Die
Mauer als Symbol des Scheiterns
Der Bau solcher Bollwerke hat zur Zeit Hochkonjunktur/
Israels „Sperranlage“ als abschreckendstes Beispiel
Arn
Strohmeyer - 13.02.2019
Mauern sind wieder „in“. Hatte man 1989 beim Fall der
Berliner Mauer geglaubt, das Zeitalter der Mauern sei
mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Einreißen des
Eisernen Vorhanges endgültig vorbei, so war das ein
großer Irrtum. Obwohl die Welt durch überstaatliche
Institutionen, globalen Handel, digitale Kommunikation
und Massentourismus „entgrenzt“ worden ist, erlebt der
Mauerbau schon seit Jahren eine Renaissance. Man denkt
beim Nennen des Begriffs Mauer natürlich zuerst an
Donald Trump und sein Mega-Vorhaben, die US-Grenze zu
Mexiko mit einer monumentalen Sperranlage zu versehen.
Aber das ist – neben Israels Mauer durch das
Westjordanland und (zusammen mit Ägypten als Partner) um
den Gazastreifen – nur das auffälligste Projekt.
Insgesamt gibt es gegenwärtig 70 aus politischen Gründen
errichtete Mauern auf der Welt – die immateriellen, also
unsichtbaren gar nicht mitgezählt wie etwa die Mauer um
die „Festung Europa“, die einen weiteren Zustrom von
Migranten verhindern soll.
Das
Motiv, Mauern zu bauen, ist immer dasselbe: „Sicherheit“
schaffen. Genau gesagt: eine gefühlte Sicherheit vor
einer gefühlten Bedrohung, denn die Globalisierung, die
weltweiten Kapitalflüsse, die digitale Vernetzung und
der Zuzug von Geflüchteten und Migranten lösen
offensichtlich Ängste vor der Bedrohung der
individuellen und kollektiven (nationalen) Identität
aus, die man glaubt, nur durch Abschottung – also das
Errichten von Mauern – überwinden zu können. Schon im
Jahr 2009 hatte die amerikanische Politologin Wendy
Brown ein sehr kritisches Buch über das Phänomen Mauer
geschrieben („Mauer. Die neue Abschottung und der
Niedergang der Souveränität“), das jetzt in Deutschland
wegen der Aktualität des Themas eine Neuauflage erlebt
hat.
Unter
Berufung auf Sigmund Freud argumentiert Brown, dass
Identität im Wortsinn von Selbstdefinition eine Grenze
darstellt, die etwas einschließt und damit etwas anderes
automatisch ausschließt: „Mauern, die um politische
Gebilde herum errichtet werden, können nicht abwehren,
ohne zugleich einzusperren. Mauern können kein äußeres
„sie“ definieren, ohne ein reaktionäres ‚wir‘ zu
produzieren.“ Ausgrenzung bedeutet also immer auch
Einsperrung.
Aber
die Hauptthese Browns ist (wie der Titel besagt), dass
den Nationalstaaten in einer entgrenzten Welt die
Souveränität abhandenkommt, und viele deshalb aus
politischer Hilflosigkeit heraus Mauern und Zäune
errichten, als Beruhigungspille sozusagen. Dass Beton
und Stacheldraht ein Hohn auf die Demokratie sind,
versteht sich für die Autorin von selbst. Sie beklagt,
dass durch Mauern die humanistische und speziell die
demokratische Idee von Sprache, Erkenntnis, Recht und
Freiheit als Kennzeichen des spezifisch Menschlichen
durch stumme Barrieren ersetzt wird.
Mauern teilen die Welt in Freund und Feind ein, und
daraus ergibt sich automatisch, dass eine solche
betonierte, mit Stacheldraht bewehrte, schwer bewachte
und auch noch mit digitaler Kontrolltechnik
ausgestattete Grenze die Menschen auf der anderen Seite
(eben die „Feinde“) zur Projektionsfläche für die
eigenen Ängste, also für alles Verhasste und Gefährliche
macht – auch und vor allem für das Verdrängte in der
eigenen Identität: Eben alles, was man in und vor sich
selbst nicht wahrhaben will und wofür dann die „Feinde“
auf der anderen Seite der Mauer stehen. Wendy Brown, die
sich hier auf psychoanalytische Erkenntnisse beruft,
konstatiert den Bau von Mauern als eine realitätsferne
Inszenierung, als Verdrängung der Wirklichkeit, die
deshalb früh oder später böse enden muss. Mauern als
Kompensation für das Erodieren der eigenen schwindenden
Souveränität sollen also „das Fremde, Unverständliche,
grauenhaft empfundene Andere und unheimlich
Unverstandene“ fernhalten. Aber das kann nicht
funktionieren, weil der Zukunftsentwurf auf einer
idealisierten Vergangenheit beruht. Der polnische
Soziologe Zygmunt Baumann spricht in diesem Zusammenhang
von „Retropia“, also „Visionen, die sich anders als ihre
Vorläufer nicht mehr aus einer noch ausstehenden Zukunft
speisen, sondern aus der verlorenen/ geraubten/
verwaisten, jedenfalls untoten Vergangenheit.“
Nicht
nur die Politik bedient sich einer solchen Absage an
politische und soziale Utopien, sondern auch die
Unterhaltungsindustrie. Prototypisch ist hier die
äußerst populäre Fernsehserie „Game of Throne“, in der
sich ein „edles Volk“ (die Andalen) von wilden Barbaren
bedroht fühlt und sich deshalb durch eine Mauer vor
ihnen schützt. Die einen sind gut und deshalb
menschlich, die anderen werden als entmenschliche
Monster dargestellt. Der andalische Held der Serie
verliebt sich in eine Barbarin von jenseits der
Grenzmauer und muss begreifen, dass er selbst ein
Mitglied einer enthumanisierten, rassistischen und
xenophonen Gesellschaft ist. Sein plötzliches Verstehen
für die andere, die barbarische Seite bringt ihn in
einen schweren Konflikt und gefährdet so die ganze
Stabilität der materiellen Mauer samt ihrer
Rechtfertigungsideologie, weshalb der Held folgerichtig
sterben muss.
In
dieser Serie wird ein lupenreines manichäisches Weltbild
vorgeführt: hier die Seite der Vertreter des Guten und
Edlen, dort die barbarischen Finsterlinge, die Vertreter
alles Hinterhältigen und Bösen. Und natürlich müssen die
„Guten“ mit Gewalt die Reinheit und die Werte ihrer
Ethnie schützen, wozu sie eine Ideologie entwickeln, die
das rechtfertigt und legitimiert. Solche Vorgehensweisen
gibt es nicht nur in Fernsehserien, die Politik war
immer und ist auch heute noch voll von solchen
Ideologien: Ohne die Kriminalisierung und
Entindividualisierung ihrer „Feinde“ könnten die rechten
Populisten Trump, Orban, Erdogan, Netanjahu und andere
gar keine Politik machen.
Das
herausragendste Beispiel einer solchen manischäischen
Politik bietet Israel. Um die eigene ethnische Identiät
zu wahren und seine Verbrechen an den Palästinensern zu
verschleiern (Vertreibung, Landraub, Unterdrückung,
Besatzung, Folter, völlige Abschottung hinter Mauern,
Beschneidung der Bewegungsfreiheit und und…), muss es
die Palästinenser entmenschlichen, zu „Terroristen“ und
„Nazis“ erklären (oder sogar zu „Tieren auf zwei
Beinen“, wie der frühere Ministerpräsident Menachem
Begin sie diffamierte) und jeden, der ein solches
inhumanes Vorgehen kritisiert, als „Antisemiten“
denunzieren. Wendy Brown fragt: „Wann werden die neuen
Mauern so beengend wie die eines Gefängnisses, statt so
behaglich wie die eines Wohnhauses sein? Ab wann wird
die Festung zum Zuchthaus?“
Israel hat mit seinem Mauerbau diese Grenze längst
überschritten. Niemand hat den von diesem Staat
praktizierten Manichäismus besser beschrieben als die
israelische Psychoanalytikerin Ruchama Marton, die die
Organisation „Ärzte für Menschlichkeit gegründet hat“,
die sich hinter der Mauer um die medizinische Versorgung
von Palästinensern kümmert. Für dieses humane Engagement
hat sie den alternativen Nobelpreis bekommen. Sie
sieht
in der Mauer, die die Israelis zur Abschottung gegen die
Palästinenser gebaut haben, eine „metaphorische Blende“,
deren Sinn und Funktion es ist, die „Existenz des
palästinensischen Volkes insgesamt auszublenden“. Sie
begründet das so: „Von einer psychologischen Warte aus
ermöglicht diese Blende es den jüdischen Israelis, das
Leid und die Menschlichkeit der Bewohner auf der anderen
Seite zu vergessen. (...) Ein brauchbarer Ansatz, einige
der psychologischen Mechanismen zu verstehen, die mit
der Mauer zu tun haben, ist das Prinzip der Spaltung. Es
lässt zwei Extreme zu, die Welt ist in ‚gut‘ und ‚böse‘
gespalten, ohne ein Mittleres. Spaltung ist der
primitivste Abwehrmechanismus, auftretend bei übergroßer
Verängstigung und einem Bedürfnis, unerträglich starke
positive und negative Emotionen voneinander zu trennen.
Ironischerweise fordert diese begriffliche Verarbeitung
laufend psychologische Energie und ist als
Langzeitlösung nicht sehr effektiv, denn die Ängste
werden eher blockiert als erforscht, verarbeitet und
schließlich abgebaut.“
Weiter schreibt Ruchama Marton: „Indem man sowohl die
äußeren wie die inneren Aspekte des guten Selbst vom
bösen Selbst abspaltet, ist es psychologisch möglich,
die ungeliebten Teile des eigenen Selbst auf den
‚Anderen‘, d.h. die Palästinenser, zu übertragen. Dann
kann man die projizierten Teile und Eigenschaften
verachten, die ja nun dem ‚Anderen‘ angehören. Die
Trennmauer wird so ausschließlich als Akt des
Selbstschutzes wahrgenommen, als Schutz vor der wilden
Aggression, die man mit den Palästinensern assoziiert.
Die Mauer erlaubt dem zionistischen israelischen
Kollektiv-Selbst, sich nicht als aggressiv, gewalttätig,
grausam, Besitz ergreifend, als Verletzer von
Menschenrechten zu sehen, indem alle diese Züge auf die
Palästinenser jenseits der Mauer projiziert werden.“
Die
Mauer ist also nicht nur eine physische Barriere, sie
trennt auch – in den Augen der Israelis – das
fortschrittliche, zivilisierte und demokratische Israel
von den rückständigen, barbarischen und gewalttätigen
Palästinensern. Die Mauer erlaubt es den Israelis, diese
„Anderen“, die vor allem als „Terroristen“ und
Selbstmordattentäter wahrgenommen werden, ohne Empathie
und Miterleben des menschlichen Leids auszublenden.
Ruchama Marton schreibt: „Sie [die Mauer] ist
undurchsichtig, um den Blick auf das Elend und Leid auf
der anderen Seite zu verhindern. Wäre sie durchsichtig,
könnten wir tatsächlich das beunruhigende Leid der
Menschen auf der anderen Seite sehen. Sie ist hässlich,
denn sie soll die Illusion stützen, auf der anderen
Seite lebe ein böses, ein hässliches Monster und keine
normalen Menschen. Die palästinensische Existenz
jenseits gilt als minderwertig, hässlich, schmutzig,
gewalttätig und gefährlich.“ Durch diese Abschottung und
die Verweigerung des Blicks auf die andere Seite
stumpfen die Israelis aber auch selbst ab, denn sie
spalten ja einen Teil ihrer eigenen Psyche ab, die sie
nicht mehr wahrnehmen. Das Getto kommt so wieder und
mauert auch die Israelis ein, soweit Ruchana Marton. Der
israelische Historiker Benny Morris vertritt genau diese
Auffassung einer Spaltung in „gut“ und „böse“. Er nennt
die Palästinenser „Barbaren“, „Serienkiller“ und „wilde
Tiere“. Man müsse sie einsperren, damit sie die Israelis
nicht umbringen könnten. Man müsse eine Art Käfig für
sie bauen, um sie darin wegzusperren.
Die
Palästinenser werden also im Bewusstsein der meisten
Israelis als „Monster“ – eine Projektion der eigenen
Ängste und Aggressionen – gesehen. Und vor „Monstern“
muss man sich schützen. So gibt das offizielle Israel
als Grund für den Bau seiner Mauer natürlich
„Sicherheit“ an, vor allem vor dem palästinensischen
„Terrorismus“. Aber dieses Argument überzeugt nicht.
Denn erstens löst das Einsperren der Palästinenser durch
Beton-Mauern in keiner Weise den politischen Konflikt
mit diesem Volk; zweitens steht der sogenannte
palästinensische „Terrorismus“ nicht am Anfang des
Konflikts (wie die Israelis behaupten), sondern er ist
eine Reaktion auf den Landraub und die Unterdrückung
dieser Menschen durch die Zionisten (soweit nicht
Zivilisten betroffen sind, ist er zudem legitimer
völkerrechtlicher Widerstand gegen die illegitime
Besatzung); drittens erfolgte dieser „Terrorismus“ (etwa
die Selbstmordattentate) nicht einfach so ohne
irgendeinen Anlass, sondern war die Folge furchtbarer
israelischer Gewaltexzesse wie 2002 die brutale
Niederschlagung der zweiten Intifada im Westjordanland
durch Ariel Sharon. Wenn heute argumentiert wird, dass
die Mauer für Israel mehr Sicherheit vor
palästinensischem Terrorismus geschaffen habe, ist das
nicht richtig, denn die Palästinenser haben schlicht und
einfach ihre Strategie geändert. Sie setzen nicht mehr
auf Anschläge, weil sie eingesehen haben, dass solche
Attentate ihrer Sache nur großen Schaden zufügen.
So
beurteilen kritische Israelis denn auch den Mauerbau
sehr viel differenzierter. Der israelische
Wirtschaftswissenschaftler Shir Hever sieht die Gründe
für die Errichtung der monströsen Anlage nicht im
Sicherheitsargument, sondern in erster Linie in der
Absicht der Zionisten, sich von den Palästinensern zu
trennen. Ziel des Zionismus war immer die Schaffung
eines homogenen jüdischen Staates ohne Araber, man will
einfach nicht mit ihnen zusammenleben. (Dieser jüdische
Isolationismus bzw. die Abschottung der eigenen Ethnie
ist ein sehr altes jüdisches Anliegen. Schon im Alten
Testament heißt es: Wir sind das Volk, das abseits der
anderen Völker lebt.) Zweitens hebt Hever das Argument
des Landraubs hervor. Durch den Mauerbau im
Westjordanland und die dortige illegale Besiedlung hat
Israel schon 60 Prozent dieser Region okkupiert und die
Palästinenser in kleine Enklaven abgedrängt, die zum
Teil auch ummauert sind, sodass die Palästinenser auch
untereinander kaum noch Bewegungsfreiheit haben. Auf
diese Weise kann Israel sie besser kontrolieren.
Hever
merkt dazu an: „Im israelischen Diskurs wird die Mauer
als ein Akt der Verschanzung dargestellt. Nach über 40
Jahren der Besatzung [heute sind es schon über 50
Jahre], werden die Palästinenser von vielen Israelis als
wütend, hasserfüllt, rachsüchtig und gefährlich
wahrgenommen. Die Mauer soll sie fernhalten. Obwohl der
Diskurs der Verschanzung den Eindruck erzeugt, dass
Israel sich selbst mit einer Mauer umgibt, sind es in
Wirklichkeit die Palästinenser, die eingemauert werden,
der richtige Begriff ist demnach nicht Verschanzung,
sondern Einkerkerung, da die Mauer um palästinensische
Gemeinden im Westjordanland gebaut wird.“
Der
Begriff Einkerkerung trifft aber nicht nur auf das
Westjordanland zu, sondern noch viel mehr auf den
Gazastreifen, der durch eine Mauer, die sogar tief in
die Erde reicht, um Tunnelbau zu verhindern, völlig von
der Außenwelt abgeschnitten ist. Diese Region, die
völkerrechtlich immer noch israelisches Besatzungsgebiet
ist und von Israel von Land, Luft und Wasser aus
kontrolliert wird, erhält nur sehr begrenzt
Versorgungsgüter und ist deshalb – verstärkt durch die
Zerstörungen der gesamten Infrastruktur und
zehntausender von Wohnhäusern durch die militärischen
Übergriffe der Israelis – inzwischen zu einem
Elendsdasein verurteilt. Der israelische General Benny
Gantz, der bei den Parlamentswahlen im April als
Kandidat einer von ihm neu gegründeten Partei antritt,
rühmt sich in Wahlspots im Fernsehen, den Gazastreifen
„zurück in die Steinzeit gebombt“ zu haben. Was er damit
sagen will, ist klar: So habe ich für euch [die
Israelis] Sicherheit geschaffen.
Noch
deutlicher wird der israelische Soziologe und Historiker
Moshe Zuckermann. Er sieht in Israels
Sicherheitsargument für den Mauerbau eine
Scheinbegründung, denn sie ermöglicht „die
Aufrechterhaltung der Illusion, die Palästinenser
losgeworden zu sein, ohne jedoch die Besetzung ihrer
Gebiete aufgehoben zu haben. Hier vermengen sich
Größenwahn und manifeste Entscheidungsunfähigkeit. Mögen
Gesinnungen und Einstellungen gegenüber dem Bauwerk noch
so variieren, sie können nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die allermeisten jüdischen Israelis die ‚Trennung‘
von den Palästinensern ‚real‘ herbeisehnen. Es handelt
sich dabei freilich um eine infantil anmutende
Wunschvorstellung, bei der die geforderte Verantwortung
für die mögliche Lösung des blutigen, tragischen
Konflikts, mithin die Schaffung von Strukturen künftiger
Koexistenz an einem hoffnungsarmen Fatalismus (‚Die Welt
ist gegen uns‘, ‚Man wird das Schwert in aller Ewigkeit
tragen müssen‘) oder eben an die materielle
Verdinglichung vermeintlicher Hoffnung in der Form einer
Mauer delegiert wird.“
Zuckermann zufolge soll die Mauer in der Absicht der
Zionisten eine doppelte Aufgabe erfüllen: einmal Gewalt
[gegen jüdische Israelis] verhindern und gleichzeitig
Eroberungsgewalt [Landraub] ermöglichen und abdecken.
Die jüdischen Siedler sollen im Westjordanland durch die
selbstauferlegte Einmauerung die territoriale Expansion
betreiben. Dieses Paradox bilanziert Zuckermann so: „Man
gibt noch immer die Unabdingbarkeit der
Schutzvorrichtung [der Mauer] vor, deren Notwendigkeit
sich aus selbsterzeugter Gefahr und Bedrohung speist.
Eklatanter lässt sich die Ideologie des territorialen
Anspruchs als bauwerkliche Manifestation nicht denken –
die Mauer als physisch gewordenes falsche Bewusstsein.“
Wer
Mauern baut, kerkert sich selbst ein und muss die wahren
Gründe für seinen Mauerbau obendrein noch mit einer
vertrackten Ideologie rechtfertigen bzw. verschleiern.
Die Prognosen für Mauerbauer sind deshalb auch äußerst
schlecht. Sie gaukeln den Menschen Lösungen vor, die
keine sind. Oder anders gesagt: Staaten oder
Gesellschaften, die sich abkapseln und einmauern, das
ist eine Lehre der Geschichte, sind eine bedrohte
menschliche Art, auch weil Mauern gegen den Frieden
sind. Moshe Zuckermann sieht durch die israelische
Politik der Selbst-Isolation (und Mauerbau ist nichts
anderes) sogar die Existenz Israels bedroht. Er fragt:
„Warum betreibt der Zionismus seinen eigenen Untergang?
Warum unterwandert Israel systematisch den Frieden,
indem seine jüdischen Bürger immer wieder Parteien
wählen, aus denen Regierungen gebildet werden, die den
Frieden als Realität, den Frieden als politische
Verwirklichung nicht wollen?“
|