Presseboykott gegen die Nakba-Ausstellung in Bremen?
In der Hansestadt negieren die Medien das
Event/ Lobbyarbeit hatte offenbar Erfolg
Arn
Strohmeyer
Es
hat in der letzten Zeit viel berechtigte Medienschelte
wegen der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt
gegeben: westlich-einseitig, voreingenommen und
Russland- und Putin-feindlich. Warum wird dieselbe Frage
eigentlich nicht in Bezug auf die Berichterstattung über
den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern
gestellt? Hat man im deutschen Fernsehen je einen
Bericht über die Brutalität der israelischen
Besatzungspolitik gesehen oder dergleichen in einer
Zeitung gelesen? Über Landraub, Ausgangssperren,
nächtliche Razzien, Verhaftungen von Unschuldigen – auch
von Kindern, sowie über die Attacken von Siedlern und
Schikanen an den Checkpoints? Oder über palästinensische
Gefangene, die oft Monate oder Jahre lang in
Administrativhaft sitzen, ohne einen fairen Prozess zu
bekommen? Oder über das nackte Elend in Gaza? Da hören
der Mut und die Courage deutscher Journalisten denn doch
auf.
In Bremen
wird am 18. Februar in der zentralen Stadtbibliothek die
Nakba-Ausstellung eröffnet. Im Vorfeld sickerte aus
politisch gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen durch,
dass gewisse bekannte Lobby-Gruppen, die in anderen
Städten schon gegen die Ausstellung vorgegangen waren
und sie teilweise auch verhindern konnten, alles
versucht hätten, auch in Bremen, das stolz darauf ist,
eine weltoffene und tolerante Metropole zu sein, die
Ausstellung doch noch abzusetzen. Dass sie dennoch
stattfindet, ist nur der standhaften Leitung der
Stadtbibliothek zu danken. Deshalb haben sich die
gewissen Lobbygruppen offenbar ein anderes Vorgehen
einfallen lassen: Druck auf die Medien auszuüben, die
Ausstellung einfach zu negieren!
Die Veranstalter der Ausstellung – Bremer
Nahostgruppen, die Deutsch Palästinensische
Gesellschaft, das Bremer Friedensforum und das
Israelische Komitee gegen Häuserzerstörungen – hatten
für den 11. Februar zu einer Pressekonferenz eingeladen,
um über die Ausstellung zu informieren, und deshalb alle
in der Stadt befindlichen Redaktionen angeschrieben
(insgesamt 15) – darunter auch die Monopolzeitung
WESER-KURIER und Radio Bremen (Rundfunk und Fernsehen).
Es erschien niemand, was die gewissen Lobbygruppen
sicher jubeln lässt, für altgediente Journalisten aber
ein Novum ist: In einer Stadt, wo journalistisch sonst
jeder Pups wahrgenommen wird, ist die Nakba-Ausstellung
kein Thema? Dass das Zufall ist, ist höchst
unwahrscheinlich. Es hat nichts mit
Verschwörungstheorien zu tun, wenn man vermutet, dass da
hinter den Kulissen kräftig Lobby-Überzeugungsarbeit
geleistet worden ist. Oder fehlt den Bremer Journalisten
einfach die Courage, über so ein Thema zu berichten?
(Ausnahme war allerdings die TAZ, die vor einer Woche
ganz im Sinne der Lobby einen sehr einseitigen Artikel
unter dem Stichwort „Antisemitismus“ über die
Ausstellung brachte.)
So sei an
dieser Stelle gesagt, was die Bremer Medien nicht hören
wollen: Wir möchten Ihnen heute unsere Gründe und Motive
darlegen, warum wir die Nakba-Ausstellung nach Bremen
geholt haben, und möchten natürlich auch etwas zur
Ausstellung selbst sagen. Nakba heißt arabisch
Katastrophe und dieser Begriff steht heute für die
Vertreibung von 800 000 Palästinensern in den Jahren
1947/48, das war die Hälfte der Menschen dieses Volkes.
Diese von der damaligen zionistischen Führung ganz
bewusst und mit voller Absicht durchgeführte ethnische
Säuberung hat die palästinensische Gesellschaft und
Kultur, die in diesem Land seit Jahrhunderten bestand,
weitgehend zerstört und unendliches Leid über dieses
Volk gebracht. Ohne Kenntnis der Nakba kann man den
Nahost-Konflikt gar nicht verstehen. Und ohne eine
Lösung der Flüchtlingsfrage, die durch die Nakba und
spätere Vertreibungen entstanden ist, wird es keine
Lösung des Konflikts zwischen Israel und den
Palästinensern geben. Denn der Prozess, der damals
stattfand, setzt sich bis heute fort. Das Ziel der
Zionisten war und ist es, einen homogenen jüdischen
Staat zu schaffen – möglichst ohne arabische
Palästinenser. Schon der Begründer des Zionismus,
Theodor Herzl, hatte die Vertreibung der Palästinenser
ins Auge gefasst. Daran hat sich nichts geändert. Auch
heute werden in Israel noch Palästinenser vertrieben.
Übrigens hat kein Geringerer als Ariel Sharon immer
wieder gesagt: „Das Werk von 1948 ist noch nicht
abgeschlossen, wir müssen es noch vollenden.“
Uns ist
natürlich bekannt, dass die Ausstellung umstritten ist.
Es hat in einigen Städten von jüdischen Gemeinden, der
Deutsch-Israelischen Gesellschaft und antideutschen
Gruppen wütende Proteste dagegen gegeben. In mehreren
Orten wurde sie daraufhin auch abgesetzt. Es gibt aber
keine stichhaltigen Argumente gegen die Ausstellung.
Niemand hat die dort aufgezeigten Fakten wirklich
widerlegen können. Es ging bei diesen Protesten immer
nur darum, die dargestellten Fakten zu vertuschen und
eine Diskussion darüber gar nicht erst aufkommen zu
lassen. Die Ausstellung ergänzt und korrigiert die
offizielle israelisch-zionistische Darstellung der
Ereignisse des Jahres 1947/48, die sehr einseitig darum
bemüht war, keinen Schatten auf die Gründung des Staates
und die weitere Geschichte Israels fallen zu lassen.
Die
Ausstellung beruht – und das ist uns ganz wichtig zu
sagen – so gut wie ausschließlich auf den
Forschungsergebnissen von israelischen Historikern. Zu
nennen sind die Namen: Simcha Flapan, Benny Morris und
Ilan Pappe. Sie haben die Geschichte dieses
Zeitabschnitts erforscht, das dem in der Ausstellung
gezeigten Material zu Grunde liegt. Sie können das im
Ausstellungskatalog bestätigt finden. Natürlich gibt es
auch von palästinensischer Seite Äußerungen und Arbeiten
zur Nakba. Sie decken sich aber weitgehend mit den
Arbeiten der erwähnten israelischen Historiker. Dadurch
hat die offizielle israelische Darstellung viel von
ihrer Glaubwürdigkeit verloren.
Im
Zusammenhang mit dieser Ausstellung kommt natürlich
immer wieder der Antisemitismus-Vorwurf auf. Man muss
aber fragen: Was soll daran antisemitisch sein, wenn man
um die richtige wissenschaftliche Darstellung eines
Geschichtsabschnitts bemüht und darüber einen
öffentlichen Diskurs führt? Und wenn noch dazu die
wichtigsten Arbeiten zu diesem Thema eben von jüdischen
Israelis stammen?
Werfen
Sie nur mal einen Blick auf das Rahmenprogramm der
Ausstellung. Zur Eröffnung spricht neben der
palästinensischen Botschafterin der deutsch-jüdische
Psychologe Professor Rolf Verleger; bei der
Podiumsdiskussion debattiert auf unserer Seite die
israelische Historikerin Tamar Amar Dahl, die bedeutende
Bücher zur Geschichte des Zionismus geschrieben hat;
außerdem werden auf Vortragsveranstaltungen der schon
genannte israelische Historiker Ilan Pappe und der
israelische Anthropologe und Friedensaktivist Jeff
Halper aus Jerusalem sprechen. Da ist jeder Vorwurf des
Antisemitismus völlig absurd. Es ist wohl eher so, dass
die Gegner der Ausstellung das kritische und zum Frieden
bereite Israel, das es ja auch gibt, nicht zur Kenntnis
nehmen wollen. Ich möchte Sie deshalb bitte,
unvoreingenommen und vorurteilslos an die Ausstellung
heranzugehen.
Wir sind
sehr gespannt, ob die Bremer Medien den Boykott der
Ausstellung durch halten. Denn immer hin haben
Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer ein gutes
Recht darauf, über dieses Event in ihrer „weltoffenen
und toleranten Stadt“ informiert zu werden.