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Geheimsache Heron TP
Kampfdrohnen der Bundeswehr
sollen in Israel stationiert werden
Arn Strohmeyer
Sie können stundenlang über einem
ahnungslosen Ziel kreisen, es beobachten und dann mit
tödlicher Präzision vernichten: Kampfdrohnen. Israel ist auf
der Welt neben den USA führend bei der Produktion dieser
Tötungsmaschinen und setzt sie seit Jahren „erfolgreich“ im
Kampf gegen palästinensische „Terroristen“ ein. Die USA
benutzen diese heimtückische Waffe auch seit langem an allen
Fronten, wo die Weltmacht kämpft. Sie hat den „Vorteil“,
dass man den Einsatz aus Zentralen, die weit vom
Kampfgeschehen entfernt liegen, steuern kann und so keine
eigenen Verluste befürchten muss. Völkerrechtlich ist diese
Waffe höchst umstritten, weil überhaupt nicht geklärt ist,
ob ihr Einsatz sich wirklich gegen „Terroristen“ oder aber
legitime Kombattanten (legitime Widerstandskämpfer im Sinne
der Genfer Konventionen) richtet. In jedem Fall werden hier
ungesetzliche, außergerichtliche Todesurteile vollstreckt.
Außerdem sind die Kollateralschäden (sprich: der Mord an
unbeteiligten Zivilisten) sehr hoch.
Nun kommt eine erstaunliche Nachricht:
Die Bundeswehr kauft nicht nur die israelische Kampfdrohne
Heron TP (das war bekannt), sondern stationiert sie
in Israel. Und noch eine Überraschung: Die Bewaffnung der
dann „deutschen“ Drohnen bleibt auf israelische Anordnung
hin geheim. Die Quelle dieser Nachricht: die Antwort des
Verteidigungsministeriums in Berlin auf eine Anfrage der
Linksfraktion des Bundestages. Die Anschaffung dieser Waffe,
die ohnehin schon äußerst problematisch ist, wirft Fragen
auf: Warum diese Geheimniskrämerei um die Bewaffnung? Warum
werden die Drohnen ausgerechnet im Spannungsgebiet Israel
stationiert? Gegen wen sollen sie im Ernstfall eingesetzt
werden? Heißt es nicht im Grundgesetz in den Artikel 25 und
26: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht
vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker
zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges
vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe
zu stellen.“ Und noch eine Frage: Warum kauft das
Verteidigungsministerium die Drohnen nicht in den USA, wo
sie bei gleicher Qualität sehr viel preiswerter zu haben
gewesen wären?
Da auf offiziellem Weg keine weiteren
Informationen zu erhalten sind, sind Spekulationen Tür und
Tor geöffnet. Man erinnert sich an die Rede, die
Bundeskanzlerin Merkel im März 2008 vor der Knesset in
Jerusalem anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung des
Staates Israel gehalten hat. Darin erklärte sie nicht nur
die „historische Verantwortung für Israel als Teil der
deutschen Staatsräson“, sondern auch die „Sicherheit“ dieses
Staates. Aus dieser höchst problematischen Aussage ergibt
sich die enge – zumeist geheime – militärische
Zusammenarbeit mit Israel ganz automatisch, die im Übrigen
eine lange Vorgeschichte hat. Denn sie begann schon –
natürlich auch geheim! – 1952 (13 Jahre vor der Aufnahme
diplomatischer Beziehungen!) auf Veranlassung des damaligen
Verteidigungsministers Franz Josef Strauß (CSU). Dieser
legte nach dem Juni-Krieg 1967, der auch mit deutschen
Waffen geführt wurde und in dem Israel weitere arabische und
palästinensische Gebiete erobert hatte, folgendes sehr
zweifelhafte Bekenntnis ab: „Die deutsche Lieferung von
Waffen an Israel ist nicht nur eine Pflicht der
Wiedergutmachung, sondern eine Unterstützung Israels muss
gerade auf dem Gebiet, wo es um Blut geht, moralisch und
politisch von besonderer Tragweite sein. Weil Millionen
Juden durch deutsche Waffen umgebracht worden sind, ist das
ein Stück Wiedergutmachung auf dem ureigentlichen Gebiet,
auf dem im deutschen Namen besonders gesündigt worden ist.“
Wiedergutmachung für den Holocaust durch die Lieferung von
deutschem Tötungsgerät an Juden– das war die Moral der
damals in Bonn Regierenden!
Auch wenn man die militärische
Zusammenarbeit heute in der Regierung in Berlin sicher nicht
mehr so formulieren würde, in der Sache hat sich da nicht
viel geändert. Ein Israeli – der damalige Ministerpräsident
Levi Eshkoll – hatte es 1965 bei der Aufnahme der
diplomatischen Beziehungen so formuliert: Deutschland müsse
ewig an seiner Schuld tragen, denn die deutschen Verbrechen
an den Juden seien nicht sühnbar und legten Deutschland ein
ständige moralische Verpflichtung auf, die vor allem darin
bestehe, jeden möglichen Beitrag zur Stärkung Israels zu
leisten, nicht zuletzt Israel bei der für seine Verteidigung
nötigen Ausrüstung zu helfen.“
Diesen Anspruch hat die Bundesrepublik
bis heute getreulich und widerspruchslos erfüllt, und
deutsche Bundesregierungen handeln auch immer noch nach
diesem Prinzip. Nur hat sich die Sachlage teilweise
umgekehrt, denn Deutschland kauft heute auch – siehe die
Drohnen – Waffensysteme beim Groß-Rüstungsproduzenten und
militärischen Verbündeten Israel und muss sie vermutlich
teuer bezahlen, im Gegensatz zu den hochmodernen
Atomwaffen-fähigen U-Booten, die Israel geschenkt oder zum
Spottpreis überlassen wurden. Der Waffenhandel und die
militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten boomen
auf jeden Fall zum gegenseitigen wirtschaftlichen Vorteil,
so ist auch Airbus an dem Drohnen-Deal beteiligt. Aber man
darf ja wohl fragen: Was hat das alles mit der
„Verantwortung vor der Geschichte“ und der „Staatsräson für
Israels Sicherheit“ zu tun?
Die Merkelsche Formulierung, die deutsche
Staatsräson mit Israels Sicherheit zu verbinden, hatte
damals schon empörte Reaktionen ausgelöst. (Abgesehen davon,
dass der Begriff Staatsräson aus dem Wort-Arsenal des
Obrigkeitsstaates stammt und bedeutet, dass sich die Moral
immer den Machtinteressen des Staates unterzuordnen hat.)
Denn mit Merkels Aussage würde eine deutsche Regierung im
kriegerischen Ernstfall in ihren Entscheidungen nicht mehr
frei sein und müsste jedes von Israel entfachte militärische
Abenteuer mit allen Unwägbarkeiten und Risiken mitmachen.
Die von Merkel formulierte „Staatsräson für Israels
Sicherheit“ ist also eine selbst gestellte und äußerst
gefährliche Falle. Man stelle sich nur vor, dass Israel (wie
beabsichtigt) den Iran angegriffen hätte und Deutschland
hätte dabei als „Partner“ dabei sein müssen!
In diese Falle tappt die deutsche Politik
aber mit der Stationierung der „deutschen“
Heron-Kampfdrohnen mit geheimer Bewaffnung in Israel. Nimmt
man dazu die Fakten, dass die Bundeswehr zusammen mit der
israelischen Armee in Israel in nachgebauten
palästinensischen Dörfern den Häuserkampf übt und dass die
regierungstreuen Fernsehsender ARD und ZDF in letzter Zeit
mehrmals über die enge Zusammenarbeit mit Israel im
„Sicherheitsbereich“ berichtet haben, dann wird immer
klarer, gegen wen sich eine solche Politik richtet: Es
können nur die Palästinenser sein. Die deutsche Regierung
und die meisten deutschen Medien übernehmen dann auch gleich
die offizielle israelische Sprachregelung: Es gibt keine
besetzten Gebiete, es gibt keine Besatzung, keine
unterdrückten Palästinenser – im Land Israel ist alles
bestens in Ordnung, es führt eben nur einen Kampf gegen
„Terroristen“, und Deutschland ist ganz offensichtlich
bereit, sich daran zu beteiligen.
Diese Entwicklung hatte der Osnabrücker
Politologe Mohssen Massarrat schon vor Jahren vorausgesehen.
Er schrieb im Zusammenhang mit strategischen Überlegungen:
„Israel will eine Nuklearmacht Iran deshalb verhindern, um
mit seinem Atombombenmonopol nicht den eigenen
Handlungsspielraum für übergeordnete ideologische und
politische Ziele aus der Hand zu geben. [Was ja wohl heißt,
die Vormacht in der Region zu sein und ganz Palästina und
sogar auch noch Land darüber hinaus zu besitzen.] Und die
USA verfolgen das Ziel, die eigenen Hegemonialinteressen in
einer Region mit den bedeutendsten Öl- und Gasreserven der
Welt wieder herzustellen, die sie durch den Sturz des
Schah-Regimes und das Aufkommen der Islamischen Republik auf
dem Weg zu einer Regionalmacht nach dem Sturz von Saddam
Hussein teilweise verloren haben. Israels Monopol an
Atombomben bildet dabei einen substantiellen Bestandteil der
militärischen Vorherrschaft der USA in der Region.“
Und weiter: „Die ständig behauptete
Bedrohung der Existenz Israels stellt sich im Lichte dieser
Analyse als ein Popanz heraus, den Tel Aviv, Washington und
Berlin mit großem propagandistischen Aufwand aufgebaut
haben. Im Ergebnis legitimieren die USA und Deutschland auf
jeden Fall Israels Besatzungsmacht und dessen Monopol an
Atombomben. So gesehen erklärte Angela Merkel 2008 in der
Knesset nicht Israels Sicherheit, sondern eben dessen
Besatzungsmacht und nukleares Monopol, letztlich das
israelische Ziel eines Erez Israel zur deutschen
Staatsräson.“
Wie angesichts solcher Fakten die
deutsche Politik mit ihrer völlig auf Israel bezogenen
Einseitigkeit einen Beitrag zur Lösung des Konflikts mit den
Palästinensern leisten will, ist ihr Geheimnis. Der
palästinensische Intellektuelle Edward Said hatte schon im
Jahr 2002 geschrieben: „Gewiss, es war richtig, dass das
deutsche Volk Reparationen zahlte, aber warum glaubt man in
Deutschland, der vollkommen gerechtfertigte Kampf um die
palästinensische Selbstbestimmung ließe sich entweder
ignorieren oder nur mit bloßen Erklärungen hier und da
unterstützen? Die Deutschen sind aufgefordert, die
notwendige Verbindung zwischen ihrer Geschichte und unserer
zu ziehen (und die nicht zu leugnen) und dann den
notwendigen Schluss zu ziehen, Deutschland hat noch eine
Verantwortung [gegenüber den Palästinensern], der es sich
nicht länger entziehen kann.“
Was Said hier sagt, wäre eigentlich
Deutschlands moralische und politische Verpflichtung, wenn
es die „historische Verantwortung“ in Bezug auf seine
Vergangenheit ernst nehmen würde. Aber die enge politische
und militärische Komplizenschaft mit dem israelischen
Siedlerstaat weist in eine ganz andere Richtung und macht
alles Gerede über eine angestrebte Friedenslösung zu
sinnlosem Geplapper.
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