel und dessen „Araber“ muss aufrechterhalten werden. (Ariel Sharon hat über seine Strategie einmal gesagt: „Sie [die Araber oder Palästinenser] müssen Angst vor uns haben.“) Tamar Amar Dahl schreibt: „Frieden wird zum Drang, sich des politischen ‚Feindes‘ zu entledigen, er wird zum Mittel, die Trennung von ‚den anderen‘ herbeizuführen, um endlich die ersehnte zionistische Utopie verwirklichen zu können.“

Die Tatsache, dass der Erfolg des zionistischen Unternehmens mit dem Schwert erkämpft wurde, verdrängen die Zionisten aber. Kompromisse eingehen, lässt die zionistische Ideologie nicht zu, denn jedes Zugeständnis könnte als Schwäche gedeutet werden und der Anfang vom Ende sein. Existenzangst und Isolationsgefühle sind die Folge. Israel befindet sich deshalb in einer heiklen politischen Lage. „Die Geschichte steht nicht auf der Seite Israels“, schreibt die Historikerin. Trotz seiner militärischen Stärke und der Unterstützung des Westens werde es immer offensichtlicher, dass die politische Ordnung Israels nicht von Dauer sein könne. Das Festhalten an den Gründungsmythen, die Angst vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit würden eine tiefsitzende Unsicherheit über die eigene Zukunft schaffen.

Die Legitimität des Zionismus steht auf dem Spiel

Ilan Pappe argumentiert ganz ähnlich. Auch er sieht bei den Israelis eine tiefsitzende Angst vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, vor allem den Ereignissen von 1948 (der Nakba, die er als eine „ethnische Säuberung“ bezeichnet). Das Eingeständnis des brutalen Vorgehens der Zionisten gegen die Palästinenser in jener Zeit und später würde zwangsläufig beunruhigende Fragen nach der moralischen Legitimität des ganzen zionistischen Projekts aufwerfen. Er schreibt: „Für Israelis ist es daher von entscheidender Bedeutung, einen starken Verleumdungsmechanismus aufrechtzuerhalten, der ihnen nicht nur hilft, die von den Palästinensern in den Friedensverhandlungen gestellten Forderungen abzuwehren, sondern auch – und vor allem – jede eingehende Debatte über den Charakter und die moralischen Grundlagen des Zionismus zu vereiteln.“

Das Zugeben des Unrechts, das man den Palästinensern angetan hat und noch antut, würde auch bedeuten, die Palästinenser als Opfer anzuerkennen, was aber den eigenen Opferstatus beschädigen würde. Das würde aber „moralische und existenzielle Auswirkungen auf die Psyche israelischer Juden zeitigen: Sie müssten sich eingestehen, dass sie zum Spiegelbild ihres schlimmsten Alptraums geworden sind.“

Es versteht sich von selbst, dass Israel, solange es sich weigert, das Trauma der Palästinenser anzuerkennen, nicht zu einer Friedenslösung bereit sein kann. Aber Pappe ist optimistische: „Dabei scheint die Lösung doch recht einfach zu sein: Als letzte postkoloniale europäische Konklave in der arabischen Welt hat Israel keine andere Wahl, als sich freiwillig eines Tages in einen bürgerlichen, demokratischen Staat zu verwandeln.“ Das wäre dann das Ende des zionistischen Projekts und die Einstaaten-Lösung, in der die Palästinenser dann volle Gleichberechtigung genießen würden.

„Der Zionismus geht seinem Ende entgegen“

Moshe Zuckermann sieht den Zionismus in einer tiefen selbstverschuldeten Krise. Diese Ideologie hatte, so schreibt er, die historische Wahl: entweder einer Zweistaaten-Lösung zuzustimmen, das heißt der Anerkennung eines von den Palästinensern errichteten souveränen Staates an der Seite Israels. Die andere Möglichkeit ist die Errichtung eines binationalen Staates. Diese Lösung ergibt sich automatisch, wenn die Zweistaaten-Lösung scheitert. Und sie ist im Grunde schon gescheitert, weil durch Israels Siedlungspolitik kein Territorium mehr für einen solchen Staat zur Verfügung steht.

In einem binationalen Staat würden Juden und Palästinenser als gleichwertige Bürger gemeinsam leben. Aber gegen diese Lösung gibt es in Israel nicht nur großen Widerstand, sie birgt für den Zionismus auch große Gefahren, weil die Palästinenser in einem solchen Staat die demographische Mehrheit mit entsprechender politischer Macht hätten, was die Zionisten aber unter keinen Umständen zulassen würden. Israel würde dann nicht nur ein Apartheidstaat sein, was er jetzt schon ist, sondern vermutlich die Diktatur einer jüdischen Minderheit über eine palästinensische Mehrheit, was wieder selbst der Westen nicht zulassen könnte.

Zuckermann folgert: „Die Verweigerung der Zweistaaten-Lösung bedeutet so besehen die Beschleunigung des historischen Endes des zionistischen Projekts, wie man es bisher gekannt hat. Nichts führt an dieser Schlussfolgerung vorbei.“ Die realen politischen Strukturen und Entwicklungen und die ideologischen Positionen der zionistischen Ideologie stehen also in einem eklatanten, unversöhnlichen Widerspruch. Die zionistische Elite hat es aber bisher geschafft, mit allerhand Rationalisierungen – diversen Erklärungen, Apologien und Ausreden – ihrem Macht- und Herrschaftsanspruch und den stagnierende „Status quo“ bzw. das Dogma der Alternativlosigkeit zum gegenwärtigen Zustand zu garantieren. Sie hat es auch geschafft zu erreichen, dass die israelisch-jüdischen Bürger diesem Kurs mehrheitlich gefolgt sind und ihn nicht kritisch hinterfragen.

Hinter den Rationalisierungen und Rechtfertigungen der israelischen Politik macht Zuckermann aber eine tief liegende Angst aus: „…des Entsetzens vor der Erkenntnis, das gesamte zionistische Projekt sei einen steilen Abhang hinuntergerollt, und gerade jene, die seine Fahnen in überbordendem Pathos schwenken, seine Totengräber seien, Förderer eines historischen Endes.“

Zuckermann stellt immer wieder die Frage, warum der Zionismus seinen eigenen Untergang betreibt. Warum die jüdischen Bürger immer wieder Parteien wählen, aus denen Regierungen gebildet werden, die den Frieden als Realität und als politische Verwirklichung nicht wollen? Warum widersetzt sich das zionistische Israel der einzigen Perspektive, die ihm seinen Fortbestand als zionistischer Staat zu garantieren vermöchte? Zuckermann bleibt die letzte Antwort auf diese Frage schuldig. Er meint aber, der Zionismus habe sich „von Grundantrieben anleiten lassen, die der Sicherheit, vor allem aber der gesicherten Permanenz dieser Heimstätte durchgehend zuwider wirkten. „Der Zionismus hat sich selbst bzw. seine proklamierten Ziele nie wirklich ernst genommen. (…) Seine Vision ist ein Märchen geblieben.“

Zuckermann ist deshalb überzeugt, dass der Zionismus seinem Untergang entgegengeht. Ob es einen nicht-zionistischen Neubeginn mit emanzipativem Horizont geben wird oder den Bewohnern Palästinas der lange Weg einer ruchlosen, faschistisch-repressiven Degeneration bevorsteht – Zuckermann muss es offenlassen.

Die Befürchtungen und Ängste der Israelis, die die drei Autoren hier ansprechen, sind ganz offensichtlich in der israelischen Bevölkerung weit verbreitet. Umfragen in der letzten Zeit haben ergeben, dass die Mehrheit der Israelis äußerst unsicher ist, was die Zukunft ihres Staates angeht. Einen wirklich unbelasteten, offenen und optimistischen Blick in die Zukunft gibt es danach im zionistischen Staat nicht. Es hängen ganz offensichtlich dunkle Wolken über dem Zionismus.

Literatur

Amar-Dahl, Tamar: Das zionistische Israel. Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des Nahost-Konflikts, Paderborn 2012

Beit-Hallahmi, Benjamin: Original sins. Reflections on the history of Zionism, London 1992

Ha’am, Ahad: Truth from Eretz Israel, 1891 (Die Ausführungen Ahad Ha’ams werden ausführlich in dem Buch von Adam Shatz: Prophets Outcast. A Century of Dissident Jewish Writing about Zionism an Israel, New York 2004 aufgeführt)

Hollstein, Walter: Kein Frieden um Israel. Zur Sozialgeschichte des Palästina-Konflikts, Wien 1984

Pappe, Ilan: Die ethnische Säuberung Palästinas, Frankfurt/ Main 2007

Zuckermann, Moshe: Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt, Wien 2014

 

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