Arn
Strohmeyer - Offener Brief an das Präsidium der Jüdischen Gemeinde
in Bremen
Elvira
Noa, Renata Bas, Dr. Grigori Pantelejew
Sehr
geehrte Damen und Herren,
Sie haben in einem offenem Brief Herrn
Arno Hamburger dazu beglückwünscht, dass er das ihm verliehene
Bundesverdienstkreuz aus Empörung über die Verleihung dieses Ordens
an Felicia Langer zurückgegeben hat. Nun darf man durchaus seiner
Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass er das nicht schon viel
früher getan hat. Denn die Liste der Inhaber dieses Ordens weist
eine ganze Reihe von furchtbaren Altnazis auf, die im so genannten
Dritten Reich alle ihren Anteil an der Verwirklichung von Hitlers
Terror-Politik hatten, nach dem Krieg erneut hohe Positionen
bekleideten und offenbar durch diesen Orden wieder
gesellschaftsfähig gemacht werden sollten. Aber wenn Arno Hamburger
diese Gesellschaft nicht gemieden hat, dann ist das seine Sache.
Was Felicia Langer betrifft, so ist sie
ohne Zweifel eine streitbare Frau. Aber sie erzählt und schreibt
nicht irgendetwas, was sie sich ausgedacht hat. Sie weiß, wovon sie
spricht. Denn sie hat im Gegensatz zu Ihnen Jahrzehnte lang in
Israel gelebt und als Anwältin gearbeitet. Sie ist dort nicht im
zionistischen Mainstream mit geschwommen, sondern hat die
Schwächsten im jüdischen Staat vor Gericht verteidigt – die
Palästinenser. Sie hat also sehr genauen Einblick in das System, wie
diese Menschen in Israel behandelt werden und hat das öffentlich
gemacht. Ist das der Grund, warum man ihr von Ihrer Seite „Verrat“
vorwirft?
Als guter Kenner der Bücher von Felicia
Langer und Zuhörer mehrerer ihrer Vorträge weiß ich aber, dass ihr
ganzes Schreiben und Tun von einem zutiefst humanen Anliegen
geleitet wird. Ihr Ziel ist dabei immer, dass Israelis und
Palästinenser endlich – nach so vielen Jahrzehnten der blutigen
Gewalt – Frieden schließen, aber eben einen Frieden, der beiden
Seiten gerecht wird. Ihr Ansatz ist dabei ein völlig anderer als
der der offiziellen israelischen Politik. Was ja erlaubt sein muss,
denn zu welcher Politik einer Regierung in dieser Welt gibt es
keinen Widerspruch? Sie zieht wie sehr viele Juden in der ganzen
Welt aus dem Holocaust den Schluss, dass dieser Israel nicht zu
einer Politik der gnadenlosen Stärke ohne moralische Beschränkungen
berechtige. Aus der Shoa könne man nicht nur eine exklusiv jüdische
Folgerung ziehen, das Gedenken an dieses Menschhheitsverbrechen
müsse eine Sache der ganzen Menschheit sein. Das Vermächtnis des
Holocaust sei deshalb eine universell gültige Botschaft: Dass
überall in der Welt der Kampf gegen Gewalt, Unterdrückung,
Diskriminierung und Rassismus geführt werden müsse – ohne Ansehen
von Nation, Hautfarbe oder Religion, damit so etwas wie Auschwitz
nie wieder geschehen könne.
In diesem Sinne hat sie sich immer
wieder für einen Frieden im Nahen Osten eingesetzt, der auch der
viel schwächeren Seite in dieser Auseinandersetzung – eben den
Palästinensern – Gerechtigkeit verschaffen müsse. Und nur bei einer
solchen Lösung sieht sie die Zukunft Israels gesichert, was aber
voraussetzt, dass Israel die universell geltenden Menschenrechte
achtet. Ich denke, dass dies auch den besten Traditionen des
Judentums entspricht.
Einer solchen Lösung sieht sich auch
das „Bremer Netzwerk für gerechten Frieden im Nahen Osten“
verpflichtet und nicht einer „ungezügelten Israel-Kritik“, wie Sie
schreiben. Wir haben Felicia Langer – wie übrigens schon mehrere
Israelis – zu einem Vortrag eingeladen. Dabei haben wir Felicia
Lager zugehört und sie zu keiner Minute „euphorisch gefeiert“, wie
Sie behaupten. Anschließend haben wir mit ihr diskutiert, dabei
kommen immer auch Gegner unserer Position – also Verteidiger der
offiziellen israelischen Politik – zu Wort. Unsere Veranstaltungen
stehen grundsätzlich jedem offen. Nur Dialog kann im Nahen Osten zum
Frieden führen und auch die unterschiedlichen Standpunkte zwischen
uns hier in Bremen klären. In diesem Sinne sind wir auch jederzeit
zum Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde bereit.
Mit freundlichem Gruß
Arn
Strohmeyer
Der Brief der Jüdischen Gemeinde im Land
Bremen (pdf) >>>
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