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Schweigen die Waffen oder folgt ein neues
High-tech-Massaker?
Das zionistische Dogma lässt ein friedliches
Zusammenleben mit den Palästinenser gar nicht zu
Arn Strohmeyer
Natürlich ist ein Waffenstillstand, wenn er
denn zustande kommt und eingehalten wird, zu begrüßen, weil
er viel menschliches Leid verhindern kann. Aber er wird -
wieder einmal - an den Realitäten im Nahen Osten nichts
ändern. Sie umzukrempeln in Richtung Frieden wäre die
eigentliche Aufgabe. Aber danach sieht es nicht aus. Die
Interessen der Stärkeren sprechen dagegen, und die der
Schwachen spielen ohnehin keine Rolle. Auch die
kommentierende Sicht von außen auf den Konflikt macht wenig
Hoffnung, weil sie so weit von der Realität entfernt ist.
Es ist in den meisten deutschen Medien alles
so einfach: Die „Terroristen“ haben wieder einmal
losgeschlagen und das friedliche Israel angegriffen. Die
Menschen dort „zittern in ihren Unterständen um ihr Leben“.
Israel ist wieder einmal das „Opfer“ und macht nur von
seinem „Verteidigungsrecht“ Gebrauch. Es wird erneut
„gezwungen“, „Krieg“ zu führen, um sein Überleben zu
sichern. Wer spricht eigentlich von den Leiden der Menschen
in Gaza? Nur merkwürdig: der Gegner dieses „Krieges“ hat gar
keine Armee, keinen einzigen Panzer, keinen einzigen
F-16-Bomber oder Apache-Hubschrauber, besitzt nur ein paar
primitive Raketen ohne Leit- und Zielsysteme, von denen die
meisten noch von der israelischen Abwehr abgefangen werden.
Das Ganze (etwa, wenn in Jerusalem die Alarmsirenen heulen)
entpuppt sich als großer Bluff, den Israels Regierungschef
Netanjahu braucht, um die bevorstehenden Wahlen zu gewinnen.
Das war mit dem Überfall auf Gaza 2008/09 genauso. Das
Etikett eines erfolgreichen Feldherrn fehlt Netanjahu noch,
um sich als der unumstrittene Führer Israels darzustellen.
Aber wie kann man von Verteidigung sprechen, während man den
einen Teil Palästinas (das Westjordanland) besetzt hält und
dort jeden Tag Land stiehlt, das einem nicht gehört und
gleichzeitig den anderen Teil (den Gazastreifen) genauso
völkerrechtswidrig seit sechs Jahren militärisch völlig
blockiert und abgeriegelt hat - zu Lande, zu Wasser und in
der Luft?
Nun kann man ja durchaus der Meinung sein,
dass die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen ziemlich
sinnlos sind und den Palästinensern nur selbst am meisten
schaden. Man kann aber auch die Position vertreten, dass sie
der verzweifelte Versuch von Menschen sind, ihre Ehre und
ihre Würde aufrechtzuerhalten. Denn was haben sie -
eingeschlossen von Elektrozäunen, belagert vom israelischen
Militär und dazu verurteilt, auf niedrigstem Niveau
dahinzuvegetieren - vom Leben und der Zukunft noch zu
erhoffen, da Israel sich jeder Friedenlösung und einer
Selbstbestimmung der Palästinenser verweigert? Die
Vorgeschichte und der Zusammenhang des Konflikts spielen in
der gegenwärtigen Debatte ohnehin nur am Rande eine Rolle.
Man tut so, als gäbe es so etwas wie ein autonomes Gebiet
Gaza, in dem die Menschen eigentlich ganz gut leben könnten
und gar keinen Grund hätten, gegen Israel vorzugehen. Und
als gäbe es in diesem „Krieg“ zwei gleich starke Seiten. Die
Wirklichkeit sieht ganz anders aus: eine der höchst
gerüstetsten Armeen der Welt kämpft hier gegen ein paar
Guerillas mit primitiven Raketen und gegen die
Zivilbevölkerung, auf die die „moralischste Armee der Welt“
noch nie Rücksicht genommen hat.
Wo wird einmal die Situation der
Palästinenser ehrlich beschrieben und auch Ursache und
Wirkung der Gewalt benannt? Die in Israel lebenden
Angehörigen dieses Volkes (immerhin 20 Prozent der
Bevölkerung) sind Bürger zweiter, wenn nicht dritter Klasse
- diskriminiert auf so gut wie allen Gebieten. Der Rest
dieses Volkes darbt seit über 60 Jahren in arabischen
Flüchtlingslagern oder hinter der Mauer - ein in Reservate
abgeschobenes Volk, in israelischer Sicht wertlose Menschen,
die eigentlich gar kein Recht auf Existenz, Selbstbestimmung
und Menschenrechte haben, weil sie die „Normalität“ und
Sicherheit Israels stören. Und dieser Staat, der die
Palästinenser aus ihrem Land vertrieben, sie entwurzelt und
ihre Gesellschaft zerstört hat, hat nie einen ernsthaften
Versuch gemacht, mit diesen Menschen einen gerechten
Ausgleich zu suchen, weil es Dogma der zionistischen
Ideologie ist: Das Land gehört uns, und von dem, was wir
ihnen (größtenteils mit Gewalt) genommen haben, geben wir
keinen Quadratmeter wieder ab. Die Palästinenser haben auch
nie eine Entschädigung für das ihnen abgenommene Eigentum
bekommen. Aber wer den israelischen Alleinanspruch auf das
Land leugnet, auf sein Recht pocht und sogar Widerstand
leistet gegen eine im höchsten Maße ungerechte und inhumane
Politik, der wird als „Terrorist“ gebrandmarkt und wird wie
jetzt der Hamasführer al Jabari liquidiert. Nationale
Interessen dürfen eben nur Israelis vertreten, aber nicht
die „anderen“.
Und dennoch ist Israel das „Opfer“, das sich
nur „verteidigt“. Der Israeli Jeff Halper hat die
Grundgesetze der israelisch-zionistischen Politik so
formuliert:
•„Israel, das Opfer des unversöhnlichen
Hasses von Seiten der friedensunwilligen Araber, kämpft um
seine Existenz. Da sie - und die Palästinenser im Besonderen
- unsere ewigen Feinde sind, ist der Konflikt eine
Alles-oder-Nichts-Situation: entweder“ wir“ gewinnen oder
„sie“.
•Der Kern des Konflikts ist der
palästinensische Terrorismus. Als friedensliebende Demokatie
und Opfer von Aggressionen trägt Israel keine Verantwortung
für Entstehung und Andauern des Konflikts. Da die Bedrohung
Israels existentiell ist und Israels Politik ausschließlich
der Sorge um seine Sicherheit gehorcht, ist es jeder
Verantwortlichkeit für seine Handlungen gemäß den
Konventionen von Menschen- und Völkerrecht oder
UN-Resolutionen enthoben.
• Es gibt keine Besatzung.
• Da eine politische Lösung nicht möglich
ist, muss bei jeder zukünftigen Regelung die Kontrolle über
das gesamte Land, einschließlich der Palästinenser, Israel
vorbehalten bleiben. Dennoch, um ein jüdischer Staat zu
bleiben, muss Israel einen palästinensischen Staat
etablieren, damit es sich demographisch von dieser
Bevölkerung ‚befreit‘. Dieser Staat muss allerdings aus
Sicherheitsgründen zurechtgestutzt und von Israel
eingekreist werden; er darf nicht lebensfähig und nur
semi-souverän sein.“
Das ist das zionistische Dogma und wer das
nicht akzeptiert und sich ihm unterordnet, ist eben ein
„Terrorist“. Genau das spielt sich jetzt beim Gaza-Konflikt
wieder ab: Anstatt die menschenverachtende und brutale
Politik gegenüber den Palästinenser zu beenden (deren Folge
die Raketenangriffe sind), die Blockade aufzuheben und in
wirkliche Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts
einzutreten, müssen die „Terroristen“ bestraft, müssen große
Teile des Gazastreifens erneut zerstört und die Bevölkerung
unendlichen Leiden ausgesetzt werden. Ziel ist das Brechen
ihres Widerstandsgeistes und ihre Unterordnung unter das
israelische Diktat. Die Gefahr ist groß, dass ein
Waffenstillstand nur vorübergehend andauert und die Bilanz
des „Krieges“ am Ende wieder ein „High-tech-Massaker“
(Norman Finkelstein) sein wird wie beim Überfall der
israelischen Armee 2008/09, als etwa 1400 Palästinenser
sterben mussten gegenüber 13 Israelis, von denen die meisten
durch eigenes Feuer umgekommen waren.
Für den Nahen Osten trifft offenbar Friedrich
Nietzsches Wort zu, dass alles eine „Wiederkehr des
Gleichen“ ist. Beendet werden könnte sie nur, wenn der
Stärkere, der auch zugleich der Besatzer und Unterdrücker
ist, „Vernunft“ annehmen würde, aber darauf kann niemand
hoffen. Und Deutschland? Es ist seine „Staatsräson“, auf der
falschen, der unmoralischen Seite zu stehen, weil es aus
einem verqueren Verständnis der Geschichte die Starken für
die Schwachen und die jetzigen Opfer und die wirklich
Schwachen für die Starken in diesem Konflikt hält. Eine
solche Verkennung der Wirklichkeit verstehe, wer will, aber
sie wird sich für Deutschland eines Tages bitter rächen. Was
nicht heißen soll, das Deutschland nicht auch Verantwortung
für Israel tragen muss, aber eine Unterstützung von dessen
selbstmörderischer Politik kann nicht im deutschen Interesse
liegen. Und aus den deutschen Verbrechen an den Juden folgt
sie schon gar nicht.
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