TRANSLATE
Ein Krieger und Verächter des
Völkerrechts
Moshe Yaalon möchte Benjamin Netanjah als
Regierungschef ablösen – aber eine politische Alternative
hat er nicht
aufzuweisen
Arn Strohmeyer
Er will mit der Gründung einer neuen
Partei Benjamin Netanjahu an der Regierungsspitze ablösen:
der bisherige Verteidigungsminister Moshe Yaalon. Auf seinem
Stuhl im Verteidigungsministerium sitzt nun der
Ultra-Nationalist Avigdor Lieberman, der sich offen für den
„Transfer“ (Vertreibung) der Palästinenser ausspricht
beziehungsweise „allen nicht loyal dem Staat Israel
gegenüber stehenden Palästinensern den Kopf abhacken“
möchte. Ist Moshe Yaalon also ein „liberale Alternative“ zur
gegenwärtigen Regierung? Mit Sicherheit nicht. Im Falle
seiner Regierungsübernahme würde nur ein nationalistischer
Superfalke einen anderen ersetzen. Diesem Mann geht es um
die Macht, aber nicht um eine politische Alternative, die
vielleicht sogar etwas mit Frieden zu tun hätte.
In seiner
Rücktrittserklärung als Minister warf Yaalon der Regierung
„Extremismus“ vor. Einmal davon abgesehen, dass er einen
solchen „Extremismus“ ja lange Zeit selbst mitgetragen hat,
kommt in einer solchen Äußerung schon etwas Groteskes und
Absurdes zum Ausdruck, denn so gut wie alle Äußerungen
dieses früheren Generalstabschefs der israelischen Armee
sind extremistisch. Berühmt wurde eine Aussage, die er
während der zweiten Intifada am 29. August 2002 in der
israelischen Tageszeitung Haaretz machte. Er sprach
da von
einer „palästinensischen Bedrohung“, deren „Charakteristika
unsichtbar seien, wie Krebs“. Auf die Frage nach seinem
entsprechenden Vorgehen im Gaza Streifen und der Westbank
antwortete er: „Es gibt die verschiedensten
Therapiemöglichkeiten gegen Krebs. Einige sagen, es ist
notwendig, Organe zu amputieren, aber im Moment verwende ich
die Chemotherapie.“ Der israelische Soziologe Baruch
Kimmerling schreibt in seinem Buch Politizid, dass
Yaalon noch extremistischer und radikaler sei als Ariel
Sharon. Auch er sei im Grunde ein Befürworter der
Vertreibung der Palästinenser.
Sein Weltbild
stellt das aggressive Vorgehen des zionistischen
Siedlerkolonialismus gegenüber den Palästinensern permanent
rechtfertigend auf den Kopf, denn danach sind die
Palästinenser nicht die Opfer dieser Landraub- und
Besatzungspolitik, sondern die „terroristischen“ Täter. Denn
– unterstützt vom Iran, „dem Hauptsponsor der Instabilität
im Nahen Osten – wollen die palästinensischen
terroristischen Organisationen Israel von der Landkarte
vertilgen“, vor allem „Hamastan“. Gegen solche Gegner helfe
nur eine „Politik des großen Schocks“. Dafür hat er in
seiner Amtszeit als Verteidigungsminister ein überzeugendes
Beispiel geliefert: den Überfall auf den Gazastreifen 2014,
bei dem es bei geringen israelischen Verlusten 2265 tote
Palästinenser zu beklagen gab, ein Drittel davon Kinder.
Über 10 000 Menschen wurden verletzt und sehr viele werden
bis an ihr Lebensende verstümmelt sein.
Nachträglich
hat er dieses Massaker auch noch verteidigt. Auf der Shurat
Ha Dia-Konferenz sagte er im Mai 2015 wohl im Blick auf die
Hisbollah im benachbarten Libanon: „Wir werden die
Zivilbevölkerung im Libanon, einschließlich der Kinder,
angreifen. Wir haben das im Gazastreifen getan und wir
werden das auch in Zukunft bei jeder neuen Runde von
Feindseligkeiten tun.“ Nun ist es einer der obersten
Grundsätze des Kriegsvölkerrechts, dass die Zivilbevölkerung
nicht angegriffen werden darf und dass zwischen Zivilisten
und Kombattanten (Kämpfern) unterschieden werden muss. Der
Minister gab mit dieser Äußerung also zu, dass Israel – nach
dem Motto: „uns ist alles erlaubt!“ – das Kriegsvölkerrecht
nicht interessiert und dass es auch in Zukunft wie in Gaza
dagegen zu verstoßen gedenkt.
Zuvor hatte
Yaalon dem Iran mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Wenn
chirurgische Eingriffe nicht ausreichten, so sagte er, könne
Israel Maßnahmen ergreifen, wie sie die Amerikaner in
Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkrieges
ergriffen hätten. Yaalon entpuppte sich mit dieser Äußerung
als gnadenloser Herr über das Leben anderer Völker. Dass er
mit einem Angriff auf den Iran auch die Existenz Israels
aufs Spiel setzen würde, nimmt er offenbar in Kauf. Die
deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
versicherte diesem Mann bei einem Besuch im Mai diesen
Jahres, dass „Israels Sicherheitsinteressen auch die
deutschen Sicherheitsinteressen“ seien. Eine solche Aussage
macht sprachlos. Denn einerseits muss man fragen: Wo gibt es
mit diesem siedlerkolonialistischen Besatzungsstaat
gemeinsame Werte? Und weiß die deutsche Regierung wirklich,
auf welches riskantes Abenteuer sie sich einlässt, wenn sie
von gemeinsamen Sicherheitsinteressen spricht?
|