Das Beispiel
Dr. Dr. Marcus Ermler
Wie ein Verteidiger der israelischen
Besatzung mit Falschbehauptungen publizistisch
Stimmung macht
Arn Strohmeyer
Er hat zwei Doktor-Titel
erworben und arbeitet als Mathematiker und
Informatiker an der Bremer Universität. Über ihn
heißt es auf dem Blog von Henryk M Broder „Achse
des Guten“ (achgut.com), er blicke in seiner
Freizeit kritisch auf die politische Linke und
religiösen Fundamentalismus. Außerdem berichte
er regelmäßig über das „politische Biotop
Bremen“ („Deutschlands Venezuela: Bremen taumelt
in den Sozialismus“, so ein neuer Artikel von
ihm); die rechte Postille „Junge Freiheit“
bezeichnet seine Beiträge als „scharfsinnig“.
Nun schützen aber ganz offensichtlich auch zwei
Doktortitel nicht vor der Unfähigkeit,
politische Realitäten wahrzunehmen. Fakten
spielen bei diesem Autor überhaupt keine Rolle,
denn das einzige Ziel dieses „scharfsinnigen“
Freizeitpublizisten ist es ganz eindeutig,
Stimmung zu erzeugen, zu diffamieren, aus Weiß
Schwarz zu machen, vor allem aber „Antisemiten“
zu entlarven. Da stören Fakten natürlich nur.
Man sollte solchen Schreibern eigentlich keine
Beachtung schenken, sie schlicht negieren, aber
es ist aufschlussreich, die Arbeitsweise solcher
Autoren – und in diesem Fall die des Dr. Dr.
Marcus Ermler – zu studieren, denn um den geht
es hier. Was am Beispiel seines Artikels „Der
israel-feindliche Narrensaum der Bremer
Linkspartei“ (veröffentlicht am 18.07.2019)
gezeigt werden soll.
Da wird zu Beginn von Ermlers Artikel eine
„antizionistische“ Kampffront zwischen der
Linkspartei, „Friedensbewegten“ des Bremer
Friedensforums und „vermeintlichen
Palästina-Freunden“ des Bremer „Nahost-Forums“
beschworen. Gemeinsamer Kitt dieses Bündnisses
sei das „antizionistische Narrativ“. Ermler
zitiert dann als Beleg einen Aufruf des
Friedenforums, den die Linkspartei am 23.11.
2012 (!) auf ihrer Webseite veröffentlicht habe.
Der Autor muss also sieben Jahre zurückgehen, um
der Linkspartei „Antisemitismus“ anzuhängen. Der
Text des Aufrufs ist im Übrigen völlig in
Ordnung, weil er die reale Situation in
Israel/Palästina richtig wiedergibt. Er könnte
aus einer UNO-Resolution stammen, aber
Völkerrecht und Menschenrechte sind ja nicht die
Sache der Israel-Freunde.
Das Zitat lautet: „Ursachen für die Gewalt im
Nahen Osten sind (…) die Verbrechen der Israelis
am palästinensischen Volk seit mehr als 60
Jahren: der Raub des Landes, die Vertreibung
seiner Menschen, die Zerstörung seiner
Gesellschaft, die Verweigerung der Rückkehr der
Flüchtlinge sowie die seit 1967 andauernde
Besetzung des Westjordanlandes und die seit 2006
vollständige Abriegelung des Gazastreifens.“
Ermler erweckt den Eindruck, als gebe es in
Bremen eine Nahostgruppe namens „Nahost-Forum“,
die da permanent ihr antizionistisches bzw.
antisemitisches Handwerk betreibt. Diese Gruppe
gibt es aber gar nicht. Es hat sie bis zum Jahr
2015 gegeben, dann hat sie sich wegen innerer
Differenzen aufgelöst. Heute existiert in Bremen
nur noch eine Gruppe, die Israels Politik
kritisch gegenübersteht: der Arbeitskreis Nahost
(AK Nahost). Auf den geht Ermler aber gar nicht
ein. „Nahost-Forum Bremen“ ist der Titel der
Webseite des AK Nahost, die von drei Mitgliedern
dieser Gruppe betreut und verantwortet wird. So
steht es auch im Impressum dieser Seite.
Genauso falsch ist die Information über die
führende Rolle des Bremer Friedensforums als
„antizionistischer“ Stoßtrupp. Diese
Friedensgruppe (der der Autor dieser Zeilen
mehrere Jahre angehört hat) sieht ihre
Hauptaufgabe keineswegs in der kritischen
Auseinandersetzung mit der israelischen Politik,
sondern hat ein viel breiteres Arbeitsfeld: den
Frieden überall dort, wo er bedroht ist. Ein
Blick auf die Webseite dieser Gruppe belegt das
überzeugend. Zudem gibt es im Friedensforum
durchaus Differenzen zum Thema Israel, sodass
nur einige seiner Mitglieder an entsprechenden
Aktionen teilnehmen.
Nach dem Gesagten versteht es sich von selbst,
wie unsinnig Ermlers Behauptung ist, das Bremer
Nahost-Forum halte die wöchentliche
Palästina-Mahnwache vor dem Bremer Dom ab. Also
eine Gruppe, die es gar nicht gibt! Diese
Mahnwache hat sich nach den beiden Gaza-Kriegen
2008/09 und 2014 aus Empörung gebildet, weil
Israel damals mit seinen Angriffen auf den seit
2007 von ihm belagerten Gazastreifen Tausende
von palästinensischen Zivilisten getötet hat.
Die Mahnwache hat aber gar keine feste
Gruppenstruktur, ihre Teilnehmer kommen aus
allen möglichen politischen und kirchlichen
Initiativen – auch mehrere Pastoren sind dabei.
Mit anderen Worten: Jeder oder jede kann daran
teilnehmen, eine offizielle Mitgliedschaft gibt
es nicht. Die Webseite „Nahost-Forum Bremen“ des
AK Nahost kann über die Mahnwache informieren
oder für sie werben, aber es organisiert sie
nicht. Auch hier ist Ermler einem Bären
aufgesessen.
Dass der Dr. Dr. Ermler nicht zwischen
berechtigter Kritik an Israels völkerrechts- und
menschenrechtswidriger Politik gegenüber den
Palästinensern, Antizionismus und Antisemitismus
(und damit auch zwischen Judentum und Zionismus)
unterscheiden kann, offenbart sein
intellektuelles Niveau. In diesem Sinn muss er
auch den Verfasser dieser Zeilen angreifen und
beruft sich dabei auf eine Kritik des
Grünen-Politikers und Vorsitzenden der Bremer
Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Dr.
Hermann Kuhn. Dieser hatte 2016 in der Bremer
Villa Ichon auf einer Veranstaltung gegen mein
zuvor erschienenes Buch „Antisemitismus –
Philosemitismus und der Palästina-Konflikt.
Hitlers langer verhängnisvoller Schatten“
gesprochen, die eine mysteriöse Gruppe namens
„Zaungast“ organisiert hatte, um mir und meinem
Buch Antisemitismus vorzuwerfen.
Da Kuhn aber ganz offensichtlich in meinem Text
gar keinen Antisemitismus entdecken konnte,
griff er zu einem simplen Trick. Er nahm einige
Zitate von jüdischen bzw. israelischen
Intellektuellen heraus, die ich verwendet hatte,
und unterstellte mir ihre Urheberschaft.
Abgesehen davon, dass diese Zitate nichts mit
Antisemitismus zu tun haben, sondern eine
berechtigte Kritik an Israels Politik zum Inhalt
haben, reichten sie für Kuhn aus, um in seiner
Rede die rhetorische Aussage zu formulieren:
„Urteilen Sie selbst, ob Strohmeyer ein
Antisemit ist.“ Dass er damit meinte, ja
suggerieren wollte, dass ich ein Antisemit sei,
versteht sich wohl von selbst. Das war ja der
Sinn und das Ziel der Veranstaltung. (Ich habe
diesen Skandal anschließend in meinem Buch
„Vorsicht Antisemiten! Ist Antizionismus gleich
Antisemitismus?“ dargestellt). Dr. Dr. Ermler
greift Kuhns diffamierende Äußerungen, die heute
noch auf der Webseite der Bremer DIG stehen,
genüsslich auf, um mich auch in die
antisemitische Ecke zu stellen.
Da Ermler mich also auch in den Bremer
„Narrensaum“ von Israel-Hassern und
Antizionisten einreiht, deren Zentrum die
Linkspartei sein soll, muss ich hier darauf
hinweisen, dass ich der Linkspartei als Mitglied
nicht angehöre (auch nie angehört habe) und auch
in keiner Nahost-Gruppe mitarbeite. Auf der
Webseite der Bremer Linkspartei konnte man vor
Jahren aber noch Kritik an Israels Politik
äußern. Die Seite machte damals ein Redakteur,
der mir gewogen war und Nahost-Artikel von mir
mitnahm – sehr zum Ärger des Establishments
dieser Partei. Der Redakteur hielt aber an mir
fest und gab selbst dem größten Druck (auch von
der Parteispitze in Berlin) nicht nach und
brachte weiter meine Artikel – bis man ihn
geschasst hat. Kritik an Israels Politik war
nicht erwünscht. Das ist die stramme
antizionistische bzw. antisemitische Linie
dieser Partei, die Ermler unterstellt. Geradezu
grotesk ist also seine Behauptung, dass die
Bremer Linkspartei Strohmeyer „immer wieder gern
[auch heute noch] ein Forum für seine
Israelfeindlichkeit“ gebe. Er wird auf der
Webseite dieser Partei keinen Artikel aus den
letzten Jahren von mir finden.
Dr. Dr. Ermler fabuliert ein breites
antizionistisches bzw. antisemitisches Bündnis
zusammen, das von der stalinistischen MLPD, den
Trotzkisten, der „Antikapitalistischen Linken“
bis zum Friedensforum, der Palästina-Mahnwache,
dem (nicht-existierenden) Nahost-Forum bis zur
Linkspartei reichen soll. Hier wird eine
Randgruppe – die Arbeitsgemeinschaft
„Antikapitalistische Linke“ – zum politischen
Tonangeber in der Linkspartei hochgespielt. Von
der MLPD und den Trotzkisten hat man im
Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt in Bremen
noch so gut wie nichts vernommen. In der Debatte
der Stadt spielen sie in diesem Zusammenhang
überhaupt keine Rolle.
Von der Bremer Linkspartei hat man in letzter
Zeit zum Israel-Palästina-Konflikt auch nichts
gehört. Ihr ganzes politisches Vorgehen war auf
die Bildung der Koalition mit der SPD und den
Grünen ausgerichtet, jede kritische Äußerung zu
Israel hätte dabei in ihren Augen diese
Koalition gefährdet. Außerdem weiß man, dass
diese Partei in der Nahost-Frage tief gespalten
ist. Bei der SPD liegen die Dinge etwas offener
zu Tage. Gerade erst hat die dieser Partei
angehörende Kulturstaatsrätin Dr. Carmen
Emigholz ein Raumverbot im Überseemuseum für
einen Vortrag über Antisemitismus des Bonner
Theologen Dr. Martin Breidert erteilt, ein
klarer Eingriff in die im Grundgesetz
garantierte Meinungsfreiheit. In Bremen wird in
diesem Zusammenhang also eine ganz andere
politische Linie gefahren als sie der Dr. Dr.
Ermler zusammenfabuliert. Von dieser neuen
Koalition ist – mit dem BDS-Beschluss des
Bundestages im Rücken – mit Sicherheit keine
Kritik an Israels Politik zu erwarten.
Wenn dieser „scharfsinnige“ Publizist vom
„Narrensaum der Bremer Linkspartei“ spricht,
dann muss man fragen, wer hier der Narr ist.
Ermler macht Falschinformationen zum System,
aber – wie schon gesagt – , es geht ja gar nicht
um saubere Information, sondern um
Stimmungsmache. Für ihn gilt wie für andere
Schreiber seiner Denkrichtung: Unfähig zu
wirklicher politischer Auseinandersetzung, weil
sie die reale Situation in Israel/Palästina
nicht sehen wollen, reicht es zu nicht mehr als
zu ständiger Diffamierung. Auf sie trifft zu,
was der Israeli Moshe Zuckermann immer wieder
betont: Es geht ihnen gar nicht um das reale
Israel, von dem sie gar keine Ahnung haben,
sondern um das Austragen von deutschen
Befindlichkeiten.
Man darf nur hoffen, dass der Dr. Dr. Marcus
Ermler in seinen Lehrfächern Mathematik und
Informatik nicht genauso fahrlässig und
schludrig arbeitet, wie er das als Publizist
tut. Sonst muss man um die Qualität dieser
Fächer an der Bremer Universität sehr besorgt
sein.
4.08.2019
|